ZOOM 6/1996
Oktober
1996

20 Jahre ARENA – was hat es gebracht?

Sicher war der „2 % Milleniumsanspruch“ im Zusammenhang mit „20 Jahre ARENA“ eine gut kalkulierte Übertreibung, und dennoch hatte er auch einen realistischen Kern.

„Wir sind 2% Millenium.“ Diese frechironische, auf das österreichweite Milleniumsgetue bezugnehmende Anspielung war der Titel einer bemerkenswerten Ausstellung und einiger anderer Veranstaltungen, die die ARENA-Leute zum 20. Jahrestag der Besetzung des Auslandsschlachthofes von St. Marx (= ARENA) gemacht hatten.

Beispielsweise hatte Hugo Portisch in seiner populären „Österreich II“-Fensehreihe über die Kreisky-Ära die ARENA-Besetzung des „heißen Sommers ’76“ (Gertrude Fröhlich-Sandner) als das Ereignis hervorgehoben, das neben der Zwentendorf-Abstimmung die zweite Hälfte der siebziger Jahre am meisten geprägt hatte. Und Bruno Kreisky selbst hatte Anfang Juni 1977 erklärt: „Es ist gar keine Frage, daß die ARENA-Bewegung in Wien – wenn man absieht von den politischen Konsequenzen, die manche daraus gezogen haben –, daß das ein elementares Ereignis war und daß die Gesellschaft gut beraten wäre, würde sie derartigem Raum geben.“ Und dann erklärte Bruno Kreisky, der ja kaum einen besonderen Hang zur Selbstkritik hatte, durchaus selbstkritisch, daß man dieser Entwicklung der Bewegung „nicht in befriedigender Weise entsprechen konnte“, daß man „nicht genügend bereit war, Lösungen zu finden“. Und er schloß sich ausdrücklich mit in den Kreis derer ein, die hier Fehler gemacht haben! (Grazer Kulturkontakte-Tagung)

Welchen Wahrheitsgehalt manche Politikererklärungen zur Zeit der dramatischen ARENA-Besetzung hatten – oder auch nicht hatten! –, wurde im Juni dieses Jahres exemplarisch deutlich: Der Anlaß zur Besetzung des ehemaligen Auslandsschlachthofes von St. Marx am 27. Juni 1976 war gewesen, daß dieser abgerissen und an seine Stelle ein Schöps-Modezentrum errichtet werden sollte. In dieser Sache erklärten nun die ARENA-BesetzerInnen und namhafte ArchitektInnen, die sich mit den Arenauten solidarisiert hatten, wiederholt, daß eine Umplanung des Schöps-Modezentrums auf das angrenzende Gelände des Inlandsschlachthofes, der damals ebenfalls leer stand und heute der Ort der ARENA-Nachfolge ist, leicht möglich sei. Und eine fachlich kompetente Arbeitsgruppe bot sich an, die notwendigen Umplanungen zügig und kostenlos durchzuführen. Die damaligen Exponenten der Stadt Wien– allen voran Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Hans Mayr – betonten immer wieder, daß solch eine Umplanung sachlich nicht möglich sei. 20 Jahre später, von einem Radio-Wien-Reporter nach den damaligen Möglichkeiten einer Umplanung befragt, erklärte der einstmals machtvolle und inzwischen in Pension gegangene Wiener SPÖ-Politiker Mayr, der dann übrigens immer seine schützende Hand über die entschärfte ARENA-Nachfolge im Inlandsschlachthof gehalten hatte, daß damals selbstverständlich eine Umplanung auf den Inlandsschlachthof leicht möglich gewesen wäre. Nur wollten die Stadtväter – bei der Stadtmutter Gertrude Fröhlich-Sandner war die Haltung etwas anders – einer Bewegung wie die ARENA-Besetzung im „heißen Sommer ’76“ aus grundsätzlich „polithygienischen“ (Mayr) Gründen keinen Raum geben. Und dann holte Hans Mayr in seinem Interview im Sommer dieses Jahres das alte diskriminierende Drogenumschlagplatz-Argument aus der Politiker-Mottenkiste wieder hervor.

Tatsache ist aber, daß die besetzte ARENA 1976 zu dem Ort geworden war, an dem sich in Österreich auf breiter Basis das formierte, was dann bald zu BürgerInnen- bzw. Basisinitiativen wurde. Erstmals hatten Jugendliche, Arbeitende, Lernende, Studierende, hatten Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, denen eine gravierende Entscheidung der Wiener Stadtverwaltung (= Abriß des industriehistorisch bedeutsamen Gebäudes des Schlachthofes von St. Marx) nicht akzeptabel erschien, ihre Sache selbst in die Hand genommen und sich gegen die Magistratsentscheidung gewehrt. Im Schlachthof wurde erstmals im Wien der Nachkriegszeit in Strukturen Selbstverwaltung geprobt und Demokratie wieder auf die Füße gestellt (von unten nach oben verlaufend). Erst im nachhinein wurde die Bedeutung dieses Versuches, der nicht frei von manchen Schwächen und Leerläufen war, in breiteren Kreisen erkannt. Spätestens ab dem Signal ARENA lief durch Wien ein bunter (roter, grüner, schwarzer, rosa u. a.) Faden der Aufmüpfigkeit – zu sehen war er in Zwentendorf, in der Gassergasse, im Amerlinghaus, in Hainburg oder an manchen anderen Orten.

Mit Recht oder Lust wiesen die ARENA-Leute vom Inlandsschlachthof auf ihr ereignisreiches 20jähriges Bestehen hin. Wie schon geschrieben: „Wir sind 2 % Millenium.“ Und die Resonanz auf diese forschen Aktivitäten war sehr gut. Gut vor allem auch für die ARENA selbst, der im Frühjahr als Clubbing-Opfer Ecstasy-Tote untergeschoben worden waren. Die ARENA wurde so zur Zielscheibe übelmeinender Angriffe. Die ARENA-Leute setzten sich zügig mit dem realistischen Kern der öffentlichen Angriffe auseinander und wehrten eine Krise geschickt ab. Und die gute PR des ARENA-Jubiläums im „Sommer“ dieses Jahres ließ frisches Gras über die leidige Sache wachsen.

Hervorhebenswert an dem ARENA-Jubiläum ist auch noch, daß die Gefahr, daß „20 Jahre ARENA“ zu einer Veteranenreihe degeneriert, vermieden wurde. „Wir sind 2 % Millenium“ hatte soviel Power, daß auch ein kommendes ARENA-Jubiläum keine sentimentale Sache werden wird.

Dieter Schrage gehörte zu den ersten ARENA-BesetzerInnen und war von der ersten Nacht bis zum Auszug am 9. Oktober 1976 Komitee-Mitglied.

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