Walter Erich Schäfer
Beiträge von Walter Erich Schäfer
FORVM, No. 111

Vom Beruf des Intendanten

März
1963

Es ist jetzt genau ein Jahr her, daß der Stuttgarter Generalintendant Prof. Dr. Walter Erich Schäfer von Herbert von Karajan zum Co-Direktor der Wiener Staatsoper gewonnen wurde. Die in unserer Zeitschrift damals geäußerten Zweifel an der „Tauglichkeit und Ergiebigkeit seines Zusammenwirkens mit (...) Sie wollen mehr Texte online lesen?
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Walter Erich Schäfer (* 16. März 1901 in Hemmingen; † 28. Dezember 1981 in Stuttgart) war ein deutscher Schriftsteller und Dramaturg. Von 1949 bis 1972 war er Generalintendant des Württembergischen Staatstheaters Stuttgart.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walter Schäfer wurde als Sohn von Friedrich Wilhelm Schäfer (1871–1951) und Hildegard Speidel (1874–1952) geboren. Nach seiner Schulzeit am Karls-Gymnasium Stuttgart schrieb er sich auf Wunsch seines Vaters, der an der Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim (heute Universität Stuttgart-Hohenheim) studiert hatte, dort ein, um ebenfalls Landwirtschaft zu studieren. Während seines Studiums in Hohenheim (1921–1924) wurde Schäfer Mitglied im Corps Germania. Aufgrund seiner bereits während der Schulzeit entwickelten Begeisterung für das Künstlerische – er hatte sich fürs Theater begeistert sowie Schauspiele und Prosa verfasst – begann er ein Zweitstudium an der Universität Tübingen. Nachdem er dieses mit der Promotion in Philosophie über „Die vergleichende Dramaturgie der griechischen und elisabethanischen Tragödie“ abgeschlossen hatte, widmete er sich ganz dem Theater.[1] 1925 war er zunächst in Stuttgart als Hilfsdramaturg mit kleinen Aufträgen befasst, 1928 fand er dann dort eine Anstellung als Dramaturg.

Schäfer heiratete 1925 in Stuttgart Irmgard Sigel (1902–1984), das Paar hatte vier Kinder. Er blieb stets Besitzer seines ererbten Hofes in der Hallertau bei Ingolstadt.

Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Machtübernahme durch die NSDAP und ihre Bündnispartner wurde Schäfer zunächst Dramaturg in Mannheim, anschließend war er als Dramaturg am Staatstheater in Kassel tätig.[2] Mit dem Ende der Aufnahmesperre beantragte er am 5. Juli 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.060.003).[3][2] Reichsdramaturg Rainer Schlösser beurteilte ihn 1937 als „wichtigen Aktivposten für die von mir vertretene nationalsozialistische Theaterpolitik“.[4]

Schäfers Schauspiel Der 18. Oktober (Uraufführung in München am 13. Februar 1932) wurde nach Angaben der Emigrantenzeitschrift Die Sammlung auf sämtlichen deutschen Bühnen gespielt.[2] In Lübeck wurde das Stück 1941, in bereits unruhigen Zeiten, gespielt, und zwar „anlässlich des Tages der Machtübernahme“ am 30. Januar.[5] Es ging darin um den Freiheitskampf gegen Napoleon.

Nach dem Ende des NS-Regimes wurde Schäfers Schauspiel Der Leutnant Vary (Dietzmann, Leipzig 1941) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt, obwohl es in der Aussage ein Antikriegsstück ist.[6][7] Florian Radvan fasst in einem taz Artikel Schäfers ambivalentes Verhältnis zum NS-Regime zusammen: „Sicher war der damalige Dramaturg und Schriftsteller Schäfer kein entflammter Nazi. Doch durch die fortwährende Bereitschaft, die nationalsozialistische Kulturpolitik durch neue Stücke aktiv zu unterstützen, signalisierte er zumindest eine Duldung des Regimes.“[8]

Schäfer entdeckte für sich auch das Radio als Kunstgattung. Nicht nur sein Hörspiel Malmgren / auch Malmgreen (1925) wird ein großer literarischer Erfolg – und ein Klassiker des „Frühen Hörspiels“, auch seine späteren Hörspiele wie Die fünf Sekunden des Mahatma Gandhi (1949) wurden häufig aufgeführt und werden auch heute noch gesendet.

Im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen Augsburg wurde am 12. März 1949 erfolgreich das „Zeitstück“ Die Verschwörung uraufgeführt (Regie: Stefan Dahlen), das Schäfer unter dem Pseudonym Werner Frank verfasst hatte. Schäfer siedelte das Stück, das die Geschehnisse des 20. Juli 1944 behandelte, im Berliner Gestapo-Hauptquartier an. Als zentraler Träger des Widerstands gegen Hitler fungiert ein SS-Brigadeführer. Das Schauspiel, das SS-Offiziere als wichtige Verbindungsmänner des Umsturzplans „Unternehmen Walküre“ zeigte, wurde von annähernd 40 deutschen Bühnen nachgespielt.

Im selben Jahr wurde Schäfer als Generalintendant an die Stuttgarter Staatstheater berufen. Er hatte dieses Amt bis 1972 inne. Das Angebot die Leitung der Berliner Staatsoper zu übernehmen 1959, lehnte er ab.[8] Beauftragt als „Sparkommissar“ und „Retter“ verstand er es, Talente zu erkennen, berühmte Künstler nach Stuttgart zu holen, sie ins Ensemble einzubinden und nachhaltig zu fördern. So gelang es ihm frühzeitig, den Dirigenten Carlos Kleiber an sein Haus zu binden. Carl Orff fand in Stuttgart eine Heimstätte für viele seiner modernen Werke. Wieland Wagner hat dort, an der Stuttgarter Oper, sein „Winter-Bayreuth“ gesehen, und er konnte außerdem manche Inszenierung erproben. Unter dem damals noch relativ unbekannten Choreografen John Cranko und mit Marcia Haydée als Primaballerina sowie Richard Cragun erlangte das Stuttgarter Ballett Weltgeltung.

Weniger spektakulär, aber ebenso bekannt wegen ihrer Neuerungen und Qualität entwickelten sich während dieser 23 Jahre Oper und Schauspiel in Stuttgart zu führenden deutschen und europäischen Bühnen mit zahlreichen Auslandsgastspielen.

Als Förderer der Jugend ermöglichte Schäfer Hohenheimer Studenten regelmäßig den kostenfreien Besuch von Aufführungen der Staatstheater. Sein Hauptziel war es, ein modernes Regietheater mit vielen Uraufführungen zu schaffen, und er verstand es, Vertrauen in begabte Künstler zu setzen und mit seinem Ensemble ein treues Publikum zu begeistern. Er starb 1981 in Stuttgart und gilt weiterhin als einer der international profiliertesten Theaterintendanten des 20. Jahrhunderts.

Nachlass[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 2009 ist Schäfers Nachlass Teil des Staatsarchiv Ludwigsburg. Dieser umfasst neben Manuskripten, Publikationen, Feuilletonbeiträgen, Reden auch biographische Notizen, Korrespondenzserien und Aufführungsfotos.[9]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schauspiele

  • Echnathon, 1925 (Engelhorn Verlag)
  • Richter Feuerbach, 1930 (Engelhorn Verlag)
  • Der 18. Oktober, 1932 (Dieck Verlag)
  • Schwarzmann und die Magd, 1933 (Engelhorn Verlag)
  • Der Kaiser und der Löwe, 1934 (Dietzmann-Verlag)
  • Das Feuer, 1934 (Dietzmann-Verlag)
  • Der Feldherr und der Fähnrich (UA Mannheim 1936)
  • Die Reise nach Paris, 1936 (Dietzmann-Verlag)
  • Die Kette, 1938 (Dietzmann-Verlag)
  • Der Leutnant Vary, 1940 (Dietzmann-Verlag) / Erschienen auch als Der Leutnant Rougier
  • Theres und die Hoheit, 1940 (Dietzmann-Verlag), auch verfilmt
  • Die Verschwörung, 1949 (Dietzmann-Verlag)
  • Hora Mortis, 1948 (Deutsche Verlagsanstalt)

Hörspiele

  • Malmgreen, 1925, in: „Sprich, damit ich dich sehe“, Frühe Hörspiele, 1962 (Paul List Verlag), Tonband (SDR/SWR)
  • Die fünf Sekunden des Mahatma Gandhi, 1948 (Europ. Verlagsanstalt, Hörspielbuch 1), Tonband (SDR/SWR)
  • Der Staatssekretär, ca. 1949, Manuskript und Tonband (SDR/SWR)
  • Konferenz in Christobal, ca. 1950, Manuskript (SDR/SWR)
  • Spiel der Gedanken, 1951 (Europ. Verlagsanstalt, Hörspielbuch)
  • Die Himmelfahrt des Physikers M.N. 1958 (Europ. Verlagsanstalt, Hörspielbuch)
  • Die Nacht im Hotel, 1966, Manuskript (SDR/SWR)

Prosa

  • Die zwölf Stunden Gottes. Erzählung. Engelhorn Verlag, Stuttgart 1925.
  • Letzte Wandlung. Novellen. Engelhorn Verlag, 1928.
  • Das Regimentsfest. Erzählung. Engelhorn Verlag, 1933.
  • Die Heimkehrer. Erzählungen. Staakmann Verlag, Leipzig 1944.
  • Bühne eines Lebens. Erinnerungen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1975, ISBN 3-421-01733-6.
  • Kleine Wellen auf dem Fluß des Lebens: meine Geschichten. Deutsche Verlagsanstalt, 1976, ISBN 978-3-421-01761-1.
  • Die Mutter des Schauspielers. Roman. Deutsche Verlagsanstalt, 1981, ISBN 3-421-06052-5.

Bildbände und Monographien

  • Günter Rennert, Regisseur in dieser Zeit. Schünemann Verlag, 1962.
  • Martha Mödl. Friedrichverlag, 1967.
  • Wieland Wagner. Persönlichkeit und Leistung. Rainer Wunderlich Verlag, 1970.
  • Die Stuttgarter Staatsoper 1950–1972. Neskeverlag, 1972, ISBN 3-7885-0023-9.

Gesammelte Werke

  • Schauspiele, Hörspiele; 2 Bände, 1967 (Deutsche Verlagsanstalt)

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paul Eiermann: Geschichte der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim und des Hohenheimer S. C. Chronik der beiden Hohenheimer Corps „Germania“ und „Suevia“ zum 90. Stiftungsfest der „Germania“. Stuttgart-Hohenheim 1961.
  • Manfred G. Raupp: Fuchsenfibel des Corps Germania Hohenheim. 2006.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • John Cranko: Über den Tanz. Gespräche mit Walter Erich Schäfer. S. Fischer, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-10-014301-9.
  • Ulrike Krone-Balcke: Schäfer, Walter Erich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 513 f. (Digitalisat).
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 513.
  • Karl Ulrich Majer, Herbert von Strohmer (Hrsg.): Walter Erich Schäfer zum 16. März 1971. Festschrift. Neske, Pfullingen 1971.
  • Florian Radvan: Eine deutsche Theaterkarriere. Der Dramatiker und Generalintendant Walter Erich Schäfer. Wissenschaftlicher Verlag Trier (WVT), Trier 1999, ISBN 3-88476-359-8.
  • Walter Erich Schäfer: Bühne eines Lebens. Erinnerungen. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1975, ISBN 3-421-01733-6.
  • Michael Molnar, Karlheinz Fuchs: Ausstellungsreihe „Stuttgart im Dritten Reich: Die Machtergreifung“, 1983.
  • Alexander Werner: Carlos Kleiber. Eine Biografie. 3. aktualisierte Auflage. Schott Music, Mainz 2014, ISBN 978-3-254-08416-3. Darin: Ausführliche Darstellung der Ära Kleiber in der Intendanzzeit Schäfers und dessen Beziehung zu Kleiber in Stuttgart.
  • Thomas Aders: SeelenTanz. John Cranko und das Wunder des Balletts. Books on Demand, Norderstedt 2020, ISBN 978-3-7504-3165-2

Dokumentationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karl Ulrich Majer (Buch), Walter Rüdel (Regie): Walter Erich Schäfer oder Die Theatertaten eines Gutsherrn aus Niederbayern, ca. 30 min, ZDF

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Schäfer Walter Erich – Detailseite – LEO-BW. Abgerufen am 11. Juli 2020.
  2. a b c Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 513.
  3. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/36700684
  4. Zitat bei Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 513.
  5. Jörg Fligge: „Schöne Lübecker Theaterwelt.“ Das Stadttheater in den Jahren der NS-Diktatur. Schmidt-Römhild, Lübeck 2018, ISBN 978-37950-5244-7. S. 264–267, 574; hier S. 265 f.
  6. polunbi.de.
  7. Zur Inszenierung und Anpassung des Stückes vgl. Jörg Fligge: „Schöne Lübecker Theaterwelt.“ Das Stadttheater in den Jahren der NS-Diktatur. Schmidt-Römhild, Lübeck 2018, ISBN 978-3-7950-5244-7. S. 266 f.
  8. a b c Florian Radvan: Mit Chinesen muß man chinesisch reden. In: Die Tageszeitung: taz. 23. Januar 1999, ISSN 0931-9085, S. 15 (taz.de [abgerufen am 11. Juli 2020]).
  9. Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg – Findbuch PL 727: Nachlass Walter Erich Schäfer – Einführung. Abgerufen am 11. Juli 2020.
  10. Kleist-Preis | Literaturpreis Gewinner. Abgerufen am 11. Juli 2020 (deutsch).