radiX, Aussendungen
März
2003

Anarchie statt Ba’thismus!

Warum wir sowohl den Krieg als auch seine GegnerInnen ablehnen

Die Ökologische Linke (ÖKOLI) hat bereits Ende 2002 in einer Erklärung festgestellt, dass wir den militärischen Sturz eines faschistischen Regimes wie das Ba´th-Regime Saddam Husseins für grundsätzlich gerechtfertigt und legitim halten. Allerdings haben wir auch Bedenken geäußert, dass die einzige Legitimität eines solchen Schrittes, der nicht ausschließlich in der Vermutung von nicht näher definierten Massenvernichtungswaffen, sondern nur in einer umfassenden Demokratisierung des Iraq liegen kann, aufgrund der Nachkriegspläne der USA nicht gegeben wäre.

Auch wenn wir uns nie Illusionen über die Beweggründe eines Militärschlags gegen Saddam Hussein gemacht haben, so hielten wir auch die Hoffnung, die der Konkret-Herausgeber Hermann Gremliza bereits beim Golfkrieg 1991 formuliert hatte, dass die Falschen aus falschen Gründen diesmal das Richtige tun könnten für durchaus legitim. Schließlich wurde auch der 2. Weltkrieg von den Allierten nicht nur aus Gründen des Antifaschismus geführt, sondern bestand auch in einem innerimperialistischen Konkurrenzkampf. Trotzdem führte er zur Niederlage Deutschlands, Italiens, Japans und ihrer Marionettenstaaten und damit zum Ende der deutschen Todesfabriken.

Auch wenn wir Saddam Hussein nicht als 2. Hitler sehen, so verbindet seine Ideologie und sein Herrschaftsapparat sehr viel mit der völkischen Ideologie und Praxis des Nationalsozialismus aber auch der anderen europäischen Faschismen. Ein totalitär die Bevölkerung kontrollierender und integrierender Machtapparat, der sich einem völkischen Nationalismus verschrieben hat, der sich gegen Kurdinnen und Kurden, Iranerinnen und Iraner wendet und nicht zuletzt ein moderner Antisemitismus der sich gegen Jüdinnen und Juden im Iraq, aber auch gegen Israel und Jüdinnen und Juden weltweit richtet und die demokratische, linke und fortschrittliche Opposition mit brachialer Gewalt und hunderttausenden Toten zerschlagen hat, rechtfertigt den militärischen Sturz dieses Regimes.

Allerdings ist ein solcher Krieg, der wiederum zu zehntausenden Toten auch unter der Zivilbevölkerung führen wird, nicht leichtfertig vom Zaun zu brechen. Nichts anderes als ein Sturz des Ba´th-Regimes der über das bloße Auswechseln der Staatsführung hinaus geht und eine umfassende Demokratisierung einleiten müsste würde einen solchen Krieg, mit all den damit verbundenen Leider der iraqischen Bevölkerung rechtfertigen. Die in den letzten Wochen bekannt gewordenen Pläne der US-Regierung sprechen aber eine andere Sprache. Während sich die iraqische Opposition einen Sturz des gesamten Regimes anstrebt, erklärte die US-Regierung, sie wolle die bestehenden Verwaltungsstrukturen in Iraq vorerst erhalten und große Teile der ba´thistischen Nomenklature im Staatsapparat belassen. Diese Ankündigung und die Unterstützung die einige ex-ba´thistische Generäle, die erst vor wenigen Jahren dem Regime den Rücken gekehrt hatten und teilweise massiv in die ba´thistischen Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verwickelt waren, seit einiger Zeit von Seiten der USA genießen, sorgten in den Reihen der iraqischen Opposition für massive Kritik. Wichtige Sprecher der prowestlichen Opposition wie Ahmed Chalabi oder Kanan Makiya sprachen in wichtigen US-amerikanischen und britischen Zeitungen vom Verrat der USA an der iraqischen Opposition.

Tatsächlich kann sich die iraqische Opposition gut an die langjährige Unterstützung der USA, aber auch Deutschlands und anderer westeuropäischer Staaten für das Regime Saddam Husseins erinnern. Daraus resultierte von Anfang an eine gewisse Skepsis gegenüber den US-Plänen, den faschistischen Diktator diesmal auch wirklich zu stürzen. Für die Iraqische Kommunistische Partei war dies von Anfang an Grund genug, sich gegen den Krieg zu stellen. Die wichtigsten kurdische Parteien, KDP und PUK zögerten mit ihrer Unterstützung für die US-Kriegspläne, sahen aber letztlich in einem Sturz Saddam Husseins durch die USA eine Chance, den Despotismus zu besiegen und den Iraq in einen zumindest halbwegs demokratischen und föderalistischen Staat zu transformieren. Umso bitterer ist es für diese Opposition nun bereits vor Beginn der Militärintervention von der zukünftigen Politik des Landes ausgeschlossen zu werden. Für die kurdische Bevölkerung im partiell befreiten Nordiraq könnte so ein US-Sieg zu einem Pyrussieg verkommen. Ein prowestlicher ba´thistischer Iraq hätte es wesentlich leichter die Autonomie des Nordiraq militärisch zu beseitigen, als ein international geächtetes Regime. Zudem stellt das Grüne Licht für die türkische Armee im Nordiraq militärisch zu intervenieren für die kurdische Zivilbevölkerung eine akute Bedrohung dar.

Zur Zeit scheint für die Regierung George W. Bushs lediglich eine außenpolitische Neuorientierung des Iraq zurück zu einem prowestlichen Ba´thismus Kriegsziel zu sein. Für uns ist ein solcher ba´thistischer Iraq unter US-Besatzung, in dem nicht viel mehr als der Austausch einiger Eliten geschehen wird, keine ausreichende Rechtfertigung für einen Krieg gegen den Iraq.

Zugleich wollen wir aber auch nicht in den Chor der deutsch-europäischen Friedensbewegung einstimmen, der sich als (deutsche) Regierungspolitik und in ihrem außerparlamentarischen Flügel auf der Straße zuallererst als antiamerikanische und antiisraelische Bewegung formiert hat. Auch in Wien wurden, obwohl dies von iraqischen KommunistInnen scharf kritisiert wurde, iraqische Fahnen mit dem von Saddam Hussein angebrachten Schriftzug „Allah akbar“ mitgetragen.
Selbstverständlich durften palästinensische Fahnen und Transparente, die wahlweise den israelischen Ministerpräsidenten Sharon oder den US-Präsidenten Bush mit Hitler gleichsetzten, nicht fehlen. Auch in staatlichen österreichischen Medien wie dem ORF werden Leute, die teilweise seit Jahren einen hasserfüllten Feldzug gegen Israel und die USA führen und ein arabisches Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer fordern, als Friedensengel gefeiert, weil sie sich einige Tage als „menschliche Schutzschilder“ vor Kraftwerke und andere militärstrategisch wichtige Ziele im Iraq setzten. Kein Journalist fragte dabei nach wer den Aufenthalt der „Schutzschilder“ vor Ort finanzierte und in wessen Interesse sie agierten. Die naiveren Teile dieser Schutzschildbewegung, die erst als das Regime vor Ort ihnen erklärte, dass sie sich nicht in Spitäler, sondern gefälligst vor militärisch wichtigere Ziele zu begeben hätten bemerkten, dass es sich beim Iraq um keine Demokratie handelt, sind mittlerweile wieder (medial weitgehend unbemerkt) ins sichere Europa zurückgekehrt.

Diese Friedensbewegung „übersieht“ teils aus Naivität, teils aus antiamerikanischem und antiisraelischem bis antisemitischem Hass, dass auch die deutsch-europäische „Friedensposition“ nichts anderes als Interessenspolitik ist.
Während die USA ihre ökonomischen und machtpolitischen Interessen in der Region durch einen militärischen Sturz Saddam Husseins besser gewahrt sehen, sieht der konkurrierende deutsch-europäische Imperialismus seine Interessen durch eine Beibehaltung der bestehenden Machtverhältnisse besser gewahrt. Für deutsche und österreichische Firmen, die teilweise noch Ende 2002 militärisch nutzbares Material in den Iraq lieferten, wird sich die wirtschaftliche Belohnung, so die Kalkulation der deutsch-europäischen Eliten, durch eine bessere wirtschafltiche Ausgangspositionen im Iraq und darüber hinaus in vielen anderen arabischen Staaten, noch einstellen. Im Pariser Protokoll von 1954 mußte sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichten, auf den Besitz und die Entwicklung chemischer Kampfmittel zu verzichten - und wieder war es die deutsche Rüstungsindustrie, die allerlei Tricks und Wege fand, dieses Verbot zu umgehen, als es darum ging, den Iraq mit „Ungeziefervernichtungsmittel“ und dem Know How zu seiner Herstellung und Benutzung zu versorgen. Seit dem März 1988 ist bekannt, daß auf die kurdische Stadt Halabja der größte Giftgasangriff seit dem Ersten Weltkrieg geflogen wurde: von irakischen Flugzeugen, beladen mit chemischen Kampfstoffen, an deren Herstellung deutsche Firmen beteiligt waren. Auch österreichische Firmen sind teilweise wirtschaftlich mit dem Irak verbunden, gerade vor wenigen Wochen wurde bekannt dass eine Kärntner Firma noch bis Ende 2002 unter Umgehung des UN-Embargos Exporte in den Irak getätigt hat.
Nicht umsonst hatte Österreich vor wenigen Jahren in Baghdad einen Außenstelle der Bundeswirtschaftskammer errichtet.

Linke, die hier nicht mehr den Feind im eigenen Land sehen, sondern in einem Bündnis mit den deutsch-europäischen Eliten den Hass auf Israel und die USA schüren, haben sich längst zu Knechten des „eigenen“ Imperialismus gemacht und verfolgen keine anderen Interessen mehr als jene des deutsch-europäischen gegen den US-amerikanischen Kapitalismus.

Einer radikalen Linken bleibt hier die Position der radikalen Kritik, die sich weder für die Interessen des deutsch-europäischen Kapitalismus und seiner Verbündeten, noch für die Interessen der US-amerikanischen Kapitalfraktion missbrauchen läßt.

Nieder mit dem Ba´th-Regime!
Nieder mit dem deutsch-europäischen und US-amerikanischen Imperialismus!
Nieder mit einem sich antiimperialistisch gebenden Antisemitismus!
Für Befreiung und herrschaftslosen Kommunismus!

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