Wurzelwerk, Wurzelwerk 25
November
1983
Nord-Süd-Dialog:

Auch eine ökologische Notwendigkeit

Die UNCAT VI — die große Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen — die im Juni d.J. in Belgrad stattfand, war vor allem für die armen Entwicklungsländer enttäuschend. Die Industrienationen sind mit eigenen wirtschaftlichen Sorgen belastet, sodaß sie für die Probleme der ganz armen Länder nicht mehr allzuviel übrig haben. Dabei sitzen alle im selben Boot. Der Planet Erde steuert einer ökologischen Katastrophe entgegen, die noch in diesem Jahrhundert ganz energische Gegenmaßnahmen erfordert, soll die Menschheit überleben können. Die Wüsten sind ständig im Wachsen und alljährlich wird eine weitere Fläche von der Größe der Bundesrepublik Deutschland zur Wüste. Größere Wüstenflächen bewirken Erhitzung der Luft auf einer größeren Fläche. Die erhitzte Luft steigt nach oben, nach unten fließt andere Luft ein. Größere Temperaturunterschiede bewirken größere Druckunterschiede, und größere Druckunterschiede haben größere Luftmassentransporte (also Windgeschwindigkeiten) zur Folge. Größere Luftmassenbewegungen können auch mehr Regenwolken transportieren. Deshalb nehmen nicht nur Stürme und Orkane (die Dächer abdecken und andere Schäden an Gebäuden, Freileitungen, Bäumen usw. verursachen) zu, sondern auch die Überschwemmungen, wie die Dürrekatastrophen. (Wenn nämlich in einer Gegend zu viel Regen fällt, so fehlt dieser meist in einer anderen Region).

Fast täglich wird berichtet, wie in den regenarmen Gebieten Tiere verenden und Menschen verhungern. Das müßte doch ein unübersehbares Signal sein, etwas gegen die Ausbreitung der Wüsten zu tun. Daß auch trostlose Wüsten wieder zu grünem, fruchtbarem Land gemacht werden können, hat Israel bewiesen. Doch unser heutiges Bodenrecht verhindert, daß Wüsten fruchtbar gemacht werden können. Eine Einzelperson kann natürlich keine Oase in der Wüste schaffen. Selbst für einzelne Staaten ist die Aufgabe zu groß. Es ist hier unbedingt eine internationale Zusammenarbeit notwendig, Doch beim Nord-Süd-Dialog werden solche Probleme nicht angeschnitten. Vermutlich hält man die Rekultivierung der Wüsten für eine Utopie. Aber diese Utopie ist notwendig, wenn die Menschheit im 21. Jahrhundert nicht zugrunde gehen will. Machen wir also das, was technisch möglich ist, auch politisch möglich. Die westliche Welt leidet unter größter Arbeitslosigkeit. Natürlich ist auch die östliche Welt nicht von ökonomischen Schwierigkeiten frei. Überall sieht man Not und Hunger. Dabei könnte diese Erde mehr als zehn Milliarden ernähren, wenn man den grünen Planeten wirklich pflegen und nicht plündern und ausbeuten würde. Man konnte bei Überschwemmungen beobachten, daß Raubtiere über andere Tiere nicht herfielen. Die gemeinsame Not hat eine gewisse Solidarität aufkommen lassen. Auch zerstören Tiere nie ihre Existenzbasis in so frivoler Weise wie der Mensch. Hoffen wir also, daß der homo sapiens wirklich ein vernünftiger Mensch ist bzw. wird und 5 Minuten vor 12 noch die notwendigen Maßnahmen trifft. Wie müßte die Lösung aussehen? Zuerst müßten die Meteorologen und Geophysiker in West und Ost ihre Stimme erheben und mit aller Eindringlichkeit darauf hinweisen, daß weltweit gegen die sich anbahnende ökologische Katastrophe etwas unternommen werden muß. Dann müßten die Politiker entsprechende Vorarbeiten leisten. Vor allem müßte den „Wüstenbesitzern“ klar gemacht werden, daß es für sie ein Vorteil wäre, wenn sie Wüstenflächen auf einen Dauer- oder Erbpacht an große Genossenschaften abträten. Die einzelnen Mitglieder der Genossenschaften würden dann entsprechend ihrem materiellen und arbeitsmäßigen Einsatz eine entsprechende Landmenge zugeteilt bekommen. Da die Fruchtbarmachung mit erheblichen Kosten verbunden ist, hätten dann die „Pioniere“ oder „Kolonisatoren“ oder wie immer man diese Neuland schaffenden Menschen bezeichnet, auf Jahrzehnte hinaus ihren Erbpacht bezahlt. „Freie Bahn dem Tüchtigen“, beziehungsweise „Freies Land dem Tüchtigen“ würde es dann heißen. Es käme zu einem Wirtschaftswachstum mehr als nach dem 2. Weltkrieg. Und dieses Wirtschaftswachstum wäre nicht mit einer Zerstörung oder Belastung der Umwelt verbunden, sondern mit der Sanierung der Erde. Eine Klimaverbesserung würde in den von Dürre geplagten Ländern eintreten. Aber die Klimaverbesserung würde sich auch auf die übrige Welt ausdehnen und auswirken. Viel Arbeit gäbe es vor allem für die schwarze Bevölkerung, weil diese mehr Hitze ertragen kann. Jeder Mensch, der auf diese Welt kommt, braucht Erde, Luft und Wasser. Ohne Luft kann der Mensch nur wenige Minuten leben, ohne Wasser nur wenige Tage und ohne Nahrung nur wenige Wochen. Es ist deshalb jeder Mensch, um wohnen und sich ernähren zu können, vom Boden abhängig. Deshalb ist der Zugang zum Boden ein Naturrecht. Und die Chancengleichheit, von der heute so viel gesprochen wird, verlangt, daß alle Menschen nach den gleichen Bedingungen Zugang zum Boden haben. Der Hunger auf der Welt ist in erster Linie auf unser heutiges Bodenrecht (richtiger Bodenunrecht) zurückzuführen. Denn wohl die meisten, die heute in den Slums der Großstädte jämmerlich dahinvegetieren müssen, wären sehr froh, wenn sie ein Stückchen Land bewirtschaften dürften, um so von sich und den Angehörigen den Hunger fern halten zu können. Das wäre dann wirklich eine kausale Bekämpfung des Hungers und der Not. Spenden sind bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein! Die sich anbahnende ökologische und politische Katastrophe verlangt ein Umdenken. Man muß neuen Ideen und Gedanken zwar kritisch aber ohne Vorurteil gegenüber treten. Nur, wenn wir bereit sind alte, ausgetretene Pfade zu verlassen und geistiges Neuland zu betreten, dürfen wir hoffen in letzter Minute aus der trostlosen Sackgasse herauszufinden.

aus: „Neue Ordnung“ No. 33

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