Grundrisse, Nummer 7
September
2003

Ausländer/innenbeschäftigungspolitik und Migration

Zur Rolle des österreichischen Gewerkschaftsbundes und zur Bedeutung von Migration aus Weltsystemperspektive

Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die politischen Auseinandersetzungen, die Anfang der 1960er Jahre am Beginn der Ausländerbeschäftigung in Österreich standen. Daran anschließend werden beispielhaft Bestimmungselemente der gewerkschaftlichen Haltung zur Ausländerbeschäftigung aufgezeigt. Abschließend wird die Bedeutung von Migration aus Weltsystemperspektive zur Interpretation der möglichen Ursachen dieser gewerkschaftlichen Grundhaltung skizziert.

1. Die historische Entwicklung: Ausländer/innen als Tauschobjekt und Manövriermasse der Sozialpartner

In den Jahren 1960 und 1961 fanden in Österreich maßgebliche Veränderungen im Bereich der Ausländerbeschäftigung statt. Ausgelöst wurden diese Veränderungen durch den Wunsch, mehr ausländische Arbeitskräfte zu beschäftigen, gleichzeitig aber sollte der Zugang dieser Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt staatlich gesteuert und geregelt sein. Vor diesem Hintergrund begannen zwischen dem österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und der Bundeswirtschaftskammer Verhandlungen über ein Ausländerbeschäftigungsgesetz. Diese Bemühungen schlugen jedoch fehl, das Gesetz kam nicht zustande.

Statt dessen einigten sich der ÖGB und die Bundeswirtschaftskammer im Anschluss an das Raab-Olah-Abkommen von 1961 auf die sogenannte Kontingentvereinbarung. Sie wurde 1962 erstmals wirksam und regelte die Ausländerbeschäftigung bis zum Inkrafttreten des Ausländerbeschäftigungsgesetz 1976. Weiterhin aufrecht blieb daneben die Verordnung über die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte aus dem Jahr 1933. Sie wurde seit 1960 durch Erlässe modifiziert und galt ab diesem Zeitpunkt als Einzelgenehmigungsverfahren.

Die Kontingentvereinbarung bedeutete nun folgendes: nach Branchen gegliederte Kontingente für ausländische Arbeitskräfte, der Umfang der Kontingente wird von den Sozialpartnern jedes Jahr neu verhandelt und für die Ausländerbeschäftigung im Rahmen der einmal festgelegten Kontingente muss die Lage des Arbeitsmarktes nicht mehr geprüft werden. Für jede/n darüber hinaus zu beschäftigende/n Ausländer/in im Rahmen des Einzelgenehmigungsverfahrens blieb die Prüfung des Arbeitsmarktes jedoch aufrecht.

In diesem Sinne ermöglichte die Kontingentvereinbarung zum einen eine erweiterte Ausländerbeschäftigung, zum anderen konnte durch restriktive Vorschriften der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt jederzeit beschränkt werden. [1]

Die Interessenskonstellationen der Akteure und die politische Auseinandersetzung im Feld der Arbeitsmarktpolitik

Zum Verständnis der Rolle des ÖGB bei der Gestaltung und Modifizierung der Ausländer/innenbeschäftigungspolitik in Österreich ist es notwendig, einen Blick auf die politischen Akteur/e/innen, ihre Interessenspositionen und -konstellationen, auf die Formen ihrer Interaktionen sowie auf die politische Arena selbst zu werfen. [2] Thematisch wird Ausländer/innenbeschäftigungspolitik dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik zugeordnet, wobei die Arbeitsmarktpolitik ihrerseits als Teilbereich der Sozialpolitik gilt. [3] Zu den politischen Akteuren zählten zu Beginn der 1960er Jahre die Interessensvertretungen der Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen sowie das Bundesministerium für soziale Verwaltung . [4] Die Form der Zusammenarbeit zwischen den genannten Akteuren [5] bildete einen zentralen Bestimmungsfaktor für die Gestaltung der Arbeitsmarkt- und der Ausländerbeschäftigungspolitik. Gleichzeitig zu institutionalisierten Interaktionen in Beiräten oder Kommissionen war die informelle Praxis der Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Diese informelle Kooperation kam bei der arbeitsmarktpolitischen Gesetzgebung [6] generell zur Anwendung, [7] kennzeichnete jedoch die Verhandlungen über die Ausländerbeschäftigung in besonderem Maße und spielte beim Zusammenwirken von Bundesministerium für soziale Verwaltung und Arbeitnehmerinteressensvertretungen eine besondere Rolle. [8]

Das Politikfeld Arbeitsmarkt war zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1960er Jahre die Arena heftiger Auseinandersetzungen zwischen den Interessensvertretungen. Die Auseinandersetzungen kreisten dabei um die Standpunkte liberal versus reguliert. Während die Bundeswirtschaftskammer eine liberale Arbeitsmarktpolitik ohne Einfluss und Mitsprache des ÖGB anstrebte, versuchte dieser seinen Wunsch nach einem staatlich-regulierten Modell auf dem Wege einer engen Kooperation mit dem sozialdemokratisch geleiteten Bundesministerium für soziale Verwaltung sowie durch die Etablierung einer korporatistischen Politik zu realisieren. Diese Positionen bestimmten auch den Werdegang der Gestaltung der Ausländerbeschäftigung.

Die Auseinandersetzung um die arbeitsmarktpolitische Gestaltung kennzeichnete maßgeblich den Prozess der Institutionalisierung der Sozialpartnerschaft. Die Zulassung von ausländischen Arbeitskräften im Rahmen des Raab-Olah-Abkommens erfolgte im Abtausch gegen die Vertiefung der Zusammenarbeit innerhalb der Paritätischen Kommission und bildete mithin einen Bestandteil der Intensivierung der Kooperation zwischen den Interessensvertretungen. [9]

Die kontroversiellen Forderungen der Interessensvertretungen bezüglich der wirtschaftspolitischen Ausrichtung des Arbeitsmarktes fanden ihre Entsprechung in Vorstößen zur Schaffung eines Arbeitsvermittlungsgesetzes [10] in Verbindung mit Forderungen nach einer „aktiven Arbeitsmarktpolitik“, [11] die von der Arbeitnehmervertretung ausgingen. Der ÖGB verfolgte dabei die Absicht einer Kopplung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Ausländerbeschäftigung.

Auf dem Weg zur Kontingentvereinbarung

Die Integration Österreichs in das fordistische Akkumulationsmodell nach dem zweiten Weltkrieg [12] trug mit dazu bei, dass die Ausweitung der Produktion durch den Ende der 1950er Anfang der 1960er Jahre auftretenden Arbeitskräftemangel sowie durch den daraus resultierenden Druck die Löhne in den Niedriglohnbranchen erhöhen zu müssen, gefährdet schien. [13] Vor diesem Hintergrund verlangte die Bundeswirtschaftskammer bereits seit Mitte der 1950er Jahre eine Ausweitung der Beschäftigung durch die Zulassung von Ausländern. [14] Der ÖGB – im Verbund mit dem Bundesministerium für soziale Verwaltung und den Landesarbeitsämtern [15] – leistete gegen dieses Bestreben bis Anfang der 1960er Jahre heftigen Widerstand und setzte ab diesem Zeitpunkt alternativ auf die Mobilisierung und den `Schutz` der nationalen Arbeitskraftreserve: Personen aus der Land- und Forstwirtschaft, sogenannte schwer vermittelbare Personen sowie von Saisonarbeitslosigkeit Betroffene sollten durch ein Bündel von Maßnahmen [16] aktiviert und dadurch in den Arbeitsprozess (re)integriert werden. Doch schließlich kam die Forderung nach ausländischen Arbeitskräften auch aus den eigenen Reihen des ÖGB: Der Bau- und Holzgewerkschaft und der Tourismusgewerkschaft. Daraufhin legt der ÖGB – gegen den Willen der Bundeswirtschaftskammer – im Frühjahr 1961 Saisonkontingente für die beiden Bereiche fest. [17] Mittels Saisonarbeitskräften und der Idee, jährlich Kontingente je Branche festzusetzen – der zentralen Vorstellung, die der ÖGB auch in den mit dem Bundesministerium für soziale Verwaltung gemeinsam erarbeiteten ersten Gesetzesentwurf von 1960 einbrachte [18] – beabsichtigte der ÖGB die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte im je spezifischen Bedarfsfall. Diese Pläne zur Ausgestaltung der Ausländerbeschäftigung verweisen aber auch auf die grundsätzliche Bereitschaft der Gewerkschaft Maßnahmen zur Ausweitung des Arbeitskräftepotentials dann mitzutragen, wenn dies konjunkturell erforderlich schien und einen Beitrag zur Sicherung der Profitraten leistete.

Die Bundeswirtschaftskammer wünschte also einen möglichst einfachen und flexiblen Zugang zu ausländischer Arbeitskraft, der ÖGB ein an der Schweizer Praxis orientiertes restriktiv zu Hand habendes Rotationsmodell, das gesetzlich regelt, dass „die ausländischen Hilfskräfte nach Ende der Saison auch wirklich das Land verlassen.“ [19] Bereits hier wird deutlich, dass der ÖGB an einer dauerhaften Verankerung ausländischer Arbeitnehmer im österreichischen Arbeitsmarkt keinerlei Interesse hatte.

Beiden Positionen stand jedoch bis zu den Neuregelungen Anfang der 1960er Jahre die Verordnung über die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte aus dem Jahr 1933 entgegen, die die legistische Grundlage der Ausländerbeschäftigung bildete. Gemäß der Verordnung musste nämlich für jeden Ausländer ein überaus kompliziertes Anwerbeverfahren durchgeführt werden. Sie war 1945 mittels Rechtsüberleitungsgesetz ins österreichische Recht übernommen und durch 3 Erlässe (1946, 1948 und 1951) modifiziert worden. [20]

Im Dezember 1959 hob der Verfassungsgerichtshof die drei Erlässe auf [21] und nahm dies zum Anlass, den Gesetzgeber aufzufordern, ein neues Ausländerbeschäftigungsgesetz zu schaffen. In enger und informeller Kooperation wurde das Gesetz vom Bundesministerium für soziale Verwaltung und den Arbeitnehmerinteressensvertretungen ausgearbeitet. [22]

Was waren nun die Gründe für das Scheitern der Verhandlungen über ein neues Ausländerbeschäftigungsgesetz Anfang der 1960er Jahre? Der ÖGB wollte das Ausländerbeschäftigungsgesetz als Teil einer arbeitsmarktpolitisch integrierten und sozialpartnerschaftlich-regulierten Arbeitsmarktpolitik sehen. Er forderte z.B., dass für den Arbeitgeber im Rahmen des geplanten Gesetzes bei Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung auch die Verpflichtung bestehen könnte, Inländer anzulernen oder inländische Nachwuchskräfte auszubilden, [23] sodass „eigene Arbeitskraft keinen Schaden erleide.“ [24] Das mittelfristige Ziel hieß also: Substitution von Ausländern durch Inländer. Zudem wünschte der ÖGB die Interessensvertretungen als Entscheidungsträger für die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte und begründete dies mit dem Hinweis auf die Tradition der paritätischen Zusammenarbeit seit 1946 in diesem Bereich. [25] Die Bundeswirtschaftskammer kritisierte sämtliche Maßnahmen, die einen liberalisierten und flexiblen Einsatz ausländischer Arbeitnehmer/innen beschränkten. Politisch lehnte sie die Mitsprache der Gewerkschaften in der Frage der Ausländerbeschäftigung strikt ab und begründete dies mit ihrer Forderung nach Wirtschaftsliberalismus auch im Bereich des Arbeitsmarktes. [26]

Nachdem das angestrebte Gesetz nicht zustande gekommen war und der Ruf der Wirtschaft nach flexibler Arbeitskraft immer lauter wurde, trafen im September 1961 der damalige Gewerkschaftspräsident Olah und der Bundeswirtschaftskammerpräsident Raab die Vereinbarung, im folgenden Jahr 47.000 ausländische Arbeitskräfte im Rahmen von Kontingenten auf den österreichischen Arbeitsmarkt zuzulassen. Die Konjunkturentwicklung auf dem Arbeitsmarkt hatte den Wert dieser ausländischen Arbeitskräfte als politisches Tauschobjekt zwischen ÖGB und Bundeswirtschaftskammer beträchtlich steigen lassen. Für das Ja des ÖGB zur Zustimmung zu einer erweiterten Ausländerbeschäftigung gab die Bundeswirtschaftskammer grünes Licht für eine Intensivierung der Zusammenarbeit in der Paritätischen Kommission, konkret die Zustimmung zu einem Unterausschuss für Lohnfragen. Die Bundeswirtschaftskammer zahlte für die Zulassung der Ausländer keinen kleinen Preis, hatte sie doch die Paritätische Kommission lediglich als „kurzfristige Notmaßnahme“ [27] angesehen und stets ihre weitgehende Etablierung gefürchtet. Aber auch der ÖGB hatte kein schlechtes Geschäft gemacht. Zum einen hatte er sein politisches Ziel, die Institutionalisierung der Sozialpartnerschaft, nahezu erreicht, zum anderen war es ihm gelungen, in den Verhandlungen über die Kontingentvereinbarung für ihn zentrale Forderungen durchzusetzen. Zu den wichtigsten zählten restriktive Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von ausländischen Arbeitskräften und damit die kurz- und langfristige, jederzeitige Kontrolle des Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt sowie die Fixierung der Diskriminierung ausländischer Arbeitskräfte gegenüber Inländern. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass letzteres Ziel auch mit den Interessen der Bundeswirtschaftskammer übereinstimmte.

Im Folgenden wird beispielhaft gezeigt, warum davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der dargestellten Haltung des ÖGB nicht um eine Eintagsfliege, sondern um spezifische Elemente in der gewerkschaftlichen Haltung zur Ausländerbeschäftigung handelt, die ungeachtet bedeutender historischer Veränderungen in verschiedenen konkreten Politikformen zu beobachten sind.

2. Bestimmungselemente gewerkschaftlicher Ausländer/innen/ beschäftigungspolitik [28] im politischen Wandel: Ausgrenzungs- und Abwertungsbestrebungen

Eine zentrale Frage, die der Gestaltung sämtlicher Regelwerke zur Ausländer/innen/beschäftigungspolitik zugrunde zu liegen scheint, fokussiert die Stärke der Elastizität von Einschluss und Ausschluss, also den Charakter der Wirkungsweise, der diese Instrumente prägt. [29] Stellte z.B. die Kontingentvereinbarung gegenüber den bis zu ihrem Inkraftreten gültigen Bestimmungen eine Erweiterung der Möglichkeiten der Ausländerbeschäftigung dar, so wirken die gegenwärtigen Instrumente zum einen abschottend gegenüber Flüchtlingen und illegalen Migrant/en/innen, zum anderen ermöglichen sie einen kurzfristigen, konjunkturabhängigen Einsatz von ausländischer Arbeitskraft wie auch deren Ausgliederung aus dem Arbeitsmarkt. Die Ausgestaltung des Einschluss/Ausschluss-Gedankens wird maßgeblich durch die kurz- und mittelfristigen ökonomischen Entwicklungen bestimmt und zielt zum einen darauf, welche konkreten Funktionen ausländische Arbeitskraft annehmen kann und soll, zum anderen gewährleistet sie gleichermaßen die grundsätzliche Funktion ausländischer Arbeitskraft: die Optimierung der Anpassung des Faktors Arbeit an die sich wandelnden Bedingungen der Kapitalakkumulation.

Die gewerkschaftlichen Bestrebungen bei der Gestaltung der Regelwerke und Gesetze zur Ausländer/innen/beschäftigungspolitik konkretisierten sich auch entlang eben dieser Fragestellung. Die Gewerkschaften sahen es dabei als ihre Aufgabe an, jene Teile der Arbeitnehmer/innen, die innerhalb der nationalstaatlichen Grenzen und versehen mit der zugehörigen Staatsbürgerschaft arbeiteten, gegenüber den anderen Teilen der Arbeitnehmer/innen, den ausländischen Arbeitskräften gleichsam in den Rang von Arbeitnehmer/innen „erster Klasse“ zu erheben. Diese nationalstaatsbezogene und den kapitalistischen Verwertungsbedingungen angepasste Interessensvertretungspolitik für inländische Arbeitskräfte, bedeutete in ihren Konsequenzen eine Vertiefung der gewachsenen, historischen Ungleichheit [30] zwischen ansässigen und mobilisierten Arbeitnehmer/innen. Dies konkretisiert sich nun zum einen in Bestrebungen ausländischen Arbeitskräften nur bedingt Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt zu gewähren, zum anderen bedeuten die unterschiedlichen Funktionen der ausländischen Arbeitskraft auch deren Abwertung. Der erste Aspekt wird in Forderungen zur Regelung und Beschränkung des Arbeitsmarktes [31] ebenso deutlich wie in gegenwärtigen Wünschen nach „einem geordneten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt (...) im Zuge der EU-Erweiterung“ [32] die „nicht zu Lasten der ArbeitnehmerInnen ausfallen“ [33] dürfe. Zustimmungen zu einer Ausweitung der Ausländerbeschäftigung scheinen mit der Durchsetzung von Eigeninteressen sowie mit vermuteten akzeptablen Auswirkungen auf die inländischen Arbeitskräfte verbunden. So fungierten beispielsweise die ausländischen Arbeitskräfte der 1960er Jahre als Förderinstrument für die soziale Aufwärtsmobilität der Inländer/innen. Der zweite Aspekt ist durch die spezifischen und historisch unterschiedlichen Funktionen gekennzeichnet, die mobilisierte Arbeitskraft annahm und annimmt wie beispielsweise die der mobilen Reservearmee oder die des Konjunkturpuffers.

Die folgenden Beispiele dienen der Darstellung der Ausgrenzungs- und Abwertungsbestrebungen in ihrem Wandel, konkretisiert in den sich verändernden Funktionen der ausländischen Arbeitskraft.

Bereits während der 1. Republik hatten die sozialistischen `Freien Gewerkschaften` im Zeichen der herannahenden Weltwirtschaftskrise ein Gesetz zum `Schutz` der inländischen Arbeiterschaft vor der Konkurrenz ausländischer Kolleg/en/innen durchgesetzt, das 1925 beschlossene „Inlandsarbeitsschutzgesetz.“ [34] Das Gesetz machte die „Beschäftigung eines ausländischen Arbeiters, Angestellten, Hausgehilfen oder Lehrlings von einer behördlichen Genehmigung abhängig, die nur dann erteilt werden durfte, wenn dies die `Lage des Arbeitsmarktes` zuließ und `wichtige Interessen der Volkswirtschaft` es erforderten.“ [35]

Die Zielsetzung, den Arbeitsmarkt abzuschotten, findet sich auch im Ausländerbeschäftigungsgesetz von 1976 wieder, das unter der Federführung des ÖGB ausgearbeitet wurde. Der Anstoß zum Gesetz von 1976 war der Wunsch, die hohe Beschäftigungsrate ausländischer Arbeitskräfte [36] drastisch zu verringern. Im Lichte einer weltweiten Rezession sollte die Last der Krise, die steigende Arbeitslosigkeit, exportiert werden. Unter anderem verblieb durch den Abbau ausländischer Arbeitskräfte die inländische Arbeitslosigkeit in der Folge auch relativ niedrig [37] und inländische Arbeitsplätze konnten erhalten werden. [38] Das Gesetz trug also wesentlich dazu bei, dass die ausländischen Arbeitskräfte als Konjunkturpuffer dienten und die Folgen der Wachstumskrise abmilderten indem ein Teil der Rezesssionkosten in Form von Arbeitslosigkeit den peripheren Ländern aufgebürdet wurde. [39]

Das Ausländerbeschäftigungsgesetz von 1976 verfügte – wie schon die Kontingentvereinbarung – über ausreichend Elastizität, sodass 1977, 1980, 1985 und in besonders starkem Ausmaß zwischen 1988 und 1990 erneut Ausländer/innen ins Land geholt wurden. Allerdings unterschied sich ihre Funktion grundsätzlich von der ihrer Kolleg/en/innen während der 1960er Jahre. Die ausländischen Arbeitskräfte der 1960er Jahre waren ein Instrument der Förderung sozialer Mobilität inländischer Arbeitskräfte gewesen, indem sie in das unterste Segment eines in allen Stufen expandierenden Arbeitsmarktes [40] einbezogen wurden. Sie ermöglichten durch die Übernahme der schlecht bezahlten Arbeitsplätze den sozialen und beruflichen Aufstieg der inländischen Arbeitskräfte im Einverständnis mit den Unternehmern. [41]

Ganz anders Ende der 1980er Jahre. Der Aufschwung 1988 war Teil der Auflösung des fordistischen Akkumulationsmodells und begleitet von steigender Arbeitslosigkeit. [42] Die neugeschaffenen Jobs und die deregulierten Arbeitsplätze waren in der Tendenz prekär: schlecht entlohnt, sozial nur beschränkt abgesichert und vielfach temporär. Der Einsatz der ausländischen Arbeitskräfte in diesem Bereich des Arbeitsmarktes verzögerte und verhinderte teilweise die Annahme der verschlechterten Bedingungen durch die inländischen Arbeitskräfte und bewahrte diese vor einem unmittelbaren Abstieg. [43] Auch dieses Beispiel lässt deutlich werden, dass die Zustimmung der Gewerkschaft zur Öffnung des Arbeitsmarkts für ausländische Arbeitskräfte unter nunmehr stark veränderten Bedingungen u.a. wiederum darauf abzielte, die Bedingungen für inländische Arbeitskräfte, wenn auch zu diesem Zeitpunkt nicht zu verbessern, so doch wenigstens in etwa konstant zu halten.

Gegen die vom Bundesministerium für soziale Verwaltung 1976 formulierte und von den Gewerkschaften historisch als evident erkannte Gefahr, dass „der bequeme Einsatz der Ausländer den Zwang zur Ausschöpfung des inländischen Arbeitskraftpotentials erspar[e]“, [44] kämpfte die Gewerkschaft auch während der 1990er Jahre an. Als im Zuge der Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzs 1990 das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgeschlagene und vom ÖGB unterstützte „Höchstzahlenmodell“ [45] auf Grund der Ablehnung durch die Bundeswirtschaftskammer nicht zustande kam, sondern die Ausländerbeschäftigung lediglich durch eine 10% Quote begrenzt wurde, verlagerte der ÖGB seine Aktivitäten zur Interessensdurchsetzung ins Innenministerium. 1993 wurde das bis dahin gültige Passgesetz durch das Aufenthaltsgesetz ersetzt. Dieses legte in §2, Abs.1 eine jährlich festzusetzende Quote für Aufenthaltsbewilligungen fest, die auch für die Familienzusammenführung oder ausländische Student/en/innen galt [46] und dadurch den Neuzugang von ausländischen Arbeitskräften im Sinne des ÖGB begrenzte. [47]

Abschließend werden nun einige Gedanken über die Ursachen und die Beweggründe dieser Ausgrenzungs- und Abwertungsbestrebungen aus weltsystemischer Perspektive dargelegt.

3. Migration aus Weltsystemperspektive: Überlegungen zu den Ursachen der Bestimmungselemente gewerkschaftlicher Ausländerbeschäftigungspolitik

Die im folgenden Abschnitt dargestellte Interpretation von Migration aus Weltsystemperspektive versucht Aspekte zu skizzieren, die einen Beitrag zur Erhellung und Erklärung der gewerkschaftlichen Abwertungs- und Ausgrenzungsbestrebungen und mithin auch zu deren Kritisierbarkeit leisten können. Migration wird dabei nicht aus dem Blickwinkel des einzelnen Individuums betrachtet, der Nationalstaat oder die Nationalstaaten sowie kurzfristige Betrachtungszeiträume stehen nicht im Zentrum des Interesses. Die vorgeschlagene Perspektive ist strukturell, global und historisch orientiert und zielt auf die Frage der Bedeutung von Migration für die kapitalistische Akkumulation. Nachgezeichnet werden daher die Gründe für den Transfer von Arbeitskraft sowie die Strategien zur Legitimierung struktureller Ungleichheit, die als eine der zentralen Folgen der Mobilisierung von Arbeitskraft betrachtet wird.

Eine Analyse von Migration auf Basis der Weltsystemtheorie geht davon aus, dass Migration integraler Bestandteil der seit dem „`langen` 16. Jahrhundert“ [48] andauernden kapitalistischen Expansion war und ist. Weshalb erfordert nun aus Weltsystemperspektive die kapitalistische Akkumulation Migration? Die Gründe dafür liegen in dem Umstand, dass einzig menschliche Arbeitskraft Wert erzeugt und in der kapitalistischen Produktionsweise selbst, einer „Produktionsweise, vermittels derer innerhalb multipler Strukturen eine endlose Akkumulationsdynamik um des Profites willen (und nicht um der Gebrauchswertproduktion willen)“ [49] dominiert, die Mehrwert aus Arbeitskraft durch die Produktionsmittelbesitzer abschöpft und die darüber hinaus „die Aneignung des volkswirtschaftlichen Überschusses (Surplus) der gesamten Weltwirtschaft durch die Länder des Zentrums“ [50] bedeutet. Der kapitalistischen Produktionsweise inhärent ist das Phänomen wiederkehrender Stagnation, ausgelöst durch das Kernproblem des Kapitalismus: die Kosten der Arbeitskraft. Zeichnet sich Stagnation ab, bedeutet dies, dass die maximal zu erzielende Mehrwertproduktion an ihre Grenzen stößt und die „Gesamt-Profitrate in der Weltwirtschaft“ [51] in Frage steht. Das kapitalistische Bestreben zielt daher darauf, Arbeitskraft in ausreichender Menge, „am rechten Ort“ [52] und zu möglichst geringen Kosten verfügbar zu machen. [53] Zur Wiederherstellung und zur Sicherung der Profite und ihrer ungleichen Verteilung wurden die Grenzen der in Europa ihren Anfang nehmenden kapitalistischen Weltwirtschaft fortgesetzt ausgedehnt. Die regionale Ausweitung bot die Möglichkeit neue und kostengünstige Arbeitskraft in die kapitalistische Produktionsweise zu integrieren, [54] wobei diese Integration die Verwertung der Arbeitskraft vor Ort und/oder ihren Transfer in andere Gebiete bedeutete. Der Verwertung vor Ort wie dem Transfer ging die teilweise oder vollständige Loslösung der Arbeitskräfte von ihren agrarischen Subsistenzquellen voraus.

Weshalb aber muss Arbeitskraft transferiert werden? Die dem Kapitalismus eigene expansive Akkumulationsdynamik führt zu einer Bewegung und Konzentration von Kapital und schafft Regionen mit stetig wachsendem Bedarf an kostengünstiger Arbeitskraft, ein Bedarf der durch die ansässige (zu teure) Arbeitskraft nicht gedeckt werden kann. Der Zusammenhang zwischen Migration und kapitalistischer Expansion erscheint in Weltsystemperspektive als Kreislauf; zur Senkung der Arbeitskosten wird expandiert, die fortgesetzte Expansion und Konzentration von Kapital hängen wiederum von der örtlichen Neupositionierung billiger Arbeitskraft ab. [55] Die schrittweise Eingliederung sämtlicher Regionen in die sich herausbildende kapitalistische Arbeitsteilung peripherisierte viele Gebiete, blockierte deren eigenständige Entwicklung und führte zu einer zunehmenden Polarisierung der Weltregionen in Zentren, Semiperipherien und Peripherien. Dieser Prozess schloss jedoch Veränderungen von Positionen in diesem Gefüge im Zeitverlauf keineswegs aus. [56] Der Verlauf der Um- und Neustrukturierung des kapitalistischen Produktions- und Verwertungsprozesses dauert auch gegenwärtig an, [57] seine aktuelle Erscheinung und Wirkungsweise wird mit dem Begriff Globalisierung verdunkelt.

Fußte die sich herausbildende Rangreihung der Weltregionen auf dem Transfer kostengünstigerer und mobiler Arbeitskraft, so schuf die Hinzuziehung ebendieser Arbeitskraft auf den bestehenden Arbeitsmärkten der jeweiligen Länder der Regionen eine weitere Hierarchie: Die Spaltung des Arbeitsmarktes in ein primäres A- und ein sekundäres B-Segment. Das A-Segment umfasst die besser entlohnten und das B-Segment die schlechter entlohnten Tätigkeiten, letzterer Wert war und ist jedoch für die Kapitalakkumulation überaus bedeutsam.

Die gewerkschaftliche Konzentration auf und ihre Interessensvertretungspolitik für inländische Arbeitskraft forciert diese Segmentierung der Arbeitsmärkte. Der Interessensvertretung für Inländer/innen (gegen besondere Zumutungen des kapitalistischen Verwertungssystems) bei gleichzeitiger Anpassung an dasselbe entspricht die Abwertung und Ausgrenzung der ausländischen Arbeitskraft. Dies bedeutete und bedeutet aber auch die Abwertung und Ausgrenzung spezifischer Aspekte von Arbeit für die kapitalistische Produktion, kurz all jener Tätigkeiten und Personen, die nicht dem Bild des männlichen, weißen Industriearbeiters entsprachen und entsprechen. [58]

Der Bogen des Arbeitskräftetransfers spannt sich nun von der Sklaverei der Afrikaner/innen und Zwangsarbeitsmigration und Wanderarbeit in Lateinamerika, Afrika und Asien über das Kulisystem, die Abwanderung qualifizierter Arbeiter/innen aus der Peripherie [59] und die Arbeitsmigration der 1960er und 1970er Jahre in die europäischen Zentren bis zur gegenwärtigen Saisonmigration von Nordafrikaner/innen nach Südfrankreich oder der Arbeitnehmerentsendung auf Werkvertrags- und Subunternehmerbasis von Osteuropa in die EU. Die zur Mobilität genötigte wie die am Ort verbleibende Arbeitskraft wurde in unterschiedliche Arbeitsformen wie Sklaverei, Leibeigenschaft, Kombinationen aus Subsistenzerwerb und Lohnarbeit sowie Lohnarbeit in Verbindung mit Reproduktionsarbeit gezwungen. Die Verknüpfung dieser divergenten Arbeits- und Produktionsformen zu einer einzigen kapitalistischen Arbeitsteilung ermöglichte eine fortgesetzt ungleiche Profitverteilung zugunsten der Länder des Zentrums [60] sowie ein, wenn auch bescheidenes Wachstum der Löhne der Arbeiter/innen in den Zentren.

Migration ist in diesem Sinne also Ursache und Folge globaler, struktureller Ungleichheit.

Im Rahmen der Weltsystemtheorie wird nun gefragt, wie die (weitgehende) Akzeptanz dieser globalen Ungleichheit, die auch die Vorstellung des gemeinsamen Interesses von Arbeitnehmer/n/innen und Arbeitgeber/n/innen an der Kapitalakkumulation einschließt, hergestellt werden konnte, besonders da seit der Französischen Revolution der Liberalismus als die dominante Ideologie immer mehr an Bedeutung gewann. [61] Die globale wie nationalstaatliche Rangreihung und Ungleichbehandlung der Arbeitskräfte erforderte eine Ideologie, die im Stande war, den Widerspruch zwischen ungleichen Arbeitsformen und Einkommensverteilungen zum einen und der Doktrin von Menschenrechten, Freiheit, Gleichheit und Demokratie zum anderen scheinbar zu überwinden und zu rechtfertigen. Mittels Rassismus wurde ein Set von (veränderbaren) Identifikationsmerkmalen geschaffen, das die Zuordnung zu ökonomischen Rollen „ethnisierte“ und ihre asymmetrische Verbindung zueinander durchsetzte und festigte. „Rassismus war die ideologische Rechtfertigung der Hierarchisierung der Arbeiterschaft und seiner hochgradig ungleichen Einkommensverteilung.“ [62] Die Gewerkschaften reproduzieren die Hierarchisierung zwischen Arbeitskräften, indem sie, wie bereits am Beispiel der Teilarbeitsmärkte gezeigt wurde, bestrebt sind, die inländische Arbeitskraft gegen die Wechselfälle der kapitalistischen Realität abzusichern. Die Kehrseite dieser Politik bedeutet jedoch Abwertung und Ausgrenzung der mobilisierten Arbeitskraft. Aus dieser skizzierten gewerkschaftlichen Perspektive erscheinen die ausländischen Arbeitskräfte oftmals als Konkurrent/en/innen inländischer Arbeitskräfte. In einer weiteren, gleichgerichteten Betrachtungsweise werden sie als Lohndrücker/innen stigmatisiert. Da jedoch „der historische Wert [mobilisierter Arbeitskraft, E.W.] unter dem Niveau vorhandener Arbeitskräfte liegt“ [63] und dementsprechend der Einsatz ausländischer Arbeitskraft – wenn auch nicht ausschließlich, so doch seiner Zielsetzung gemäß – im B-Segment des Arbeitsmarktes oder am unteren Ende der Arbeitsmarkthierarchie liegt, oder mit zeitlicher Beschränkung verbunden ist, zeigen sich lohndämpfende Auswirkungen von Ausländerbeschäftigung lediglich am unteren Ende der Arbeitsmarkthierarchie. Hier betreffen sie meist die ausländische Arbeitskraft selbst. In generalisierter Form trifft das Argument jedoch nicht zu. [64] Ausländische Arbeitskraft „bremst zunächst das Ansteigen der Löhne im B-Segment und damit auch die Inflation, wodurch ein vorzeitiger Zusammenbruch des Aufschwungs verhindert wird und es längerfristig zu einer `Erhöhung der Reallöhne gegenüber den Ländern mit einem beschränkten Arbeitskräftepotential` kommt.“ [65]

Die zweite bedeutende Ideologie zur Rechtfertigung des Widerspruchs zwischen struktureller Ungleichheit und behaupteter Gleichheit und Freiheit war der Nationalismus. Ihm kam die Aufgabe zu, den Widerspruch zwischen globaler kapitalistischer Arbeitsteilung und der auf den Nationalstaat bezogenen Wirtschaftspolitik in den Griff zu bekommen. Mittels Nationalismus wurde zum einen Identifikation mit und Loyalität gegenüber dem Staat und seiner Wirtschaftspolitik auf einer territorialen Einheit erzeugt, zum anderen wurde der Nationalismus herangezogen gegen andere Staaten, Wirtschaftspolitiken oder Bevölkerungen ins Feld zu ziehen. Die Gewerkschaften übernahmen den Bezugsrahmen des Nationalstaates, wobei sie hinsichtlich ihrer Interessensvertretungspolitik von gleichgerichteten Taktiken der Gewerkschaften der einzelnen Nationalstaaten ausgingen. Diese Ausrichtung und Interessenbündelung geriet vermutlich aufgrund unterschiedlicher und in verschiedene Richtungen strebender Interessen der Arbeitnehmer/innen in den einzelnen Ländern nicht zum Erfolg, wobei die Interessensdivergenzen durch die Hierarchisierung von mobilisierter und ansässiger Arbeitskraft vermittelt erscheinen. Konnten die global unterschiedlichen Sozial- und Rechtsniveaus durch nationalstaatliche Verfassungen [66] weltweit gesichert werden, so ermöglichte der Nationalismus gleichzeitig eine Argumentation, die diesen Prozess in sein Gegenteil verkehrt: für Ausländer/innen gelten auf Grund ihrer anderen Staatsangehörigkeit nicht dieselben Rechte wie für Inländer/innen. Diese Vorstellung wurde für die europäischen nationalstaatlichen Gesetzgebungen prägend. [67] Gleichermaßen wurde sie von den Gewerkschaften aufgenommen und vor dem Hintergrund der nationalstaatlichen Perspektive zu einer impliziten Leitidee ihrer Bestrebungen im Hinblick auf eine ausländerbeschäftigungspolitische Legistik.

Rassismus und Nationalismus bilden nun aus Weltsystemperspektive je spezifische „Kategorien, [die] den Anspruch auf Vorteilsrechte in der kapitalistischen Weltwirtschaft ausdrücken“ [68] und eine entscheidende Rolle im Konkurrenzkampf um die Rangordnung in ebendieser Weltwirtschaft spielen. [69]

Die genannten Ideologien und Vorstellungen fanden implizit Eingang in ein Konzept von Entwicklung, das zwei Ziele kausal miteinander in Verbindung setzt: das Erreichen größerer sozialer Egalität im nationalstaatlichem Rahmen und Wirtschaftswachstum. [70] Daran schließt sich die Betrachtung an, die Geschichte der einzelnen Staaten oder auch bestimmter Regionen als Resultat einer erfolgreichen, nachholenden, rückständigen oder abgekoppelten Entwicklung zu betrachten. Die Übernahme der Vorstellung, dass wirtschaftliches Wachstum im nationalstaatlichen Rahmen parallel zu sozial gerechterer Verteilung verlaufe, mag im Verbund mit weiteren Faktoren mit zur Anpassung gewerkschaftlicher Haltungen und Strategien an die kapitalistische Verwertungslogik beigetragen haben. Demgegenüber schlägt die Weltsystemtheorie einen Perspektivwechsel hin zur Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft selbst vor. Durch ihre Expansion, also die Einbeziehung immer weiterer Bevölkerungen mit dem Ziel, Mehrwert zu schaffen aber nur geringfügig einbehalten zu lassen, wurden Regionen mit unterschiedlichen `Entwicklungsniveaus` geschaffen. Da in dieser Betrachtung die globale Mehrwertproduktion im Zentrum steht, bedeutet der Aufstieg eines Landes den Abstieg eines anderen. [71] „Solange Staaten, getrennte Staaten, jeder für sich nach Wegen suchen, sich selbst zu entwickeln, wird das zutreffen. Aufholen bringt Wettbewerb mit sich, und der Wettbewerb bedeutet, dass im Endeffekt die Entwicklung eines Landes auf Kosten eines anderen vonstatten geht.“ [72]

Die dargestellten Ausgrenzungs-, Abwertungs- und Spaltungsbestrebungen der Gewerkschaften erwiesen sich für eine Integration sämtlicher Arbeitnehmer/innen als wenig zielführend. Im Gegenteil, sie führten zu einer Vertiefung und Reproduktion der Hierarchie zwischen ansässiger und mobilisierter Arbeitskraft, oder allgemeiner und als Tendenz gefasst formuliert: zwischen den Arbeitskräften des Zentrums und jenen der Peripherien. Unvertreten und abgewertet war und blieb also genau jene Arbeitskraft, die einen entscheidenden Faktor im kapitalistischen Verwertungsprozess darstellt.

Diese Bestrebungen und ihre Durchsetzung zählen mit zu den Gründen, weshalb Gewerkschafter/innen seit dem 19. Jahrhundert massivste Schwierigkeiten hatten, die vom Kapital ausgebeuteten Arbeiter/innen der – aus dem Blickwinkel der jeweiligen Gewerkschaftsbewegung – näher und ferner liegenden „unterentwickelten“ Länder als Klassengenoss/en/innen zu erkennen und anzuerkennen. Prägen die genannten Perspektiven auch gegenwärtig die Gestaltung gewerkschaftlicher Politik, so sind doch gleichzeitig dazu in Österreich und Deutschland auch Ansätze einer Öffnung hin zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit Vertreter/n/innen von Migrant/en/innen zu beobachten. So wurde in der österreichischen Gewerkschaft der Privatangestellten eine Interessensgemeinschaft für Migrant/en/innen (IG work/ at /migration) gegründet, die erstmals Migrant/en/innen die Möglichkeit bietet, gewerkschaftliche Politik, wenn auch in sehr bescheidenem Maß, mitzugestalten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund entwickelte für den Bereich Migration und Qualifizierung ein Online-Forum (http://www.migration-online.de), das gleichermaßen die Mitentscheidung von Migrant/en/innen zu seinen Zielen zählt. Verbleiben die genannten Beispiele auch im nationalstaatlichen Kontext und berühren sie auch nicht die zentralen Fragen der Asylpolitik und der illegalen Migration, stellen sie dennoch Neuerungen innerhalb der Gewerkschaftsbewegungen dar. Die zukünftige Entfaltung ihres Aktionsradiuses erscheint offen. Ungeachtet des Nebeneinanderbestehens verschiedener Haltungen und Ausrichtungen innerhalb gewerkschaftlicher Politik bleibt für diese jedoch abschließend festzuhalten: die Beschränkung auf eine Vertretung der Interessen für ausgewählte Gruppen von Arbeitskräften mit dem Ziel, vom kapitalistischen Kuchen ein möglichst großes Stück zu ergattern, führt zu einer Politik, die die gewachsene historische Ungleichheit zwischen Arbeitskräften nicht zu überwinden sucht, sondern diese durch fortgesetzte Spaltung und Hierarchisierung reproduziert.

[1Vgl. Wollner, Eveline (1996): Auf dem Weg zur sozialpartnerschaftlich regulierten Ausländerbeschäftigung in Österreich. Die Reform der Ausländerbeschäftigung und der Anwerbung bis Ende der 1960er Jahre, Diplomarbeit, Wien, S. 69.

[2Vgl. ebenda, S. 13ff.

[3Diese Zuordnung wird von der gegenwärtigen politikwissenschaftlichen Forschung für den Zeitraum von 1945 bis heute als gültig erachtet. Vgl. Tálos, Emmerich/Kittel, Bernhard (2001): Gesetzgebung in Österreich. Netzwerke, Akteure und Interaktionen in politischen Entscheidungsprozessen, Wien.

[4Das Ministerium für Handel und Wiederaufbau war Mitte der 1960er am Rande in die Diskussion einbezogen.

[5Vgl. z.B. Gerlich, Peter/Grande, Edgar/Müller, Walter C. (Hg.) (1985): Sozialpartnerschaft in der Krise. Leistungen und Grenzen des Neokorporatismus, Wien, Köln, Graz. Tálos, Emmerich (Hg.) (1993): Sozialpartnerschaft. Kontinuität und Wandel eines Modells, Wien.

[6Dies schließt auch die Übereinkunft über Verordnungen und andere Regelwerke ein.

[7Neueren Forschungen zu Folge wurde diese Interaktionsform der Entscheidungsfindung jedenfalls bis in die 1990er Jahre praktiziert. Vgl. Tálos/Kittl (2001): S. 139.

[8Vgl. Wollner (1996): S. 14. Über die starke informelle Kooperation zwischen Bundesministerium für soziale Verwaltung und ÖGB hinaus hätte das Bundesministerium für soziale Verwaltung zu Beginn der 1960er Jahre keine Gestaltung der Ausländerbeschäftigung vorgenommen, die den Intentionen des ÖGB zuwidergelaufen wäre. Vgl. ebenda, S. 39.

[9Vgl. z.B. Tálos (Hg.) (1993): S. 19 und Tálos/Kittl (2001): S. 141.

[10Zur Auseinandersetzung um die arbeitsmarktpolitische Gesetzgebung vgl. Wollner (1996): S. 20-25.

[11„Ein weiterer neuer Gedanke und eine neue Entwicklung im wirtschafts- und konjunkturpolitischen Denken des Österreichischen Gewerkschaftsbundes war der der aktiven Arbeitsmarktpolitik.“ ÖGB (1959): Tätigkeitsbericht, Wien, S. I/66.

[12Vgl. dazu: Hwaletz, Otto (1996): Austrofordismus. Ein Entwurf, in: Österreichische Gesellschaft für Kritische Geographie (Hg.), Auf in die Moderne! Österreich vom Faschismus bis zum EU-Beitritt, Wien, S. 100-209.

[13Vgl. dazu: Parnreiter, Christof (1992): Migration und Arbeitsteilung. Ausländerbeschäftigung in der Weltwirtschaftskrise, Wien.

[14Vgl. BWK (1956): Jahrbuch, Wien, S. 86, zit. in: Wollner (1996): S. 20.

[15Vgl. BWK (1955): S. 185, zit. in: ebenda, S. 33.

[16Konkret sollten Um- und Nachschulungsprojekte sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Mobilitätsbereitschaft dazu beitragen, die Arbeitnehmer/innen aus nicht mehr konkurrenzfähigen Branchen in expandierende zu transferieren und Arbeitslose für neue Arbeitsplätze qualifizieren. Diese Forderungen waren Teil der vom ÖGB favorisierten aktiven Arbeitsmarktpolitik. Vgl. Wollner (1996): S. 22.

[17Diesem Schritt war 1960 eine Einigung zwischen der Baugewerbeinnung und der Gewerkschaft Bau-Holz und 1961 eine Einigung der Interessensvertretungen des Sektors Fremdenverkehr vorangegangen. Die Bundeswirtschaftskammer kritisierte diese Vorgangsweise sowohl intern als auch gegenüber dem ÖGB scharf, da sie ihre Bestrebungen nach Arbeitsmarktliberalisierung in Gefahr sah. Vgl. ebenda, S. 59. Möglich wurde die Festlegung von Kontingenten dadurch, dass die Bekanntgabe einer Höchstzahl den Verzicht auf das Begutachtungsrecht für Beschäftigungsgenehmigungen bedeutet. Dass die Kontingente lediglich für Ausländer aus den Nachbarländern offen standen, begründete der ÖGB mit den Schwierigkeiten, die im Falle eines Abschubs entstünden. Tatsächlich sollte die so vehement geforderte Wiederausreise der ausländischen Arbeitskräfte fixiert werden. Vgl. Wollner (1996): S. 62.

[18Vgl. Schreiben der Bundeswirtschaftskammer an die Sektionen Gewerbe, Industrie, Handel, Geld-, Kredit- und Versicherungswesen, Verkehr und Fremdenverkehr vom 17. Juni 1960, Gesetzesentwurf des Bundesministerium für soziale Verwaltung 1960, Art. 3. § 19 (HK-A), 1362/2-60), zit. in: Wollner (1996): S. 42.

[19ÖGB, Tätigkeitsbericht 1960, S. I/15f., zit. in: Wollner (1996): S. 34.

[20Wesentlich ist hier, dass der Erlass von 1946 die Wiedereinsetzung paritätisch besetzter Verwaltungs- und Vermittlungsausschüsse bei den Arbeitsämtern vorsah. Zu den Erlässen und ihrer Bedeutung vgl. Wollner (1996): S. 26-34.

[21Vgl. ebenda, S. 35ff. Der Verfassungsgerichtshof begründete die Aufhebung wegen nicht gehöriger Kundmachung und einer fehlenden gesetzlichen Grundlage. „Diese Erlässe sind Verordnungen und haben die Einrichtung einer Kollegialbehörde zum Gegenstand. Darüber hinaus bestimmen sie auch die Rechtsstellung von dritten Personen. Sie sind daher als Rechtsverordnungen zu qualifizieren. Als Verordnungen hätten sie im Bundesgesetzblatt verlautbart werden müssen. (...) In der Erwägung, dass Kollegialbehörden nur durch Gesetz geschaffen werden können, bestehen (...) auch noch Bedenken, ob sie eine gesetzliche Grundlage haben.“ Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 18. Dezember 1959, V 18,19,20/59, S. 7f.

[22Vgl. dazu: Wollner (1996): S. 38f.

[23Vgl. Schreiben der Bundeswirtschaftskammer an die Sektionen Handel, Geld-, Kredit- und Versicherungswesen und die Sektion Verkehr vom 1. Juni 1960 (HK-A, 1362/2-60), zit. in: Wollner (1996): S. 50.

[24Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (AK), Jahrbuch 1960, S. 144., zit. in: Wollner (1996): S. 50.

[25Vgl. ebenda, S. 52.

[26Vgl. ebenda.

[27Tálos, Emmerich/Kittl, Bernhard (1995): Zwischen konfliktorischem Partikularismus und konzertierten Allgemeininteresse. Zur Herausbildung der Sozialpartnerschaft in der Nachkriegszeit, in: ÖZGT, Tagungsreader, Österreich. 50 Jahre Zweite Republik, Johannes Keppler Universität, Linz/Donau, 22.-24.Mai 1995, S. 4., zit. in: ebenda, S. 18.

[28Dieser Begriff bezieht sich auf migrierende Arbeitskräfte.

[29Dies bedeutet jedoch nicht, dass derartigen Regelwerken und Instrumenten eine prinzipielle und zu allen Zeiten gleichermaßen gültige Notwendigkeit beigemessen werden kann.

[30Vgl. Teil 3 dieses Artikels.

[31Vgl. Horak, Kurt (1990): Ausländerbeschäftigung: Was wir wollen, in: Arbeit und Wirtschaft, Heft 5, S. 2.

[32Gewerkschaft BauHolz online, Johann Driemer, http://www3.debis.at/GBH/Presse.nsf/713ad373fbba2577vl256a03, 18.05.2003.

[33Gewerkschaft BauHolz online, Johann Driemer, http://.bau-holz.at/archiv/bhl1x01x3.html, 18.05.2003.

[34Fuchs, Xaver (1986): Das Geschäft mit dem Homo migrans. Zur Flexibilität und Stabilität der Ausländerbeschäftigung, in: Zwischen den Mühlsteinen...von Arbeitslosigkeit und Kapital: Erwerbslosigkeit im 20. Jahrhundert, Wien, S. 99.

[35Ebenda, S. 99.

[369,3% 1973. Vgl. Gächter, August (2000): Austria: Protecting Indigenous Workers from Immigrants, in: Trade Unions, Immigration, and Immigrants in Europe, 1960-1993. A Comarative Study of Attitudes and Actions of Trade Unions in Seven West European Countries, New York/Oxford, p. 71.

[37„Wären statt der ausländischen inländische Arbeitskräfte gekündigt worden, hätte die Arbeitslosenrate 1975 bereits 3,2% betragen. Das Halten der statistischen Vollbeschäftigung bis 1982 geht auf Massenentlassungen ausländischer Arbeitskräfte bei gleichzeitiger Weigerung, ihnen Arbeitslosengeld zu zahlen zurück.“ Parnreiter (1992): S. 179.

[38Vgl. ebenda, S. 99. Vgl. auch Delapina, Franz (1996): Was kommt nach der Modernisierung?, in: Auf in die Moderne. Österreich vom Faschismus bis zum EU-Beitritt, Wien, S. 248.

[39Vgl. Parnreiter (1992): S. 180.

[40Vgl. Gächter, August (1992): (Un)ordentliche Beschäftigungspolitik, in: Prader, Thomas (Hg.) (1992): Moderne Sklaven: Asyl- und Migrationspolitik in Österreich, Wien, S. 54.

[41Vgl. Parnreiter (1992), vgl. in: Delapina (1996): S. 248.

[42Inländer: Männer: von 4,9% 1989 auf 5,3% 1991. Frauen: von 5,5% 1989 auf 6,9% 1991. Vgl. Gächter (1992): S. 48.

[43Dazu ein Beispiel: Dass der ÖGB in der Lage war, die Bestrebungen um die kapazitätsorientierte flexible Arbeitszeit (KAPOVAZ) abzuschmettern, die einen Verlust an Überstunden und somit Kaufkraftverlust bedeutet hätte, hing mit dem Einsatz dieser neuen Ausländer/innen zusammen. Das Flexibilisierungsmodell für „geschützte“ Arbeitskräfte konnte durch den Einsatz der Ausländer/innen entfallen. Vgl. Gächter (1992): S. 59.

[44Neurath, Erich/Steinbach, Günther (1997): Allgemeiner Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage, in: Ausländerbeschäftigungsgesetz, Wien, S. 14.

[45Neben der Kontingentvereinbarung und dem Normalverfahren sah das Gesetz auch die Möglichkeit des Bundesministers für Arbeit und Soziales vor, Höchstzahlen zu erlassen. Eine entsprechende Verordnung trat jedoch nie in Kraft. Vgl. Wallner, Josef/Ziniel, Günther (1990): Ausländerpolitik in Österreich. Notwendigkeit einer Neugestaltung, in: Arbeit und Wirtschaft, Heft 6, Wien, S. 36.

[46Vgl. Gächter (2000): S. 74.

[47Die in Österreich zu Beginn der 1990er Jahre vollzogenen Änderungen im Bereich des Asyl-, Fremden- und Aufenthaltsgesetzes stehen gleichzeitig auch in Zusammenhang mit dem avisierten Beitrittsbestrebungen zur europäischen Union.

[48Wallerstein, Immanuel (1979): Aufstieg und Niedergang des kapitalistischen Weltsystems. Zur Grundlegung vergleichender Analyse, in: Senghaas, Dieter (Hg.) (1979): Kapitalistische Weltökonomie. Kontroversen über ihren Ursprung und ihre Entwicklungsdynamik, Frankfurt/Main, S. 53. Das `lange` 16. Jahrhundert dauerte von 1450 bis 1640.

[49Senghaas (1979): Vorwort, in: Derselbe (Hg.), S. 13.

[50Wallerstein (1979): in: ebenda, S. 47.

[51Wallerstein (1995a): Die Sozialwissenschaften „kaputtdenken“. Die Grenzen der Paradigmen des 19. Jahrhunderts, Frankfurt/Main, S. 135.

[52Derselbe (1984): Der Historische Kapitalismus, Berlin, S. 66.

[53Vgl. Parnreiter (1992): S. 10.

[54Vgl. Wallerstein (1995a): S. 135.

[55Vgl. Parnreiter (1992): S. 14f.

[56Vgl. Wallerstein (1979): S. 54.

[57Zur gegenwärtigen Krise des kapitalistischen Weltssystems und zu potentiellen Chancen eines Übergangs in ein nicht-kapitalistisches, friedlicheres und sozial gerechteres System vgl. Wallerstein (2002): Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts, Wien.

[58Vgl. dazu Mergner, Gottfried (1988): Solidarität mit den „Wilden“? Das Verhältnis der deutschen Sozialdemokratie zu den afrikanischen Widerstandskämpfen in den ehemaligen Kolonien um die Jahrhundertwende, in: van Holthoon, Frits/van der Linden, Marcel (Hg.): Internationalism in the Labour Movement 1830-1940, S. 71. Lediglich hingewiesen werden kann an dieser Stelle auf die besondere Bedeutung der weiblichen Arbeit für den kapitalistischen Akkumulationszusammenhang.

[59Vgl. Potts, Lydia (1988): Weltmarkt für Arbeitskraft. Von der Kolonisation Amerikas bis zu den Migrationen der Gegenwart, Hamburg, S. 17f.

[60Vgl. Wallerstein (1995a): S. 135.

[61Vgl. Wallerstein (1995b): Die unüberwindlichen Widersprüche des Liberalismus. Menschenrechte und Völkerrechte in der Geokultur des modernen Weltsystems, in: Fischer, Gero/Wölflingseder, Maria (Hg.): Biologismus, Rassismus, Nationalismus, Wien, S. 184-199. Zu den im Anschluss an die französische Revolution entstandenen Ideologien zählt Wallerstein neben dem Liberalismus den Sozialismus und den Konservatismus. Alle drei versuchen eine Antwort auf die Frage zu geben, wie mit der Gesellschaft unter den postrevolutionären Bedingungen zu verfahren sei. Zu diesen Bedingungen zählen die Akzeptanz der Normalität des sozialen Wandels und die Volkssouveränität. Während der Konservatismus den Wandel so langsam wie möglich und der Sozialismus so schnell wie möglich gestalten will – um größtmögliche politische und soziale Gleichheit durchzusetzen – versucht der Liberalismus das System nicht zu transformieren, sondern zu perfektionieren: „Liberale waren nämlich per definitionem [i.O., E.W.] keineswegs radikal“. Vgl. ebenda, S. 185ff.

[62Wallerstein (1984): S. 68.

[63Fuchs (1992): S. 2. vgl. nach Dohse, Knuth (1981): Ausländische Arbeiter und bürgerlicher Staat. Genese und Funktion von staatlicher Ausländerpolitik und Ausländerrecht. Vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik Deutschland, Königstein/Ts., S. 3.

[64Vgl. dazu Castles, Stephen/Godula Kosack (1973): Immigrant Workers and Class Structure in Western Europe, Oxford, zit. in: Hollerwöger, Johanna (1988): Theorien der Migration, Diplomarbeit, Wien, S. 250-254 sowie derselbe (1987): Migration und Rassismus in Westeuropa, Berlin, zit. in: Parnreiter (1992): S. 139.

[65Parnreiter (1992): S. 139.

[66Dies gilt auch für eine der Form nach supranationale Verfassung wie sie gegenwärtig für die europäische Union diskutiert wird.

[67Vgl. Parnreiter (1992): S. 41f.

[68Wallerstein (1990): S. 103.

[69Vgl. ebenda.

[70Vgl. Wallerstein (1995a): S. 141.

[71Vgl. ebenda, S. 142.

[72Ebenda, S. 145. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass die Zusammenführung einzelner Staaten zu einer übergeordneten polit-ökonomischen Einheit wie es gegenwärtig die EU-Integration darstellt, keine Überwindung dieses Prozesses bedeutet. Die Integration und die Erweiterung dienen vornehmlich zur Lösung der ökonomischen Krise der Zentrumsländer Europas zu Lasten der semiperipheren Länder Mittel- und Osteuropas.

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