Café Critique, Jahr 2008
 
2008

Business as usual?

Mitte März nahm Bundesrätin Calmy Rey an einem Vertragsabschluss zwischen der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg und dem iranischen Regime teil. Sie signalisiert damit Unterstützung für ein Regime, das seine eigene Bevölkerung terrorisiert und Israel vernichten will.

Das Kapital ist bekanntlich blind und scharfsichtig zugleich. Scharfsichtig ist es hinsichtlich internationaler Anlage- und Verwertungsmöglichkeiten. Blind ist es hinsichtlich des Wohlergehens von Menschen. Lassen sich mit Folter, Krieg und Verelendung Profite erzielen, wird in Folter, Krieg und Verelendung investiert. Versprechen Rechtsstaatlichkeit, Ausweitung individueller Gestaltungsmöglichkeiten und Stärkung der Kaufkraft der abhängig Beschäftigten die besseren Renditen – auch gut. Insofern ist der Erdgasdeal der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) mit dem Iran, der Mitte März in Teheran zum Abschluss gebracht wurde, folgerichtig. Die Frage ist allerdings, warum er auch noch staatliche Unterstützung geniesst. Immerhin ist Aussenministerin Micheline Calmy-Rey eigens zur Vertragsratifizierung nach Teheran gereist, wo man sie herzlich lachend samt Kopftuch mit Präsident Ahmadinejad sehen konnte. Zwar ist es die vorrangige Aufgabe des bürgerlichen Staates, die Verwertungsbedingungen des Kapitals zu garantieren und wo möglich zu verbessern, dennoch existiert in der Politik eine Art überschiessendes Moment. Staatlicher Politik kann es nicht gleichgültig sein, mit wem und in welchem Umfang Aussenhandelsbeziehungen gepflegt werden. Dementsprechend sind in den USA oder Israel, die als „grosser und kleiner Satan“ ganz oben auf der Abschussliste der Mullahs stehen, Geschäfte im grossen Stil mit dem Iran staatlicherseits untersagt.

Der Iran ist nicht irgendeine beliebige Diktatur. In der „Islamischen Republik Iran“ herrscht seit fast 30 Jahren ein Regime, das sowohl nach aussen als auch nach innen massiven Terror ausübt. Gleichzeitig arbeitet es offensichtlich an der Entwicklung nuklearer Waffen, die auch Europa erreichen könnten. Gewerkschaften sind verboten und Arbeitskämpfe werden ebenso brutal niedergeschlagen wie die Protestbewegungen der Studierenden. Die systematische Verfolgung von Kurden und religiösen Minderheiten, die Hinrichtungen von Homosexuellen, sowie die ständigen Repressionen gegen Frauen, die sich dem islamischen Sittenkodex nicht unterwerfen wollen, sind Wesenselemente dieses Regimes. Ebenso die regelmässigen Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel und die Leugnung der Shoah. Was dieses Regime auch von anderen islamisch geprägten Despotien unterscheidet, ist die Kombination aus einer messianistisch-apokalyptischen islamischen Ideologie, offenem Antisemitismus und dem Streben nach der Technologie der Massenvernichtung. Trotz aller gravierenden Unterschiede ähnelt die Feindbestimmung dieses Regimes mit seinem Hass auf Kommunismus und Materialismus, Liberalität und westlicher „Plutokratie“, Judentum und Zionismus doch jener des Nationalsozialismus.

Der Mullah-Diktatur geht es hinsichtlich des Nahost-Konflikts nicht um eine Verbesserung der Situation der Palästinenser, eine Zwei-Staaten-Lösung oder einen wie auch immer gearteten Ausgleich und Kompromiss, sondern erklärtermassen um die Vernichtung Israels. Diese Position ist weder neu, noch auf den Präsidenten Ahmadinejad beschränkt. Die Zerstörung Israels ist seit 1979 offizielle Politik der „Islamischen Republik“. Sie wird von den fanatischen Anhängern Ahmadinejads ebenso propagiert wie von Konservativen und den im Westen als Pragmatiker oder Reformer gehandelten Mullahs.

Während die Schweizer EGL ihren Vertrag, der den Mullahs Milliarden in ihre Kassen bringen wird, bereits abgeschlossen hat, verhandelt die Österreichische Mineralölverwaltung noch über ihr 22-Milliarden-Euro-Geschäft, für das sie die volle Unterstützung der österreichischen Bundesregierung geniesst – und leider auch jene fast der gesamten Opposition. Jenseits der Parteipolitik hat sich in Österreich gegen derartige Geschäfte und ihre staatliche Unterstützung Ende letzten Jahres die Plattform STOP THE BOMB – Bündnis gegen das iranische Vernichtungsprogramm gegründet. Mit einer international angelegten Online-Unterschriftenaktion macht sie mit prominenten Unterstützern wie beispielsweise Beate Klarsfeld, der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, dem niederländische Schriftsteller Leon de Winter oder den österreichischen Autoren Erwin Riess und Robert Schindel gegen Geschäfte mit dem iranischen Regime mobil. Auch der langjährige Vorsitzende der Kommunistischen Partei Österreichs, Walter Baier, unterstützt die Kampagne.

Es wäre zu hoffen, dass sich in der Schweiz ähnliche Initiativen bilden. Kapital und Staat folgen zwar ihrer eigenen Logik von Verwertung und Herrschaft – aber diese sollte doch zumindest nicht unwidersprochen bleiben. So wichtig eine allgemeine Kritik an Staat und Kapital ist, so entscheidend ist doch der Unterschied, ob die Schweiz und ihre Konzerne Geschäfte mit Island, Irland und Italien treiben oder aber mit dem Iran. Für dessen Regierung bedeutet jeder Geschäftserfolg einen weiteren Fortschritt in ihrem Djihad gegen Emanzipation und Aufklärung.

zuerst erschienen im Schweizer Vorwärts