Grundrisse, Nummer 47
September
2013

Care, Sorge, Für-Sorge; 5 Thesen

1. These: Wo die sozialen Bewegungen Sorge zentral stellen, werden sie, von punktuellen, impulsartigen und vorübergehenden gesellschaftlichen Erscheinungen, zu dauerhaften, sich selbst reproduzierenden Phänomenen. Dies kann besonders anschaulich an den aktuellen emanzipativen Bewegungen und besonders an denen der jüngeren Vergangenheit gesehen werden, wie der Occupy-Wallstreet-, der Tahir-Platz-, und der Refugees-Bewegung. Aber auch die Frauenbewegung seit ihren Anfängen ist ein anschauliches Beispiel.

Care, Sorge und Für-Sorge ist zum Einen die Arbeit mit und an der sozialen Infrastruktur, der gesamte Bereich der Reproduktionsarbeit, der Hausarbeit, der Kindererziehung, der Betreuung und Versorgung, und zum Anderen ist es die empathische Aufmerksamkeit, die aktive Anteilnahme und in ihrer überschießenden Form die Solidarität und die Verbundenheit, die sich konkret in kollektiven Formen des Communen konstituieren kann und dies in den aktuellen Bewegungen auch tut. Der Care-Komplex stellt jene Instrumente und Werkzeuge zur Verfügung, schafft jene Zusammenhänge, durch die und über die sich die emanzipativen Bewegungen auf Dauer stellen können. Es sei hier nur die sogenannte 1. und 2. Frauenbewegung benannt, die selbst nie eine einheitliche Bewegung war, sondern immer aus mehreren Bewegungen bestand, wie der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegung, um nur die bekanntesten zu nennen. Diese Bewegung verlief, bzw. verläuft, in Wellenform, oft sichtbar und manchmal unter der Oberfläche der Sichtbarkeit, wie z.B. während des Nationalsozialismus. Tatsächlich war die Bewegung aufgrund der Zentralstellung von Care eine sich selbst reproduzierende, auf Dauer gestellte, die solcherart um Änderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse rang, und dies noch tut.

Gesellschaftliche Veränderungen, Änderungen in den Zugriffsrechten auf den gesellschaftlich produzierten Mehrwert, Änderungen in den Spiel- und Verkehrsregeln des Zusammenlebens, der Sicht auf die Dinge, den Klassen- und Geschlechterverhältnissen, all dies wird über die Auseinandersetzungen der sozialen Bewegungen durchgesetzt und hervorgebracht. Solcherart erfolgt eine permanente Auseinandersetzung zwischen den gesellschaftlichen Großgruppen um die besseren Positionen und Orte. Eine permanente Auseinandersetzung zwischen den antagonistischen gesellschaftlichen Akteuren, den Klassen, den Geschlechtern usw., die oft unterschwellig und auch manchmal über der Oberfläche der Sichtbarkeit verläuft. Das institutionelle Ergebnis dieser Auseinandersetzungen ist der Staat. So gesehen ist Geschichte die Geschichte der sozialen Bewegungen. Geschichte der Klassenkämpfe hingegen würde nur die Zeit des Kapitalismus benennen, denn nur da kann von Klassen gesprochen werden und würde dabei nur den Klassenkonflikt in den Blick nehmen. Was nun den aktuellen Staat betrifft und seine Institutionen die sich im Gefolge seiner Konstituierung herausgebildet haben, wie dem System der Repräsentation, so ist er aufgrund der bestehenden Machtasymetrien und weil seine Institutionen vereinheitlichend wirken, also blinde Flecken produzieren, nicht in der Lage die Interessen der unteren Klassen, der Frauen, der Migrant_innen zu vertreten. Einfluss und Wirkung generieren können sie nur über ihre Bewegungen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass sie diese auf Dauer stellen und zu sich selbst reproduzierenden machen. Und dies können sie wiederum nur mittels der Zentralstellung des Care-Komplexes als je eigene tagtägliche Praxis.

Auch die oberen Klassen wahren über die Initiativen gesellschaftlicher Bewegungen ihre Interessen, wie das z.B. bei der konservativen Tee-Party-Bewegung der Fall ist. Klarerweise übertreffen deren Mittel jene der emanzipativen Bewegungen bei weitem. Eine bevorzugte Strategie dabei ist es aber auch Forderungen und Initiativen ehedem emanzipativer Bewegungen zu übernehmen und sie in ebenso viele Impulse für den Markt, für diese oder jene Kapitalgruppe, usw. zu verwandeln. Es sei nur an diverse Modetrends erinnert, oder z.B. an die sinnentleerende Verkehrung der Forderung nach der Autonomie subalterner Großgruppen in den Aufruf des „verwirkliche Dich vermittels Marktprodukten“ transformiert. Die Dominanz der Apparate der oberen Klassen ist aber dennoch nicht sicher, eben aufgrund der Aktivitäten der anderen Klassen, muss tagtäglich neu wiederhergestellt werden, mit enormen Aufwand: ganze Heerscharen von mehr oder weniger heiligen Figuren sind damit beschäftigt.

Ihren Anteil zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse trägt auch die akademische Praxis bei. Indem Bewegungen in der Hauptsache als impulsartige behandelt werden, die über bestimmte Themen und Missstände entstehen und bald, je nach Konjunktur, wieder verschwinden. Natürlich gibt es die auch, wie z.B. die überraschend lang andauernde Bewegung gegen Schwarz/Blau von 2000-2002 in Wien. Es wird dabei aber nur das über der Oberfläche sichtbare befindliche betrachtet, ganz in alter positivistischer Manier, das darunter liegende unsichtbar gemacht, die Neuerfindungen, die Neukonstituierungen zum Verschwinden gebracht. Auch die Neuerfindungen über die Arbeit an der Sorge werden, einmal mehr, zum Verschwinden gebracht, wie das schon bei der Reproduktionsarbeit der Fall war und noch ist und damit in ihrer ganzen Bedeutung entwertet. Dass dies auch „Vertreter_innen der Linken“ „passiert“ mag die Aussage noch unterstreichen. Bei einer Veranstaltung zur Frauenbewegung in Wien (ca. 2006) bezeichnete Frigga Haug ebendiese für tot. Die Begründung war, dass sich die Konservativen alles erlauben könnten und dabei unwidersprochen bleiben. Jedoch Totgesagte leben länger. Bei der Frauenbewegung schon deshalb, weil hier der Sorge-Komplex immer zentral gestellt war. So gesehen ist auch die Trennung zwischen 1. und 2. Frauenbewegung infrage zu stellen und die Darstellung in Wellenbewegungen dienlicher. Auch im Unsichtbaren, unter der Oberfläche, besteht sie weiter. Es gibt durchaus Hinweise, dass dies auch für die Zeit des Nationalsozialismus gilt.

Die aktuellen emanzipativen Bewegungen, wie jene des Tahir-Platzes in Istambul, aber auch jene um die Erkämpfung von Rechten für die Refugees z.B. in Wien, stellen Sorge zentral. In der Türkei passierte das in Form von Volx-Küchen, Gratisbibliotheken, medizinischer Versorgung usw. und in Wien in Form eines Netzwerkes von Unterstützer_innen. Dadurch entsteht ein Überschuss an Sorge, wo vorher nur Konkurrenz und Mangel herrschte, und es konstituieren sich neue Formen des Communen. Die Praxen neuer Demokratien, der Anerkennung und Sichtbarmachung von Differenzen, die gegenseitige Hilfe, also vor allem das, was klassisch als Solidarität bezeichnet wird. Eben weil die Bewegungen Gemeinsames im Überschuss hervorbringen und nicht Vereinheitlichendes, die notwendig instrumentalisierende Form des Zweckrationalismus, können sie auf dem prinzipiell unplanbaren Terrain, das den Bewegungen eigen ist, organisierend und aktivierend einwirken. Das ist auch der Punkt an dem Resonanzen, Überschneidungen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Ansätzen möglich werden, die sich durch wechselseitiges Aufschaukeln und anerkannten Gemeinsamkeiten in Resonanzfrequenz versetzen und damit die Verhältnisse zum Tanzen bringen können. Dies passiert nicht so sehr durch heroische und willensstarken Interventionen Einzelner, als durch die Arbeit am Konnex der Sorge. Aber es reicht nicht nur Sorge in den Mittelpunkt von praktisch-strategischen Überlegungen der sozialen Bewegungen zu stellen. Es ist genauso wichtig Sorge und deren Implikationen auch in den Mittelpunkt theoretischer Überlegungen zu stellen.

Sorge ist in der Lage das Problem der Kontinuität der sozialen Bewegungen zu lösen, ohne den traumatischen Institutionalisierungen und Demoralisierungen zum Zeitpunkt eines Abwärtszyklus ausgeliefert zu sein, wie das z.B. beim Abflauen der Umweltbewegung und der Institutionalisierung durch die Grünen der Fall war. Diese Institutionalisierung gelang im Übrigen erst nachdem die „inneren“ Linken Störelemente beseitigt wurden. Erst dadurch wurden sie parlamentstauglich, aber gleichzeitig für ein emanzipatives Projekt wenig dienlich. Es ist unter anderem die Sorge, die solche traumatischen Übergänge abzufedern imstande ist, eben weil Sorge jenen Bewegungsfetischismus vermeidet, der in den Bewegungen selbst schon das Ziel sieht und dadurch keine Reflexion mehr auf das eigene Tun zulässt. Auch das eine Spielart des Funktionalismus, wenn auch eine weniger problematische als die des Kapitalismus.

2. These: Es ist keine dauerhafte Emanzipation der unterdrückten Subjekte und Kollektive denkbar, ohne deren multiple Lagen, deren Intersektionalitäten mitzuberücksichtigen. Anders gesagt: Die Aufhebung einer Asymmetrie, z.B. der sozialen, führt, so nicht möglichst viele Asymmetrien aufgelöst werden, zur Restabilisierung der bestehenden Verhältnisse auf einer weiteren Stufenleiter. So gesehen ist Entwicklung im Kapitalismus nur noch im parasitären Modus vorstellbar.

Kapitalismus in seiner aktuellen Form, als Neoliberalismus, genauer als Block zwischen Konservativismus und Neoliberalismus, dies ein Grund, der die aktuelle Stabilität des Systems ausmacht, beschreibt nicht einfach ein soziales System hierarchisierender Ungleichheiten. Er besteht aus einer Reihe von Asymmetrien, die sich wechselseitig abstützen, bestärken und bestätigen und das auch dann, wenn sie scheinbar getrennte Existenzen führen. Um nur einige davon zu benennen: das Verhältnis der Klassen zueinander, das der Geschlechter zueinander, das Verhältnis der Menschen zur Natur und zur Tierwelt, jenes der Generationen zueinander, zur Migration, usw. Aufgrund der spezifischen Nutzung dieser Asymmetrien zum Zwecke des Machterhaltes kann sich der Kapitalismus, auch beim Wegfallen der einen oder anderen Asymmetrie über die anderen wieder reproduzieren. Dies auch deshalb weil sie getrennte Existenzen führen, unsichtbar gemacht werden. Dazu ein prominentes Beispiel: die russische Revolution von 1917. Die von den Bolschewiki ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellte soziale Revolution, ganz abgesehen davon, dass den unteren Klassen eine funktionalistische Position zugewiesen wurde und der Schwerpunkt auf die industrielle Produktion gelegt wurde, erklärten andere Asymmetrien zu Nebenwidersprüchen. An dieser Schwerpunktsetzung hatte auch die mit Nachdruck betriebene Internationalisierung der Revolution auf andere Länder sich nicht wesentlich verändert. In der Folge kam es sehr schnell zu einer Stabilisierung die auch die unteren Klassen wieder in ein rigides Industriesystem presste (Sozialismus plus Elektrifizierung), nicht Ausdruck ihrer Eigenständigkeit war. Die Intersektionalitätsthese so unterlegt, dass die verschiedenen gesellschaftlichen Asymmetrien als Gleichwertig zu sehen sind, verändert die Sicht, ab diesen Zeitpunkt macht die Rede von den Haupt- und Nebenwidersprüchen keinen Sinn mehr. Der eine Widerspruch ist durch den anderen abgestützt. Dort, wo einer überwunden wird, wird er durch die anderen wieder hergestellt. Allgemein gilt: je mehr Ungleichheitslagen und je weniger Zugang zu Sorge, desto gefährdeter sind die Subjekte und die Kollektive.

Besonders hervorgehoben werden sollen hier jene Unterdrückungs- und Unterordnungslagen, bei denen sich mehrere Asymmetrien überlagern. Das passiert z.B. bei migrantischen, undokumentierten Hausarbeiterinnen aus dem globalen Süden und den Osten, im globalen Westen. Mit der postfordistischen Wende transformiert sich das in den Metropolen majoritäre Geschlechterverhältnis vom Zweiernährerhaushalt in den Einernährerhaushalt, bzw. in andere Formen. Dadurch verschieben sich die Arbeits- und Werterelationen. Es entsteht eine Care-Krise. Die gesellschaftlich wertlos gesetzte Reproduktionsarbeit, die den Frauen wie ein Klebstoff anhaftet, ihr Leben determiniert, trägt im Lohnarbeitszusammenhang zu einer Lohnreduktion des Wertes der weiblichen Arbeitskraft bei, die nach wie vor, trotz aller gewerkschaftlichen Beseitigungsversuche, weiter besteht. Aufgrund der Mehrfachbelastungen kommt es in den Metropolen zur Auslagerung der Reproduktionsarbeit an Dritte: an Frauen aus Osteuropa, aus Lateinamerika, aus dem fernen Osten und Afrika, die oft mit unsicheren Aufenthaltsstatus und ohne soziale Absicherung tätig sind und deshalb umso mehr ausgebeutet werden können. Der Grund der Wanderungen sind die Krisen und Kriege in den Herkunftsländern, die durch die Intervention der Metropolen, direkt oder indirekt, hervorgebracht wurden, wie Landgrabbing, Schuldenkrisen, u.ä.m. Diese Ursachen werden genauso zum Verschwinden gebracht, wie die Not der betroffenen Subjekte vertieft. Die durch die Notwendigkeit der Lohnarbeit aller Familienmitglieder hervorgerufene und bestehende Care-Krise in den Metropolen wird externalisiert. Es entstehen Kaskaden der prekären, schlecht bis nicht bezahlten Care-Arbeit, einer globalen Reproduktionskette, die diese Länder weiter destabilisiert. Die überwiesenen Geldleistungen können die in Gang gebrachte Zerstörung der Subsistenzwirtschaft nicht kompensieren und führen zu Entsolidarisierungseffekten. Diese Entsicherung des Lebens eines Teiles der Klasse wirkt auf die anderen Teile ebenfalls entsichernd zurück, eben aufgrund des Intersektionalitätsparadigmas. Im konkreten Fall: die fehlende Sorge in den Metropolen, sowie durch die Männer im Allgemeinen, führt zu verstärkten Konkurrenzsituationen und in der Folge zu verstärkten institutionellen und außerinstitutionellem Rassismus, der in direktem Zusammenhang mit dem allgemeinen Lohndruck und der Verunsicherung steht und nicht mehr von den Parteien des Klassenversöhnlertums aufgefangen werden kann. So war es besonders die Regierung Vranitzky, die, nachdem sie klarmachte, dass es nicht mehr darum gehe die Interessen der Facharbeiterschicht zu berücksichtigen jenen Raum freimachte, der besonders von der FPÖ befüllt werden konnte. Dass das so problemlos gelingen konnte, dazu war natürlich schon ein vorher bestehender nationalistischer Chauvinismus notwendig. Die Verteidigung von akzeptablen Lebensbedingungen für eine Gruppe macht eine Verteidigung auch der Anderen notwendig, ebenso wie die Fragen nach dem Recht auf Aufenthalt. Auch hier ist Sorge jenes Instrument, das Intersektionalität immer wieder herstellt, entgegen den Spaltungen und Trennungen, die die Existenz des Kapitalismus begleiten, ja bedingen.

Die bestehende Wertlosigkeit der Reproduktionsarbeit im Rahmen der Warenproduktion wird aber durch die Bezahlung insofern nicht Inwert gesetzt, als die migrantischen Hausarbeiterinnen von jenen bezahlt werden, die sichs halt leisten können, also durch einen Abzug von deren Lohn, also vom variablen Kapital und nicht vom Mehrwert. Während also hier ein Teil des Weltproletariats erstmals in den monetären Finanzkreislauf des Kapitalismus hineingezogen wird, ohne der Möglichkeit daraus wieder zu entkommen, bleibt das für den Kapitalismus sozusagen kostenlos.

3. These: Die Zentralstellung bislang un- bzw. unterbewerteter Tätigkeiten, wie der Reproduktionsarbeit als unhintergehbar für die Gesellschaft und die Einzelnen, ist wesentliches Element emanzipativer Aktivität, sowohl in praktischer als auch in theoretischer Hinsicht. Hierbei gibt es eine starke Anbindung an aktuelle feministische Forschungsergebnisse ebenso wie an neuere marxistische u.a. die Beseitigung von blinden Flecken in der Sorgearbeit macht einen anderen Blick, eben einen sorgenden, auf die Welt möglich, der sowohl die Sicht auf andere Welten eröffnet, als auch auf jene Möglichkeiten, die sich aktuell bieten. Die Dringlichkeit dazu stellt sich tagtäglich, denn es sind die kapitalistischen Be- und Entwertungen, die für die aktuellen Krisen und Problemlagen verantwortlich sind und tagtäglich Zerstörungen anrichten.

Sorgearbeit ist Subjektproduktion, geht aber über die menschlichen Subjekte hinaus. Sie beschreibt ein Tätigsein an, in Bezug auf und mit Menschen, Tieren und Pflanzen, der „Natur“. Sie ist solcherart weniger anfällig für Formen der Funktionalisierung die den Kapitalismus, den Ökonomismus auszeichnen. Sorgearbeit unterliegt aber den letzteren und das am stärksten, wo sie bis an die Haut reicht, wie in der Hausarbeit, der Pflegearbeit, der Sexarbeit. Diese ebenso emotionale Arbeit ist durchaus Schwerstarbeit, harte Knochenarbeit, untergeordnete, entwertete und entwertende Arbeit, die aus dem Bereich des Sichtbaren gebannt werden muss. In eigene nach außen abgeschlossenen Bereichen. Sorgearbeit beinhaltet weiters immaterielle, empathische, intellektuelle und natürlich physische Arbeitsanteile, die allesamt, als Bestandteile der Sorgearbeit, mitentwertet werden. Sorgearbeit wird aber auch auf vielfache Art und Weise verwissenschaftlicht. So reicht es nicht mehr Kinder mittels selbstgestrickten pädagogischen Konzepten zu betreuen, die in der Regel jene der eigenen Eltern sind. Es sind schon Kenntnisse der jeweiligen kindlichen Entwicklungsphasen erforderlich, der Ernährungswissenschaften usw. Dadurch, dass seit ca. den 80er Jahren immer mehr Frauen in vormals von Männern dominierte Bereiche vordringen, wie z.B. in das Wissenschaftsfeld, kommt es zu massiven Entwertungstendenzen, zur Entwertung von Bildungsabschlüssen. Die Geschlechterdifferenz prekarisiert, so es keine dagegen vorgehende Widerstandsbewegung gibt, und zersplittert die Arbeits- und Lohnarbeitsverhältnisse. In diesem Fall führt das bestehende Geschlechterregime zu einer Änderung in der technischen Zusammensetzung des Proletariats und damit auch zur Änderung in der politischen Zusammensetzung. Einerseits gibt es nicht mehr die zwar hierarchisierenden, aber doch vereinheitlichenden sozialen Orte, die das Industrieproletariat des 19. und 20. Jahrhunderts ausmachten, zumindest nicht im Norden des Globus. Die aktuellen Lohnarbeitsverhältnisse sind viel prekärer, viel zersplitterter, so wie es die Hausarbeit immer war. So gesehen ist es durchaus schlüssig von einer Hausfrauisierung der Arbeit zu sprechen. Andererseits ergibt sich durch diese unterschiedlichsten Arbeitsverhältnisse (bezahlt, unbezahlt, etc.) auch kein einheitlicher politischer Ort. D.h., die Konzepte der Vergangenheit, die Partei, die Avantgarde, usw., sind nur noch bedingt, wenn überhaupt, wirksam. Es ist im aktuellen Kapitalismus von einer extrem ungleichen Entwicklung auszugehen, nicht, dass es dabei keinerlei „Fortschritt“ und „Entwicklung“ mehr geben könnte. Dies aber nur in sehr engen Bereichen, die nur sehr engen Schichten zugute kommen. Diese Ungleichgewichtung führte und führt immer wieder zum Überleben, ja teilweise zur beschleunigten Entwicklung sozialer Formen, die durchaus aus der Vergangenheit stammen könnten, wie der Kolonialismus, Formen der Sklaverei, aber auch religiöse Formen. Insofern kann das System der geschlechterdominierten, unbezahlten Hausarbeit durchaus als moderner Kolonialismus bezeichnet werden, wie das von verschiedenen Feministinnen vorgeschlagen wurde. Was die bezahlte Hausarbeit anbelangt, so ist sie mit denselben „weiblichen Attributen“ behaftet, wie andere mit Care in Verbindung gebrachte Arbeitsbereiche, und das umso mehr, als es zu keinerlei Solidarisierung von anderen untergeordneten Teilen der Gesellschaft kommt, vornehmlich von Männern der unteren Klassen, die ebenso Nutznießer dieses Systems der geschlechtlichen Ausbeutung sind.

Sorgearbeit als Reproduktionstätigkeit im Haushalt, Versorgungs- und Pflegearbeit der Kranken und der Kinder usw. wertmäßig gesehen würde das Bruttoinlandsprodukt verdoppeln. Eine Wertmasse von Ausmaß der anerkannten pro Jahr realisierten Werte bleibt unbewertet, wertlos, wird der Unsichtbarkeit überantwortet. Grund dafür ist zum Einen die bekannte Trennung der Produktion von der Reproduktion und die Fixierung des Wertes auf die Warenproduktion, unter der Voraussetzung, dass Mehrwert und für den Markt produziert wird. Es sei unterstellt, dass es sich beim Markt um einen kapitalistischen, ergo kommodifizierte Markt handelt. Es sind durchaus auch andere vorstellbar, wie die des Mittelalters, oder jene der bäuerlichen Clangesellschaften. Im übrigen gibt es aktuell auch nicht kommodifizierte Märkte, wie die Tauschbörsen- und -kreise, die auf Wechselseitigkeit basierende Nachbarschaftshilfe u.a. Die Trennung der Produktion von der Reproduktion lässt die Reproduktionsarbeit und in der Folge die gesamte Sorgearbeit unsichtbar werden, fixiert den Arbeitsbegriff ausschließlich auf die Lohnarbeit. Wie die Arbeit auf Produktionsarbeit, so kann die Sorge nicht auf Reproduktionsarbeit beschränkt werden. Schon die Alten-Sorgearbeit reproduziert keine Arbeitskraft mehr. Es gilt jene im Blick zu behalten, die Care-Arbeit leisten. Es geht um deren Würde, um deren Ein- und Auskommen. Es geht genauso um die Durchsetzung von Würde und Autonomie der Care-Nehmer_innen, die, wie im Falle der Alten einem Regime des lebenslangen Lohnarbeitens unterstellt werden sollen. Die Beseitigung des Rechts auf die Herausnahme aus dem Lohnarbeitssystem im Alter, des Rechtes auf Entkommodifizierung, stellt ein Recht dar, dass von früheren Generationen erkämpft wurde. Die Demontage dieses Rechts auf Pension, abgesehen davon, dass es eine Art von Lohnkürzung darstellt, nämlich des indirekten Lohnes, also jenes Lohnanteils den der Staat und nicht die Unternehmen zahlen ist auch Terrain für aktuelle Kämpfe um ein Leben in Würde im Alter und hat Auswirkungen auf künftige Auseinandersetzungen, weil deren Beseitigung berechtigterweise als Niederlage empfunden werden würde – mit all ihren entmutigenden Auswirkungen. Bei der Auseinandersetzung kann es also kein Kriterium sein was sich der Staat und die Unternehmen leisten können. Denn dies ändert sich grundlegend mit Konjunkturen und Kräfteverhältnissen.

Genannte Trennung beseitigend würde den Klassenkampf nicht mehr „nur“ auf Lohnarbeit reduzieren, sondern würde ihn, wie das ja oft berechtigterweise von linken Feministinnen gefordert wird, auf die Geschlechterbeziehungen und in erweiterter Perspektive auf weitere Felder beziehen. Ebenso wie umgekehrt der Kampf gegen die Geschlechterungleichheiten aus dieser Perspektive heraus, die immer eine der Hervorhebung des Sorge-Komplexes ist, die gesamte Gesellschaft betreffen würde. Marx besagte Trennung vorzuwerfen greift da schon deshalb zu kurz, weil sein Hauptwerk, das Kapital, eben eine Analyse kapitalistischer Verkehrsformen ist und kein utopischer Entwurf, etwas, dem sich Marx größtenteils verweigert hat. Ein Entwurf, worin die dem Kapitalismus eigenen Spaltungen beschrieben werden, wie z.B. die zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit.

Eine aktuelle Tendenz neoliberaler Privatisierung ist die fortschreitende Kommodifizierung von Care-Arbeit, z.B. durch die Privatisierung von Beratungs- und Pflegeeinrichtungen. Gleichzeitig braucht kapitalistische Verwertung auch nicht- kapitalisierte Bereiche (Rosa Luxemburg), die sie nutzen und ausbeuten kann, wie eben die Hausarbeit. Eine total durchkapitalisierte Gesellschaft ist ein Widerspruch in sich. Alle Erfahrungen aus der Geschichte deuten darauf hin, dass eine solche Gesellschaft ein „Selbstmordprojekt“ wäre. Konkurrenz auf ihre Spitze getrieben muss die Anderen vernichten, so dass niemand mehr da ist zur Werterealisierung. Die Vision der reinen Maschinengesellschaft in der die Menschen überflüssig wären zeichnet ein solches Bild, wo Menschen, Maschinen zu Menschen machen (oder umgekehrt). Eine Sicht im Übrigen, die die Menschen als unvollkommene Wesen die immer wieder von störenden Emotionen geleitet werden, nicht genügend rationell sein können usw. beseitigt, die sich also in Form der Maschinen selbst noch mal schaffen und sogar übertreffen, also die eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten durch die (perfekte) Maschine überwinden. Eine Art des Fortschrittsglaubens der die Züge des abstrakten, von Sorge gesäuberten staatlichen Sicherheitsdiskurs anhaften.

Die Hereinnahme immer weiterer Bereiche der Gesellschaften in den kapitalistischen Verwertungskreislauf (die Kommodifizierungen) zerstört bestehende Verkehrsformen; die Schaffung von Care-Ketten zerstört die Subsistenzwirtschaft in den weniger kapitalisierten Ländern. Dies wirkt als eine Art ursprünglicher Akkumulation mit all dem Elend das sie begleitet. Im Falle der Care-Ketten, wie gesagt, zerstört sie nicht nur die bestehenden Produktions- und Verkehrsformen, schließt die Beteiligten in den kapitalistischen Finanzkreislauf ein und entsolidarisiert die betroffene Bevölkerung in jene, die spärliche Finanzmittel aus den Überweisungen erhalten und jene, die mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr überleben können. So wird die Möglichkeit von Widerstand geschwächt und damit jene Aspekte der Sorge, die über die Reproduktionsarbeit hinausgehen, in empathischer Anteilnahme, in aktiver Aufmerksamkeit und Solidarität.

4. These: Konterrevolution ist aktuell zur permanenten Aufgabe der Herrschenden über die Beherrschten geworden. Sie ist präventiv, weil keine tatsächliche Revolution vorangegangen ist – zumindest nicht im globalen Norden. Sie ist sozial, weil sie sich gegen die untergeordneten Klassen, Geschlechter, Tiere und Natur richtet. Es ist die präventive soziale Konterrevolution (psK). Die überschießende Sorge ist in der Lage die Dynamik der psK zu einem Stillstand zu bringen, bzw. ihre eigentliche Richtung umzukehren und damit ganz neue Perspektiven zu eröffnen.

Der Staat als Garant und Repräsentant der Klassentrennung, der Hierarchisierungen und profitgetriebenen Interventionen richtet sich gegen eine (kollektive) autonome Eigeninitiative der Sorge und Für-Sorge der unteren Klassen, der untergeordneten Geschlechter, der Migration usw. ja muss sich dagegen richten, bei Strafe des Unterganges des gesamten Systems der Lohnarbeit. Dies beschreibt schon die permanente Aufgabe der Herrschenden und des Repressionsapparates, der immer den tatsächlichen Kräfteverhältnissen weit überproportional ist. Da Emanzipation und Widerstand immer möglich sind, auch bei noch so autoritären Regimen, bzw. da es immer auch den Versuch eines Sich-Entziehen aus den Ausbeutungsverhältnissen, als Dekommodifizierung, als tagtägliche Praxis, gibt, bzw. einfach um bessere Lebensverhältnisse durchzusetzen, ist er dazu gezwungen. Die gesamte Entwicklung des Kapitalismus, von den Hexenverbrennungen zur Durchsetzung des kapitalistischen Geschlechterregimes bis zum Krieg gegen den Terror zur Durchsetzung neoliberaler Verkehrsverhältnisse, kann als eine Geschichte von Konterrevolutionen gelesen werden. Auch das Marx’sche Werk kann so gelesen werden und sollte das auch. Es geht um die permanenten Her- und Zurichtung, Segmentierung und Hierarchisierung der einzelnen Teile des gesellschaftlichen Zusammenhanges. Aktuell passiert dies als präventive, soziale Konterrevolution. Schon die Möglichkeit einer Revolution soll aus den Herzen und Hirnen der Menschen ausgemerzt werden. Revolution soll undenkbar werden und damit gar nicht in den Focus des Handelns gelangen. Dass dem nicht so ist haben zuletzt die Ereignisse in der arabischen Welt sehr deutlich gezeigt. Es geht darum, die Lebensverhältnisse großer Teile der breiten Massen (natürlich nicht aller) zu verschlechtern, um so die Mehrwertrelationen weiter zugunsten der Kapitaleigner_innen zu verschieben. Es sind die emanzipativen Bewegungen, die die Kapazität und Wirkmächtigkeit, die Kontinuität der psK, unterbrechen können. Und sie können das nur über und vermittels des Sorge-Komplexes. Oder anders gesagt: Nur wo es möglich wird diese Kontinuität zu unterbrechen werden die Risse im System deutlich, werden in ihrer Vielfalt sichtbar und erst ab diesen Zeitpunkt kann eine strategische Intervention erfolgen, die die Möglichkeit des Ergreifens der Massen beinhaltet. Dies wäre der Zeitpunkt ab den von Resonanzerscheinungen gesprochen werden kann.

Die Konterrevolution greift permanent auf die Individuen als Individuen zu und bearbeitet sie, produziert sie in marktgängiger Gestalt. Dies passiert nicht nur direkt durch Regierungsmaßnahmen, wie in den Dokumenten und Statements der EU-Institutionen, die vor ihrer Veröffentlichung von Linguistikexpert_innen überprüft werden oder durch die Prellereien der Chefs, sondern ebenso durch vorgefertigte Selbstpraktiken die in endlosen Wiederholungen, wie jene tagtäglichen Interventionen der Massenmedien, die einen extremen Verunsicherungsdiskurs mittels Mehrfachdiskriminierungen führen. Diese und viele ähnliche Praktiken fixieren die Subjekte, formen die Subjekte identitär auf zugeschriebene Rollen und wirken so präventiv, in der individuellen Vereinzelung antikollektiv und entsolidarisierend, in der Festschreibung der (dualen) Geschlechterrollen auf die respektive geschlechtliche Arbeitsteilung, in sozialer Hinsicht auf die Hierarchisierung und Fixierung der Ungleichheiten. Sorge kann diesen Kreislauf unterbrechen, weil sie sich auf die Singularitäten bezieht, aber gleichzeitig auch auf die Kollektive zielt, in einem wechselseitigen Prozess, der Vielheit impliziert und produziert. Worauf hier hingewiesen werden soll ist das bürgerliche Individuum, das in seiner Konkurrenzfixiertheit zu kollektiven Praktiken nicht fähig ist. Dazu bedarf es eines Darüberhinausgehens mittels des Sorge-Komplexes, das eine kreative und dynamische Wechselwirkung zwischen den Singularitäten und den Kollektiven ermöglicht, ohne sie dabei zu determinieren und binär zu fixieren.

Konterrevolution greift permanent auf die Gesellschaft zu, indem sie spaltet, segmentiert, bewertet und entwertet, determiniert. Die aktuell gängig angewandten Mechanismen sind jene der Angst vor Terrorismus, Verbrechen und vor den Anderen. Es ist die Angst des Individuums. So gelang es immerhin die gesamte globalisierungskritische Bewegung über die Ereignisse um 9.11. zu verunsichern und zu kriminalisieren.

5. These: Care-Sorge-Für-Sorge bezieht sich, wie bereits angeschnitten, nicht nur auf die Reproduktionsarbeit, die Pflege, etc., sondern ebenso auf die immateriellen Bereiche des Zusammenlebens: die Aufmerksamkeit, die Zuwendung, die Solidarität. So sie sich auf die subalternen Lagen bezieht subvertiert sie den vorherrschenden Sicherheitsdiskurs ist dabei Mittel und Zweck zugleich. Ihr historisches und aktuelles Instrument ist der Streik. Der Streik als Unterbrechung des tagtäglichen „Laufes der Dinge“ soll auf den Sorge-Bereich umgelegt werden. Hier aber nicht als Entzug und Verringerung an Arbeit, wie in der klassischen Arbeitsniederlegung, sondern als Produktion von Überschüssen, eines Mehr an Sorge, das nicht jenen zugute kommen soll, die schon genug davon haben, sondern jenen, die Gefahr laufen aufgrund ihres praktischen täglichen Widerstandes ausgebrannt, demoralisiert zu werden. Dies könnte über die Konstituierung von Care-Collectiven erfolgen.

Beim Streik geht es darum konkret Stellung zu beziehen, Partei zu ergreifen. Es ist hier nicht möglich im beliebig-luftleeren Raum zu agieren, sondern die vorhandenen Räume auf bestimmte Art und Weise zu gestalten, etwas, was immer eines gemeinsamen Diskurses bedarf. Es geht darum, ausgehend von den vergangenen Auseinandersetzungen Schlüsse zu ziehen, ohne dabei die Gegenwart und die Zukunft zu determinieren. Sorge öffnet dabei den Blick auf die soziale Gewordenheit, auf die Gemachtheit der gegenwärtigen Verhältnisse, auf deren Historie und damit Veränderlichkeit. Sie schafft so Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die der Kapitalismus immer wieder zu unterbrechen sucht. Sorge schafft so jene zeitlichen Kontinuen, die kollektiven Tun erst Sinn geben und es so ermöglichen kann. Auf diese Weise kann ein Raum geöffnet werden und Utopien und Möglichkeiten ge- und erfunden und damit auch angeeignet werden. Die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus, dem Patriarchat, der Umweltzerstörung, ist somit auch eine Wiederaneignung von (kollektiven) Formen der Sorge: ist Mittel und Zweck zugleich. Kollektive Formen der Sorge gibt es, schon lange, aktuell auch bei den Kämpfen der Refugees in Wien um ihren Aufenthaltsstatus. Bei dieser Bewegung ist augenscheinlich, dass sie nicht von solcher Dauer wäre, wenn nicht ein Netzwerk von Unterstützer_innen sich sorgend eingeschaltet hätte. Dies erstreckt sich von der Solidarität mit den Geflüchteten bis zur Hilfe bei der täglichen Versorgung. Die Aktivitäten der Repressionsapparate, vornehmlich das Innenministerium, zielen dabei immer auf die Spaltung der Akteure und Aktivist_innen untereinander und zudem von der Zustimmung in Teilen der Bevölkerung. Deshalb vor kurzem die Denunziation und Hochstilisierung einiger Refugees stellvertretend für viele, zu „Schleppern“.

Der Streik, der klassische so wie der Sorge-Streik, unterbricht den gewohnten Lauf der Dinge. In seiner klassischen Gestalt, die durchaus noch nicht obsolet geworden ist, soll er einen Mangel produzieren, z.B. an Waren, an Profit, an Mehrwert, der die Unternehmer treffen soll und so zu Zugeständnissen zwingt. Im Bezug auf den Staat soll der Streik bestimmte Gesetze verhindern, andere ermöglichen. Die Unterscheidung zwischen ökonomischem und politischem Streik scheint aber eher hinderlich, weil dem Einen das Andere abgesprochen wird, und umgekehrt. Der klassische Streik als Instrument der industriellen Arbeitnehmer_innenklasse hat aber für relativ zersplitterte und unterschiedliche Ausbeutungslagen, wie z.B. den Hausarbeiterinnenstreik, nicht dieselben Wirkungen gezeigt. Es wären für andere Voraussetzungen auch andere Streikformen zu wählen, die nach wie vor die Unterbrechung des Alltäglichen hervorbringen. Solcherart soll hier der Sorge-Streik als Produktion von Überschüssen, nicht von Mangel, vorgeschlagen werden, wie er bereits von der spanischen feministischen Gruppe „Precarias alla Deriva“ in die Diskussion gebracht wurde. Dieses Mehr an Aufmerksamkeit, an Zeit usw. soll aber nicht jedem voraussetzungslos zugute kommen. So nicht jenen, die davon schon genug haben, weil sie es sich einfach nehmen können, aufgrund ihrer Machtstellung oder ihrer vorhandenen Ressourcen, sondern im Gegenteil soll es jenen zugute kommen, für die das nicht zutrifft. Dieser Überschuss hat solcherart keinen caritativen Charakter und er ist, da er Vertrauen und Anteilnahme ohne Gegenleistung entgegenbringt den vorherrschenden konservativen Sicherheitsdiskurs entgegengerichtet. Er bezieht sich auf die Subjekte, die bereits Widerstand leisten und von den repressiven Maßnahmen am meisten betroffen sind, die Aktivist_innen, die Undokumentierten, die prekär Beschäftigten. Der Care-Streik schafft für sie die notwendigen Ressourcen, die nicht nur materieller Natur sind. Er hat die Kraft den Sicherheitsdiskurs unwirksam zu machen, weil er seine angstmachenden und disziplinierenden Wirkungen und deren Effekte unwirksam macht und so den Weg frei macht für eine freiere Gesellschaft, die nicht über Menschen, Tiere und die Natur herrschen muss, sondern in dem sie ihre Bedürfnisse in Würde ausverhandeln.

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