FŒHN, Heft 12
April
1989

Die „Industrie“ greift nach der Macht in Österreich

Die Politik, die bisher betrieben wurde, die Politik der Hereinholung auslän­dischen Kapitals und des Hinausverkaufs österreichischer Betriebe, findet ihre geradlinige Fortsetzung in der Politik der direkten Anhängung Österreichs an die „EG“. Das systematische Austreiben der österreichischen Wirtschaft aus der „österreichischen Wirtschaft“ seit 1955 hat die hereingebetenen Eindrin­glinge in die Lage versetzt, heute das ganze Österreich zu fordern.

So wie die Industriekonzerne in der „EG“ Order zur Schaffung des „Binnen­marktes“ gegebeh haben, so hat die Großindustrie in Österreich Order zum Anschluß an diesen gegeben.

In den vergangenen zwei Jahren hat das große Kapital in Österreich ganz offen die politische Führung an sich gerissen. Durch keinen falschen Schein mehr verhüllt, entscheidet heute eine kleine radikale Minderheit, im privaten Verein „Vereinigung Österreichischer Industrieller“ zusammengeschlossen, was in diesem Lande zu geschehen hat. Und so treibt sie diese Regierung (auf deren Bildung aus SPÖ und ÖVP sie gedrängt hat), die sich von ihr vor sich hertreiben läßt, seit ihrem Bestehen unaufhörlich vor sich her. Die sogenannte Österreichische Industriellenvereinigung, in der die politische Macht über Österreich organisiert ist, hat in einem Feldzug, wie ihn dieses Land noch nicht gesehen hat, unter dem Einsatz aller großen, d.h. dem großen Geld hörigen Medien, also aller großen Medien, hat in einem Feldzug gegen die Selbstän­digkeit Österreichs, also einem gegen Österreich, den Anschluß an die „EG“ voranzutreiben versucht. Den dreckigsten antiösterreichischen Anschlag hat diese extrem kleine und in ihren Interessen ebenso extreme Gruppe dabei ausgerechnet an einem 15. Mai verübt, indem sie wohlkalkuliert an diesem Tag, dem Gedenktag der Unterzeichnung des Staatsvertrages, damit dem der Zurückerlangung unserer Unabhängigkeit, als höhnische Provokation für die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung in einer großen Pressekon­ferenz in Wien die „Forderung nach einem raschen EG-Beitritt“ (Pressedienst der Industrie, 15.5.1987) gestellt hat. Deutlicher hätte sie nicht zeigen können, was sie von der Souveränität Österreichs nicht hält.

Wer herrscht?

Nirgendwo ist die herrschende Klasse Österreichs reiner zusammengefaßt als in der „Industriellenvereinigung“. Ein Blick auf das hier freiwillig zusammen­geschlossene in- und ausländische Großkapital zeigt, wer in Österreich, unbesehen wechselnder Regierungsbeamter, regiert. 45 Prozent der heimischen Industrie sind nach letztem Stand in ausländischer Hand. Entsprechend sitzen im Vorstand der „Österreichischen“ Industriellenvereinigung nebst Vertretern der größten österreichischen Betriebe und Banken Bevollmächtig­te ausländischer Konzerne (von Siemens und Philips bis Semperit-Conti und Shell). Bedenkt man, daß die kleineren österreichischen Industriebetriebe nicht Mitglied in diesem Klub der Großen sind und die Verstaatlichte Industrie wohl Mitglied ist, aber keinen Mitgliedsbeitrag entrichtet, kann man davon ausgehen, daß die ausländischen Betriebe für mehr als die Hälfte des Budgets der „österreichischen“ Industriellenvereinigung aufkommen. Was folgt dar­aus?

Als im Vorjahr ein neuer Industrielien-Präsident zu wählen war, gab es laut Trend (Juli 1988) zwei Favoriten, die General-Direktoren von Semperit (zu 75% im Besitze der deutschen Continental) und Henkel Austria (zu 100% im Besitze der deutschen Henkel). Als Kompromißkandidat kam dann der farb­lose Generaldirektor einer österreichischen Papierfabrik zum Zug, der sich über die Zeitungen mit dem Slogan „Wenn ich einen Wunsch frei hätte — lieber heute als morgen in die EG hinein.“ (Die Wirtschaft, 14.3.1988) empfohlen hatte. Die beiden Konkurrenten wurden die beiden Vizeprädsidenten.

Diese sogenannte „Vereinigung Österreichischer Industrieller“ (VÖI) ist seit vier Jahren auch in der „Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas“ (UNICE) vertreten, die den „EG-Binnenmarkt“ herstellen läßt.“ „Die VÖI leistet in der UNICE auf allen Ebenen der Fach- und Leitungsgremien, bis hinauf zum Organ des Präsidentenrates, ihren Input zur Vertretung der Interessen der österreichischen Industrie und wirkt an den an die EG-Organe gerichteten Stellungnahmen der europäischen Industrie vollberechtigt mit.“ (»Stellungnahme der VÖI zur Europäischen Integration«, Juni 1987). Seit Mai 1988 hat die VÖI ein Büro bei der „EG“ in Brüssel, mit einem ständigen Vertreter. Christian Beurle, der langjährige Präsident der VÖI, ist UNICE­-Vizepräsident.

Die SPÖ brüstet sich auch noch damit: Die Regierung hat Österreich bei den Multis angestellt. (Im Bild: ITT)

Die Woche zweimal verlangt der Sprecher dieser Machtklasse, Generalsekre­tär Herbert Krejci, den „EG-Beitritt“, und aus den siebzehn Tageszeitungen des Landes, die von den Anzeigenmillionen der von ihm vertretenen Großbe­triebe leben, schallt es zweimal die Woche siebzehnfach zurück.

So wie es sich für Österreich rächt, daß bedeutende Happen der Zeitungsbran­che nicht mehr in österreichischer Hand sind, so lohnt es sich im Vortrieb bundesdeutscher Interessen, daß diese Happen in der Hand von BRD-Kapital sind. Kurier und Krone gehören ebenso zu jeweils fast der Hälfte der West­deutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) wie Profil und Wochenpresse. Mit dem Standard erscheint seit der deutschen Besatzung erstmals wieder eine Tagezeitung in Österreich, die voll von deutschem Kapital abhängt. Die AZ wird gerade an den europäischen Medienkonzem Maxwell verkauft, der mit »European« die erste „EG“-Zeitung auf den Markt gebracht hat. Die Liste der österreichischen Medien, die mit Geld aus dem Ausland dirigiert werden, reicht weiter über Wirtschaftsmagazine wie Cash fiow, Option, Trend und andere bis zu bunten und grünen Illustrierten. Die Besitzverhältnisse am Kurier-Konzern spiegeln getreu wieder, wer in Österreich die Macht hat: Erstens das deutsche Kapital (45%), zweitens die organsierte in- und auslän­dische Industrie (ca. 30%) und drittens der Raiffeisen-Konzern. Herauskommen dann die unabhängigen, von den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher unabhängigen Tages- und Wochenzeitungen. Dementsprechend tummeln sich im Aufsichtsrat der Kurier AG neben Vertretern der WAZ-Gruppe solche von Raiffeisen und solche der Industrie. Generalsekretär Krejci ist insgeheim der Vorsitzende, der tatsächliche war lange Jahre G. Stepski-Doliwa, der Hauptaktionär der Nettingsdorfer Papierfabrik, die dzt. den Präsidenten der VÖI stellt, und ist seit neuestem ein Vertreter der Bierindu­strie, die vordem den Industriellenpräsidenten gestellt hat.

Zum Einstieg der Industrie in die Meinungsindustrie sagte der Aufsichtsrats­präsident des Kurier-Konzerns 1985: „Ich kann nur dazu sagen, daß man im Ausland immer wieder staunt, daß die österreichische Industrie diesen Schritt gewagt hat. Man beneidet uns da sehr. Ob wir jenen Einfluß ausüben können, den wir uns vorstellen, diese Frage kann ich heute noch nicht beantworten.“ (Industrie, 21.8.1985) Um den Einfluß auf die Presse zu verstärken, kündigte er damals auch „Schulungsmaßnahmen zur Verbesserung des Wissensfundus der Journalisten“ an. In Ergänzung dazu hält die Bundessektion Industrie der Bundeswirtschaftskammer zum Zwecke der Bearbeitung der Presseleute jährlich ein mehrtägiges Joumalisten-Seminar ab (zuletzt Ende Jänner 1989 in Kärnten), wo willige Wirtschaftsjoumalisten auf Vordermann gebracht wer­den.

Wer regiert die Regierung?

Mit dem Zugriff auf die Medien des Landes hat die Industriellen-Vereinigung, die übrigens das unausgesprochene „Recht“ hat, ihre Vertreter in Regierung (z.B. Finanzstaatssekretär G. Stummvoll) und Landtage (in Tirol: VÖI-Tirol-Geschäftsführer D. Bachmann) zu setzen, beste Bedingungen, um ihre anti­österreichische Politik durchzuziehen.

Natürlich bedient sie sich dabei der Parteien. „Der mit Abstand wichtigste Geldgeber im wenig durchsichtigen Feld der Parteispenden ist die Vereini­gung Österreichischer Industrieller. Die Mitglieder dieses Verbandes können ihren Mitgliedsbeitrag von der Einkommensteuer absetzen. Und die Vereini­gung Österreichischer Industrieller gibt — durchaus legal — einen Großteil dieser Mitgliedsbeiträge an die Parteien, d.h. konkret an ÖVP und FPÖ, weiter.“ (A. Pelinka in Standard, 19.12.1988) Von der direkten Finanzierung der ÖVP durch die Industrie, zum Beispiel zahlt der deutsche Chemie-Multi Henkel, dessen Österreich-Chef zu den feurigsten „EG“-Anschließern gehört, Monat für Monat eine ganzseitige Einschaltung im ÖVP-Mitglieder-Magazin Plus, wollen wir hier gar nicht reden.

„Auf Basis des Memorandums werde die Industrie — so Krejci — jetzt mit einer intensiven ‚Massage der Sozialpartner und der Regierung‘ beginnen, um Widerstände abzubauen.“ (Kurier, 16.5.1987), wurde bei der erwähnten Anschluß-Pressekonferenz der VÖI am Staatsvertragstag angekündigt. In der Folge massierte der vom großen Kapital Beauftragte H. Krejci denn auch die Regierung unaufhörlich, morgens und abends, öffentlich und nichtöffentlich. Da wurde ein bißchen gefordert und ein bißchen gedroht („Bei den Investi­tionsentscheidungen der Unternehmer wird laut Industrie viel von der ‚EG- Entscheidung‘ abhängen.“ — TT, 8.1.1988), ein bißchen kritisiert und ein bißchen gelobt („Die österreichische EG-Politik sollte sich von solchen Mei­nungsäußerungen — wie denen des belgischen Außenministers Tindemans — nicht beirren lassen, die Reaktionen der Regierungsparteien seien erfreulich gewesen, betonte Krejci.“ — TT, 17.8.1988). In aller Öffentlichkeit wurde der Regierung die Außenpolitik vorgegeben („‚Der Weg nach Brüssel führt ganz klar über Paris‘, sagte Krejci.“ — TT, 9.11.1988) und sie „aufgefordert, in der Regierungsklausur einen verbindlichen Zeitplan festzulegen, nach dem die Stellung des Beitrittsantrages an die EG abgewickelt werden sollte“ (TT, 15.10.1988), dem die offizielle Regierung verbindlich nachkam.

Der Schwanz hat ganz kräftig mit dem Hund gewedelt.

Selbst die Industriellenvereinigung war überrascht, wie sie mit dieser Regie­rung Schlitten fahren kann. Hat sie zu Anfang ihrer Kampagne noch erklärt, sie fordere den „Vollbeitritt“ nur, um wenigstens eine Annäherung an die „EG“ durchzusetzen, so will sie jetzt, da sie von dieser Regierung alles haben kann, wirklich alles, den Vollanschluß Österreichs an die „EG“.

„Der österreichische Europa-Zug fährt in die richtige Richtung. Die heimische Industrie kann für sich in Anspruch nehmen, für die Lokomotive die eifrigsten Heizer aufgebracht zu haben.“ (Industrie, Wochen-Zeitung der VÖI, 20.1.1988)

Weiter. Um die Anschlußinteressen der großen österreichischen und noch mehr der sich in Österreich ausbreitenden ausländischen Industrie, die gegen die österreichische Bevölkerung gerichtet sind, bei dieser durchzubringen, hat die Industriellenvereinigung sich den Vizekanzler der Republik gefügig ge­macht, hat die Industriellenvereinigung Millionen Schilling und Millionen D­Mark teure Fehl-Informations-Feldzüge gegen die Bevölkerung geführt und hat die Industriellenvereinigung gegen hohe Summen Gutachten bei Wissen­schaftern, die bei sich Gutachten bestellen lassen, bestellt.

Der Reihe nach. Im Jahre 1985 boten zwei Herren jedem der sich bedienen wollte, ihre guten Dienste bei der Neuinterpretation der österreichischen Neutralität an: „Gegen eine Vollmitgliedschaft Österreichs bei den Europäi­schen Gemeinschaften (EG) bestehen neutralitätsrechtlich keine Bedenken. Diese Meinung vertraten die beiden Völkerrechtler Michael Schweitzer von der Universität Passau und Waldemar Hummer von der Universität Innsbruck im Rahmen eines Europahearings der Jungen ÖVP in Salzburg.“ (Presse, 23.4.1985) Die Klasse des Großkapitals, die sich seinerzeit nachweisbar jah­relang gegen die Erklärung der österreichischen Neutralität gestellt hat, die mit der dann doch erklärten Neutralität nie etwas anzufangen wußte, bestellte als VÖI bei den beiden Herren ein Gutachten über die Vereinbarkeit von „EG- Mitgliedschaft“ und Neutralität, von dem sie im vorhinein todsicher wußte, wie es aussehen würde. Bereits am 8. November 1986 trat der unabhängige Wissenschafter DDDr. Hummer bei einer Propagandaveranstaltung der Jun­gen Industrie, der Nachwuchsorganisation der Industriellenvereinigung (de­ren Vorsitzender der oberösterreichische Industrielle Leitl ist), unter dem Titel „Unser Heimmarkt ist Europa“ in Linz auf, bei der bereits der „Vollbeitritt“ Österreichs zur „EG“ gefordert wurde. Im März 1987 legten die beiden Völkerrechtler die Studie vor, die ihnen, wie erwartet, viel Geld und der Industriellenvereinigung, wie erwartet, das in Aussicht genommene Ergebnis gebracht hatte. Die Industriellenvereinigung hat ihre Meinungsmacher in Politik und Medien mit diesem Elaborat, dem die Darstellungen namhafter Völkerrechtler und — was mehr ist — die Ansichten der Österreicherinnen und Österreicher entgegenstehen, ausgerüstet und damit versucht, ihrer gegen die Selbständigkeit Österreichs gerichteten Politik den Anschein von Gesetzlich­keit zu geben. Neutralitätsfeindliche Offiziere des Österreichischen Bundesheeres argumentieren heute mit dieser Studie für den Anschluß an die „EG“.

Prof. Hummer, der Europarechtler ohne Lehrstuhl für Europarecht, bestreitet über den seinerzeitigen Auftrag und das seinerzeitige Honorar hinaus landauf landab Vorträge, in denen er wie die VÖI den „Vollbeitritt“ fordert, und die VÖI, das paßt dazu, fordert einen Lehrstuhl für Europarecht: „Die Industriel­lenvereinigung tut alles, daß an einer österreichischen Universität ein solcher Lehrstuhl errichtet wird und wir könnten uns sogar vorstellen, daß wir dazu auch eine gewisse Starthilfe leisten.“ (H. Krejci in Europeus, 1/88) Andreas Khol, der mit dem Hummer-Schweitzer-Gutachten unter dem Arm durch die Lande zieht, präzisiert: „Zumindest ein Europa-Lehrstuhl muß nach Inns­bruck.“ (TT, 19.6.1988)

Den verschiedenen Vorhaltungen der Käuflichkeit begegnet Hummer ganz entschieden: „Zum einen muß ich feststellen, daß das Gutachten natürlich kein bestelltes. Gutachten der Industriellenvereinigung war, denn als ich den Auftrag bekommen habe, ist die politische Diskussion in Österreich noch gar nicht im Laufen gewesen, das heißt das Gutachten hat dann, als es erschienen ist, die Diskussion überhaupt erst ausgelöst. Die Industriellenvereinigung hat also keine Vorgaben beim Gutachten gemacht, daß das Gutachten dann eine Veträglichkeit eines Beitritts unter Neutralitätsvorbehalt ergeben hat, konnte die Industriellenvereinigung nicht wissen, wurde dann aber von ihr dement­sprechend politisch ausgeschlachtet.“ (Zeitung der Offiziers-Gesellschaft Tirol, Nov. 1988)

Das Gutachten von Hummer / Schweitzer ist wie weitere von der VÖI in Auftrag gegebene „Beitritts“-Studien in deren eigenem Verlag, dem Signum Verlag, erschienen.

Geisel Mock

Uns, denen eingebleut worden ist, daß wir in einer Demokratie lebten, wird es nie in vollem Umfang in den Kopf hineinkönnen, wie perfekt es in den vergangenen beiden Jahren dieser Industriellen-Clique gelungen ist, eine ganze Partei, eine ganze große Partei vollständig zu instrumentalisieren. Was die VÖI mit der ÖVP seit ihrer Regierungsbeteiligung aufführen konnte und aufführte, ist geeignet, uns den Glauben an die kapitalistische Demokratie ein für allemal auszutreiben.

Seine schwache Position innerhalb der ÖVP nach der argen Wahl-Niederlage seiner Partei im November 1986 hat Alois Mock für seine Geldgeber, die großen Industriellen, nach Strich und Faden erpreßbar gemacht. „Welches Ausmaß diese Spenden haben, wird von der VÖI nicht offiziell bekanntgege­ben. Berechnungen von Anton Kofler haben ergeben, daß die Spendeneinnah­men der ÖVP aus dem Bereich der Industriellenvereinigung rund um 1980 etwa 75 Millionen Schilling jährlich ausgemacht haben.“ (A. Pelinka in Standard, 19.12.1988)

Die Industriellenvereinigung, die alsbald die Losung „EG-Beitritt“ ausgege­ben hatte, hielt in ihren Medien über Monate hin die ÖVP-Führungsdiskussionen am Köcheln, die Mock aufs äußerste bedrängten. Der Vizekanzler schwenk­te halb auf den VÖI-Kurs ein, schätzte aber Mitte 1987 seine Position noch so stark ein, daß er glaubte, mit der Vertretung einer Politik der „Annäherung an die EG“ durchzukommen: „Vorerst möchte ich einmal betonen, daß ich es begrüße, daß die Österreichische Industriellenvereinigung auf diesem wichti­gen Sachgebiet das Expertenwissen fruchtbar macht und die Probleme in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht untersuchen läßt. Es sind im wesent­lichen aber drei Gründe, politische Gründe, die mich dazu veranlassen, das Konzept des Europavertrages und nicht jenes der Vollmitgliedschaft zu verfolgen: Wir brauchen ein maßgeschneidertes Konzept; wir brauchen schnel­le Ergebnisse; wir wollen nicht falsche Signale nach außen geben.“ (A. Mock in Österr. Monatshefte, Juni 1987)

Da die Industriellenvereinigung für ihre finanzielle Leistung an die ÖVP nicht die entsprechende politische Leistung bekam, nahm sie ihren Parteivorsitzen­den zur Geisel, anders ist das nicht zu benennen. Gleich nach Beginn der politischen Herbstsaison brachte sie Alois Mock und mit ihm seine Partei vollständig in ihre Gewalt. Es war der 10. September 1987 als Herbert Krejci, der vom großen in- und ausländischen Geld finanzierte insgeheime Kanzler der Republik, in der Sendung Zeit-im-Bild 2 auftrat und dort den Abschuß Mocks forderte, indem er nach einem Stauffenberg rief, der ihn beseitige. (Stauffenberg ist jener Oberst, der am 20. Juli 1944 mit einem Sprengstoffat­tentat Adolf Hitler zu beseitigen versucht hat.) Brutaler hätte die brutale Absicht nicht kundgetan werden können: „Ich schätze Mock menschlich sehr, aber es gibt starke Abnützungserscheinungen. Ich artikuliere hier, was hinter vorgehaltener Hand überall gesagt wird. Da muß einer Stauffenberg spielen, den will niemand spielen. Ich spiele ihn nicht. Um diese Sache kommen wir nicht herum. Ich werde von hunderten Leuten angesprochen: Wann werden wir wieder eine führungsfähige Führung bekommen?“ (ZiB 2,10.9.1987)

Im Kurier, dem Sprachrohr Krejcis, unterstützte ihn sein dienstwilliger Chefredakteur: „Herbert Krejci, Generalsekretär der Industriellenvereinigung hat eine harte Wahrheit öffentlich ausgesprochen: die ÖVP ist in einer Führungs­krise, Alois Mock hat seine Chance auf eine Führungsrolle in diesem Land längst verspielt.“ (Kommentator „Rau“, 12.9.1987) Die Presse klärte auf: „Herbert Krejci spricht als Exponent einer Interessensvereinigung. Und diese spendet jährlich nicht wenig für den Unterhalt und Weiterbestand der Volks­partei. Wer zahlt, schafft an: dieser ungute Eindruck muß in der Öffentlichkeit entstehen.“ (12.9.1987) Ist hier wirklich ein unguter Eindruck von den Zuständen entstanden und nicht umgekehrt ein sehr guter Eindruck von ganz unguten Zuständen?

Wie auch immer, seit diesem Tag marschiert Mock. Nie zuvor seit 1945 hat sich eine Clique einen Politiker so zum Werkzeug machen können. Seitdem fordert Mock gegen die Interessen des größten Teiles der ÖVP-Wähler den „Vollbeitritt“ Österreichs. Seitdem sind für ihn, wie für die Industriellenverei­nigung, die an der Unabhängigkeit Österreichs die Unabhängigkeit stört, die Neutralität unseres Landes und die Einverleibung durch die „EG“ gleichzeitig möglich. „Der neue Patriotismus heißt Europa.“ (A. Mock in seiner »Rede zur Lage der Nation« am 29.2.1988) Seitdem darf der langgediente stellvertreten­de österreichische Generaldirektor des britisch-holländischen Unilever-Konzerns, der ÖVP-Klubobmann Fritz König, jede Woche den „EG“-Anschluß fordern. Seitdem gibt es eine „EG-Kommission“ in der ÖVP, die der langjäh­rige Generaldirektor des multinationalen Jacobs-Suchard-Konzems und fanatische Anschlußbetreiber Martin Purtscher, heute Landeshauptmann von Vorarlberg, anführt.

Wie von einer Tarantel gestochen ist die ÖVP im letzten Jahr für die Interessen des großen Geldes in Österreich gerannt. Auch im Ausland hat man es registriert, etwa der EFTA-Generalsekretär Per Kleppe: „Die ÖVP steht unter dem Druck der Industrie.“ (Presse, 30.1.1988) Die Belobigung von dieser Seite ließ nicht auf sich warten: „Dank dem klaren Kurs, den Mock vor allem in der EG-Frage geht, hat sich seine Glaubwürdigkeit beträchtlich verstärkt. Man muß jetzt alles vermeiden, was nach einer Führungsdiskussion aussieht und manche Ehrgeizlinge, die auf dem Sprung sind, zurückhalten.“ (H. Krejci im Kurier vom 4.12.1988)

Die FPÖ, die von der Industriellenvereinigung und zudem von Industriellen privat hochgepäppelte Partei Haiders, die wie in allen der herrschenden Klasse wichtigen Fragen so auch in dieser einen brutaleren Kurs gehen möchte, kann damit noch im Talon der VOI bleiben.

Weil die Industrie daraus schließt, daß man auch die Bevölkerung kaufen kann, gibt sie sehr viel Geld aus

Dem großen Kapital, das bei uns anschafft, dem inländischen und dem ausländischen, bringt die Gleichschaltung Österreichs mit der „EG“ eine Steigerung seiner Gewinne. Es ist daher nur unternehmerisch gedacht, die läppische Summe von einigen zig Millionen Schillingen voraus in den An­schlußkampf zu investieren.

Werbekampagnen sollen nicht nur Plakatwände zukleistem, sondern auch die Hirne der Menschen, um den Politikern, die sich die VÖI zurechtgelegt hat, bei ihrer Arbeit zu helfen, die da ist: die Menschen dazu zu bringen, sich gegen ihre eigenen Interessen zu entscheiden.

Aus der großen Zahl dieser Versuche, die Bevölkerung für den „EG“- Anschluß breitzuschlagen, von den Zeitungsinseraten „Österreich zur EG“ der VÖI (1987) bis zu der Plakatserie „Österreich in das Europa von morgen führen“ der ÖVP (die leider nicht nur aus den Säcken der Geldsäcke, sondern auch aus den Säcken der Bauernbundmitglieder und Greißler finanziert wor­den ist; 1988) drei Beispiele:

  1. Im September 1988 gab es in Wien Bezirk für Bezirk sogenannte „Industrie Wochen“ unter dem Motto „Europareif! Die Wiener Wirtschaft“. Slogan der begleitenden Zeitungsganzseiten-Inserate: „Worauf warten wir noch?“ Im Rahmen dieser Aktion gab es Tage der offenen Tür bei Betrieben, die diese Kampagne unterstützten. Einer dieser Betriebe war der »Kurier«, der damit sein Anschlußinteresse auch als Industriebetrieb gezeigt hat. In den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt beteiligten sich 11 Firmen, darunter die ausländi­schen Mobil Oil, Siemens, Hoechst, Alcatel, General Motors, Bombardier-Rotax und Billerbeck. Soviel zu „Die Wiener Wirtschaft“.
  2. Im Frühjahr 1988 war das Bundesland Oberösterreich mit einer Plakatserie „Die oö. Industrie — Wir sind europareif.“ bis oben hin zugeklebt. Großinsera­te „Ja zur EG“ in den Zeitungen unterstützten den Generalangriff auf die Köpfe der Menschen. „Die oö. Industrie“, das ist, neben der Verstaatlichten, die von der „EG“ nix Gutes zu erwarten hat, vor allem die auslandsabhängige Zuliefer­industrie und die multinationale Industrie (BMW, Semperit-Conti, ABB, AEG, Mobil, BP, Siemens, Philips, Alcatel, Nestle, Knorr, Linz Textil usw.). Die Werbeagentur Sery, die diese, wie sie es nennt, „gezielte Promotion­-Kampagne zum Beitritt Österreichs in die EG“ erarbeitet hat, schreibt dazu: „Die für Frühjahr ’88 geplante Promotion-Aktion beinhaltet eine gezielte Mischung aus emotionaler Ansprache und sachlicher Argumentation. (...) Die Kampagne umfaßt monatlich 700 Großflächenplakate, Insertionsschaltungen in der Tagespresse, zielgruppenspezifische Prospektaussendungen sowie Informationsveranstaltungen mit interessanten Beiträgen und Diskussionen, Filmvorführungen und Fachvorträgen.“ (Sery-Prospekt)
  3. Der ersten Großkampagne für den Total-Anschluß wurden wir bereits im Winter 1987/88 ausgesetzt. In einer vierteiligen Serie von Ganzseiten-Inseraten in Tages-, Wochen- und Monatszeitungen, finanziert von der CA, wurde versucht, uns einzufangen: „Es kommt viel auf uns zu. Viel Neues. Viel Gutes. Die Herausforderung Europas ist groß. Nach Europa gehen wir am besten gemeinsam. CA, die Bank zum Erfolg.“

Wenn man von der Macht in Österreich spricht, muß die CA, die größte Bank des Landes, mit besten Auslandsverbindungen, mit einem Firmenimperium dabei, im ersten Satz vorkommen. Was die Deutsche Bank in der BRD, ist die CA in Österreich. Was die CA für die Deutsche Bank ist? Ein Zulieferbetrieb. So hat die CA immer wieder Firmen aus ihrem Konzern, wie Semperit an Firmen aus dem Konzern der Deutschen Bank, wie Continental, verschleu­dert. Die CA darf, so ist es, jene Finanzgeschäfte machen, die die Deutsche Bank sie machen läßt. So durfte sie das Nagymaros-Abenteuer eingehen, mußte das sichere Sellrain-Silz-Geschäft aber den Deutschen überlassen (siehe FOEHN 10/11). Die CA, die schon einmal von der Deutschen Bank verschluckt worden ist, ist heute in die europäische Bankengruppe EBIC, die klar von der Deutschen Bank dominiert wird, fest eingebunden.

Die Tochterbetriebe einer langen Reihe von Industriekonzernen, die draußen zum Geschäftsbereich der Deutschen Bank gehören, werden herinnen durch die CA vertreten (z.B. Siemens, Bosch, Henkel, Unilever, Hoechst, Nestle). Die Profite der Großindustrie sind allemal auch die Profite der Banken, die hinter ihnen stehen, mehr noch: einige wenige Großbanken haben die Verfü­gungsgewalt über weite Teile der Wirtschaft.

Für wen spricht die CA, wenn sie in konsequenter Fortsetzung ihrer Politik, den ganzen Anschluß fordert? Für die Sparbüchlsparer? Die CA vertritt in erster Linie — und in der Frage der Einbeziehung Österreichs in den „EG“- Wirtschaftsraum ganz besonders — die Interessen ihrer Großkunden. Ein Blick auf die Zusammensetzung der Gremien, die die CA neben dem vorgeschrie­benen Aufsichtsrat (wo unter anderem die „EG-Befürworter“ Siemens, Gös­ser und Rauch Sitz und Stimme haben) eingerichtet hat, um ihren Großklienten ein Mitspracherecht zu geben, macht alles klar: Im „Internationalen Beirat“ der Creditanstalt tummeln sich neben dem langjährigen Präsidenten der Deutschen Industrie- und Handelskammer Otto Wolff von Amerongen und dem früheren „EG“-Präsidenten Gaston Thorn Vertreter unter anderem von Siemens, VW, Bosch, Olivetti und Generali. Im „Nationalen (!) Beirat“ drängeln sich neben großen österreichischen Industriellen Beauftragte folgen­der ausländischer Unternehmen: Agip, Allianz, Bayer, BBC, BMW, BP, Castrol, Esso, Generali, Henkel, Hirschmann, Hoechst, IBM, Kleider Bauer, Master Foods, Mobil, Nestle, Nixdorf, Philips, Shell, Siemens, Suchard und Unilever.

Alles hat seinen Grund, warum es ist. Die Menschen sind in der Politik immer die Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie hinter allen möglichen moralischen, politischen und sozialen Erklärungen und Versprechungen nicht die Interessen dieser oder jener Klasse suchen.

Daß diese CA dann unter Hinweis auf die starke Verflechtung mit dem Ausland, die sie allen voran nach Kräften herzustellen geholfen hat, die Losung ausgibt, „die Überwindung nationalstaalicher Souveränitätsillusionen ist zu einem Gebot der Stunde geworden“ (H. Androsch), ist ungeheuerlich für uns, aber nur konsequent im Interesse derer, denen sie verpflichtet ist.

In der Zeit, in der ihr Industriekonzem am stärksten war, sind die Firmen der CA „zu ungefähr vierzig Prozent“ (Profil, 29.2.1988) für die Mitgliedsbeiträ­ge der Vereinigung Österreichischer Industrieller aufgekommen. Bankkapital und Industriekapital, die die österreichische Politik bestimmen, sind aufs engste verflochten, was auch darin seinen Ausdruck findet, daß VÖI-Spitzenfunktionäre in Aufsichtsrat und Nationalem Beirat der CA und Manager des CA-Konzerns zuhauf im Vorstand der Industriellenvereinigung sitzen.

Die große inländische Industrie will ihn

Ich weiß, ich weiß, es reicht dir schon, liebe Leserin, lieber Leser, aber es heißt, die Sache zu Ende denken. Die großen Industriellen dominieren nicht nur die VÖI, sondern auch die Handelskammern, die gesetzlichen Vertretungen der Gewerbetreibenden, obwohl sie dort nur 3 Prozent der Mitglieder stellen. Was sie sich für ihren Betrieb wünschen, den „EG“-Anschluß, fordern sie auch in offizieller Funktion im Namen aller Zwangsmitglieder. Hunderttausende Händler, Handwerker und Gastgewerbler haben praktisch keine Stimme.

Beispiele: BRAU AG-Chef Christian Beurle will ihn, erhofft er sich durch den „EG-Beitritt“ doch „eine Verbilligung der Rohstoffe Gerste und Hopfen für die heimische Brauwirtschaft“ (Kurier, 7.5.1988) Beurle ist stellvertretender Obmann der Sektion Industrie in der oberösterreichischen Handelskammer. Der steirische Rüstungsindustrielle Emmerich Assmann will ihn und findet es „absolut unverständlich, noch ein Jahr auf eine Entscheidung zu warten“ (Presse, 4.7.1988). Assmann ist Obmann der Sektion Industrie in der steirischen Handelskammer. Der Tiroler Betonwarenfabrikant Helmut Katzenberger (stellv. Vorsitzender der Deutschen Handelskammer in Tirol) will ihn: „Außerhalb der EG gibt es für uns keine Zukunft.“ (Tirols Wirtschaft , 21.5.1988) Katzenberger ist Vizepräsident der Tiroler Handelskammer. Der Vorarlberger Maschinen- und Stahlbau-Fabrikant Josef Bertsch will ihn und fordert, daß „alle Vorkehrungen getroffen werden“ (Presse, 15.12.1987). Bertsch ist Präsident der Vorarlberger Handelskammer. Der Zulieferindu­strielle der „EG“-Autokonzeme Peter Mitterbauer (Mitglied der Deutschen Handelskammer in Oberösterreich) will ihn, denn er sieht für sein Unterneh­men „keinen Weg, der am europäischen Binnenmarkt vorbeiführt“ (Presse, 21.10.1988). Mitterbauer ist stellvertretender Obmann der Sektion Industrie in der oberösterreichischen Handelskammer. Der Fruchtsaft-Produzent Franz Rauch will ihn, weil „eine Einbindung der heimischen Industrie in den größten freien Markt der Welt absolut unabdingbar ist“ (Referat in Wien-Schwechat, 27.4.1988). Rauch ist Obmann der Sektion Industrie in der Vorarlberger Handelskammer. Und auch der Industrielle Philipp Schoeller (Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Österreich) will ihn und nennt ihn „eine Schicksalsfrage für Österreich“ (TT, 19.11.1988) Schoeller ist Obmann der Sektion Industrie in der Bundeswirtschaftskammer.

Und die große ausländische Industrie will ihn

Z.B. Franz Kafka von Henkel („Europa ist für Österreich die Chance“) will ihn. Er bezieht seine Weisungen aus Düsseldorf. Karel Vuursteen von Philips („Müssen alles daransetzen, daß der gemeinsame Markt im Jahr 1992 auch in Österreich seine Vorteile entfalten kann“) will ihn. Ihm wird aus Eindhoven vorgesagt. Martin Purtscher von Jacobs-Suchard, jetzt Landeshauptmann von Vorarlberg, („Ohne EG zweitklassiges Industrieland“, „neutralitätspolitische Bedenken nicht gerechtfertigt“) will ihn. Er hörte jahrzehntelang auf das Kommando aus Zürich. Fritz König von Unilever, jetzt Klubobmann der ÖVP, („Auch die EG hat Interesse an einem Beitritt Österreichs“) will ihn. Er war gewohnt aus Rotterdam und London zu erfahren, was zu tun ist. Franz Leiben­frost von Semperit-Continental („EG-Beitritt einzige Zukunftsperspektive“) will ihn. Ihm wird aus Hannover mitgeteilt, was zu geschehen hat. Wolfgang Unger von der Donau-Chemie („Integration zur EG ist ein überlebenswichti­ger Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik“, „neutralitätspolitisch unbedenk­lich“) will ihn. Er wird von Paris aus gelenkt. Emmerich Wallner von der Tiroler Loden AG („EG-Beitritt Österreichs, anderfalls ist Tiroler Loden gezwungen, Betriebsstätten aus Österreich abzuziehen und in die EG zu verlegen“) will ihn. Seine Anweisungen kommen aus Karlsruhe. Helmut Haller von Seidensticker („Plädiere für eine Vollmitgliedschaft“) will ihn. Was er wollen soll, wird ihm aus Bielefeld mitgeteilt: Herbert Rast von Kelly’s („Ich sehe für uns gewaltige Chancen.“) will ihn. Er bekommt seine Direktiven aus Hannover. Manfred Kessler von Schwarzkopf in Kematen („Bestens auf einen EG-Beitritt vorbereitet“) will ihn. Ihm wird von Hamburg und Frankfurt aus eingegeben. Dionys Lehner von der Linz-Textil AG („Österreich muß der EG beitreten. Das ist eine schlichte Überlebensfrage“) will ihn. Er faßt seine Orders in Zürich aus. Siegfried Meysel von der Leykam AG („Fatale Folgen, wenn Österreich ausgeschlossen bleibt“) will ihn. Sein Handeln wird neuer­dings auch von Holland aus bestimmt. Otto Maurer von Bahlsen („Unser Unternehmen wird mit Nachdruck die Notwendigkeit zum Ausdruck bringen, daß Österreich den EG-Beitritt vollzieht.“) will ihn. Er hat in Hannover um Befehle einzukommen. Hans Wege von Gervais („Wir sind auf jeden Fall für einen EG-Beitritt“) will ihn. Seine Kommandozentrale steht in München. Heinz Böhler von Elektra Bregenz („Unsere Zukunft heißt Europa“) will ihn. Er handelt auf das Geheiß aus Ahlen (BRD). Helmut Gunst von AKG („Brauchen einen wirtschaftlichen Anschluß an den EG-Raum“) will ihn. Angeschafft wird ihm in Eindhoven.

Aber: Sie tun den Anschluß nicht nur ein bißchen fordern hin und wieder. Um zu bekommen, was sie wollen, setzen sie ganz andre Mittel ein. Eine „War­nung von Philips-Österreich-General Karel Vuursteen“ nennen die Oberö­sterreichischen Nachrichten (6.2.1988) dessen Drohung: „Die Regierung muß eine klare Haltung zum EG-Beitritt einnehmen. Ein multinationaler Konzern wie Philips kann nicht in einem Land investieren, dem möglicherwei­se die Isolation droht.“ Diese Konzerne führen mit dem Staat, der nach unseren Schulbüchern der unsere wäre, auf, was sie wollen. (Ein paar Wochen später verlangt derselbe Generaldirektor die Erhöhung der österreichischen Zölle gegenüber dem Philips-Konkurrenzland Korea, „und zwar ohne Übergangs­regelung“. Keine Frage, daß das, was wir die österreichische Regierung nennen, diesem Begehren Folge leistet.)

Wie es Kalkül war, als Ende 1937 eine Delegation österreichischer Großindu­strieller ins Deutsche Reich fuhr, um vor aller Welt das „Werk Adolf Hitlers“ hochzuloben, so ist es Kalkül, wenn der Generalsekretär der sogenannten österreichischen Industriellenvereinigung gerade jetzt, gerade zu der Zeit, da Österreich vom Ausland her wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr unter Druck gerät, zum Bundesverband der Deutschen Industrie spricht. „Klein aber hochkarätig war der Kreis bundesdeutscher Industrie- und Wirtschaftsmana­ger in Düsseldorf, vor denen — unter Ausschluß der Öffentlichkeit — Prof. Herbert Krejci, Generalsekretär der Österreichischen Industriellenvereini­gung, über »Österreich und die EG« referierte.“ (Kurier, 16.4.1988) Vor einigen Wochen hatte er erneut einen solchen Auftritt: „Beim »Deutschen Industrie- und Handelstag« in Bonn betonte gestern Prof. Herbert Krejci, Generalsekretär der Vereinigung Österreichischer Industrieller, vor Topmanagern der Deutschen Wirtschaft Österreichs Bemühen an »umfassender Teilnahme« am EG-Binnenmarkt.“ (Kurier, 14.2.1989) Grad als ob die deut­sche Industrie noch Aufmunterung brauchte bei ihrem Griff nach Österreich!

Es ist wie es ist

Dieses Österreich ist, ob man’s sehen will oder nicht, gespalten in Klassen. Die Interessen von Multis und österreichischem Großkapital gehen mit den Be­dürfnissen der österreichischen Bevölkerung nicht zusammen.

Der Kampf zwischen denen, die den Anschluß betreiben und denen, die sich dagegen wehren, ist nicht ein Kampf von Meinungen, sondern einer unver­söhnlicher Interessen. Für die einen bedeutet der „EG“-Anschluß noch bessere Unternehmerbedingungen, für die anderen heißt das mehr Arbeitslosigkeit und mehr Lohndruck, weniger Arbeiterrechte und weniger Gewerkschaft, weniger Umweltschutz und weniger Unternehmersteuem. Die „EG“-Trommlerei ist ein neuer Schub Unternehmerpolitik. Unter einem neuen Titel, »„EG“-Anpassung« wird genau das betrieben, was immer schon und zuletzt mit Erfolg unter den Titeln „Verstaatlichtensanierung“ und „Budgetkonsoli­dierung“, „Deregulierung“ und „Flexibilisierung“ betrieben worden ist: die Sanierung und Konsolidierung der Profite ganz weniger ganz Reicher.

Ein hervorstechendes Merkmal des österreichischen Kapitals ist seine relative Schwäche all die Jahrzehnte herauf und die daraus erfolgende Anlehnung an das große ausländische Kapital. Ebendeshalb auch kann das „EG“-Kapital zur Durchsetzung seiner Ziele in Österreich die österreichischen Banker und die österreichischen Industriellen einsetzen.

Gelingt es dieser radikalen Minderheit, den Anschluß gegen die große Mehr­heit durchzuprügeln, so hat sie auch ihre politische Macht gestärkt, auf Kosten der Bevölkerung. Welche unverhältnismäßige Macht sie heute schon hat, führt sie uns in ihrem gegenwärtigen Feldzug, in dem sie Zeitungen und Politiker nur so am Schnürchen führt, mehr als deutlich vor Augen.

Wie klitzeklein diese extreme politische Gruppierung ist, die vehement auf die „EG“-Einverleibung Österreichs hinarbeitet, zeigt die Einschätzung des Lei­ters des Wirtschaftsforschungsinstituts: „Laut Kramer sind derzeit rund 150 bis 200 mittelgroße österreichische Produktionsuntemehmen schon uneinge­schränkt international wettbewerbsfähig.“ (Presse, 22.4.1988) Soll es diesen zweihundert Unternehmen im Verein mit einem Teil der 3000 ausländischen Firmen in Österreich — wer sonst sollte solches Interesse am Anschluß haben? — gelingen, unser Land dahin zu bringen, wo die große Mehrheit es nicht haben will?

Darüber, wovor die Mächtigen zittern

Vor der Bevölkerung haben die EGoisten panische Angst. Der alte Industriellenpräsident Beurle glaubte zwar noch, er könne der beim „EG-Beitritt“ nicht rasch genug handelnden Regierung mit dem Volke drohen: „Wenn sie sich das nicht allein traue, dann müsse eben das Volk befragt werden.“ (TT, 11.12.1987) Keine elf Monate später, als auch klargestellt war, daß eine Volksabstimmung unumgänglich wird, gaben sich die Beitritts-Hetzer kleinlaut: „Auch Industrie-Generalsekretär Herbert Krejci betont, die Volksabstimmung müsse mit vereinten Kräften bestanden werden.“ (Kurier, 4.11.1988) Im nächsten Satz kündigt der Industriellensekretär eine „EG-Informationsoffensive“ an, was natürlich, wie wir verstehen, nur eine Desinformationsoffensive sein kann. Den artikulierten Willen des Volkes fürchtet diese Bande wie man sagt, daß der Teufel das Weihwasser fürchte. Es ist nach Krejci „besonders wichtig, das Thema EG aus der politischen Auseinandersetzung, aus Wahlkämpfen her­auszuhalten“ (Kurier, 10.7.1988), darum spricht er sich „ganz entschieden dagegen aus, diese Frage zu einem innenpolitischen Eskalationsthema“ zu machen (Presse, 28.10.1988). Blanke Angst vor einem Wahlkampf, in dem die Bedürfnisse der Wähler vorübergehend eine Rolle spielen könnten, treibt Herrn Krejci: „Aus innenpolitischer Sicht sollte das EG-Thema möglichst lange vor Beginn des Wahlkampfes abgeschlossen sein.“ (Standard, 9.11.1988) In einer Aussendung fordern die Industriellen „von den handelnden Politikern den Weg nach Brüssel, nicht jedoch (den) zur Wahlurne mutwillig vorverleg­ter Nationalratswahlen“ (TT, 29.11.1988) Wenn wir schon selber an unsere Macht oft nicht glauben wollen, die Angst dieser Herren zeigt uns, wie groß sie in Wirklichkeit ist. Philipp Schoeller, der Obmann der Sektion Industrie in der Bundeswirtschaftskammer und Großindustrieller, will auch gleich einen Maulkorb für die ganz wenigen nicht euphorischen Politiker: „Die Regierung solle auch dafür sorgen, daß nicht jedes Regierungsmitglied bei diesem Thema mit einer eigenen Meinung auftrete.“ (TT, 19.11.1988) Umgekehrt müssen wir, auf dieses Industriellenpack gemünzt, sagen: Laßt sie reden! Jeder Satz, den sie sagen, demaskiert sie. Weil zu viel über die Neutralität geredet wird, die mit einem „EG“-Anschluß, wie man’s auch dreht und wendet, nicht vereinbar ist, geifert Krejci: „Derzeit läuft die Diskussion unglücklich, das Thema wird zerredet. Außerdem verheddern wir uns in Nebenthemen.“ (Presse, 9.8.1988) Was immer sie auch äußern, um ihren Interessen zu nützen, ist gegen die unseren gerichtet. Jedes Wort, das sie aussprechen, stärkt unsere Entschlos­senheit, uns zu widersetzen. Mit jedem Satz, den sie loslassen, wissen wir noch genauer, wo der Feind unserer Lebensinteressen steht. Das besorgen die Herren schon selber, daß ihnen der gemeine Mann feind wird.

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