Heft 3-4/2005
Juni
2005

Die „Mörder“ der „Kameraden“

Über die österreichische PartisanInnenphobie und ihre kärntnerischen Auswüchse

60 Jahre Befreiung meint vor allem in Kärnten „Niederlage“ und in Bezug auf die Erinnerungstra­dition in erster Linie eine Kultivierung faschistoider und antislowenischer Brauchtumspflege. Dies verdeutlicht sich einerseits in der Fortsetzung eines Gedenkens, welches an die vermeintlichen „Opfer“ der Parti­sanInnen erinnert, nicht jedoch an ihren antifaschistischen Beitrag zur Befreiung. Andererseits fungiert auch die slowenische Minderheit weitge­hend als Projekti­onsfläche dieses geschichtsrevisio­nistischen Umgangs mit der stärksten und erfolgreichsten Widerstandsgruppe gegen die NS-Herrschaft auf österrei­chischem Gebiet.

„PartisanInnen in die Schulbücher“ lautet jene Parole, mit welcher gedenkjahrskritische Projekte wie die „Österreich minus 2005“-Homepage heuer darauf abzielen, einen adäquaten Umgang mit der österreichischen Widerstandstradition zu erreichen. Dass dafür jedoch die For­derung nach Integration und Anerkennung der Partisa­nInnen als FreiheitskämpferInnen in der österreichischen Geschichtsschreibung zu kurz greift, zeigt sich an Hand der Tatsache, dass sich die PartisanInnenfeindlichkeit in zweiter Linie auch immer gegen die slowenische Minderheit rich­tet. Durch die enge Verbindung des organisierten Partisa­nInnenwiderstands und seiner Tradition mit den Kämmer SlowenInnen sowie der Unterstützung der widerständigen Einheiten von Seiten Titos, wird die slowenische Minder­heit bis heute nicht nur von deutschnationalen Eliten für den „PartisanInnen-Terror“ zur Rechenschaft gezogen. Die in Kärnten ohnehin gesellschaftlich verankerte und im Dreiparteienpakt [1] manifestierte Minderheitenfeindlich­keit bietet auch die ideale Grundlage dafür, ausgehend von einer revisionistischen Gedenktradition, in den Kämmer SlowenInnen die einstigen „nationalslowenischen Anti-PatriotInnen“ wieder erkennen zu wollen. Demzufolge ist es nicht zuletzt auch das volksvereinende Interesse an der Aufrechterhaltung „kärntnerischer Opferthesen“ sowie anderer geschichtsverfälschender Bezugnahmen auf die „HeimatverräterInnen“, welches sich insbesondere gegen jene Angehörige der Minderheit richtet, die sich für eine konträre Gedenktradition einsetzen.

PartisanInnen auf die Denkmäler!

10.-Oktober-Feiern und Ulrichsbergaufmärsche kennzeichnen den Kärntner Alltag ebenso wie die konsequente Missachtung der Erfüllung des Artikels 7 des Österreichischen Staatsvertrags. Minderheitenfeindliche Organisationen à la Kärntner Heimatdienst (KHD) oder Kärntner Abwehrkämpferbund (KAB) wurden nicht, wie es der Absatz 5 [2] desselbigen Artikels verlangt, verboten, sondern werden heute sogar als Verhandlungspartner integriert. So sehen sich slowenische VertreterInnen gezwungen, bei der vom Bundeskanzleramt einberufenen „Konsenskonferenz“ mit KHD und KAB an einem Tisch zu sitzen. Dort wird darüber verhandelt, was seit 50 Jah­ren im Staatsvertrag festgeschrieben steht — die Regelung zweisprachiger Ortstafeln. Darüber hinaus drückt sich die PartisanInnenphobie auch in der Tatsache aus, dass die Landesregierung die Vergabe von öffentlichen Geldern an slowenische Vereine von einer Distanzierung von der Widerstandstradition abhängig macht. Kurzum: Deutschnati­onale Schikanen gegenüber der slowenischen Minderheit in Kärnten sind bis heute an Hand von geschichtsverfäl­schenden Oper-Täter-Umkehrungen nachzuweisen und ein integrativer identitätsstiftender Bestandteil der Volks­gemeinschaft geblieben.

So wurde eine „Gedenkstätte für die Abwehrkämpfer und die Verschleppten unserer Gemeinde“ in Eisenkappel/Želena Kapla nahe des Peršmanhofs [3] am 7. Mai dieses Jahres, einen Tag vor dem 60jährigen Jubiläum der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus, eingeweiht. In ihr spiegeln sich die Grundelemente der in Kärnten hegemonialen Nachkriegserzählung wider, die darauf abzielt, „Tito-Partisanen“ als „Landräuber“ und „ Verschlepper heimattreuer Kärntner“ zu denunzieren und die „Partisanenbekämpfung“ als Kampf für die „Kärntner Einheit“ darzustellen. PartisanInnen gelten als eigentliche TäterInnen und werden als „nationalslowenische Anti-Pa­trioten“ und „Verräter“ diffamiert. Dass alleine von den 38 „verschleppten“ Personen in Eisenkappel/Želena Kapla 30 ausgewiesene hohe Nazi-FunktionärInnen waren, ist bezeichnend. Gleiches gilt für die Tatsache, dass auch der SP-Landeshauptmannstellvertreter i.R., Rudolf Gallob (Ulrichsberggemeinschaft), über Siegfried Kampls kürz­lich getätigten Ausspruch über Wehrmachtsdeserteure meinte: „Er wird viel Zustimmung finden bei all jenen, die mit Partisanen allerhand erlebt haben. Wenn man zum Beispiel weiß, dass Kärntner Partisanen auf Kärntner Sol­daten geschossen haben.“

Gedacht wird in Kärnten auch den kroatischen Faschi­stInnen: mittels des Ausbaus eines „Wallfahrtsortes“ für die faschistische Ustaša [4] in Bleiburg/Pliberk, welcher un­ter großer Bejubelung des KHD, des Landeshauptmannes Haider und nicht zuletzt des lokalen SP-Bürgermeisters auf einer Fläche von 14.230m2 mit Teilfinanzierung von Organisationen wie dem Klub kroatischer Heimkehrer aus der Emigration aber auch dem kroatischen Staat seine Um­setzung fand. Anlass dieses Denkmals ist der jeglichen historischen Tatsachen und forensischen Funden widerspre­chende Mythos des „Massakers von Bleiburg“, welcher besagt, dass in Bleiburg/Pliberk 40.000 Ustasa-Soldaten, nachdem sie sich den britischen Behörden ergeben hatten, an die PartisanInnen ausgeliefert und von diesen umge­hend „massakriert“ worden seien.

PartisanInnen in die Filme!

Auch in der österreichischen Filmlandschaft sind im Gegensatz zur jugoslawischen, wo die Geschichte des PartisanInnenkrieges das zentrale Narrativ bis in die 1980er Jahre darstellte, kaum PartisanInnen anzutreffen. Während sie in Dokumentationen wie in Hugo Portischs „Die zweite Republik — eine unglaubliche Geschichte“ ausgeklammert blieben, sorgte Gerhard Roths ohnehin sehr vorsichtig ge­haltene Darstellung des PartisanInnenkampfes in Kärnten, welche 2002 im ORF ausgestrahlt wurde, bei der betrof­fenen Volksseele (also KHD, FPÖ, KAB etc.) für großen Aufruhr. Gegen das als „an einseitiger Tito-Partisanen-Propaganda nicht mehr zu überbietende[s] Pamphlet“, wie es die Ulrichberggemeinschaft bezeichnete, wurde neben Unterschriftenaktionen und Landtagsverurteilungen sogar eine „Popularbeschwerde“ gegen den ORF beim Bunde­skommunikationssenat in Wien eingereicht. Von Seiten der einstigen FPÖ wurde weiter von einem „skandalösen, unvorstellbaren Akt der Geschichtsverfälschung“ gespro­chen und eine sofortige „Wiedergutmachung“ in Form einer eigens gedrehten „objektiven Berichterstattung“, die „die Geschichte Kärntens zu respektieren“ hätte, verlangt. Weil der ORF diesem Wunsch nicht nachge­kommen war, produzierten die beiden KHD- Funktionäre Andreas Mölzer und Josef Feldner eine zweiteilige „Partisanendoku“, welche das Geschichtsbild wieder zurecht rücken sollte. Ihr aus Mitteln der Landesregierung gefördertes Machwerk über den „Partisa­nenterror gegen Kärnten“ wurde Kärntner SchülerInnen vorgesetzt.

Was für den Umgang mit den Partisa­nInnen nicht möglich scheint, lässt sich im filmischen Bereich zumindest im Zusam­menhang mit der Problematik der Kärnt­ner SlowenInnen umsetzen. Zwei aktuelle Produktionen haben zwar erneut einen Versuch gestartet, partiell die Geschichte der slowenischen Minderheit nachzuzeichnen und ausgehend davon die Schwierigkeiten des Alltagslebens in der Volksgemeinschaft für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Der oben skizzierte geschichtsre­visionistische Umgang mit den Kämmer PartisanInnen bleibt jedoch weitgehend ausgeklammert. So scheint es, dass trotz des bedeutenden Bestandteils, den die antifaschi­stischen WiderstandskämpferInnen in den Auseinandersetzungen zwischen der slowe­nischen Minderheit und der Volksgemeinschaft ausmachen, die Realität der durch As­similationsdruck gekennzeichneten Kärntner SlowenInnen sowohl einem österreichischen Filmpublikum zugänglicher sind, als auch den FilmemacherInnen selbst. Bei „Artikel 7 — Unser Recht“ von Eva Simmler und Tho­mas Korschil handelt es sich demnach mehr um eine Rekonstruktion der historischen Wurzeln des Ortstafelkonflikts mit seinem Höhepunkt in den 1970er Jahren, die mittels Interviews und verschiedener Archivmateri­alien veranschaulicht wird. Das „Recht“ auf die Berücksichtigung der PartisanInnen in der österreichischen Gedenktradition wird allerdings nicht eingefordert. Auch „FAQ — Frequently Asked Questions“, eine Doku­mentation von Stefan Hafner und Alexander Binder, versucht ihren ProtagonistInnen eher zentrale Fragen im Zusammenhang mit Iden­tität, Heimat und Zugehörigkeit zu stellen, als auf die Widerstandstradition der Kärntner SlowenInnen einzugehen. Dennoch forde­ren beide Filme eine erneute Auseinanderset­zung mit der slowenischen Minderheit, die einen Blick hinter die übliche mediale und klischeehafte Darstellung der Kärntner SlowenInnen wirft.

Zur Ausschaffung vorbereitet
Lilo König

PartisanInnen in den Literaturkanon!

Die Strategie der „Sichtbarmachung“ lässt sich auch in der Literatur wie­der finden, da nicht zuletzt auch die von ehemaligen PartisanInnen und anderen Kärntner slowenischen AutorInnen nie­dergeschriebenen (Lebens-)Geschichten weitgehend marginalisiert werden. Dass die ohnehin in kleinen Verlagen publi­zierten Werke meist nur in niedriger Auf­lage produziert werden, spiegelt auch die mangelnde Nachfrage nach derartigen Texten wider. Im Gegensatz zu anderer Kärntner Prominenz wie Turrini, Handke, etc., die in ihren Werken ebenso Bezug auf die slowenische Minderheit nehmen, sind beispielsweise die Erzählungen von Prezihov Voranc, Janko Messner oder Florjan Lipus weder auf den Literaturlisten der Schulen noch in den meisten österreichischen Buchhand­lungen anzutreffen. Dass die Literatur eine der wenigen Möglichkeiten darstellte, dem von ihnen Erlebten Gehör zu verschaffen, ihre Anlie­gen sichtbar zu machen und das auszusprechen, was nach 1945 in Kärnten wie auch an­derswo in Österreich fast nie­mand hören wollte, zeigt sich insbesondere in ihren auto­biographischen Schriften. So schreibt beispielsweise Lipej Kolenik in seiner Autobio­grafie (2002) „Für das Leben, gegen den Tod. Mein Weg in den Widerstand“ nicht nur über seine Zeit bei den Parti­sanInnen, sondern auch über die Nachkriegszeit, die für ihn in mancher Hinsicht noch schlimmer gewesen war. Als ehemaliger Partisane den Dif­famierungen als „eigentlicher Täter und Verräter“ ausgesetzt und den großen Erwartungen der Freiheit entgegen wurde er von einer wieder installierten slowenInnenfeindlichen Kärntner Obrigkeit bis Ende 1949 13 Mal eingesperrt. Auch Karel Prusnik-Gasper, ein weiterer bekannter Kärnt­ner PartisanInnenführer, erzählt in seinem Erinnerungsbuch „Gemsen auf der Lawine“ (1981), von seiner Verurteilung zu einer zwölfmonatigen Haft, weil er in seiner Rede bei der Denkmalenthüllung in St. Ruprecht 1947 unter anderem dazu aufgerufen hatte, das Denkmal möge den Kärntner SlowenInnen für alle Zeiten eine Mahnung sein, niemals wieder „Sklaven zu sein“ und immer dann zu den Waffen zu greifen, wenn es darum geht, „gegen die Fremdherr­schaft“ zu kämpfen: „Unser Ziel war ein gerechter Frieden, eine gerechte demo­kratische Ordnung, die völlige Liquidie­rung des Faschismus“. Ein Ziel, das im offiziellen Kärnten und seinem ewigen Abwehrkampf gegen alles Undeutsche weder anzutreffen war noch ist.

[1Der 1976 im Kärntner Landtag beschlossene Dreiparteienpakt besagt, dass alle zu dem Zeitpunkt vertretenen Parteien in der Minderheitenfrage gemeinsam vorzugehen haben. Er wurde im Zusammenhang mit dem von den SprecherInnen der slowenischen Minderheit abgelehnten Volksgruppengesetz eingeführt „um zu verhindern, dass nur eine Partei aus dem Deutschnationalismus Gewinn zieht“ (Leben/Messner/Obid: Haiders Exerzierfeld. Kärntens SlowenInnen in der deutschen Volksgemeinschaft. Wien 2002, S. 12).

[2Absatz 5 des Artikels 7 des österreichischen Staatsvertrags verbietet die Tätigkeit von Organisationen, die der kroatischen oder slowenischen Bevölkerung ihre Eigenschaften und ihre Rechte als Minderheit nehmen wollen.

[3Der Peršmanhof, seit 1983 als erstes PartisanInnenmuseum in Österreich bekannt, war kurz vor Ende des Krieges Schauplatz eines bestialischen Massakers der Nazis an einer elfköpfigen Familie gewesen. Weder das Massaker noch die Sprengung des ihnen errichteten Denkmals 1953, welches 1947 am Friedhof in St. Ruprecht bei Völkermarkt aufgestellt worden war, wurden bis heute gerichtlich nicht geklärt.

[4Als treue AnhängerInnen des faschistischen Führers Ante Pavelić sind die Ustašas für den Tod von über 60.000 jüdischen und 730.000 serbischen ZivilistInnen, die bis 1943 in den kroatischen Konzentrationslagern, von denen Jasenovac das größte war, verantwortlich.

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