Heft 7-8/2001 — 1/2002
Februar
2002

„Durch Reinheit zur Einheit“

Zum deutschnationalen Korporationswesen [1] in Österreich

Im Jahreslagebericht 1999 des BM für Inneres heißt es, dass von mehreren österreichischen Burschenschaften „ein unterschwelliger und verklausulierter Rechtsextremismus ausgeht. Die Agitation dieser Studentenverbindungen lässt auch den Versuch erkennen, auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen.“ [3] Ein Jahr später kündigen die Behörden an, dass der von mehreren „Burschenschaften unterschwellig ausgehenden rechtsextremen Ideologieverbreitung (...) im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes weiterhin besonderes Augenmerk zugewendet (wird).“ [4] Auch der Innsbrucker Historiker Michael Gehler kommt zum Schluss, dass Österreichs Burschenschaften in Teilen von einer „bis ins Neonazistische reichenden Gesinnung“ [5] geprägt sind.

Einer pauschalen Charakterisierung aller deutschnationalen Korporationen Österreichs als rechtsextrem oder gar neonazistisch soll hier aber nicht das Wort geredet werden. Vielmehr müssen Publikationen und Veranstaltungspolitik der jeweiligen Verbindung analysiert werden. Daneben ist die Anzahl von (ehemaligen) Neonazis und deren Stellenwert in den Korporationen zu berücksichtigen. Über den Grad des Extremismus sagt auch die Mitgliedschaft in den Dachverbänden viel aus. So verließ das gemäßigtere Corps Symposion im Wintersemester 1983/84 den Wiener Korporationsring (WKR) aufgrund dessen „einseitiger Politisierung“. Umgekehrt trat die Innsbrucker Universitätssängerschaft Skalden, bei welcher übrigens der FPÖ-Politiker Ewald Stadler Mitglied ist, 1992 aus der Deutschen Sängerschaft (DS) aus. Dieser Dachverband erlaube es nämlich, dass „auch ein Chinese, falls er sich zur Pflege deutschen Kulturgutes verpflichtet“, in eine DS-Verbindung aufgenommen werden kann. Die Skalden erachten dies als „unakzeptabel“ und wollen ihre völkische „Tradition (...) nicht auf dem Altar einer ’multikulturellen’ Verwirrungsideologie opfern“. [6] Und als sich die berüchtigte Wiener Burschenschaft Olympia Anfang 1996 anschickte, erneut den Vorsitz im deutsch-österreichischen Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) zu übernehmen, traten einige gemäßigtere deutsche Burschenschaften aus.

Grundsätzlich findet die Bereitschaft von KritikerInnen, das Korporationswesen differenziert zu betrachten, seitens nicht-rechtsextremer Verbindungen jedoch kaum eine Entsprechung: Korpsgeist und Bunkermentalität verhinderten bis dato eine Ausdifferenzierung der Szene. Somit sind auch jene, die gemeinsam mit rechtsextremen Burschenschaften in Dachverbänden organisiert sind oder Veranstaltungen durchführen, von der Kritik nicht auszunehmen.

Zwischen Macht und Kriminal

In den zu Beginn der 90er Jahre eingeleiteten und dem verstärkten behördlichen Druck geschuldeten Umstrukturierungsprozessen im Rechtsextremismus kommt den deutschnationalen Korporationen hoher Stellenwert zu. Ähnlich der Situation 1933, als nach dem Verbot der NSDAP zahlreiche Burschenschaften neben Turnvereinen als deren Tarnorganisationen dienten, bieten sie auch heute Unterschlupf. Das martialische Auftreten und die offene Agitation militanter Rechtsextremer wurde zugunsten der ideologischen wie personellen Wühlarbeit weitgehend aufgegeben. Der Erfolg gesellschaftlicher Durchdringungsstrategien wird befördert durch den Charakter von Korporationen als männliche Solidargemeinschaften und Seilschaften. Daneben bieten sie aufgrund rigider Aufnahmekriterien [7] und zum Teil exklusiver Veranstaltungspolitik Schutz vor lästigen Einblicken. Neben der ideologischen Nähe zieht die Schutzfunktion [8] militante Rechtsextremisten auf die Buden der Burschenschaften, welche sich vom Durchlauferhitzer zum Auffangbecken gewandelt haben. Denn während sich zuvor Burschenschafter wie Franz Radl jun. von ihren Bünden entfernten oder von diesen „unehrenhaft“ entlassen wurden, treten seit geraumer Zeit zum Teil amtsbekannte und verurteilte Neonazis den Korporationen bei. So las sich etwa die Aktivenliste der Wiener aB! Teutonia zu Beginn der 90er Jahre wie ein Auszug aus dem Mitgliederverzeichnis der Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO).

Der Bedeutungszuwachs deutschnationaler Korporationen für den Rechtsextremismus wird auch durch schon länger anhaltende Versuche, diesen zu intellektualisieren, begünstigt. Eine vorschnelle Etikettierung des Milieus als „neurechts“ erscheint aber nicht angebracht. Gerade die Burschenschaften zeigen sich weitgehend resistent gegenüber Erneuerung. Dies wird auch von Jürgen Hatzenbichler, einem prominenten Vertreter der modernisierungsbereiten Rechten, eingestanden. Er meint resignierend, dass die „Positionen der Alten Rechten (...) leider auch im Bereich der Korporationen vielfach noch heruntergeleiert (werden)“. [9]

Die Radikalität des Deutschnationalismus in Österreich, die jede mäßigende Innovation sofort als Verrat am „deutschen“ Gedanken erscheinen lässt, steht tatsächlich einem Abrücken von der „Alten Rechten“ im Wege. Daneben binden Männertreue und Lebensbundprinzip die Generationen aneinander und verhindern eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zahlreicher „Alter Herren“. So hält die Grazer aB! Arminia das Andenken an Bundesbruder Ernst Kaltenbrunner — als einer der Haupttäter des NS-Vernichtungswerkes in Nürnberg hingerichtet — bis heute hoch. Der Euthanasiearzt und erste Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, Irmfried Eberl, wird immer noch als „Alter Herr“ der Innsbrucker aB! Germania geführt. [10] Ein anderer Kriegsverbrecher, der zu lebenslanger Haft verurteilte Rudolf Heß, wurde 1987 vom Dachverband Deutsche Burschenschaft in Österreich (DBÖ) gar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Doch erschöpft sich die Bedeutung der Burschenschaften nicht in der Funktion einer Kaderschmiede oder eines Auffangbeckens für den militanten Rechtsextremismus, auch die entliberalisierte FPÖ rekrutiert ihr Führungspersonal wieder vorrangig im korporierten Milieu. Es waren vor allem dessen Angehörige, die Jörg Haider (pB! Albia, Bad Ischl und aB! Silvania, Wien) 1986 als FPÖ-Obmann durchsetzten. Mit der Eskalation rassistischer Gewalt Ende 1993 setzte seitens der FPÖ-Spitze jedoch nach außen hin eine gewisse Absetzbewegung vom eigenen korporierten Umfeld ein. Haider selbst distanzierte sich Anfang 1995 vom Burschenschafter-Zentralorgan Aula, die damals als Bestimmungstäterin des Terrors der Bajuwarischen Befreiungsarmee (BBA) durch die Medien ging. Nun legte das „freiheitliche Magazin“ unter der Verantwortung des ehemaligen NSDAP-Mannes und FPÖ-Nationalrates Otto Scrinzi (VDSt, Innsbruck) jede Rücksichtnahme ab. In der Aula wird schon mal für Publikationen geworben, in welchen die Shoah geleugnet wird. Auch ist dort die Rede vom „auf uns lastende(n) althebräische(n) Zinseszinssystem“, von Hitler als „unerwünschte(n), weil erfolgreiche(n) Sozialrevolutionär“, dessen durchgesetztes „Primat der Politik über die Wirtschaft (...) gewissermaßen das Todesurteil der kapitalistisch geführten Welt heraus(forderte).“ [11] All das und vieles mehr kann jedoch hochrangige FPÖ-Funktionäre nicht davor abhalten, weiter in der Aula zu publizieren. Nach wie vor bezeichnet die FPÖ selbst die Freiheitlichen Akademikerverbände (FAV) und die von diesen herausgegebene Aula als ihre „Vorfeldorganisationen“. [12]

Das Verhältnis der FPÖ zum burschenschaftlichen Vorfeld wurde vorübergehend auch durch programmatische Auseinandersetzungen getrübt. Nachdem schon das von Haider im Sommer 1996 verordnete Abrücken der FPÖ von jeder Deutschtümelei [13] auf Widerstand gestoßen war, taten sich Burschenschafter auch in der jüngsten Programmdebatte hervor. Insbesondere der Passus vom „wehrhaften Christentum“ erschien den Antiklerikalen in der Tradition eines Georg Ritter von Schönerer, bis heute „Ehrenbursch“ zahlreicher Verbindungen, als Affront. Als Kompromiss fand schließlich ein „Christentum, das seine Werte verteidigt“ Eingang in das neue Parteiprogramm.

Die Bedeutung des korporierten Milieus wuchs mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ weiter an. Im Gefolge der freiheitlichen Regierungsmitglieder rückten Burschenschafter verstärkt zu den Hebeln der politischen Macht vor. Unmittelbar dem Milieu verbunden ist Justizminister Dieter Böhmdorfer (aB! Südmark, ein Ableger der aB! Silvania [14]), Sozial- und Frauenminister (!) Herbert Haupt (akad. Landsmannschaft Kärnten zu Wien), Staatssekretär Reinhart Waneck (AV! Wartburg), Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (Gatte Michael Passer ist „Alter Herr“ der aB! Suevia) und Staatssekretärin Mares Rossmann (Pächterin des Grazer Burschenschafterlokals Wartburg). Das hebt das Selbstbewusstsein: Die vormaligen Opfer des NS-Verbotsgesetzes sehen die Sterne für dessen Aufweichen offenbar jetzt günstig stehen. In der Wochenzeitung Zur Zeit, dem von Andreas Mölzer (C! Vandalia, Graz) redigierten und mitherausgegebenen Ableger der deutschen Jungen Freiheit, stößt man sich etwa an der Tatsache, dass das BM für Inneres in seinem Rechtsextremismus-Bericht 1999 „30 schlagende Studentenverbindungen unter die Lupe genommen“ habe. Die oben zitierte Einschätzung der Staatsschützer werden als diffamierende „Unterstellungen“ abgetan. Demgegenüber ruft Zur Zeit die beiden korporierten FPÖ-Regierungsmitglieder Böhmdorfer und Waneck auf, „mit ihrem Regierungskollegen im Innenministerium ein Einvernehmen herzustellen, um diese Gesinnungsschnüffelei in korporierten Kreisen und diese Diffamierung der studentischen Korporationen (...) abzustellen.“ [15] Das dürfte nun auch geschehen sein. Nachdem Burschenschaften auch im Jahreslagebericht 2000 Erwähnung gefunden hatten, intervenierten FPÖ-Politiker wütend im Innenministerium. Mit Erfolg: In Zukunft wird kein gesonderter Rechtsextremismus-Bericht erscheinen ...

Der FPÖ-Nationalrat Martin Graf (aB! Olympia) geht noch einen Schritt weiter und lehnt das NS-Verbotsgesetz grundsätzlich ab: „Es muß in einer demokratischen Welt zulässig sein, ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit und die politische Tätigkeit einschränkt, zu kritisieren.“ [16] Damit liegt der Politiker voll auf der Linie seiner Verbindung, bezeichnet diese doch die behördlichen Schritte gegen die Leugnung der Shoah und andere Geschichtsfälschungen als „Rückfall in eine längst überwunden geglaubte Zeit der geistigen Unfreiheit“. Die Olympen weiter: „Wenn ein Deutscher über einzelne ’sensible’ Fragen der Geschichte nur in den von den Umerziehern und ihren deutschen Helfern vorgegebenen Bahnen denken und sprechen darf, stellt dies eindeutig einen Mangel an Meinungs- und Redefreiheit und somit auch ein Fehlen der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre dar.“[[Wiener akademische Burschenschaft Olympia (Hg.): Wahr und treu, kühn und frei! 130 Jahre Burschenschaft Olympia. Wien 1989, S. 2]]

Völkischer Nationalismus

Die Aktivitäten heimischer Burschenschafter werden tatsächlich in einem zentralen Punkt eingeschränkt: Staatsvertrag und NS-Verbotsgesetz verbieten jede Propaganda und Handlung, welche die Selbständigkeit der Republik untergräbt und auf den Anschluss an Deutschland zielt. Damit trifft die Verfassung den Kern burschenschaftlichen Selbstverständnisses — den Deutschnationalismus. Seine Propagandisten sind daher angehalten, ihre Ablehnung der österreichischen Nation mit einem Bekenntnis zur staatlichen Unabhängigkeit zu verbinden. Die Behauptung, bei den ÖsterreicherInnen handle es sich einerseits um BürgerInnen eines souveränen Staates, andererseits um Angehörige der „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“, ist nur dann richtig zu bestimmen, wenn der unterschiedliche Stellenwert von Staat und „Volk“ im burschenschaftlichen Diskurs mitgedacht wird.

Im Mittelpunkt dieses Diskurses steht das völkische Menschen- und Weltbild, wie es im Zusammenhang der „Befreiungskriege“ gegen die Heere Napoleons (1813/14) entworfen wurde. Basierend auf den Schriften von Fichte, Jahn, Fries und Arndt und in militanter Opposition zur aufgeklärten Idee der Nation als politische Willensgemeinschaft wurde das „Volk“ zur natürlichen Abstammungsgemeinschaft erhoben. Schon die Gründerväter der burschenschaftlichen Bewegung definierten ihr „Deutsches Volk“ in Abgrenzung zum „Judentum“. Die von den französischen Heeren aus dem Ghetto befreiten Juden und Jüdinnen wurden als Fünfte Kolonne Frankreichs identifiziert.

Gleichzeitig erwuchs insbesondere unter der akademischen Jugend aus der enttäuschten Hoffnung auf staatliche Einigung jenes rebellische Ressentiment gegen die adelige Obrigkeit, das bis heute mit revolutionärem Freiheitsdrang verwechselt wird. Die kollektive Enttäuschung der Studenten, die in „Freikorps“ gegen die französischen Truppen gezogen waren und sich danach in Burschenschaften organisierten, verschaffte sich 1817 am Wartburgfest erstmals Luft. Das Treffen wurde von Jahn initiiert und gipfelte nicht umsonst in der ersten deutschen Bücherverbrennung. Dabei kommt die spezifische Verbindung von romantischem Freiheitsdrang, nationalem Einigungswunsch und völkischem Reinheitswahn zum Ausdruck. Denn verbrannt wurden nicht nur Symbole und Schriften der verhassten Diktatur, sondern auch das kodifizierte bürgerliche Recht, der Code Napoleon, und Saul Aschers Germanomanie. Geradezu mit prophetischem Weitblick warnte Heinrich Heine angesichts dieser symbolischen Ermordung eines jüdischen Autors: „Dies war ein Vorspiel nur; dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“

Entgegen aller korporierten Legenden war der Antisemitismus von Anfang an fixer Bestandteil burschenschaftlichen Lebens. Bereits die „Urburschenschaft“ bestimmte, dass „nur ein Deutscher und Christ“ Mitglied werden dürfe. Bei der Vereinigung der bereits bestehenden Burschenschaften zur Allgemeinen Deutschen Burschenschaft (1818) stritt man um den „Arierparagraphen“. Dieser fand 1820 am geheimen Burschentag in Dresden eine Mehrheit, wobei sich zunächst nicht alle an diesen Beschluss hielten. Dass er 1831 wieder zurückgenommen wurde, ist Ausdruck einer Kräfteverschiebung. Denn neben der völkischen Gruppe existierten tatsächlich demokratisch-jakobinische Strömungen. Diese erhielten unter dem Eindruck der Pariser Julirevolution von 1830 Aufwind. Jahn und seine Germanomanen sahen darin zurecht ein Abrücken von den Idealen der „Urburschenschaft“. Sie wetterten gegen die „Verjudung“ und „Verwälschung“ der Bewegung, die am Vorabend der 48er Revolution tief gespalten war.

Nach dem Scheitern der Revolution, das gleichbedeutend ist mit der endgültigen Niederlage demokratischer Positionen innerhalb der Burschenschaften, gewann die völkische Richtung, die 1848 im Abseits war, wieder Oberhand. Nun stimmte man ein in den Chor der Reaktion, welche die Revolution von Anfang an als „jüdisch“ und das Werk „ausländischer Rädelsführer“ denunziert hatte.

Wenn Burschenschafter sich heute in die Tradition der bürgerlichen Revolutionäre stellen, welche die politischen Rechte der Männer nicht mehr an die Konfession banden, beziehen sie sich auf jene liberale, bürgerlich-demokratische Position, gegen die gerade die „Urburschenschaft“ gegründet wurde. Angesichts derartig dreister Kontinuitätsbezüge wirkt die Offenheit der Aula geradezu erfrischend. Dort wird die militante Frontstellung der Burschenschaften zum „jakobinisch-freimaurerischen Gedankengut der französischen Revolution“ [17] betont.

Ausgestattet mit kollektiven Eigenschaften und Interessen wurde das „Volk“ nicht nur gegen innere (Juden und Jüdinnen) und äußere Feinde (Frankreich), sondern auch gegen das Individuum als politisches Subjekt konstruiert. Der völkische Antiliberalismus ordnet die irrationale Kategorie des „Volkes“ jedem politischen Denken und Handeln über. Damit verbunden ist eine Geringschätzung des Individuums, welches sich voll und ganz den „volklichen Interessen“ zu unterwerfen habe.

Gerade die österreichischen Burschenschaften, die sich ab den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts konstituierten, lehnten schon lange vor dem Nationalsozialismus die Gleichsetzung von Staats- und Volksgrenzen, von StaatsbürgerInnen und Angehörigen eines „Volkes“ (den späteren „Volksgenossen“) ab. In ihrem „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“, in welchem die „deutsche Nation unabhängig von staatlichen Grenzen (existiert)“, [18] lebt diese Anschauung bis heute fort. Unter den gegenwärtigen politisch-rechtlichen Bedingungen ist dieser völkische Nationalismus aber nicht mehr unmittelbar in Forderungen nach einer neuerlichen „Wiedervereinigung“ übersetzbar. Das Ziel burschenschaftlichen Engagements in Österreich wird daher heute kryptisch damit umschrieben, „den Gedanken an die deutsche Einheit wachzuhalten“. [19] Gleichzeitig wird versucht, mit Hinweisen auf das Selbstbestimmungsrecht und die angebliche Willkürlichkeit der gegenwärtigen Grenzen, die großdeutsche Option offen zu halten. So meint der Olympe und FPÖ-Nationalrat Graf: „Die heutigen Staatsgrenzen wurden willkürlich gezogen; das deutsche Volkstum muß sich frei in Europa entfalten können.“ [20] Wie sich die Olympia eine freie Entfaltung des Deutschtums vorstellt, geht auch aus Flugblättern hervor, die noch in den 80er Jahren zum „Tag der deutschen Einheit“ verteilt wurden: Diese zeigen ein Deutschland in den „Reichsgrenzen“ vom 1. September 1939.

Männliche Eliten

Den Korporationen kommt seit dem späten 19. Jahrhundert die soziale Funktion einer männlichen Elitenreproduktionsstätte zu. Als Männerbünde perpetuieren sie den Ausschluss der Frauen von universitärer Bildung. In Uniformierung und stolzer Zurschaustellung der „Schmisse“ heben sich Korporierte von der Masse der Studierenden ab.

Die streng reglementierte und hierarchisierte Gemeinschaft auf den Verbindungshäusern erzieht daneben den Einzelnen zu jenen Denk- und Verhaltensweisen, die gemeinhin autoritären Charakterstrukturen zugeschrieben werden. Norbert Elias hat die Ausbildung dieser Charaktere präzise beschrieben: „Der Mensch, der durch das Training der Mensuren ging, benötigte zur Zähmung seiner sozial verstärkten Kampfimpulse eine unterstützende Gesellschaft mit einer klaren Über- und Unterordnung, mit einer Hierarchie des Befehlens und Gehorchens. Er entwickelte eine Persönlichkeitsstruktur, bei der die Selbstzwänge, also auch das eigenen Gewissen, der Unterstützung durch den Fremdzwang einer starken Herrschaft bedurften, um funktionieren zu können. Die Autonomie des individuellen Gewissens war begrenzt.“ [21] Über das Erziehungsinstrument der Mensur werden nicht nur Sekundärtugenden wie Tapferkeit oder Gehorsam eingeübt, sondern auch jene Härte und moralische Indifferenz, die Elias als „menschlichen Habitus ohne Mitleid“ [22] beschrieb.

Über das (burschenschaftliche oder „deutsche“) Erziehungsideal der Härte meinte Adorno: „Die Vorstellung, Männlichkeit bestehe in einem Höchstmaß an Ertragenkönnen, wurde längst zum Deckbild eines Masochismus, der — wie die Psychologie dartat — mit dem Sadismus nur allzu leicht sich zusammenfindet. Das gepriesene Hart-Sein, zu dem da erzogen werden soll, bedeutet Gleichgültigkeit gegen den Schmerz schlechthin. Dabei wird zwischen dem eigenen und dem anderer gar nicht einmal so sehr fest unterschieden. Wer hart gegen sich ist, erkauft sich das Recht, hart auch gegen andere zu sein, und rächt sich für den Schmerz, dessen Regungen er nicht zeigen durfte, die er verdrängen mußte.“ [23]

In der burschenschaftlichen Beschreibung der Mensur kommt darüber hinaus die schon angedeutete Geringschätzung des Individuums zum Ausdruck: „Wird in einem Ritual absichtlich Blut vergossen, so bedeutet das in der Regel, daß der Wert, zu dessen Ehren das Blut fließt, höher geachtet wird als das Leben des Blutenden.“ [24] Als jener „Wert“, dem das Leben des Einzelnen zu opfern ist, erscheint stets das (deutsche) „Vaterland“.

Antisemitismus

Neben dem völkischen Nationalismus und einem spezifischen Männerbild stellt der eliminatorische und bald auch exterminatorische Antisemitismus ein konstituierendes Moment der Burschenschafterbewegung gerade in Österreich dar. Während in Deutschland noch über einen „Arierparagraphen“ diskutiert wurde, nahmen ihn die „Ostmärker“ in ihrer Praxis bereits vorweg. Die aB! Libertas (Wien), die den oberösterreichischen FPÖ-Obmann Hans Achatz zu ihren „Alten Herren“ zählt, hat 1878 als erste österreichische Verbindung Juden die Mitgliedschaft verwehrt, und bereits um 1890 fanden sich unter den aktiven Burschenschaftern in Österreich keine jüdischen Studenten mehr. 1896 wurde diesen am Waidhofener Verbandstag auch das Recht auf „Genugtuung“ im Duell abgesprochen. Die Wiener aB! Silesia begründete diesen Schritt nicht nur mit einer „angeborenen Feigheit der Juden“, sondern auch mit dem Grundsatz, „daß man eine unsere nationale Existenz und germanische Moral gefährdende Rasse isolieren müsse.“ [25] Es waren in der Folge vor allem österreichische Burschenschafter, die versuchten, den nunmehr rassistisch argumentierenden Antisemitismus in den Dachverbänden durchzusetzen. Mit Erfolg: Die DB verlieh am Burschentag 1920 der „Überzeugung“ Ausdruck, „daß die ererbten Rasseeigenschaften der Juden durch die Taufe nicht berührt werden“. [26]

Dass der korporierte Antisemitismus gerade in Österreich eine Kontinuität über 1945 hinaus aufweist, wird vereinzelt sogar von Angehörigen des Milieus eingeräumt. So bedauert der Korporierte Harald Seewann, dass „auch heute noch in der Auffassung einzelner die Waidhofener Beschlüsse nicht überwunden scheinen“. [27] Tatsächlich verteidigten österreichische Burschenschafter den „Arierparagraphen“ auch nach 1945. Noch in den 60er Jahren rühmten sich Verbindungen „die jüdischen Elemente entfernt“ zu haben oder „seit 1882 judenrein“ [28] zu sein. Der Pauk-Comment der Wiener pennalen Waffenstudenten legt in §4 fest: „Genugtuungsfähig auf Schläger ist jeder ehrenhafte arische Mensch.“ [29] Und die Suevia argumentierte 1960 gegenüber deutschen Kameraden: „Wir müssen (...) betonen, daß es für die Deutsche Burschenschaft in Österreich unmöglich ist, Nichtdeutsche aufzunehmen. Wir (...) stehen auf dem allein burschenschaftlichen Standpunkt, daß somit auch der Jude in der Burschenschaft keinen Platz hat.“ [30] Angesichts eines derartigen Standpunktes überrascht es kaum, wenn auch mal Taten folgen. So verwüsteten im November 1961 zwei Burschenschafter den jüdischen Friedhof in Innsbruck. Einer der Täter, Aktivist der Suevia, zwängte seinen Antisemitismus zuvor in holprige Reimform: „... der einzige Feind, den es Wert ist zu hassen / und unter Umständen auch zu vergasen / ist doch der ewige Jude, der heute / wie früher die dummen, weil ehrlichen Leute bestiehlt / und uns allen die Frischluft wegsaugt / nicht ahnend, daß er nur zum Einheitzen taugt. / Die Zeit wird bald kommen, darauf ist Verlaß / daß man ihn zum letztenmal setzt unter Gas. / Dann werdet auch Ihr, trotz Aktiven-Allüren, / das Feuer von Auschwitz behüten und schüren. / Wir werden, wenn auch ohne Mütze und Band, / die Gasöfen füllen bis an den Rand.“ [31]

„Heim ins Reich“

Den „Anschluss“, noch 1988 in einer von Herwig Nachtmann (aB! Brixia, Innsbruck) verantworteten Aula-Broschüre als „Wiedervereinigung“ bezeichnet, feierten die Burschenschaften mit dem Aufziehen von Hakenkreuzfahnen. Die Machteinsetzung der NSDAP wurde zuvor im Organ der DB bejubelt: „Was wir seit Jahren ersehnt und erstrebt und wofür wir im Geiste der Burschenschaft von 1817 jahraus, jahrein an uns gearbeitet haben, ist Tatsache geworden.“ [32] Bis aber „der Traum der Deutschen Burschenschaft vom großen Reiche aller Deutschen Wirklichkeit wurde“, [33] mussten die korporierten Nazis in Österreich noch durch die Widrigkeiten der Illegalität. Über die Bedeutung der Burschenschaften nach dem Verbot der NSDAP 1933 meinte der Rektor der Universität Wien im März 1938: „Das große Verdienst der deutsch eingestellten studentischen Korporationen Österreichs besteht darin, daß sie sich in der Zeit des Kampfes restlos in den illegalen politischen Aufbau eingefügt haben. Jede Körperschaft bildete einen in sich geschlossenen Kampftruppenteil.“ [34]

Als Entlastungsargument führen Burschenschafter heute dennoch gerne an, ihre Verbindungen seien 1938 unter Zwang aufgelöst worden. Diese Behauptung hat seine Berechtigung nur für das katholische Verbindungswesen und einige Corps, hingegen lösten sich auch die österreichischen Burschenschaften feierlich selbst auf und gliederten sich zum Großteil als Kameradschaften in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund ein. Von gedrückter Stimmung angesichts dieses Schrittes ist zumindest bei der Olympia nichts zu bemerken: „Bei der eindrucksvollen Feier im großen Konzerthaussaal anläßlich der Überführung der waffenstudentischen Korporationen in die Gliederungen der NSDAP wurden die Farben das letzte Mal in der Öffentlichkeit getragen.“ [35]

Neben der Behauptung, von den Nazis „verboten“ worden zu sein, dient der vereinzelte Widerstand von deutschnational Korporierten der Reinwaschung des ganzen Milieus. Diese Selbstverleugnung war nicht immer vorherrschend: 1955 wurde es noch abgelehnt, „’Widerständler’ aus unseren Reihen zu benennen und sie als Schild zu mißbrauchen“. [36] Auch in der Aula verschloss man sich zunächst den Versuchen, „einen nationalen Widerstand zu konstruieren“. [37]

Kontinuität und Neuanfang

Stellvertretend formuliert die Olympia die Ablehnung der nachfaschistischen Umwälzungen: „Gleich nach Kriegsende setzte die von den Siegern betriebene systematische Umerziehung (reeducation) ein, die einen intensiven Wandel des Denkens, der Empfindungen und Verhaltensweisen erreichen wollte und auch erreichte. Alle Ideen und Überzeugungen, die nach Meinung der Sieger zu der politischen, moralischen und charakterlichen Korrumpierung der Deutschen geführt hatten, sollten ein für allemal ausgerottet werden. (...) Die entstandene geistig-kulturelle Bewußtsseinslücke wurde durch die Etablierung der westlich-pluralistischen Gesellschaftsform ’ausgefüllt’.“ [38]

Tatsächlich sehen sich Burschenschafter bis heute als Besiegte und den 8. Mai 1945 als „totale Niederlage“. [39] Als Gliederungen der NSDAP wurden die Burschen- bzw. Kameradschaften 1945 aufgelöst, das Schlagen von Mensuren wurde genauso verboten wie der Aufzug mit Mütze und Band auf Universitätsgelände. Die deutschnationalen Männerbünde waren zunächst angehalten, die Kontinuitäten mittels Auftreten unter unverfänglichem Namen zu verdecken. So rekonstituierte sich etwa die Olympia 1948 als Akademische Tafelrunde Laetitia. Als mehr oder weniger belastete NS-Kader hatten zahlreiche Korporierte mit der Entnazifizierung zu kämpfen: „Ein Großteil der Überlebenden,“ heißt es bei der Olympia, „war politisch verfolgt und mit Berufsverbot belegt.“ [40] Aber bald verspürte man das Nachlassen des Entnazifizierungseifers und somit wieder Aufwind. Mit dem gesamten „Dritten Lager“, das spätestens 1938 fast zur Gänze in der NSDAP aufgegangen war, reorganisierte sich ab 1948 auch das burschenschaftliche Milieu. Die Mensuren wurden 1952 wieder erlaubt, zwei Jahre später durften die deutschnational Korporierten wieder mit Mütze und Band an die Hochschulen. Diese glichen spätestens ab 1955 dem Bild zwischen 1920 und 1938 — Hochburgen des Antisemitismus und Rassismus.

Die Renaissance der Burschenschaften war begleitet von Gewalt: So kam es 1961 in Innsbruck zu Übergriffen auf US-amerikanische Studenten, die dabei als „Juden“ beschimpft wurden. 1965 stürmten rechtsextreme Schläger unter „Hoch Auschwitz!“-Rufen eine Demonstration gegen einen antisemitischen Professor. Dabei erschlug ein Olympe den ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger.
Zu Beginn der 60er Jahre stiegen Burschenschafter in den Südtirolterror ein und ließen diesen eskalieren. Richtete sich dieser ursprünglich gegen Sachen, so nahmen die „Volkstumskämpfer“ rund um Norbert Burger (aB! Olympia) den Tod auch von ZivilistInnen bewusst in Kauf. Diese mörderische Terrorkampagne wird nach wie vor als „Einsatz für das bedrohte Grenzlanddeutschtum“ [41] verharmlost. Und FPÖ-Nationalrat Graf meint noch heute über den 1991 verstorbenen Neonazi: „Ich habe Norbert Burger immer geschätzt und tue das auch über den Tod hinaus.“ [42] Dieser Verbundenheit unter dem Dach einer Burschenschaft kann offenbar auch nicht die Tatsache Abbruch tun, dass Burger in Italien wegen mehrfachen Mordes in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Als eine der spärlichen Reaktionen wurde die Olympia, die das organisatorische Zentrum des Neonazi-Terrors darstellte, 1961 behördlich aufgelöst. Bis zur Wiederzulassung 1974 fanden die Olympen Unterschlupf bei der verübergehend reaktivierten Vandalia.

1952 gründeten Burschenschafter den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), welchem ein Jahr später Burger vorstand. Nachdem sich die FPÖ zu Beginn der 60er Jahre an ihrer Spitze zu liberalisieren begonnen hatte, entfernten sich die Mannen rund um Burger mehr und mehr von der Mutterpartei. 1967 gründeten sie schließlich die Nationaldemokratische Partei (NDP). Die Kontakte rissen jedoch nie ganz ab: Neben dem RFS stellten vor allem die bereits erwähnten Freiheitlichen Akademikerverbände (FAV) — eine Vereinigung „Alter Herren“ im Vorfeld der FPÖ — das Bindeglied zwischen NDP und FPÖ dar. Nach der Kür Haiders zum FPÖ-Obmann 1986 war wieder Einheit angesagt. Bei einem von Otto Scrinzi arrangierten geheimen Treffen zwischen Haider und dem NDP-Vorsitzenden Burger besprachen diese im Juli 1987 eine mögliche Zusammenarbeit. Als dann 1988 die NDP endlich behördlich aufgelöst wurde, war sie ohnehin schon überholt: Ein Großteil der Mitglieder und Kader hatte den Weg zurück zur FPÖ bereits gefunden.

Heute laufen die Kontakte zur Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) ebenfalls über das burschenschaftliche FPÖ-Vorfeld: In der Aula häuften sich etwa mit dem Einstieg von Jürgen Schwab (aB! Thessalia zu Prag, Bayreuth und Germania, Graz) [43] ab 1998 die Lobeshymnen auf die deutschen Neonazis. Das „freiheitliche Magazin“ bot darüber hinaus dem NPD-Vorsitzenden Platz zur ausführlichen Selbstdarstellung. [44]

Die FAV Wien, Burgenland und Niederösterreich luden im Herbst 1999 den NPD-Kader Horst Mahler zu einem Vortrag nach Wien. Dabei gab dieser seiner Bewunderung des „Führers“ unverholen Ausdruck: „Hitler hat die nationalrevolutionären und sozialrevolutionären Kräfte dieses Volkes aufgegriffen und gebündelt.“ Dann wandte sich Mahler aktuellen Bedrohungen zu: den „Türken“, welche sich anschickten, Deutschland „von innen her“ zu übernehmen, der „Umerziehung“, die dafür verantwortlich sei, dass „unser Volk es nicht mehr wagt, sich der Auslöschung durch Überfremdung zu widersetzen“ und dem „jüdischen Volk“, das der „Feind“ der Deutschen sei. Auf dem Weg zur „Volksgemeinschaft“ müssten sich die „Deutschen“, zu welchem Mahler und seine korporierten Zuhörer auch die ÖsterreicherInnen zählen, von den „negativen jüdischen Prinzipien“ wie dem „Mammonismus“ befreien. Aber noch würden „unsere Feinde“ (die Juden und Jüdinnen, Anm.) „über unsere Gedanken (herrschen)“. Mahler versuchte in Wien auch, die antisemitische Verfolgung zu legitimieren: „Den Juden wurde der Hass auf andere Völker auferlegt. Die anderen Völker haben diesen Hass nur erwidert.“ [45]

Schließlich konnten Burschenschafter im Juni 2000 niemanden geringeren als Frank Rennicke begrüßen. Der Neonazi-Barde und NPD-Aktivist trug seinen germanomanen Singsang auf dem „Innenhoffest“ der Olympia vor.

Doch vermögen auch die stimmungsvollsten Treffen nicht über die anhaltende Schwäche hinwegtäuschen: Das deutschnationale Korporationswesen hat nach seiner Hochblüte in den 50er und 60er Jahren bis heute mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Denn mit der partiellen Öffnung (i.e. dem Anwachsen des Anteils von Frauen und Angehörigen unterer sozialer Schichten) und Demokratisierung der Universitäten zu Beginn der 70er Jahre ging der Einfluss des Rechtsextremismus auf akademischem Boden nach und nach zurück. Deutlicher Ausdruck dieser Kräfteverschiebung ist der Niedergang des RFS: Der hochschulpolitische Arm von Burschenschaften und FPÖ sank in der studentischen WählerInnengunst von 32% (1953) auf gerade 2% (1987) ab. Wenn sich auch das völkische Milieu an den Universitäten im Zuge gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen konsolidiert zu haben scheint, ist es von alter Stärke nach wie vor entfernt. Heute tummeln sich nach unseren Schätzungen in knapp 60 deutschnationalen (akademischen und pennalen) Korporationen rund 3000 Aktive und „Alte Herren“. Und der RFS vermag es nach wie vor nicht, bei ÖH-Wahlen bundesweit über 4% hinauszukommen.

Deutsch-„deutsche“ Verbundenheit

Gemäß ihrer Ideologie versuchen deutsche und österreichische Burschenschaften, die staatliche „Wiedervereinigung“ in ihren Dachverbänden vorwegzunehmen. 1919 vereinigte sich die Burschenschaft der Ostmark mit der DB. Um einem Verbot zu entgehen, schieden jedoch die heimischen Verbindungen im Juni 1933 aus dem gemeinsamen, nun auch offiziell nazifizierten Dachverband aus. 1938 vereinigte man sich wieder — diesmal unterm Dach des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes. Sieben Jahre nach der Befreiung vom Faschismus schloss der österreichische Allgemeine Delegiertenconvent (ADC) mit der DB ein „Arbeits- und Freundschaftsabkommen“ ab. Der ADC, 1959 in Deutsche Burschenschaft in Österreich (DBÖ) umbenannt, scheiterte 1961 zunächst in seinen Bestrebungen nach erneuter Fusion mit der DB am beiderseitigen Misstrauen. Ein Mainzer Burschenschafter brachte die Vorbehalte gegenüber den „Ostmärkern“ auf den Punkt: „Auf Grund persönlicher Gespräche, schriftlicher Dokumente und den Erfahrungen von den Burschentagen müssen wir leider feststellen, daß in den österreichischen Burschenschaften ein radikaler Geist herrscht, dem wir uns verschließen müssen. Wir lehnen ganz entschieden jede Form von politischem Extremismus und Antisemitismus ab. Die Geschichte lehrt uns, daß diese Geisteshaltung die deutsche Burschenschaft ins Unglück führen würde und uns an unserem Volke schuldig werden ließe.“ [46] Die unterlegene Fraktion schloss sich darauf zur Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) zusammen. Im Gründungsprotokoll der aus 42 österreichischen und deutschen Burschenschaften bestehenden BG [47] bekennt sich diese „zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ und fordert „die geistige und kulturelle Einheit aller, die dem deutschen Volke angehören und sich zu ihm bekennen.“ Hochgehalten wird von der BG ein Großdeutschland in den Grenzen vom 1. September 1939. [48]

Die völkischen Fundamentalisten konnten am Burschentag von 1961 jedoch einen Etappensieg einfahren: Ein Antrag der Münchener Danubia, die DB möge gegenüber der DBÖ feststellen, dass es die „wichtigste politische Aufgabe der Gegenwart“ sei, für die „Wiedervereinigung“ Österreichs mit Deutschland zu kämpfen, wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Für die anwesenden Olympen fragt sich der Berichterstatter, „mit welchem Recht sich die 48 Bünde“, welche gegen den Antrag stimmten und somit „Österreich und Südtirol nicht mehr als einen Teil ihres Vaterlandes anerkennen wollen, noch als Burschenschaft bezeichnen.“ [49]

Die jahrelangen Streitereien zwischen den Fraktionen wurden 1971 am Burschentag in Landau kurzfristig beigelegt. Der geschlossene Kompromiss beinhaltet zwar die Freistellung der Mensur, doch setzten sich die Hardliner aus DBÖ und BG mit der Verankerung ihres „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffes“ durch. [50] Darüber hinaus wurden den DBÖ-Verbindungen Einzelbeitritte zur DB gestattet. Die Wiener Burschenschaften Libertas und Vandalia (i.e Olympia) traten umgehend bei, bis heute haben sich 18 heimische Burschenschaften der DB angeschlossen. [51]

Die DB verdankt ihre Radikalisierung, welche 1995 erstmals zu einer Erwähnung im deutschen Verfassungsschutzbericht führte, vor allem dem erfolgreichen Entrismus der „Ostmärker“. Jedoch wurde deren Auftreten nicht immer gutgeheißen: So erntete Norbert Burger bei der 175-Jahr-Feier der DB in Jena 1990 für seine „extremen Grußworte“ [52] Pfiffe. Im selben Jahr sah sich die DB gezwungen, „sich bei Staatssekretär Kroppenstädt (...) wegen der globalen Beschimpfungen und Verleumdungen (...), die durch ein Mitglied der vorsitzenden Burschenschaft in der DB, B! Olympia Wien, in einem Interview ausgesprochen worden sind, in geeigneter Form zu entschuldigen.“ [53] In besagtem Interview wurde die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze seitens der deutschen Regierung kritisiert und betont, „daß auch die Ostgebiete, Südtirol usw. alles deutsche Länder sind“. [54] Ein Jahr darauf forderten die Olympen am Burschentag: „Die Unterwanderung des deutschen Volkes durch Angehörige von fremden Völkern bedroht die biologische und kulturelle Substanz des deutschen Volkes (...) Das deutsche Volk ist vor Unterwanderung seines Volkskörpers durch Ausländer wirksam zu schützen.“ [55]

Angesichts derartiger Urlaute überrascht es nicht, dass gemäßigtere deutsche Verbindungen die neuerliche Wahl der Olympia zum Vorsitzenden der DB 1996 mit ihren Austritten quittierten. Als Grund für diesen Schritt wurde unter anderem angegeben, die Wiener Fundis hätten gefordert, „Österreich und Teile Polens in die Wiedervereinigung Deutschlands miteinzubeziehen“. [56]

[1Unter dem Begriff deutschnationale oder nationalfreiheitliche Korporationen werden Burschenschaften, Sänger-, Jäger- und (Grenz-)Landsmannschaften sowie akademische Turnvereine, Vereine Deutscher Studenten (VDSt) und die diversen Corps zusammengefasst. Diese formal als Vereine organisierten „Lebensbünde“ unterscheiden sich bei allen Gemeinsamkeiten in der männerbündischen Struktur von den katholischen Verbindungen (CV, MKV, kath. Landsmannschaften) durch ihren Deutschnationalismus, ihre Skepsis gegenüber der liberalen Parteiendemokratie, ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus und durch das weitgehende Festhalten am schlagenden Prinzip (Pflichtmensur). Im Folgenden beschränken wir uns weitgehend auf die Burschenschaften. Dies gehorcht neben deren Stärke und Stellenwert im Milieu vor allem deren explizit politischer Ausrichtung, die eine ideologische Verortung erleichtert.

[2Unter dem Begriff deutschnationale oder nationalfreiheitliche Korporationen werden Burschenschaften, Sänger-, Jäger- und (Grenz-)Landsmannschaften sowie akademische Turnvereine, Vereine Deutscher Studenten (VDSt) und die diversen Corps zusammengefasst. Diese formal als Vereine organisierten „Lebensbünde“ unterscheiden sich bei allen Gemeinsamkeiten in der männerbündischen Struktur von den katholischen Verbindungen (CV, MKV, kath. Landsmannschaften) durch ihren Deutschnationalismus, ihre Skepsis gegenüber der liberalen Parteiendemokratie, ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus und durch das weitgehende Festhalten am schlagenden Prinzip (Pflichtmensur). Im Folgenden beschränken wir uns weitgehend auf die Burschenschaften. Dies gehorcht neben deren Stärke und Stellenwert im Milieu vor allem deren explizit politischer Ausrichtung, die eine ideologische Verortung erleichtert.

[3BM f. Inneres, Gruppe C, Abteilung II/7: Rechtsextremismus in Österreich. Jahreslagebericht 1999. Wien 2000, S. 10

[4BM f. Inneres, Gruppe C, Abteilung II/7: Rechtsextremismus in Österreich. Jahreslagebericht 2000. Wien 2001, S. 12

[5Gehler, Michael: Studentenverbindungen und Politik an Österreichs Universitäten. Ein historischer Überblick unter besonderer Berücksichtigung des akademischen Rechtsextremismus vom 19. Jahrhundert bis heute, in: Reinalter, H.; Petri, F.; Kaufmann, R. (Hg.): Das Weltbild des Rechtsextremismus. Die Strukturen der Entsolidarisierung. Innsbruck 1998, S. 390

[6Mitteilungen der US! Skalden, Februar 1993; Die übrigen Sängerschaften in Österreich — mit Ausnahme der Wiener Barden — traten in der Folge ebenfalls aus der DS aus.

[7Die Mitgliedschaft in einer Korporation wird erst nach Ablauf einer längeren Probe- und Bewährungsfrist gewährt. Neben der „Burschung“ erfolgt die Aufnahme in den „Lebensbund“ über ritualisierte Fechtduelle („Mensuren“).

[8Den offensten Ausdruck findet diese Schutzfunktion bei NS-Wiederbetätigungsprozessen, welche von Burschenschaftern geleitet oder vorbereitet werden. So sorgte etwa Hans Peter Januschke (VDSt Sudetia, Wien) mit seiner Prozessführung 1996 für einen mittleren Skandal: Nachdem sich Januschke im Verfahren gegen einen Wiener Berufsschullehrer mehrmals als „Nationaler“ zu erkennen gegeben und dies auch mit einschlägigen Sprüchen („...das KZ Dachau war für Asoziale, Zigeuner und dergleichen“) verdeutlicht hatte, wurde er wegen Befangenheit abgelöst. Auch Staatsanwalt Heinrich Steinsky (aB! Suevia, Innsbruck) geriet aufgrund seines Verhaltens während der Vorerhebungen gegen mutmaßliche Neonazis wiederholt zum Gegenstand parlamentarischer Anfragen an den Justizminister.

[9Hatzenbichler, Jürgen: Korporation, Tradition und Neue Rechte, in: Mölzer, Andreas (Hg.): Pro Patria. Das deutsche Korporations-Studententum — Randgruppe oder Elite? Graz 1994, S. 262f

[10vgl. Gehler, Michael: Studentenverbindungen ... a.a.O., S. 361f

[11Aula 2/99, S. 20

[12vgl. Parlamentarische Anfrage, XX GP-NR, 5310/J, 1998-12-02

[13Über die Ernsthaftigkeit dieses Abrückens von einem konstituierenden Moment des nationalfreiheitlichen Lagers gab Haider selbst Auskunft: Am 120. Stiftungsfest der Silvania bekräftigte er, weiter „für die Erhaltung des deutschen Volkstums zu stehen“. (Junge Freiheit 47/96, S. 7)

[14Der ehemalige Burschenschafter und liberale Politiker Helmut Peter meint über die Südmark: „Dort herrschte (...) ein rabiater Antisemitismus, das waren richtiggehende Extremisten.“ (zit. nach: Joachim Riedl: Der Dominator von Bad Goisern. Über die Versuchungen des jungen H., in: Scharsach, Hans-Henning (Hg.): Haider. Österreich und die rechte Versuchung. Reinbek b. Hamburg 2000, S. 158)

[15Zur Zeit Nr. 19/00, S. 1

[16Format 21/00, S. 50

[17Aula 1/98, S. 25ff

[18Interview mit der Wiener Burschenschaft Olympia, in: Junge Freiheit 4/90, S. 8

[19Wiener Coleur-Szene, Oktober 1991, S. 5

[20zit. nach Der Spiegel 24/97, S. 54

[21Elias, Norbert: Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 21989, S. 128

[22ebd., S. 144

[23Adorno, Theodor W.: Erziehung nach Auschwitz, in: ders.: Ob nach Auschwitz noch sich leben lasse. Ein philosophisches Lesebuch, hrsg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt a. M. 1997, S. 56

[24Wiener akademische Burschenschaft Olympia ... a.a.O., S. 113

[25zit. nach Knoll, Curt: Die Geschichte der wehrhaften Vereine deutscher Studenten in der Ostmark. Wien 1924, S. 321

[26zit. nach Heither, Dietrich et al.: Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften. Frankfurt a. M. 1997, S. 92

[27Aula 9/94, S. 5

[28Österreichischer Hochschulführer, zit. nach Volksstimme, 8. 4. 1965

[29zit. nach Kartell-Chargen-Konvent des MKV (Hg.): Die schlagenden Mittelschulverbindungen Österreichs. o.O. Wintersemester 1963/64

[30zit. nach Gehler, Michael: Rechtskonservativismus, Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreichischen Studentenverbindungen von 1945 bis in die jüngste Zeit, in: Bergmann, W.; Erb, R.; Lichtblau, A. (Hg.): Schwieriges Erbe. Der Umgang mit Nationalsozialismus und Antisemitismus in Österreich, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a. M./New York 1995, S. 243

[31zit. nach Tribüne, Nr. XI/62

[32Burschenschaftliche Blätter 6/1933, S. 130

[33100 Jahre Wiener Akademische Burschenschaft Bruna Sudetia, in: Akademisches Leben, 7./8. Folge, Juli/August 1971, S. 22

[34zit. nach Lichtenberger-Fenz, Brigitte: Österreichs Hochschulen und Universitäten und das NS-Regime, in: Talos, E.; Hanisch, E.; Neugebauer, W. (Hg.): NS-Herrschaft in Österreich 1938-1945. Wien 1988, S. 271

[35Wiener akademische Burschenschaft Olympia ... a.a.O., S. 30

[36Burschenschaftliche Blätter 7-8/55, S. 218

[37Wrabetz, Peter: Das nationalfreiheitliche Lager in Österreich, in: Aula 5/73, S. 6

[38Wiener akademische Burschenschaft Olympia ... a.a.O., S. 76f

[39ebd., S. 79

[40ebd., S. 1

[41ebd., S. 4

[42Format 21/00, S. 50

[43Schwab ist Leiter des „Arbeitskreises Volk und Staat“ beim NPD-Parteivorstand.

[44Aula 9/98, S. 15f

[45Die Presse, 25. 11. 1999; profil 48/99, S. 66f

[46zit. nach Gehler, Michael: Studentenverbindungen ... a.a.O., S. 380

[47Österreichische BG-Mitglieder: Allemannia, Arminia, Carniola, Cheruskia, Germania, Marcho-Teutonia (alle Graz), Suevia (Innsbruck), Leder, Cruxia (Leoben), Alania, Albia, Aldania, Bruna Sudetia, Gothia, Libertas, Moldavia, Oberösterreicher Germanen, Olympia (Wien), Altherrenverband der aB! Südmark (Perg)

[48vgl. Perner, Markus; Zellhofer, Klaus: Österreichische Burschenschaften als akademische Vorfeldorganisationen des Rechtsextremismus, in: Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.): Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. Wien 21996, S. 275f

[49Bericht über den Burschentag der DB in Nürnberg von Günter Höllerl, S. 3 (Kopie im DÖW)

[50vgl. Acta Studentica, 3. Jg., Folge 1+2, Oktober 1972, S. 9

[51Albia, Aldania, Bruna Sudetia, Gothia, Libertas, OÖ Germanen, Olympia, Moldavia, Silesia (alle Wien), Allemannia, Arminia, Carniola, Germania, Marcho Teutonia (Graz), Brixia und Suevia (Innsbruck), Cruxia und Leder (Leoben)

[52Acta Studentica, 21. Jg., Folge 82, Juni 1990, S. 7

[53ebd., 22. Jg., Folge 86, Juni 1991, S. 8

[54Interview mit der Wiener Burschenschaft Olmpia, in: Junge Freiheit 4/90, S. 8

[55zit. nach Perner, Markus...a.a.O., S. 275

[56Junge Freiheit 18-19/96, S. 4

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