FŒHN, Heft 21
 
1995

Ein rechter Tausendersassa

Die Industriellenvereinigung hebt 0,5 Promille der Lohnsumme ihrer Mitgliedsbetriebe als Vereinssteuer ein, um mit diesem Geld dann in die Wahlkämpfe von VP und FP zu investieren. Das ist deswegen so wichtig, weil die gesamten Industriellen Österreichs rein zahlenmäßig lediglich die Zehe eines Abgeordneten wählen könnten, wie der österreichische Bundeskanzler J. Raab einmal festgestellt hat. Sein deutscher Kollege K. Adenauer hat genau dieses Problem den Wirtschaftsbossen so erklärt: „Bevor wir etwas für die Wirtschaft tun können, müssen uns die Arbeiter erst einmal wählen.“ (Wirtschaftswoche, 2.7.71) Damit einen die Arbeiter wählen, müssen sie mit entsprechender Propaganda eingefangen werden. Haider tut das mit dem Geld der Unternehmer, das von den Arbeitern selbst erarbeitet worden ist. „1989 seien 8,5 ‚Industrie-Millionen‘ an die FPÖ und ihre Nebenorganisationen geflossen, weiß Marizzi“, heißt es im Kurier (3.9.92). Die FP gibt an, jährlich nur zwei Millionen Schilling von ihren vereinigten industriellen Hintermännern zu erhalten. „Tatsächlich dürfte dieser Betrag mindestens das Zehnfache betragen, da zusätzlich auch die neun Landesverbände Geld geben. (News, 3.12.92) Motto: „Einfach jährlich. Einfach Jörg.“ Für den Generalsekretär der Großindustriellen, Ceska, ist Haider auf jeden Fall „ein gescheiter, intelligenter Mann, der strategisch denken kann“. „Daß er massiv in die SPÖ-Gemeindebauten in Wien hineingeht, dazu kann man ihm ja gratulieren. (News, 3.12.92) Um zu den entsprechenden Arbeiterstimmen-Summen zu kommen, müssen zuerst einmal die Unternehmer-Summen stimmen.

Verbesserung eines Haider-Plakats: Richtig!
Verbesserung eines Haider-Plakats: Falsch!

Noch besser als das Großkapital mit Jörg Haider kann nur noch Jörg Haider mit dem Großkapital. (Denn letzteres hat ja derzeit noch Franz Vranitzky in der besseren Position.) Es gibt in jeder kapitalistischen Gesellschaft zwei Lager. Haider steht im Lager der Reichen. Noch bevor ein Geldsack verschnupft ist, hustet er. Auf die unlösbaren Probleme des Kapitalismus reagiert er wie alle Reaktionäre mit — Superkapitalismus. In seinen großen Ansprachen in der Wiener Börse und anderswo läßt er die Peitsche auf die Arbeiter niedersausen, daß es grad so klatscht (in den Ehrenreihen): „Arbeitsmoral!“, „Verantwortung!“, „Pflichtbewußtsein!“, „Leistung!“, „Leistungswille!“, „Leistungsbewußtsein!“, „Leistungslöhne!“, „Motivation!“, „Qualifikation!“, „Mehrleistung!“, „Mehrarbeit!“, „Überstunden!“ (Österreich-Erklärung, 1994) Haider gibt vor, das verhaßte System zu bekämpfen, in Wahrheit ist der Leistungshetzer dessen Stoßtrupp. „Die Interessen der unternehmerisch arbeitenden Menschen zu vertreten, bedeutet für das Gemeinwohl zu wirken — denn es sind eben die unternehmerisch Tätigen, die durch ihre Risikobereitschaft, ihren Erfindungsreichtum und ihre Arbeit das Rückgrat des Wohlstandes aller darstellen.“ (in: RFW-Wirtschaft-Aktiv, April 1990)

Wenn ich der finanzielle Hintermann der sogenannten Freiheitlichen wäre, würde ich mir wünschen, das heißt verlangen, daß sie einerseits für den Abbau der Lohnnebenkosten und andererseits für mehr Privatisierung eintreten, einerseits mehr öffentliche Aufträge fordern und andererseits flexible Arbeitszeiten, da die Abschaffung der Lohnsummensteuer und dort ein flexibleres Arbeits- und Sozialrecht durchsetzen, sich zum einen für die ersatzlose Abschaffung der Vermögenssteuer starkmachen und zum anderen für die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen, eine steuerliche Besserstellung des Eigenkapitals müßte von keinen weiteren Arbeitszeitverkürzungen begleitet sein, neben freien Lohnvereinbarungen müßte die Abfertigung für Unternehmer Wirklichkeit werden, neben einer Anhebung der Pension der Selbständigen müßte sichergestellt werden, daß es in Hinkunft keine verpflichtenden Reallohnzuwächse mehr zu geben braucht, einer sozialen Absicherung auch für Unternehmer auf der einen Seite müßte auf der anderen Seite die Streichung von Feiertagen folgen, höheren Investitionsfreibeträgen hüben müßte die Aufhebung des Nachtarbeitsverbots drüben entsprechen. (Die angeführten Forderungen sind bereits wortwörtlich solche der FPÖ.)

Wenn Haider seine eigenen Steuertricks (196,— Schilling Schenkungssteuer für seinen 150-Millionen-Gutsbesitz) „eine legale Ausnutzung steuerlicher Bestimmungen“ (Profil, 6.2.89) nennt, dann ruft er damit den Unternehmern zu: Schaut her, ich bin so gerissen wie Ihr, in mir habt ihr einen Guten! Gehet hin und tuet desgleichen! Wenn er klagt, „wir sind nicht mehr eine Oase der Sicherheit. Allein in Wien wird alle drei Minuten eine Straftat verübt.“ (Standard, 29.8.92), dann denkt er dabei schon deswegen nicht an die Schwarz-Beschäftigung von Arbeiterinnen und Arbeitern, nicht an die Entlohnung unter dem Kollektivvertrag, nicht an den Abgaben-Diebstahl usw., weil er dann von einer Straftat alle drei Sekunden reden müßte! Wenn man den Leuten ständig vortheatert, erstens wären die Politikerprivilegien das Problem, zweitens die Arbeitsscheuen und drittens die Ausländer, wundert’s dann, wenn bei einer Umfrage herauskommt, daß die Österreicherinnen und Österreicher am meisten stören: 1. „die hohen Bezüge der Politiker“, 2. „der ungerechtfertigte Bezug von Arbeitslosengeld“, 3. die „steigende Ausländerkriminalität“? (Kurier, 25.4.93) Die läppischen zig Millionen Unternehmergelder an Haider sind gut investiert. Sie sichern zig Milliarden Unternehmergelder ab. Wenn eine Hochrechnung des Kurier 230 Milliarden Schilling Steuerhinterziehung pro Jahr in Österreich ergeben hat (24.4.93), dann gehen diese kaum auf das Konto der in und ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter, denen die Lohnsteuer gleich abgezogen wird und die um die Mehrwertsteuer im Supermarkt wohl auch nicht herumkommen, sondern auf das Konto (jetzt wörtlich!) der Unternehmer. Das System, in dem wir leben, ist ein durch und durch verkommenes. Und Haider ist sein Prophet. Seine nicht befriedigbare Eitelkeit, seine Mediensüchtigkeit und Machtgier machen ihn ideal lenkbar fürs große Geld. Als junger FP-Funktionär wollte Haider nationale Politik mit alldeutschen Hirschhornknöpfen und artreinen Haarkranzln. Weil dafür nicht mehr als sieben Prozent Wählerstimmen zu haben sind, hat er jetzt ein anderes Programm zu seinem gemacht. Ein kluger Mann hat den Staat einmal als „geschäftsführenden Ausschuß der Kapitalistenklasse“ bezeichnet. Haider setzt alles daran, Ausschuß-Vorsitzender zu werden.

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