Political Culture
Oktober
1995

Hilfe! Polizei!

Der „Fall“ Purtscheller

Pressefreiheit vor dem Hintergrund eines erstarkenden Rechtsextremismus sowie Unterwanderung von Exekutive und Le­gis­lative

Bandabschrift der von der Mediensektion der SPÖ-Wien gemeinsam mit dem Republikanischen Club Neues Österreich und der Journalistengewerkschaft durchgeführten Diskussionsveranstaltung am 12.1.1995

Am Podium:

  • Wolfgang Purtscheller, Journalist und Buchautor: „Die Ordnung, die sie meinen. Die neue Rechte“, Picus Verlag Wien,
  • Brigitte Bailer-Galanda, Dokumentationsarchiv des österreichi­schen Widerstandes
  • Gisela Vorrath, Journalistin und Funktionärin der Gewerkschaft Kunst, Medien und freie Berufe

Einleitung

Ich habe mich am 12. Jänner 95, vor Publikum noch während der Diskussion berei­t­erklärt, sowohl den Mitschnitt der Veranstaltung abzuschreiben als auch eine journalistische Version auf einem A4-Blatt zu konzipie­ren, die ich in Samisdat-Manier an eine interessier­te Öf­fentlichkeit bringen werde. Ich habe mich nun aber zu dieser Form der Publika­tion entschlossen, weil ich meine, daß jede Kürzung ebenso wie Unter­grund­-Ver­öffentli­chung eine dem Thema und seiner Bedeutung für dieses Land nicht angemessene Vorgangsweise wäre; nicht angemessen jedenfalls wäre sie den Intentionen einer deklariert sozialdemokratischen Journalistin.

Zunächst — als Einstieg in die Materie und pars pro toto — eine APA-Meldung vom Tag vor der Veranstaltung, die sich wie zum Trost auf Deutsche Zustände bezieht; denn auch beim großen Nach­barn scheint der Exekutiv-Apparat von besonderer Unter­wanderungsanfälligkeit für rechte Strebungen.

APA640 5 AA 015011.Jän 95
BRD/Justiz

BRD: Polizei durchsucht Bundeskriminalamt in Wiesbaden
UTl.: Verdacht auf Verrat von Dienstgeheimnissen =

Wiesbaden (APA/AFP) — Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden ist wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen durchsucht worden. Die Ermittlungen richte­ten sich gegen drei Beamte, sagte BKS-Sprecher Willi Funder­mann am Mittwoch abend. Er bestätigte damit einen entspre­chenden Bericht der ARD-Tagesschau, die sich auf den Hessi­schen Rundfunk berufen hatte. ****

Demnach stehen die Beamten unter dem Verdacht, interne In­formationen etwa über die Ermittlungen im Fall „Bad Kleinen“ an die Presse weitergegeben zu haben, unter anderem an das Münchner Nachrichtenmagazin „Focus’. Laut Fundermann wurde einer der Beamten am Mittwoch zwangsbeurlaubt. Die Polizei hatte das BKA nach seinen Angaben bereits Dienstag abend durchsucht.

Wie Fundermann weiter mitteilte, hatte das BKA selbst bereits im vergangenen Jahr Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Zum In­halt der Anzeige wollte er keine genaueren Angaben machen. Die Statsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt in dem Fall.

(Schluß) hf/bs

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112116 Jän 95

Diskussion am 12. Jänner 95 im Republikanischen Club Neues Österreich

Erich König begrüßt die Gäste im Namen der Veranstalter, der Themeninitiative der SPÖ Wien, des Republikanischen Clubs Neues Österreich und der Journalistengewerkschaft und stellt die Teilnehmer am Podium vor.

Wolfgang Purtscheller, Journalist, der vor kurzem von österreichi­schen Polizisten niedergeschlagen worden ist, Brigitte Galanda-Bailer vom DÖW und Gisela Vorrath von der Journalistengewerkschaft.

Angesagt ist auch Gabriel Lansky, der Anwalt von Wolfgang Purt­scheller, der später an diesem Abend noch die rechtliche Situation erläutern sollte.

Purtscheller: Ich weiß nicht, wie gut die Geschichte bekannt ist und möchte sie daher jetzt kursorisch schildern.

Es war am 22. September 1994 und ich bin mit mehreren Kollegen gegen 20 Uhr ins Kirchwegerhaus in Wien Favori­ten gekommen, wir wollten uns dort eine Vorstellung der Dreigroschen-Oper anschauen. Wir haben gesehen, daß das Theater zu ist.

Das ist vielleicht auch ganz interessant zu wissen: das Thea­ter war angeblich deshalb zu, weil es Probleme gegeben hat wegen der Urheberrechte an der Dreigroschen-Oper. Und das war genau an dem Tag nicht geklärt und deswegen ist die Vorstellung ausgefallen.

Das Theaterfoyer war geschlossen und wir sind dann beim normalen Eingang hineingegangen, weil wir wissen wollten, wann gespielt wird. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das kennt: da ist ein Vorzimmer, das ist ca. 3 mal 4 Quadrat­meter groß und da drinnen sind mehrere Personen gestanden, darunter ein Afrikaner, der sehr verschüchtert und veräng­stigt gewirkt hat und den ein Mann und eine Frau so umarmt und gehalten haben und davor und rundherum mehrere Leute, zwei, die altersmäßig nicht dazugepaßt haben, die älter ausgeschaut haben. Die beiden hatten relativ verwege­nes Stiling, viele Goldketterln, ein wenig Strizzi-mäßig.

Der Kollege von News und ich haben gefragt, was da los ist , weil wir den Eindruck hatten, daß da irgendwie gestritten wird und da sagten die Leute vom Haus: „Die zwei behaup­ten, sie sind Polizisten und wollten den Afrikaner wegzer­ren.“ Darauf nimmt mein Kollege den Presseausweis raus und fragt sie, ob sie sich ausweisen können, weil die Herrschaften nicht identifizierbar waren. Darauf sagt der eine „Schleichts Euch es Orschlöcher, des geht Euch überhaupt nix an.“ Dar­auf wir: „Das ist aber ein sehr netter Ton, können Sie uns wenigstens Ihre Dienstnummer geben? Können Sie sich irgendwie legitimieren, weil das ist ja Privatgrund hier, Sie können nicht einfach hergehen und ohne sich zu legitimieren, Personen entführen.“

Es kam zu einem kurzen Wortwechsel, in dem sie uns wieder anschafften, uns zu schleichen. Auf einmal geht die Türe auf von draußen und eine ganze Horde von uniformierten Polizi­sten kommt herein. Die sind irrsinnig schnell zur Aktion übergegangen und haben alle Leute, die da in dem Fojer waren, relativ rabiat zu schubsen angefangen.

Ich bin in einer Ecke bei der Eingangstüre zum Stehen ge­kommen, in einem relativ toten Winkel und gleich drauf kommt noch ein Schub Polizisten und ich sehe, wie etwas ab­seits von mir geprügelt wird. Ich schreie „Aufhören!“ und im selben Moment stürzt einer auf mich zu, schreit „Du bist festgnumma Du Sau!“, haut mir eine ins Maul, ich falle be­nommen mit dem Kopf nach hinten, gegen die Wand. Ich muß noch dazusagen, daß mein linker Arm ziemlich kaputt ist, da habe ich eine Metallschiene drin, kann den linken Arm also sehr schwer bewegen. Und irgendwer packt meinen linken Arm — offenbar um mich zu fesseln — und reißt ihn nach hinten hoch. Ich bin natürlich runtergegangen, habe im selben Moment noch einen Faustschlag bekommen und war dann bewußtlos.

Zeugen haben mir später geschildert, daß ich da relativ rüde gefesselt und hinausgezerrt worden bin. Draußen, einige Meter entfernt vom Eingang sei ich auf dem Boden gelegen, auf dem Bauch, die Hände auf dem Rücken gefesselt und ha­be einen Fuß eines Polizeibeamten auf dem Kopf, einen auf dem Gesäß gehabt. Ich bin kurz aufgewacht, habe bemerkt, wie jemand mein Bein packt und hochreißt. Bin wieder ab­wechselnd bewußtlos und ziemlich benommen gewesen, habe plötzlich bemerkt, daß ich in der Zwischenzeit erbrochen haben muß, denn ich bin in meinem Erbrochenen gelegen.

Ich habe zwischendurch auch kurz mitbekommen, daß Leute rund um mich sich aufgeregt haben und der Polizei gesagt, sie sollten mich in Ruhe lassen, ich sei Journalist. Eine Frau, die das ganze mitangesehen hat, die Vorarlberger Grüne Landtagsabgeordnete Jutta Kräutler, die hat sich neben mich gesetzt und mich gefragt „Kannst Du noch reden?“, weil ich offenbar sehr bedient gewirkt habe, worauf der Frau Kräutler auch noch ein Faustschlag versetzt wurde und ihr unter Hin­weis auf das Polizeibefugnisgesetz — Wegweiserecht — gesagt wurde, wenn sie nicht sofort hundert Meter weggeht, wird sie verhaftet.

Ich bin dann relativ rüde hochgezerrt und in einen VW-Bus verfrachtet worden. Jedesmal, wenn ich gesagt habe, daß ich vor Schmerzen den Arm nicht bewegen kann, bin ich gerade am linken Arm gezogen worden. In den selben VW-Bus ist dann noch ein Österreicher gesetzt worden, der gleichfalls festgenommen worden ist. Wir wurden ins Wachzimmer Van der Nüll-Gasse gebracht. Da ist hinten ein Hof, da geht eine Treppe hinauf zu dem Zellentrakt. Wie der Bus stehen­bleibt, sage ich noch, sie sollen aufpassen, ich bin erstens am Bein und zweitens am Arm verletzt. Doch der Fahrer — wie sich später herausgestellt hat, war das der Einsatzleiter — zieht mich an der Lederjacke raus und haut mir gleich ein paar ins Gesicht. Am Kragen der Lederjacke haben sie mich dann so rittlings zu dem Zellentrakt hinaufgezerrt. Der eine hat ge­zo­gen, die anderen haben mich mit Fußtritten weiterbefördert.

Im Vorraum bin ich dann mit dem Kopf in einer Ecke — das ist wichtig — zum Liegen gekommen. Die zwei Afrikaner sind dann später hereingezerrt worden und waren beide blutüber­strömt, der eine besonders, der hatte das ganze Hemd vorne in einem großen Dreieck bis zur Hose voll Blut.

Dann ist auch dieser mittlerweile von mehreren Zeugen be­stätigte Spruch gefallen „San die Neger schon do?“ „Jo, do sans scho aber hin sans net“.

Ich bin dann ausgesackelt worden und habe immer wieder lautstark betont, daß ich journalistische Unterlagen bei mir habe und daß sie ja jetzt schon wüßten, wer ich bin. Der Ein­satzleiter hat dann zu den anderen gesagt: „Des is a Journa­list, da miaß ma aufpassen, geh ma ins Nebenzimmer, damit ma uns absprechen können.“ Darauf ist der größte Teil der Leute weg. In der Zeit bin ich immer noch auf dem Boden auf dem Rücken gelegen, die Arme auf dem Rücken gefes­selt. Man kann sich vorstellen, wenn man so eine Stunde daliegt, daß das nicht sehr angenehm ist. Und die haben sich währenddessen den Spaß gemacht, bei jedem Weg, den sie gehabt haben, den Umweg über mich zu nehmen und mir übers Gesicht zu steigen, mit einer Verzögerung möglichst knapp über dem Gesicht.

Dann haben sie mich hochgezerrt, haben die Handschellen heruntergenommen und gesagt, ich solle mich ausziehen. Dem bin ich nachgekommen, weil ich nicht viele Alternativen gesehen habe. Ich stehe also in der Unterhose da, sagen sie, „die Unterhose auch“, frage ich „warum?“ sagen sie: „Wir wol­len schauen, ob’s D’ a Jud bist“ Daraufhin gibt es allseits Gelächter.

Danach bin ich in die Zelle verfrachtet worden und weil ich bemerkt hab, daß ich am Fuß ordentlich bedient bin, habe ich schon die ganze Zeit einen Arzt verlangt. Der ist mir verwei­gert worden, mit dem Hinweis darauf, ich hätte fünf Polizi­sten schwer verletzt, und zuerst müßten die armen bedienten Kollegen behandelt werden. Ich werde Ihnen noch vorlesen, wie bedient die waren.

Ich bin dann in der Zelle drin gesessen und so alle halbe Stunde ist einer gekommen und hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß sie mich zur Schnecke machen werden und was ich für ein gemeingefährlicher Verbrecher bin. Mehrmals bin ich um meine Daten gefragt worden und ich habe die meisten Aussagen verweigert, weil ich nicht eingesehen habe, warum ich da irgendwie helfen sollte. Dann sind zwei gekommen und einer von ihnen hat behautptet, mein Anwalt, Dr. Lansky sei draußen vor der Türe und ob ich mit ihm reden will, wo­rauf ich sagte „Selbstverständlich will ich mit ihm reden, ich will außerdem einen Arzt, weil ich schwer verletzt bin.“ Da­rauf sagten die beiden, das interessiert sie nicht und außer­dem darf ich mit dem Anwalt nicht reden, weil die Bundespo­lizeidirektion die Anweisung gegeben hat, ich dürfe bis zum Eintreffen des Journaldienstes mit niemandem reden, vor al­lem nicht mit dem Anwalt, wegen Verabredungsgefahr.

Wie man sich mit einem Anwalt verabreden kann, weiß ich nicht. Dem Anwalt wiederum haben sie gesagt, ich verweige­re, mit ihm zu reden und ich hätte gesagt, er solle sich schlei­chen, was in so einer Situation nicht gerade eine glaubwür­dige Auskunft der Polizei an den Anwalt war, der deshalb auch weiter intervenierte.

Nach der Lansky-Geschichte ist dann jemand gekommen, der sich als Amtsarzt vorgestellt hat. Der hat mich in der dunklen Zelle aus vier Meter Entfernung von der Türe aus angeschaut und gefragt „Was fehlt Dir?“ darauf ich: „Ich hab am Arm und am rechten Bein, am Knie enorme Schmerzen, ich kann nicht mehr auftreten“ worauf der sagt „Auftreten brauchst Du eh nimmer, Du Sau“, die Tür wieder zugeworfen hat.

Eine Stunde später sind zwei Männer aufgetaucht und haben gesagt, sie seien von der Kriminalpolizei und möchten mir mehrere Fragen stellen. Ich hab sie gefragt, ob sie von der Stapo sind, worauf sie sagten „Ja, wissens eh.“ und haben begonnen mich zu fragen über die Inhalte von meinem Notizblock. Ich hatte damals ein elektronisches Notepad mit und einen Notizblock und sie wollten also dazu Auskünfte. Ich habe ihnen aber gesagt „Ich werde Ihnen dazu selbstverständlich keine Auskünfte geben. Ich mach Sie nochmal aufmerksam, daß das vertrauliches journalistisches Material ist. Und ich forde­re Sie auf, dieses Material sofort zu versiegeln.“ Daruf sie „Ha, ha“ und sind unverrichteter Dinge wieder gegangen.

Eine Stunde später ist mir gesagt worden, ich möge heraus­kommen, es sei jetzt eine Journalbeamtin da. Das ist deshalb interessant, weil mir zunächst gesagt worden ist, daß der Journalbeamte am nächsten Tag um neun Uhr früh komme, um zu veranlassen, daß ich in die U-Haft überstellt werde. Darauf sagte ich, ich könne mich nicht bewegen, die Journal­beamtin solle doch bitte zu mir kommen und das doch hier herüben machen. Worauf mir gesagt wurde, das ginge nicht, ich solle in den zweiten Stock hinaufgehen. Darauf wieder ich, das ginge nicht, weil ich mein Bein nicht bewegen könne. Darauf — gnadenhalber, weil ich ja fünf Kollegen schwer ver­letzt hätte, — durfte ich mit dem Lift nach oben fahren.

Oben habe ich dann zu Protokoll gegeben, daß mir ärztliche Behandlung und der Kontakt mit dem Anwalt verweigert worden seien. Worauf der Beamte, der diesen Zellenblock beaufsichtigt hatte, mich zur Strafe, weil ich die Frechheit gehabt hatte, das zu Protokoll zu geben, gezwungen hat, die zwei Stockwerke wieder zu Fuß hinunterzugehen.

Eine halbe Stunde später bin ich entlassen worden.

Im Lorenz Böhler Spital wurde dann festgestellt, daß ich Blut­erg­üsse, Prellungen am ganzen Körper habe, eine Gehirnerschütterung und daß am rechten Knie mehr oder weniger alle Bänder ein­gerissen und überdehnt seien. Vier Wochen bekam ich einen Liegegips und bin derzeit immer noch in Physikotherapie und rekonvaleszent.

Die Geschichte ist danach relativ ruhig gewesen. Erst gestern hat es wieder einen neuen Eklat gegeben. Um sechs Uhr früh sind mehrere Polizeibeamte in meiner Wohnung aufgetaucht, wobei ich dazu sagen muß, ich war leider aushäusig, und die Polizeibeamten haben einen richterlichen Vorführbefehl vorgezeigt für heute, neun Uhr früh. Die wollten mich also gestern verhaften, mich 25 Stunden oder so dunsten lassen und mich dann heute erst zur Einvernahme bei der U-Richte­rin bringen.

Interessant dazu ist auch, daß es in der Zeit, als ich noch bettlägerig war, eine Ladung zur U-Richterin gegeben hat. Die­ser konnte ich, da ich ja Liegegips hatte, nicht Folge leisten und es sind das Gericht, Justizministerium, Innenmi­nisterium, Polizeidirektion vom Anwalt brieflich verständigt worden, daß ich dem nicht Folge leisten kann und daß sie gebeten werden, den Termin zu verschieben. Die U-Richterin hat gestern dem Anwalt gegenüber behauptet, sie hätte dieses Schreiben nie erhalten, was ein relatives Mysterium ist, und sie habe deshalb den Vorführbefehl erlassen.

Ich war heute bei der U-Richterin und habe ihr das geschil­dert, wie das aus meiner Sicht war. Interessant ist auch, daß mittlerweile natürlich auch zwei Polizeibeamte ausgesagt ha­ben. In der Aussage steht unter anderem das drinnen, was ich nun vorlesen werde, ganz abgesehen davon, daß die mich als wahren Rambo darstellen, daß ich sehr groß und sehr kräftig sei und mindestens 110 Kilo wiege.

Um das zu illustrieren, wie da gearbeitet wird und wie ver­sucht wird, bestimmte Sachverhalte zu kriegen, möchte ich aus dieser Niederschrift der Polizei über die Sachen, die in der fraglichen Nacht vor sich gegangen sind, ein paar Stellen vorlesen.

Es berichtet einer der Polizisten, wie er da eingetroffen ist, behauptet, es wären dreißig Personen dort gewesen, was ziemlich dreist übertrieben ist. Lustig ist auch, daß noch ein Afrikaner verhaftet worden ist wegen Widerstands und Körper­verletzung und ein weiterer Österreicher. Der Afrikaner ist mittlerweile beim Prozeß freigesprochen worden, nachdem er zwei Monate in U-Haft gesessen ist, wegen Fluchtgefahr, was auch bezeichnend ist für die österreichische Rechtslage. Es war der Afrikaner, von dem ich vorhin erzählte, der so geblutet hat.

Die Art, wie damals die Polizei mit den Afrikanern umgegan­gen ist, und wie die ausgesehen haben, als sie in den Zellen­trakt gebracht worden sind, das hat meine schlimmsten Vor­stellungen bei weitem überschritten. Wie man mit denen umgegangen ist und wie mit denen geredet wurde, das kann man sich nicht vorstellen.

Zwei Tage ist er in der Van der Nüll-Gasse ohne ärztliche Versorgung in der Zelle gelegen, dann in U-Haft überstellt worden, hat Anfang Dezember seinen Prozeß gehabt, ist dann, nachdem vier Polizeibeamte, die beteiligt waren, aus­gesagt haben, freigesprochen worden mit der Begründung, daß die Aussagen der Polizisten einfach zu widersprüchlich seien. Und das Interessante an diesem Freispruch ist, daß nicht ein einziger der Entlastungszeugen überhaupt gehört worden ist, daß also das gelangt hat, was die Polizisten da an Widersprüchen rauslassen haben.

Das Schlimme an der Sache ist aber das, daß der noch im Gerichtssaal verhaftet und sofort in Schubhaft überstellt worden ist, obwohl es zum Zeitpunkt der ersten Verhaftung keinerlei Haftbefehl, keinen Schubhaftbefehl oder sonst etwas in diese Richtung gegeben hat.

Die Polizei hat damals im Kirchwegerhaus übrigens einen ge­sucht, der für die Schubhaft fällig war, und zufällig zwei Afrikaner gesehen und einfach diese beiden genommen. Auf der Ebene: nutzt’s nichts, schadet’s nicht.

Der ist also in Schubhaft gekommen, kurz vor Weihnachten mußte er aber freigelassen werden, weil er Hungerstreik gemacht hatte und er bei einer Körpergröße von 1,75 nur noch 35 Kilo gehabt hatte und weil mein Anwalt und ich beantragt hatten, daß er nicht abgeschoben werden darf, weil er ein prozeßwichtiger Zeuge ist. Der Mann ist in einem Zu­stand aus der Schubhaft entlassen worden, in dem er in der U-Bahn, in die er bei der Roßauerlände eingestiegen war, beim Schwedenplatz zusammengebrochen ist. Er wurde ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder einge­liefert und ist dort fünf Tage lang auf der Intensivstation gelegen, sosehr war er in der Schubhaft abgehungert.

Nun aber zu den angekündigten Stellen. Ich möchte ein paar Gustostückln, die klingen vielleicht witzig, sind es aber gar nicht, vorlesen. Ich möchte das vorlesen, damit man sieht, wie da die Argumentation läuft.

Also der Polizist berichtet, wie er dort zu Hilfe gerufen worden ist, wobei es sonderbar ist, daß in einem Akt steht, daß nur insgesamt acht Polizisten dort gewesen wären, in demselben Akt allerdings neun Kraftfahrzeuge angegeben sind. Es gibt also mittlerweile ferngesteuerte Autos dort. Der schildert also: „... unmittelbar darauf konnte ich Revierinspektor Karas um Hilfe schreiend wahrnehmen. Zu diesem Zeitpunkt erkannte ich, daß Karas am Boden lag und durch den später festgenommenen Purtscheller, auf dem Revierinspektor Karas kniete, mit den Fäusten geschlagen wurde. Für mich galt es nun sofort, Revierinspektor Karas zu Hilfe zu kommen und den Angezeigten vom Sicherheitsbeamten wegzureissen. Ich versuchte dies unter Verwendung von Körperkraft im Sinne des § 4 WGG eben zur Vermeidung eines Waffengebrauches. Dieses gelang mir jedoch auch weiterhin nicht, da P. weiterhin auf Revierin­spektor Karas einschlagend, diesen nicht losließ. Gleichzeitig rückte die um uns stehende Masse gegen uns vor und skandierte Unterstützungsrufe für P. insofern, als dieser aufgefordert wurde, den Revierinspektor Karas zu treten und niederzuschlagen. Für mich wurde die Situation immer bedrohlicher. Zudem galt es ehebaldigst, Revierinspektor Karas zu befreien. In diesem Augenblick der Situation“ (Purtscheller: „Wunderbare Formulierung“), „ergab sich nun für mich die Notwendigkeit, gemäß § 1 (2) Waffengebrauchsgesetz im Falle gerechter Notwehr bzw. Nothilfe als mindergefährlicher Waffengebrauch von der Dienstwaffe des Gummiknüppels Gebrauch zu machen. Weiters wurde der Waffengebrauch durchgeführt und im Sinne des § 2 (1, 2, 3), einen auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes abzuwenden bzw. eine rechtmäßige Festnahme durchzuführen.“ (Purtscheller:) Also mußt amal überlegen, was einem Polizisten alles durch den Kopf geht in so einer Situation. Es geht weiter:

„Auf Grund des Umstandes, daß ich rücklings durch schreiende, gröhlende und den P. aufwiegelnde Personen behindert wurde, gelang es mir nicht, den Gummiknüppel zu erfassen und verwendete ich in Ermangelung einer geeigneten Dienstwaffe meine rechte Hand als Dienstwaffe und versuchte, gezielte Schläge gegen die Oberarme des P. anzubringen. Infolge der ruckartigen Bewegungen des P., die zweifelsfrei aus einer von ihm ausgehenden Gewaltanwendung resultierten, traf ich den Angezeigten nicht am Oberarm bzw. Schulterbereich sondern erhielt dieser dadurch einen Schlag im Kopfbereich. ... Unmittelbar darauf konnte sich P. nochmals losreissen ...“

In dem Stil geht das weiter. Also der Mann denkt sich wahnsinnig viel, bevor er schlagt. Es geht dann weiter, und da wird es lustig, denn da fangen die Oberen an, sich einzumischen. Da haben s’ offenbar einmal mitgekriegt, wen s’ da haben. Da geht’s um die Beschlagnahme von meinen Unterlagen.

„... P. wurde wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwerer Körperverletzung ... nach § ... festgenommen. Bei der Visitierung des Purtscheller nach der Arrestantenvorschrift wurden unter anderem ein Notizblock und ein Notebook als Effekten abgenommen. Da in dem abgenommenen Notizblock schlagwortartige Notizen über Sprengstoff, Waffenhandel und Heroin festgestellt werden konnten, bestand dem ersten Anschein nach der Verdacht eines Zusammenhanges mit einer gerichtlich strafbaren Handlung.“

Jetzt muß ich dazu sagen, das was den Sprengstoff- und Waffenhandel betrifft, waren Notizen über die Briefbomben, die liegen dem Akt bei, die kann ich dann nachher zeigen. Da steht also z.B. Arnulf Winfried Priem drin, das ist ein bekannter Neonazi in Berlin, und andere Namen von Neonazis und da steht Sprengstoff, Alibi und solche Sachen und außerdem steht da auch das Wort Heroin drin und zwar: „Heroin, rororo aktuell“. Von dem ist also abgeleitet worden der Verdacht des Heroinhandels, weil offenbar bei der Polizei noch nicht bekannt ist, daß es eine Taschenbuchreihe gibt, die so heißt.

Es geht aber weiter: Aufgrund des Notizblockes ist eine Anzeige gegen mich erstattet worden von der Staatspolizei: „Betreff: 1. Purtscheller Wolfgang. Verdacht auf Vorbereitung eines Verbrechens durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel, 2. gegen unbekannte Täter, die der gleichen §§ beschuldigt werden. ...“ dann geht’s um die Festnahme und weiter: „Daraufhin wurde via Funkstelle um Unterstützung zur Festnahme gebeten ... Bei der Durchsicht des Notizblockes konnten Hinweise auf die Vorbereitung bzw. auf die Mittäterschaft bei Bombenanschlägen bzw. Heroinhandel vorgefunden werden. Aufgrund dieses Hinweises wurden der Notizblock und das Notebook gem. § 143 StBO zur vorläufigen Sicherung des Beweises sichergestellt.“

Weiter geht es und da gibt es einen Bericht der Staatspolizei darüber, den möchte ich noch zum besten geben, der ist nämlich auch nicht schlecht.

„Aufgrund der bei ihm vorgefundenen und in weiterer Folge sichergestellten Effekten, Notizblock und Notebook und deren Inhalt wurde Anzeige (Purtscheller: Anzeige bitte) erstattet gem. § 175 StGBO (P.: das sind die ionisierenden Strahlen) von Beamten des fremdenpolizeilichen Büros. Auftragsgemäß begaben sich Gefertigter (P: also der Staatspolizist) und Bezirksinspektor Kamper in das Bezirkspolizeikommissariat Favoriten und wurde Purtscheller im Arrestantenvorraum zu den Aufzeichnungen, welche den Verdacht des Tatbestandes des § 175 StGB ergeben, befragt. Purtscheller bezeichnete Notizblock und Notebook als sein Eigentum und gab bezüglich der darin enthaltenen Aufzeichnungen sinngemäß folgendes an: ‚Meine Vermerke gehen Sie nichts an, ich mache keine Angaben. Das sind Recherchen für Zeitungen, das ist Redaktionsgeheimnis, ich schreibe für profil und Standard, ich bin kein Polizeispitzel. Sie wissen eh alles, das wird ja noch lustig werden.‘ Eine Kenntnis über den Inhalt des Notebooks konnte mangels technischen Wissens bzw. Mitarbeit Purtschellers nicht erlangt werden.“ Anschließend sind die wieder gegangen. In dem Akt beginnt nun ein ewig langes Hin und Her zwischen Bögl, Walaschek, das ist der Stapo-Chef, Fremdenpolizei­chef, ein langes Hin und Her und Her und Hin. Da wollten sie mir nämlich unbedingt, während ich im Spital war, das Notebook zurückgeben, den ganzen folgenden Tag, weil sie es ja eh mangels Mitarbeit von mir net aufdermacht haben, angeblich, und da gibt es einen langen Briefwechsel, den ich jetzt nicht vorlesen möchte, sondern nur kurz etwas über die beteiligten Beamten an der Amtshandlung.

Da gibt es nämlich seit gestern ein Schriftstück. Die Grünen haben eine Parlamentarische Anfrage gemacht über die Zustände im Komissariat Wien 10. Und die Beantwortung der Anfrage durch Bundesminister Löschnak ist etwas vom Interessantesten, was ich in letzter Zeit gelesen habe. Da werden zuerst die beteiligten Beamten aufgezählt. Die Frage 4 lautet „Wurde gegen einen der beteiligten Beamten bereits in der Vergangenheit ein Disziplinarver­fahren eingeleitet? Wenn ja, wegen welches Deliktes?“

Und jetzt gehts los, die Antwort: „Über einen Sicherheitswa­chebeamten wurden wegen Dienstpflichtvernachlässigung Disziplinar­strafen des Verweises verhängt wobei dem Diszi­plinarverfah­ren keine Beschwerde gegen den Beamten vor­anging. Ein Kriminalbeamter wurde im Jahr 1992 wegen Lenkens eines KFZ im alkoholisierten Zustand mit einer Geldbuße von 5% des Monatsbezuges bestraft. Gegen einen weiteren Kriminalbeamten (Purtscheller: es waren nur drei dabei, muß ich dazusagen) wurde im Jahr 1993 eine Geldstrafe von 50% des Monatsbezuges wegen versuchten Ladendiebstahls ausgesprochen.“

Lachen im Publikum.

Purtscheller:

Ich weiß, es klingt wahnsinnig witzig, aber in meiner Situation ist es nicht so. Das ist aber noch nicht alles, nicht daß ihr glaubts, es ist jetzt aus. Nur die Ruhe. Also: Mißhandlungsfolgen, Beschwerden gegen Sicherheitswache­beamte, die beteiligt waren: das waren insgesamt 16 Sicherheitswachebeamte und drei Kriminalbeamte, das sind:

„1992: 25, 1993: 24, 1994, bis 31.9.: 19.

Mißhandlungsvorwürfe: 1992: 10, 1993: 12, 1994 bis 31.9.: 20. Gegen Kriminalbeamte: Gegen 4 Kriminalbeamte (es waren nur drei dort) wurden in den letzten zwei Jahren Beschwerde erhoben: 1992 eine Beschwerde wegen angeblicher Nichtübernahme einer Anzeige, 1993 eine Beschwerde wegen Verletzung einer Richtlinienverordnung nach § 89 SPG, 1993 Vorwurf einer Körperverletzung, 1994 Beschwerde wegen angeblicher Mißhandlung.

Gegen Sicherheitswachebeamte — es ist nur gefragt worden um die lezten drei Jahre, das muß ich dazusagen.

1992: zwei Diszipinarverfahren wegen Mißhandlungsvorwürfen, wobei beide Verfahren eingestellt wurden, 1993: ein Disziplinarverfahren wegen eines Mißhandlungsvorwurfes, das eingestellt wurde, 1994: bis 30.9. 1994 wurden 13 Disziplinaranzeigen wegen Mißhandlungsvorwürfen erstattet, wobei bis dato noch in keinem Fall ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.

Kriminalbeamte: Gegen zwei der Kriminalbeamten mußte im angeführten Zeitraum ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. 1993: ein Disziplinarverfahren wegen Verdachtes auf Datenmißbrauch, 1994 ein Disziplinarverfahren wegen des Verlustes von Amtsbehelfen.

Dann ... Strafverfahren ... eines ist noch anhängig. Eine Disziplinarverfügung wurde als Verweis ausgesprochen ... usw. usw.

In den letzten drei Jahren wurde im Bezirkspolizeikommissariat Favoriten von fünf Personen behauptet, während ihres Aufenthalts im Polizeikommissariats bzw. im Arrestraum verletzt worden zu sein. Hiervon waren vier Inländer und ein Ausländer. ...

Und jetzt komme ich — das ist vielleicht auch noch interessant — zu den schweren Verletzungen der Sicherheitswachebe­amten. Die sind genau aufgezählt: Also

Erster: „Schwellung und Druckschmerz im Bereich des vierten Fingers rechts, Blutunterlaufung im Nagelbett des selben Fingers.“ Das ist seine Verletzung.

Zweiter: „Abschürfung, Prellung und Schwellung am rechten Ellbogengelenk, Schmerzen bei Bewegung desselben, Prellung und Schwellung und Abschürfung im Bereich des rechten Kniegelenkes, Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der rechten Jochbeinregion.“

Der Dritte: „Prellung und Schwellung über der rechten Augenbraue und an der rechten Jochbeinregion“. Der Vierte: „Abschürfungen und Prellung des fünften Mittelfingerknochens, Stauchung und Quetschung des vierten Fingers links, Stauchung und Prellung des rechten Oberschenkels, Prellung und Stauchung des linken Sprunggelenkes“. Der Fünfte: „Prellung und Stauchung des rechten Daumenballens mit Verdacht auf Bruch des Mittelhandknochens, Rötung und Abschürfung im Bereich des rechten Unterarms, ebenso am linken Unterarm.“

Also man sieht, die haben hauptsächlich mit den Händen und Armen etwas, was auch nicht unlustig ist. Der Tennisarm ist nirgends festgestellt worden.

So geht es weiter. Wobei zu sagen ist, die Beantwortung der Anfrage hat über drei Monate gedauert. Und es sind noch zwei weitere Anfragen im Zusammenhang mit der Sache, wo es vor allem um die Mißhandlung der Afrikaner geht, das ist bezeichnend, die sind noch anhängig. Ich würde noch gerne weitere Schmankerln zum besten geben, aber ich glaube, das langt jetzt. Ah, ja. Den Schlußsatz, den sollte man vielleicht noch zitieren. Die Frage dazu lautet: „Halten Sie Wiens Polizeiführung nach den Vorfällen in der Wielandgasse noch für tragbar?“ Das ist Frage Nummer 20. Antwort: „Ja.“

Erich König bittet Frau Dr. Brigitte Galanda-Bailer, vom Doku­mentationszentrum des Österreichischen Widerstandes um ihren Beitrag.

Galanda-Bailer: Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und ich, wir waren absolut entsetzt, wie wir das zum ersten Mal gehört haben. Wie uns erzählt wurde, daß es in Österreich möglich ist und Realität wird, daß ein als Antifaschist bekannter und profilierter Journalist und Buchautor einfach aus diesem Grund verprügelt, festgenommen und dergleichen wird. Wir haben sofort eine Beschwerde an den Polizeipräsidenten von Wien gerichtet, unterschrieben von Dr. Wolfgang Neugebauer, der mittlerweile auch eingelangt ist, die Antwort des Polizeipräsidenten war eher ausweichend. Man sieht darin ganz genau, daß die Polizei sich absolut nicht sicher ist, was da passiert ist.

Da steht kryptisch: „Ab diesem Zeitpunkt weichen die Darstellungen in den Medien, welche angeblich von Herrn Purtscheller gegeben wurden, von denen der Polizeibeamten fast diametral ab. Ich habe daher den Auftrag gegeben, beide Darstellungen gerichtsanhängig zu machen. Die Justiz wird zweifellos die richtige Entscheidung treffen.“

Woll ma’ ’s hoffen.

Weiters wird Wolfgang Purtscheller heuer im April den Helga und Willi Verlon-Verkauf-Preis für Antifaschistische Publizistik erhalten, worüber wir uns sehr freuen, daß die Jury so entschieden hat. Wir glauben, daß es unbedingt notwendig ist, jede Solidarität zur Unterbindung bzw. Stützung von Antifaschistischer Publizistik auszuüben. Schon aus dem einfachen Grund: Wir sind alle davon betroffen.

Es ist ist jetzt der Wolfgang Purtscheller gewesen, der verprügelt wurde. Gegen das Dokumentationsarchiv wird ja seit Jahren seitens Rechtsextremer — das sind wir gewöhnt, viel Feind, viel Ehr — seitens der FPÖ mit Denuntiationen und Lügen gearbeitet. Wirklich, mit jedem Mittel, uns an der empfindlichsten Stelle zu treffen, das sind die Finanzen. Das Dokumentationsarchiv ist leider eine arme und mangelhaft unterstützte Institution. Auch das zeigt wieviel Antifaschismus manchen oder vielen der verantwortlichen Politiker in diesem Land nicht oder doch wert ist. Und es geht vor allem auch wirklich darum, daß wir einen deutlichen Zusammenhang sehen, zwischen der politischen Entwicklung der letzten Jahre, zwischen der plitischen Entwicklung auch innerhalb der Polizei, wo ja bei Personalvertretungswahlen die Freiheitliche Liste AUF, Aktion Unabhängiger Freiheitlicher, deutliche Stimmengewinne und überwältigende Erfolge verzeichnen konnte; eine eigentlich erschreckende Entwicklung, wenn wir gleichzeitig sehen, wo das hinführt. wenn wir uns anschauen, welche Polizisten und welche Verfahren es gegen einschlägige Polizisten der AUF immer wieder gegeben hat ... Da war Mißbrauch von Amtsdaten, da war Unterstützung der Halbwelt, da waren diverse Diszipli­nar­ver­fahren gegen Freiheitliche Polizeifunktionäre in den letzten Jahren zu verzeichnen. Daher wundert es auch nicht, daß seit der Nationalratswahl vom letzten Oktober sich auch die Gangart — und zwar empfindlich — der Justiz gegen das Dokumentationsarchiv verschlechtert und verschärft hat.

Ich weiß nicht, wieweit ich das als bekannt voraussetzen darf, wir haben eine juristische Auseinandersetzung mit dem FPÖ-Obmann Haider gehabt wegen des Titelblattes unseres Handbuches des Österreichischen Rechtsextremismus, wo es Haider ganz deutlich darauf angelegt hatte, das Erscheinen dieses Buches zu verhindern, indem er das Cover der gesamten Auflage vernichten lassen wollte. Das heißt, wenn dieser Antrag bei Gericht durchgegangen wäre, hätten wir die gesamte erste Auflage einstampfen können, weil ich kann ja nicht ein Buch ohne Cover verkaufen. Er ist aber mit den Anträgen nur teilweise durchgekommen. Wir haben im Endeffekt vom Oberlandesgericht Wien sogar Recht bekom­men. Das Cover wurde bestätigt, wir konnten das Buch verkaufen wie es war. Voreilig und optimistisch wie wir waren, haben wir uns ehrlich darüber gefreut. Dann aber, nach den Nationalratswahlen wurde uns eine Entscheidung des OGH zugestellt, in der es heißt, die einstweilige Verfü­gung gegen das Cover sei rechtmäßig gewesen, mit einer absolut abenteuerlichen Begründung, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, weil sie ganz genau dazu paßt, nämlich zu einer potentiellen Einschränkung der Meinungsfreiheit und auch der Wissenschaftsfreiheit in diesem Lande. Und zwar heißt es in dieser Entscheidung wörtlich:

„Durch den Zusammenhang mit dem Buchtitel Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus, das ist die Darstellung des Haider mit der Reichskriegsflagge, wird der Eindruck über den Kläger erweckt, daß er nationalsozialistischem Gedankengut anhänge.“ Jetzt kommt’s:

„Weil in der breiten Öffentlichkeit zwischen dem Begriff Rechtsextremismus, Nationalsozialismus und Neonazismus nicht unterschieden wird, wenngleich diese Gleichsetzung objektiv unrichtig ist.“

Das heißt also: Wenn ich etwas objektiv richtiges sage, das gesunde Volksempfinden das aber anders empfindet, daß ich leider als Wissenschafter gezwungen bin, einen Buchtitel abzuändern, weil ich muß das gesunde Volksempfinden fragen, wie ein Begriff zu verstehen sei.

Wenn ich drinnen auf über hundert Seiten definiere, was ich stringent in der gesamten Publikation an Begrifflichkeit über Rechtsextremisumus und Neonazismus durchhalte, ist völlig uninteressant. Wichtig ist anscheinend, was der durchschnittliche Kronenzeitungsleser davon hält. Und wenn diese Entwicklung weitergeht, steht es doch zu befürchten und zwar sehr deutlich, daß damit eine Einschränkung für antifaschistische Publizisten erfolgen wird, die ja besonders Freie Journalisten noch viel härter trifft als mich oder meine Kollegen im Dokumentationsarchiv, denn bei Leuten wie dem Wolfgang Purtscheller oder anderen Journalisten geht es dann wirklich hart an die Existenz, die leichter zu vernichten ist, als die des Dokumentationsarchivs, das aber auch immer gefährdet genug ist.

Abschließen möchte ich nun: Das ganze paßt ja; das macht ja absoluten Sinn, wenn wir uns überlegen, welche Drohungen der FPÖ-Obmann Haider auch schon gegen Journalisten ausgesprochen hat, z.B. wenn er einmal etwas zu reden haben werde, werde er dafür sorgen, daß in den Redaktionen — wörtlich: „in Zukunft weniger gelogen werde, sondern über Ereignisse wie sein Volksbegehren die Wahrheit transportiert werde.“

Das ist die offene Ankündigung der Manipulation und Beeinflussung der Medien und der Einschränkung der Meinungsfreiheit. Es ist, glaube ich, für uns alle klar, was bei einer sogenannten 3. Republik, Marke FPÖ, für Wissenschafter, Journalisten und antifaschistische Arbeit insgesamt zu erwarten wäre.

Erich König bittet Gisela Vorrath um ihren Beitrag.

Gisela Vorrath: Die Gewerkschaft hat den Fall Purtscheller mehrfach behandelt. Erstens haben wir schärfstens dagegen protestiert, wir haben uns aber auch intensiv mit der Grundsatzfrage beschäftigt, was den Schutz der Information betrifft, denn wir meinen, daß das sehr extreme Formen annehmen kann, wie zum Beispiel die Beschlagnahme (zu Purtscheller) Deines Notebooks. Die skurrilen Konsequenzen werden sich ja noch aufklären lassen. Aber es ist schrecklich, wenn Recherche-Unterlagen der Polizei in die Hände fallen und wenn die unterwandert ist. Du könntest ja auch Adreßverzeichnisse bei Dir haben und das könnte wirklich katastrophale Folgen nach sich ziehen. Uns ist zwar des Pudels Kern noch nicht eingefallen, aber eine Variante, die wir überlegt haben, und die wir fordern wollen, ist, daß wir eine Art Informationsschutz schaffen wollen, daß solche Unterlagen versiegelt werden müssen und nur im Beisein des Eigners — und falls der k.o. geschlagen ist, wie das bei Dir der Fall war, das übergeben werden muß dem Presserat oder der Journalistengewerkschaft — und die dann befinden sollen, ob das Unterlagen sind, die man der Polizei zur Verfügung stellen soll oder nicht.

Kollege Paul Vecsei hat heute im Vorstand unterrichtet über diesen sagenhaften Rechtsstandpunkt des Innenministeriums — bitte Paul, möchtest Du das über den Sektionschef Schimansky selber berichten, ich kann Deine Schrift nicht lesen.

Vecsei: Ja, der hat ausgeführt, daß die Rechtsgrundlage so sei, daß im § 31 Mediengesetz bezüglich des Redaktionsgeheim­nis­ses lediglich festgelegt sei, daß das nur in Verfahren vor Gericht als Zeuge gilt. Und Purtscheller sei ja nicht Zeuge gewesen sondern Verdächtiger. Das sei die Rechtslage, auf der alles aufbaut. Das heißt aber, daß es eigentlich keinen wirklichen Schutz des Redaktionsgeheimnisses gibt, wenn diese Rechtsauffassung stimmen sollte.

Purtscheller: Wobei ich dazu sagen möchte, wenn ich darf, daß bei der Argumentationslage des Schimansky, der sagt: Ich war ja zuerst gar nicht verdächtigt wegen Briefbomben oder sowas sondern bin wegen ganz was anderem eingeliefert worden. Und dann haben die die Sache durchgesehen und mir die absurde Geschichte mit ionisierenden Strahlen angehängt. Da fangt ja der Skandal eigentlich an. Daß trotz meines Bestehens darauf, daß das keine Unterlagen für die Polizei sind, das gerade extra passiert ist.

Vecsei: Ich habe dem Schimansky gegenüber argumentiert — also, wenn ich bei einer Kreuzung von einem Polizisten angehalten werde und zu dem nicht gleich freundlich bin, dann darf er mir mein Notebook wegnehmen? Da hat er gesagt, nein, das ist ein konstruierter Fall, weil man darf der Polizei nicht Blödheit unterstellen. Wenn sich der Polizist so verhalten würde, würde er ja gegen einen anderen Paragraphen verstoßen.

Vorrath: Das ist eine recht beängstigende Sache, wo wir auf alle Fälle verlangen werden, daß das Mediengesetz genauer definiert wird, als es hier nach Ansicht des Innenministeriums vorgesehen ist. Das ist aber nur ein Aspekt. Der andere ist: Wir sind natürlich froh, daß Du alles das eingeklagt hast, weil wir haben beschlossen zu verlangen, daß ein Beobachter der Journalisten-Internationale alle Prozesse verfolgt. Daß wir selber die Verhandlungen begleiten und publizistisch verwerten werden ist auch klar. Ich glaube aber, daß es schon auch notwendig ist, das soweit öffentlich zu machen, daß es doch auch unangenehm wird.

Peter Kreisky: Ein Skandal ist auch, daß die Zeitung der GPA abgelehnt hat, darüber zu schreiben.

Vorrath: Ja, nur über die kann ich nicht verfügen. Wir können natürlich auch versuchen, den Fall in der Zeitung der Gewerkschaft Kunst, Medien und freie Berufe darzustellen. Das ist eine echte Grundsatzfrage. Aber von der Beeinträchtigung der Pressefreiheit einmal abgesehen, die ja jetzt Mode ist. Ich weiß nicht, inwieweit Ihr den Fall VEGA kennt. Da hat das Antifa-Kommittee Flugblätter verteilt an der Straßenbahnhaltestelle Westbahnhof und zufällig vorbeikommende Beamte der VEGA rissen den völlig verdutzten Aktivisten die Flugblätter aus den Händen, drängten sie in ein Eck, nahmen ihre Personaldaten auf und erklärten, daß das Verteilen der Flugblätter verboten sei und sie Anzeigen bekommen würden.

Zwei Wochen später hatten sie die Strafbescheinigungen schwarz auf weiß, mit der Begründung, „Sie haben auf der Straße und dem darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraum in Wien 15., U-Bahnstation Westbahnhof durch Verteilen von Flugblättern zu anderen Zwecken als dem des Straßenverkehrs ohne die erforderliche Bewilligung benützt“ und sie wurden mit einer Geldstrafe von öS 1.000 belegt.

Aber ich meine, die Begründung, die gekommen ist, ob der Polizist entscheidet, ob sein Einschreiten unerläßlich ist, ich meine, das ist eine Gummiparagraphenformulierung, die der Willkür rein Tür und Tor öffnet. Und ich glaube, das ist etwas, wo jeder Demokrat aufgerufen ist, seine Stimme zu erheben und auch dagegen etwas zu unternehmen.

Vecsei: Wir haben heute auch beschlossen, daß wir internationale Journalisten informieren werden über die Angelegenheit.

Purtscheller: Zu den internationalen Journalisten muß ich noch etwas dazusagen. Daß nämlich auf den Tag genau vier Monate davor in Hamburg einem Journalisten genau das gleiche passiert ist. Der ist mehrmals aufgefallen wegen kritischer Berichterstattung über Polizei und so weiter. Das ist der Oliver Ness. Die Geschichte, die auch im Spiegel TV und in allen deutschen Fernsehanstalten war. Das Interessante ist, daß das passiert ist am Rande einer Haider-Kundgebung, wo dieser Journalist sich damals auch eingesetzt hat — das ist wahrscheinlich vielen noch erinnerlich, wie in Hamburg auch auf dem Platz eines Jüdischen Friedhofes ein Einkaufszentrum errichtet hätte werden sollen. Es haben dann orthodoxe Juden Sitzstreiks gemacht, die sind von der Polizei brutal weggeräumt worden. Der Ness ist damals, das war 1991, am Rande gestanden, wie das passiert ist und ist auf einmal niedergeschlagen worden. Die Polizei hat versucht, ihm Widerstand, Körperverletzung und was weiß ich noch anzuhängen. Es ist dann auf einmal eine Fotoserie aufgetaucht, die bewiesen hat, daß alle Aussagen der Polizei falsch sind, weil die ganze Aktion drauf war.

Es sind mehrere Polizisten verurteilt worden und dem Ness ist dann im Mai 1994 bei einer Demonstration folgendes passiert. Vorher ist sogar einer bei ihm vorbeigegangen, der ihm gesagt hat: „Paß heute auf“ — und kurz danach ist es passiert. Er ist niedergetreten worden, er ist am Boden gelegen und man hat ihm sogar noch den Schuh ausgezogen freundlicherweise und dann ist ihm das Bein verdreht worden. Er hat auch mehrere Bänderrisse gehabt und hat mich kürzlich angerufen. Er hat jetzt noch größte Probleme und muß sich vermutlich jetzt wieder drei Monate ins Spital legen.

Das wirklich Spannende dabei und das wirklich Symptomatische ist, daß diese Spiegel-TV Geschichte darüber kurz davor gelaufen ist, bevor mir das passiert ist mit dem Fuß. Das muß man, glaube ich, schon dazu sagen, das war eben am Sonntag davor. Meine Geschichte ist Donnerstag Abend passiert. Und das zweite Interessante ist, daß das am Rande einer Kundgebung des Jörg Haider war. Man kannda nicht direkt Zusammenhänge konstruieren, aber es ist doch sehr Symptomatisch, daß solche Sachen offenbar in einem bestimmten Umfeld sehr gerne und auch sehr oft passieren. Weil auch der 10. Bezirk dafür bekannt ist, nicht nur für diese diversen Disziplinarverfahren sondern auch dafür, daß dort eine Hochburg der FPÖ in der Wiener Polizei ist.

Erich König fordert nun das Publikum auf, das Wort zu ergreifen und bittet, nicht nur Fragen zu stellen sondern auch Vorschläge zu machen, und zu diskutieren, was man dagegen machen kann. „Wir haben die Möglichkeit, mit Leuten von der Gewerkschaft oder vom Dokumentationsarchiv zu reden und sollten das, glaube ich nützen.“
(Anmerkung: Mangels Saalmikrofonen sind die Wortmeldungen aus dem Publikum zum größten Teil nicht zu verstehen.

Hier wird daher nur dann darauf eingegangen, wenn eindeutig feststeht, was gemeint ist, bzw. wird die Antwort vom Podium wiedergegeben, die auf die Frage Rückschlüsse zuläßt.)

Frage aus dem Publikum unverständlich.

Gisela Vorrath: Das war zur Verhinderung der extremen Nazipropaganda, die sich systematisch vor Schulen aufgestellt hat und die Flugblätter verteilt hat ... Das war Zweckentfremdung einer Verordnung.

(Gemeint ist wohl die Aktion der Flugblattabnahme im Gelände der U-Bahn-Station Westbahnhof)

Frage: Mich würde interessieren, ob das Dokumentationsarchiv eine Liste von solchen Polizisten anlegt.

Brigitte Bailer-Galanda: Aus Datenschutzgründen dürfen wir solche Listen nicht anlegen. Wir verfolgen die Zeitungsberichte soferne über solche Polizisten in den Zeitungen berichtet wird, die als Freiheitliche Mandatare bekannt sind und gleichzeitig mit Disziplinarverfahren belegt sind. Diese Berichte legen wir ab und die können auch bei uns eingesehen werden.

Wir sind ein Archiv, das ausschließlich auf publizistisches Material regrediert und sind in dem Sinn keine Überwachungsstelle. Natürlich, wenn ein Journalist oder eine Journalistin kommt und sagt, habt ihr etwas über XY, ist da jemals etwas aufgefallen, dann wird der Zuständige bei uns halt in der Zeitungsausschnittesammlung unter FPÖ suchen und dem betreffenden Journalisten oder der Journalistin das Material in die Hand geben, damit der oder die dann damit arbeiten kann. Auf diese Weise funktioniert das bei uns.

Peter Kreisky: Zur Forderung nach Verbesserung des Schutzes bei Recherchen und der journalistischen Freiheit durch die Gewerkschaft — ich halte die zwar für verdienstvoll aber für relativ wirkungslos. Auch wenn es realisiert würde, würde es, glaube ich, bei der Vorgangsweise, die immer schon bekannt wurde — das soll keine Verharmlosung darstellen — aber relativ wenig helfen, würde ich meinen.

Was mich aber insgesamt so beunruhigt, ist die Einäugigkeit von beträchtlichen Teilen des Polizeiapparates und des derzeitigen Innenministers, die soweit geht, daß er vor fünf oder sechs Jahren wie dieser staatspolizeiliche Überwachugnsskandal aufgeflogen ist, von Grünen, Linken und so weiter und auch so wenig Linksradikalen wie sie in den letzten Jahren bekanntgeworden sind, wie mir, mit absurden Argumenten. Ich habe Auszüge meines Aktes bekommen. Wie das in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, hat Innenminister Löschnak nichts anderes dazu zu sagen gehabt, als daß der Untersuchungsausschuß von den staatstragenden Parteien zu besetzen ist — dieser Stapo-Ausschuß — ich weiß nicht, ob es ihn bis heute gibt, ich glaub’ nicht. Und die staatstragenden Parteien waren nach seiner Diktion SPÖ, ÖVP und die FPÖ. Die Grünen waren es nicht — staatstragende Partei. Das stand in der Kronenzeitung nicht von ihm (Anm.: Löschnak) aber von dem Stapochef, der wegen DDR-Stasiagenten-Tätigkeit beschuldigt worden ist ...

Zwischenruf Purtscheller: Und wegen Wiederbetätigung

(Anmerkung: Der Stapochef Hochenbichler hatte in seiner Wohnung Hitlerbilder an der Wand hängen und andere Nazi-Devotionalien herumstehen, die bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurden.)

(Peter Kreisky weiter:) ... autoritäre Anlehnungen, egal wer die Autorität ist, sind nicht so unbekannt. Unter dessen Beisein also hat einer der Majore, die für den brutalen Einsatz bei der Opernballdemonstration bekannt waren, ihr Feindbild in der Kronenzeitung beim Jeanee dargelegt: auch in dieselbe Richtung. Ein sehr maßgeblicher Mann, der vermutlich jetzt auch zuständig ist für die Recherchen gegenüber Bombenattentätern.

Vor kurzem habe ich in News gelesen, vor Weihnachten wars,glaube ich, daß der Chef der EBT, Kessler, geradezu einen Hilferuf an die Öffentlichkeit gebracht hat, zumindest habe ich das so verstanden. Er ist einer, der demokratisch sensibel ist unter den leitenden Beamten in dem Apparat. Oder ist das ein Fehlschluß? Nein? Auch nicht? Jedenfalls beklagt er sich darüber, daß der Polizeiapparat extrem durchlässig sei, wenn ich mich richtig erinnere, bei den Recherchen gegen rechtsradikale Bombenattentäter oder Verdächtige.

Mann aus dem Publikum: Das ist ihm herausgerutscht — und er hat es auch an einem der nächten Tage dementiert.

Peter Kreisky: Ja, schon, aber daß er es gesagt hat und daß es in News gestanden ist, zeigt, wie vieles andere ...

Wenn Innenminister Löschnak einen Tag vor der Wahl, wenn ich mich richtig erinnere, ankündigt Hausdurchsuchungen in Kärnten und anderswo, ich meine so begrenzt zurechnungs­fähig kann ja ein Innenminister nicht sein ...

Ich halte es für extrem bedrohliche Zustände von Inkompetenz und extremer Durchlässigkeit — was ja auch ein Thema des heutigen Abends ist — diese Infiltration von beträchtlichen Teilen von Polizei- und Justizapparat durch diese doch nicht Grenzmilieus sondern in dem Fall Tragenden.

Und dann hat es im Standard diesen Bericht gegeben knapp nach der ersten Bombenattentatswelle, daß eine rechtsradikale — und das ist wahrscheinlich die einzige — Zelle in der Polizei sich bemerkbar gemacht hat. Gibt es da Recherchen, was da weiter passiert ist, ob Maßnahmen getroffen worden sind in der Polizei? Darüber würde ich gerne mehr hören, denn ich halte das wirklich für Zustände, die an die Grenze dessen gehen, was so Ende der 20er Jahre auch schon einmal da war und ja auch in anderen Ländern derzeit wieder beobachtbar ist.

Purtscheller: Wenn ich kurz zur Infiltration was sagen darf. Man muß da feststellen: Dem Kessler ist das herausgrutscht. Tatsache ist, daß Beamte der EBT davon berichten, daß bei der ersten Briefbombenserie es schon eindeutig war, daß bestimmte Leute gewarnt worden sind, daß man zum Beispiel in bestimmten Lokalen von bestimmten Burschenschaften, in denen ein verdächtiger Angehöriger hinein ist, und auf dem Bücherbord noch die Staubschicht gelegen ist, auf der man gesehen hat, da fehlt das, was vorher dort gestanden ist, daß da was sehr schnell entfernt worden ist und wo weiter.

Tatsache ist auch, daß es auch Leute aus der Szene gibt, die sich z.B. mir gegenüber in Interviews gerühmt haben, daß sie ihre Leute bei der Polizei haben und daß sie gewarnt werden. Nur muß man bei diesen Sachen, das muß ich auch dazu sagen, immer sehr aufpassen, weil die Szene selber gerade in dieser Hinsicht zu Übertreibungen neigt, aber da ist auf jeden Fall einiges im Busch.

Eine weitere Tatsache ist, daß es zweimal Flugblätter gegeben hat von der sogenannten NS, der Notgemeinschaft der Sicherheitsbeamten. Das erste Flugblatt war zur eh nicht stattgefundenen Opernballdemo 1992, wo aufgerufen worden ist, die Bonzen nicht zu schützen und sich defaitistisch zu verhalten in der Opernballsituation und das zweite Flugblatt ist im April 1993 erschienen, wobei Löschnak in einer Anfragebeantwortung gesagt hat, das sei nur in sieben Wachzimmern gelegen. Aber gleichzeitig gibt es nachrecherchierte Informationen, daß diese Flugblätter auch in geschlossenen Abteilungen der Polizei kursiert sind und sinnigerweise nach den ersten Briefbomben eine neue Flut von diesen Flugblättern aufgetaucht ist.

Das ist deswegen wichtig, weil an diesen Flugblättern zwei Sachen markant sind: Das erste ist wieder, daß man darin sagt, Rechtsextremisten sind so wie Sicherheitswachebeamte für Law and Order, also: „kämpfen Sie nicht gegen Rechtsex­tre­­misten sondern kämpfen Sie gegen Bonzen, gegen Ausländer und Juden und bla bla.“ Und das zweite ist, daß diese Flugblätter aus dem engsten Umkreis von Gerd Honsik kommen müssen, also zumindest von jemand, der mit der Thematik um Honsik sehr vertraut ist, denn es ist darin eine Feindliste von 8 oder 9 Personen — Du (an Brigitte Bailer-Galanda) wirst als Jüdin bezeichnet. Es werden mehrere Personen genannt, alle als Juden, Freimaurer und diese üblichen Kategorisierungen. Und es sind genau die gleichen Personen, die in dem zwei Monate nach der ersten Verteilung erschienenen Buch von Honsik über Wiesenthal wieder genannt wurden, mit fast wortgleichen Charakterisierungen.

Das muß also jemand sein, der die Flugblätter macht, der erstens Zugang zu sehr viel internen Abteilungen der Polizei hat. Also nicht jemand, so wie Löschnak behauptet, der in ein Wachzimmer hineingeht und dort ein Flugblattl fallenlaßt. Und zum Zweiten muß es jemand sein, der Kontakte zu einem ganz bestimmten Teil der österreichischen Neonaziszene hat. Ob jetzt die Flugblättter von Anfang an in der Polizei kursiert sind oder ob die wirklich im Wachzimmer liegengeblieben sind und irgendwelche Beamte haben die kopiert und weil sie ihnen so gefallen haben, haben sie sie auch weiterverteilt in der Polizei, das ist schwer nachzuvollziehen.

Aber zum Beispiel nach den Briefbomben habe ich mit einem der Polizeibeamten ein längeres Gespräch gehabt, der mir dann erzählt hat: „Was willst überhaupt, was regst di auf, im Innenministerium am schwarzen Brett ist vier Wochen lang“ — viele kennen den vielleicht, es hat einmal so einen getürkten neonazistischen Asylantrag — „ich will nichts arbeiten, will möglichst viel Geld haben, will blonde Frauen bumsen und so weiter“ — der ist im Innenministerium am schwarzen Brett ein Monat lang gehängt. Das hat mir sogar auch ein schwarzer Gewerkschafter bestätigt. Das ist wahr. Der ist zwar auch nicht auf die Idee gekommen, daß er das herunterreißen könnte.

Aber da ist es klar, daß es eine Affinität gibt und man darf eines bei der ganzen Geschichte nicht vergessen, daß die Propaganda so läuft: „Wir sind für Law and Order, wir wollen mehr Polizei, mehr Ausrüstung und und — und Ihr Polizisten wißt ja auch, wie böse die Ausländer sind, wie böse die Juden sind und so weiter.“ Und diese Propaganda kommt da gut an.

Ich habe auch mit einem geredet, der seinen Job beim Innenministerium quittiert hat, der zuständig war bei der Polizistenausbildung für die politische Bildung. Der hat das einfach gelassen, weil er nichts mehr zu tun gehabt hat. Sie haben ihm alles, was politische Bildung ist, komplett runtergestuft, eingespart. Aber abgesehen davon, daß es da gewisse Zirkel gibt bei der Polizei, die dafür anfällig sind, kommt noch dazu, daß von oben überhaupt nicht dagegen gearbeitet wird.

Peter Kreisky: Im Gegenteil — seit 15 oder 20 Jahren verteile ich ja bei jeder Demo, bei der ich dabei bin, bewußt und gezielt an Polizisten auch Flugblätter. Mit wenigen Ausnahmen wollen sie oder trauen sie sich was zu nehmen. Weil es gibt ja Weisungen: Keinen Kontakt mit Demonstranten vor allem dieser Provenienz, der Linken. Es klappt aber in Ausnahmefällen, entweder aus Interesse oder Neugier oder nur um zu registrieren, was immer. Im Normalfall aber nehmen 99% der Polizisten, oder trauen sich nicht, Flublätter zu nehmen. Das zeigt die Zwiespältigkeit dieser scheinbaren Entpolitisierung.

(Diskutant sehr schlecht verständlich): ... Frage an Wolfang Purtscheller, weil ich nehme nicht an, daß 99% der österreichischen Polizisten mit Rechtsradikalisten sympathisieren, ob es irgendwelche über Einzelpersonen hinausgehende Versuche gibt, so eine Art Gegengewicht gegen diesen Korps-Geist aufzubauen. Also so was ähnliches, wie es in Deutschland gibt mit der Aktion Kritischer Polizisten. Gibt es sowas ähnliches in Österreich?

Purtscheller: Es hat einmal so einen Versuch gegeben von einem oberösterreichischen Gendarmen, eine Aktion Kritischer Polizisten aufzubauen, er hat das dann aber resigniert gelassen, weil es einfach nicht gegangen ist. Es gibt natürlich sehr wohl einzelne kritische Polizisten im Apparat, von denen beziehen auch Leute wie ich zum Beispiel die Informationen. Also es ist hier nicht der absolute Korps-Geist. Nur sind die Bedingungen, unter denen man solche Leute treffen muß, geradezu abenteuerlich, das ist Dritter Mann, weil die einfach ganz genau wissen, daß wenn sie mit mir gesehen werden, haben sie ein riesiges Problem.

Das ist nicht so wie wenn man mit einem normalen Informanten redet, daß man sich mit dem in ein Gasthaus oder so setzen darf, sondern da sind — ich möchte jetzt nicht über die Techniken reden — aber das ist meist mit einem größeren logistischen und transportmäßigen Aufwand verbunden. Eben ist aber da auch die Tendenz, daß diese Leute, die gerade noch kritisch sind, in bestimmten Situationen einfach resignieren, daß die einfach gehen.

Ich kenne sicher mehr kritische Ex-Polizisten wie kritische Polizisten. Das hat nicht nur mit dem politischen Klima da drin zu tun, sehr viel auch mit dem Klima, aber auch viel damit, wie die Leute ausgebildet werden, wie der Drill ist, wie der Versuch, bedingungslosen Kadavergehorsam herzustellen. (Zwischenruf Peter Kreiskys: Versetzungsmethoden!) (Purtscheller wiederholt:) — Versetzungsmethoden.

Oder auch die Art, wie bestimmte Leute für bestimmte Jobs selektiert werden. Ich würde das wirklich Selektion nennen. Daß also da auch ganz eigenartige politische Kriterien hineinspielen.

Ich möcht noch dazusagen, es war voriges Jahr am 20. April eine Antifa-Demo, die Demo, die ein wandernder Kessel war, da in Wien und anschließend war noch der Massenaufmarsch zu Hitlers Geburtstag, wo 150 so Kids über die Kärntnerstraße gegangen sind, wo nur 5 Polizisten dabei waren. Bei der Antifa-Demo war es so, daß auch diese vermummten Polizisten dabei waren mit so Helmen und daß die drunter auch noch so eine Halsmaske aufhaben. Die haben die Leute wiederholt angeschrieben „Ihr g’hörts alle vergast!“ usw. Ich hab deswegen mit einem Einsatzleiter geredet und der hat mir gesagt, wenn ich net gleich ’s Maul halt, nacha, ja, geht’s ma so wie „’s ma da im Kirchweger Haus gangen ist“.

Das sind Vorgangsweisen, die nicht einmal mehr nur beschämend sind, sondern irrsinnig arg, die werden auch noch gedeckt, vollkommen toleriert und das ist auch vollkommen normal. Dieser Antiseminitismus und Rassismus, der mir auch passiert ist, der ist, das sagen alle, da die Normalität und net die Ausnahme.

(Zwischenruf Peter Kreisky: Frauenfeindlichkeit auch)

Frauenfeindlichkeit auch, ja. Da war noch eine Spezialität damals wie sie mich ausgelassen haben, daß sie nebenan in einer Zelle bei offener Zellentür bei einer Frau eine Leibesvisitation gemacht haben. Wo jeder, der da im Raum war, sich daran hat ergötzen können. Sie ist leibesvisitiert worden von einer weiblichen Beamtin — das war die Journalbeamtin, die mich dann geholt hat — aber die Zellentür war offen und es war sowas wie Peep-Show für Kiberer. Sachen, die da offenbar dazugehören.

Ich meine, das ist ganz klar, wenn man sich dem Milieu, dem Korps-Geist anpaßt, dann tut man sich da drin halt leichter. Deshalb ist der Widerstand in der Polizei da dagegen sehr gering und unter Löschnak auch vor allem gegen Null geschrumpft.

Publikumsfrage: Ich wollte fragen, wie war das, als die Grünen angefragt haben ... das waren 16 Polizisten — war das einzeln oder im ganzen ...

Purtscheller: Es wird so orakelhaft wie möglich formuliert und trotzdem der Wahrheit entsprechend. Es wird nicht gesagt, der Herr X oder Y — sondern einer und ein anderer. Es hätte auch der gleiche sein können, ist aber nicht, das habe ich erfahren. Es wird versucht, zu diversifizieren und nicht genau aufzuschlüsseln. Das ist eben das Problem mit so Anfragebeantwortungen.

Diskutant: Die Verletzungen sind auch zusammengeschrumpft auf eine Prellung des Handballens ... die einzige, die noch übrig geblieben ist.

Diskutant: Weil anfangs von Vorschlägen die Rede war. Vielleicht sollten wir uns damit beschäftigen, was kann man gegen so empörende Vorfälle und gegen die empörenden Zustände, in denen diese Vorfälle ja wurzeln, tun?

Es gibt einmal die Ebene im Parlament den zuständigen Innenminister mit solchen Sachen zu konfrontieren. Was ich mich noch frage, ich weiß zuwenig, vielleicht könnt Ihr da Auskunft geben: Ein Dulden oder aktives Betreiben rechtsextremer, nazistischer Aktivitäten im Bereich der Polizei muß ja wohl auch gegen österreichische Gesetze verstoßen. Welche Möglichkeiten gibt es denn da, interne Kontrollen in Gang zu setzen oder jene, die diese Kontrollen nicht ausüben, die Disziplinarmaßnahmen nicht setzen, zur Verantwortung zu ziehen. Welche Möglichkeiten gibt es, das in Gang zu bringen, so einen Selbstreinigungsprozeß?

Und dann interessiert mich noch die Ebene der Gewerkschaft. Habt Ihr versucht, als Journalistengewerkschaft eines Eurer Mitglieder, das betroffen war, mit der Polizeigewerkschaft, nicht gerade mit den Freiheitlichen dort, Kontakt aufzunehmen, insbesondere mit den Sozialistischen Gewerkschaftern, über die ich mir zwar keine Illusionen mache aber immerhin, sie müßten zu packen sein. Und auf höhrer Ebene: Na ja, der ÖGB insgesamt könnte eigentlich auch Stellung nehmen, nicht? Und sich das einmal genauer anschauen — und Ihr als sozusagen betroffene Gewerkschaft, könntet das ja versuchen, nicht?

Gisela Vorrath: Als erstes muß ich schon sagen, den Löschnak als Verteidiger der Rechtsextremen darzustellen ...

Zwischenruf Peter Kreisky: Aber das hat er konkret getan, bitte. Was denkt er sich dabei, wenn er sagt — staatstragende Parteien — und das war auch schon unter Haider einige Jahre, das kann man nicht mehr beschönigen, das machen wir — ich nicht — aber seit 10, 15 Jahren machen das viele Sozialdemokraten und wir ernten jetzt die Folgen, bitte.

Zwischenruf: Totschweigen, jawohl.

Peter Kreisky weiter: Und wir ernten jetzt die Folgen einer Beschwichtigungs- und Verharmlosungspolitik. Und wenn man Grün als nicht staatstragend bezeichnet und die FPÖ als staatstragend, ist das ein Verbrechen.

Zwischenruf: Jawohl

Peter Kreisky: ... ein Verbrechen gegen die Demokratie und es ist Blindheit und in beiden Fällen untragbar ...

Gisela Vorrath: Ja, aber es entspricht nicht mehr den Tatsachen, es gibt diesen Überwachungsausschuß und da sitzt ein Grüner Abgeordneter drinnen.

Oberschlick: Gisela, aber man kann doch nicht sagen, das stimmt alles nicht, die Gesinnung, die damals zum Ausdruck gebracht wurde, hat er gar nicht.

Vorrath: Trotz alledem möchte ich bitte sagen ...

Peter Kreisky: Er ist ein Genosse, ja, ein Genosse ...

Vorrath: ... es ändert nichts, ...

Peter Kreisky: Ich bin a ein Genosse!

Zwischenruf: Immer noch?

Vorrath: ... es ändert nichts daran, daß er als politisch Verantwortlicher für die Exekutive Ansprechpartner ist für die Gewerkschaft und es ist so, daß wir sehr wohl als Gewerkschaft mit ihm darüber ein ausführliches Gespräch führen wollen.

Zwischenrufer: ... als Sachverhalt einbringen: Als in Berndorf dazumal die Nazis große Demonstration gemacht haben, hat ein damaliger Innenminister gesagt „Ich will keine Schlägereien, ich will auch nicht, daß es da zu irgendwelchen ungesetzlichen Handlungen kommt. Es wird Gendarmerie verstärkt dort aufmarschieren und das Gebiet sozusagen zernieren und ruhig stellen.“ So kann man nämlich auch agieren, wenn man sozialistischer Innenminister ist. Nicht nur die Totschweigetaktik des Herrn Löschnak.

Peter Kreisky: Nur wenn es sich um Ausländer und Demonstranten geht, da schweigt er nicht, da agiert er ...

Georg Tidl: Versuchen wir doch einen Antrag an den Herrn Innenminister Löschnak zu stellen, daß er die faschistischen Umtriebe in der Polizei einmal untersucht und schicken den gleichen an den Vranitzky, der immer sich als Antifaschist deklariert ...

Oberschlick: Und drüber schreiben wir „Lieber Genosse Löschnak!“

Gisela Vorrath: Bitte, das ist kein Spaß ...

Peter Kreisky: Bitte, laßt Euch erzählen was passiert bei Interventionen von SOS-Mitmensch in Menschenrechtsfragen. Das ist skandalös, was von der Regierung abgedeckt wird und was hier von Vranitzky und Löschnak praktiziert lassen wird seit Jahren. Das ist eine Legion von Verletzungen von fundamentalen Menschenrechten. Bei Ausländern wird demonstriert und bei Flüchtlingen wird demonstriert, wes Geistes Kind diese Herrschaften sind. Und die ganze soziale Ablenkungsstrategie, Sozialschmarotzerdiskussion, die jetzt läuft, das ist ein Szenario, ein unheiliges, ohne Verschwörungstheorie, wo wir auf der schiefen Bahn Richtung Haiderscher Dritter Republik sind. Und das haben manche Sozialdemokraten historisch schon praktiziert — auch Kommunisten zum Teil. Da ist keine Beruhigung und Beschwichtigung am Platz.

Erich König: Ich stimme mit Peters Kritik überein, aber es haben sich jetzt einige Leute gemeldet.

Tidl: Vor allem war Gisl am Wort.

Vorrath: Ich war am Wort und habe nicht gemeint, wir sollten sagen, lieber Löschnak, du bist so lieb, sondern, daß wir konkrete Vorschläge mit ihm besprechen wollen und ihm auch übergeben können, welche Maßnahmen unserer Ansicht nach getroffen werden können.

Ich meine, um solche skandalöse Vorfälle in Zukunft zu unterbinden und andererseits eben der Bedrohung der Pressefreiheit Einhalt bieten zu können, das ist ja eine Schreckvorstellung, das muß ich schon sagen, wenn jeder kritische Journalist befürchten muß, wenn er sein Redaktionsgebäude verläßt, daß er dort von einem ihm politisch widerstrebenden Polizisten abgepaßt wird und der findet es für unerläßlich, daß er ihn einsperrt und amtsbehandelt in welcher Form auch immer. Alles was er bei sich trägt fällt ja nicht unter das Redaktionsgeheimnis.

Das ist ein grundsätzliches Problem, das man besprechen muß und man muß etwas unternehmen. Und ich nehme die Anregung, mit der Polizeigewerkschaft Gespräche zu führen, dankend an und es ist sicherlich wichtig, daß man innerhalb der Gewerkschaft durch Öffentlichkeit verstärkt sensibilisierend wirkt.

Diskutant: Zu der Empörung, die der Peter da ausdrückt — man muß es ihm ja nicht so leicht machen ...

Erich König bittet, sich zu konzentrieren darauf, was man tun kann.

Diskutant: Es gibt eine wichtige Sache, die man nicht vergessen darf, das ist das von den Sozialdemokraten mitbeschlossene Polizeibefugnisgesetz, ich würde das eher Polizeiermächtigugnsgesetz nennen. Meine Frage ist, inwieweit sind nicht solche Übergriffe dadurch gedeckt, weil alles erlaubt ist, die Rechte der Polizei in einem für einen demokratischen Staat unerträglichen Ausmaß ausgedehnt sind, ausgearbeitet von einem sozialistischen Innenminister. Das zweite ist: Inwieweit hat sich denn das Verhalten der Polizei auch geändert, seit es das Polizeibefugnisgesetz gibt. Wird das gar nicht kontrolliert? Es gibt keine parlamentarische oder sonstige Institution, die das Verhalten der Polizei in irgendeiner Form kontrolliert, wie es in den USA zum Beispiel üblich ist, da gibt es Bürgerausschüsse, die entsprechend kontrollieren, die entsprechend Beschwerden behandeln. Die werden bei uns ja nur innerhalb der Polizei behandelt und nicht außerhalb.

Das wäre eine Regelung, die sicher anzustreben wäre, inklusive eine Änderung des Polizeiermächtigungsgesetzes.

Diskutant schwer verständlich ... Forderungen vom Haider halte ich für übertrieben, um Wählerstimmen zu ergattern ... sonstigen Veranstaltungen ... das ist ja nicht nur ein Journalistenschicksal ...

Diskutant zu dem Appell an den Innenminister ... möchte erinnern, es hat sich an vielen Beispielen gezeigt, daß die Regierenden umso weniger fuhrwerken konnten wie sie wollten, je mehr Öffentlichkeit geschaffen wurde für Anliegen. Vielleicht kann man nachdenken, wie es gelingen könnte, die Öffentlichkeit für diesen Fall und ähnliche, die es gibt, zu verbreitern.

Erich König bittet, nun zu diskutieren, wie man Öffentlichkeit schaffen kann und ob es Sinn macht, an diesen Innenminister heranzutreten oder ob es verlorene Mühe ist.

Diskutant: Zur Frage, was kann man tun ... es ist gut, wenn man über solche Dinge in der Öffentlichkeit reden und schreiben kann. Und daß diese Leute — Löschnak und Co in diesen Dingen ein anderes Gesicht zeigen als an Parteitagen, das sind auch Erlebnisse, die man mitteilen darf ... Man kann aber glaube ich, nicht sagen, daß der Löschnak mit halbem Herzen ein Nazi ist (Peter Kreisky: Das glaub ich auch nicht!) Muß auch nicht sein, in seinem Job ist er eben verpflichtet, mit Nazis zu kooperieren. Die Frage ist nur, wie tut er das und auf wessen Kosten in der Gesamtbilanz ist diese Kooperation ausgelegt. Also man wird darüber diskutieren müssen. Es schadet nicht, daß man sich in einem Plenum einmal hitzig anschreit, denn es beruhigt sich dann ohnehin wieder. Das ist meine Erfahrung und ich würde mir das auch für die Zukunft wünschen. Das ist das eine Problem.

Und das zweite ist ein Problem, das mir seit langem am Herzen liegt. Wie die meisten von uns wissen, zeichnen sich die Rechtsextremisten nicht nur dadurch aus, daß sie wissen, wogegen sie sind, sie wissen auch ziemlich genau, wofür sie sind. Und der Hauptunterschied zu den Linken besteht unter anderem darin, daß dieses Wissen, wofür man ist, bei den unseren entsetzlich schwach ausgeprägt ist. Wie wir erfahren haben, ist nicht einmal ein gewerkschaftlicher Kontakt versucht worden, sind nicht einmal bekannte Exponenten in den Redaktionskollektivs der Arbeit & Wirtschaft oder der Solidarität informiert worden mit einer Sachverhaltsdarstellung seitens der Mediengewerkschaft, mit der Bitte, das in der einen oder anderen Form zu berichten. Das überrascht mich sehr. Denn da sagt der Winfried Bruckner, wenn man ihn schon dreimal angerufen hat „Naja, kürzt mir das auf eine halbe Seite, ich werds schon einschalten oder der Kurtl Horak könnte sagen, ich habs zwei-dreimal probiert, bin niedergebügelt worden, probiert es bei dem oder bei dem ... das würde normalerweise vor sich gehen und so würde ich mir ein linkes System vorstellen.

Aber ich weiß, es ist ein Handicap, das unter Linken weitverbreitetet ist, zu wissen wogegen man ist, aber schon viel weniger zu wissen, wofür man ist. Was an sich kein Nachteil ist, weil das wofür man ist, kann sich als Prozeß der Zukunft gestalten, aber man muß zumindest in den Umgangsformen zum Ausdruck bringen, damit man weiß wofür man gemeinsam ist — das vermisse ich hier.

Die Idee, daß man eine Resolution da beim Republikanischen Club macht, finde ich wunderbar, nur überrascht es mich, daß man nicht einmal 10 Zeilen Antrag an Minister Löschnak — in den Zeitungen wurde dies oder das berichtet, könnten Sie mir als Mandatar erklären, was da vorgefallen ist ... 6 Schilling Briefmarke und das wird hier unterschrieben ...

Gisela Vorrath: Ich wollte nur sagen, das haben wir schon gemacht — es ist nur schon eineinhalb Monate her — und wir wissen, wie stark die Solidarität gelesen wird, sind aber noch nicht auf die Idee gekommen, das als Organ für die Verbreitung von Inhalten anzusehen ...

Peter Kreisky: Sie erreicht auch Kronenzeitungsleser, die man sonst überhaupt nicht erreicht.

Gisela Vorrath: Ja, nur wird sie halt nicht gelesen.

Peter Kreisky: 10% der 1,5 Millionen Mitglieder lesen sie.

Gisela Vorrath: Na gut.

Dr. Tidl: Die Initiative, daß es zu dieser Veranstaltung gekommen ist, die Initialzündung ist eigentlich von der Mediensektion gekommen.

(Reger Protest ...) — (Tidl setzt fort: ) Die Tatsache, daß wir, die eigenen Leute, über diesen Fall so wenig gewußt haben, daß wir versucht haben, diese Veranstaltung ins Leben zu rufen und gleichzeitig aufzuzeigen, was es für die Sozialdemokratie und für die Linke in Österreich bedeutet, daß sie eben kein Medium mehr hat. Das ist jetzt drei Monate her (Zwischenruf: vier Monate) vier Monate, und ich bin da und höre das zum ersten Mal, was dort wirklich passiert ist.

Drei Monate habe ich auch gebraucht, bis ich genau gewußt habe, was beim AUA- Streik eigentlich passiert ist. Weil ich auf die Information angewiesen war, die mir Kurier und Kronenzeitung gegeben haben. Und was in Innsbruck passiert ist bei dem Freiheitskommers, weiß ich bis heute nicht. Das ist die Mediensituation in Österreich. Das heißt, was Du sagst, ist völlig richtig, nur die Kritik ist falsch. Weil die Solidarität bringts nicht, der Privatangestellte bringt es auch nicht, der hat ganz andere Sachen nicht gebracht.

Das heißt, wir haben in Wirklichkeit in Österreich kein Medium, über das wir das verbreiten können und die sozialdemokratischen und linken Journalisten werden von Jahr zu Jahr weniger. Das heißt, wir liefern uns medienpolitisch völlig den Bürgerlichen und den Rechten aus. Es ist eine Katastrophe.

Diskutantin: Ich finde die Frage wichtig, wie kann man das in den Medien publik machen, das ist sicher wichtig, aber ich frage, wie kann man das an der Basis selber publik machen, bei den Polizisten selber? Ich weiß nicht, wieviele Polizisten sitzen da herinnen ...

(Zwischenruf Vorrath: Immer einer zumindest)

... es wird immer in den gleichen Zirkeln geredet. Vielleicht ist das naiv, aber vielleicht könnte man spezielle Seminare anbieten z.B. über den Themenkreis „Die Rechte“ oder „Wie steht die Polizei zu den Rechten“. Das sind doch auch Fragen, die sich die Beamten selber stellen. Dazu müßten sich doch Finanzierungsformen finden, solche Seminare für die Basis, für die Zielgruppe anzubieten.

Brigitte Bailer-Galanda: Zur Situation der Schulungen der Polizei: Es ist seit Jahren üblich, daß die Polizeischüler und auch die Offiziersanwärter der Polizei, zu Führungen ins Dokumentationsarchiv kommen. Ich selber, muß ich gestehen, weigere mich immer, solche Führungen zu machen, denn ich denk mir, wenn ich als relativ kleingewachsenes weibliches Wesen dort auftrete, lachen sich die schief. Das heißt, wir schicken hinunter einen ehemaligen Spanienkämpfer, der selber bis zu seiner Pensionierung bei der Polizei beschäftigt war. Der weiß, wie man damit umgeht. Das ist unser Hans Landauer. Er ist der zweitjüngste Spanienkämpfer Österreichs, war Zeit seines Lebens politisch aktiv, ist ein abgebrühter Mann, und es ist nicht nur einmal passiert, daß er heraufkommt und erzählt, jetzt hat er wieder mit dem Betreuer, der die Polizeischüler bringt, heftig streiten müssen, ob der Widerstand im Militär rechtmäßig war oder nicht, oder ob nicht das vielleicht doch Landesverrat gewesen wäre.

Also selbst er hat massive Schwierigkeiten, überhaupt ein bißchen antifaschistische Aufklärung hinüberzubringen und stößt nicht nur bei den Ausbildnern sondern auch bei den kommenden Jungpolizisten, also noch gar nicht fertige Polizeischüler auf vehemente Ablehnung. Das Problem beginnt schon viel früher, wahrscheinlich schon dort, wo man fragt, wer geht eigentlich zur Polizei und warum.

Die zweite Sache, weil der Herr gemeint hat, die gesetzlichen Bestimmungen. Es gibt beispielsweise im Bezirk Wiener Neustadt einen Gendarmen, den Herrn Bernhard Buchberger, der bereits als Kandidat einer wegen Neonazismus inkriminierten Liste „Ein Herz für Inländer“ aufgetreten ist, der mittlerweile immer wieder für die FPÖ kandidiert. Der gute Mann ist ungehindert Gendarm im Bezirk Wiener Neustadt. Also ich möchte dem nicht begegnen zum Beispiel bei einer Verkehrskontrolle.

Und noch dazu: Ich habe nach dem Expertenhearing bei der Novelle des NS-Verbotsgesetzes die zweifelhafte Ehre gehabt, mit einem hochrangigen sozialdemokratischen Beamten, der zuständig ist für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, in der Cafeteria des Parlaments am selben Tisch zu sitzen, und habe mich dann damit gefunden, daß ich dem Herrn Hofrat erklären mußte, warum er meiner Meinung nach heute Auschwitz nicht mehr beweisen muß. Er hat gefunden, das ist völlig in Ordnung, daß bei dem Honsik-Prozeß endlich einmal die Tatwaffe besprochen wird und daß endlich einmal diese Morde sachgemäß bewiesen werden, das muß ja letztendlich bei jedem Mord passieren. Also, ich war fertig.

Der Wolfgang Neugebauer kann es bestätigen, ich bin am nächsten Morgen noch fix und fertig ins Archiv gekommen. Ich hab gesagt: Du, ich glaub, ich spinn, daß ich mit dem revisionistische Argumente zitieren muß. Das heißt — von wegen sozialdemokratischer Beamter.

Ich glaube daher, was wirklich hilft, ist nur der Druck der Öffentlichkeit und da viele Journalisten sind, kann man das nur immer unterstreichen. Ich sehe es nicht ganz so pessimistisch wie Sie, Herr Tidl, ich glaube, daß es in Österreich gott sei Dank doch einen Unterschied gibt zwischen Stammtisch-Meinung und veröffentlichter Meinung, das heißt, daß die veröffentlichte Meinung, wenn ich von Kronenzeitung und den Falk-Blättern absehe, doch um vieles demokratischer und antifaschistischer ist, als die Meinung die man in der Straßenbahn, der U-Bahn oder anderen Ansammlungen von durchschnittlichen Österreichern antreffen kann.

Und auf unsere Erfahrungen im Dokumentationsarchiv heißt das übertragen: Wann können wir z.B. mit Gegenkandidatu­ren von Neonazis auf FPÖ-Listen etwas erreichen — wenn wir das veröffentlichen. Das heißt, massiv in die Öffentlichkeit gehen. Genauso ist es mit dem Fall Purtscheller. Es müssen solche Übergriffe immer wieder von den JournalistInnen in Österreich aufgegriffen werden, wenn es auch nicht gleich ein Riesenartikel und eine Riesenschlagzeile im Kurier ist, wenn es nur konsequent passiert, macht es auch Meinung. Und diese Meinung kann auch wieder politische Meinung werden und politische Meinung bewirkt dann auch Hoffnung. Auch der Löschnak will Wahlen gewinnen. Wenn er merkt, daß es auch Gegenströmungen gibt, wird es vielleicht auch andere Politik geben. Aber ich glaube nicht an die Wirkung von Seminaren und ich glaube eigentlich auch nicht an die Wirkung von großartigen polizeiinternen Maßnahmen, so leid es mir tut.

Frage aus dem Publikum: Da gab es doch ein Projekt, wo Polizeischüler so Grabpflegearbeiten und Renovierungsarbeiten am Jüdischen Friedhof gemacht haben ... hat das einen Sinn?

Bailer-Galanda: Das waren nicht Polizeischüler, das war das Militär.

Gisela Vorrath: Natürlich waren es auch Polizeischüler, der Barger hat alle möglichen Gruppen mobilisiert. Es hat natürlich einen Sinn und es geschieht zum Teil auch was und es geschieht zu wenig und es ist auch zuwenig geeignet, um ein Regulativ in die Gegenrichtung zu sein, um diesen Auswüchsen, die da um sich greifen, zu begegnen, um sie zurückzudrängen. Das ist unser Anliegen und das was wir wollen ...

Und wir haben auch beschlossen, daß wir, das heißt, die gesamte österreichische Presse, den Fall Purtscheller ordentlich begleiten werden. Und ich mein’, das ist klar, daß wir von seiten der Sektion eine Basisinformation ausschicken an die Kollegen, damit sie Bescheid wissen. Man weiß ja genau, wenn der Prozeßbericht kommt von der APA, dann hat man das Problem, das kurz zu fassen, da kann man nicht aus den Protokollen zitieren. Wir wollen, daß da eine Vorarbeit da ist, damit der Einstieg für die Kollegen erleichtert ist. Das werden wir sukzessive machen und sowohl innerhalb der österreichischen Medien und verstärkt auch Beobachtung durch internationale Journalisten.

Das alles ist in die Wege geleitet und bereiten wir vor. Auch Gespräche mit dem Innenminister Löschnak und den Klubobleuten der Parlamentsparteien suchen wir und soweit wir Möglichkeit haben, stehen wir dahinter. Ich meine, daß es wichtig ist, wenn es in allen Zeitungen und im Rundfunk und Fernsehen berichtet wird, daß das auch gescheiter ist, als wenn sehr wohlmeinende Artikel in Arbeit und Wirtschaft oder der Solidarität erscheinen. Was nicht ausschließt, daß es dort auch sein soll. Das ist ganz klar.

Purtscheller: Mein Vertrauen in Gespräche oder Petitionen an Löschnak ist sehr gering, denn es haben nach dem Vorfall sehr viele Organisationen, auch internationale, beim Löschnak protestiert, auch die diversen Journalistengewerkschaften usw. Es gibt da einen Standard-Textbaustein, mit dem da zurückgeschrieben wird — und zwar vom Herrn Bögl, da steht einfach, der Fall ist dem Gericht übergeben worden, aus und basta.

Genau das was er Euch (zu Bailer-Galanda) geschrieben hat — das ist der Standard Textbaustein und dabei bleibt es auch. Bei ziemlich allen Auseinandersetzungen, die es darüber gegeben hat, kommt der selbe Satz — die putzen sich einfach an der Justiz ab. Das ist das eine. Das zweite zu der Polizeikritik abschließend. Ich glaube, man sollte nicht immer nur — es ist schon wichtig, die Sachen mit Medien zu arbeiten — aber man sollte nicht vergessen, daß da zwei Afrikaner bestialisch behandelt worden sind, daß von denen niemand redet in der Öffentlichkeit, daß die vollkommen entrechtet sind, daß sie ohne den geringsten Beweis in der U-Haft gesessen sind, bzw. in Schubhaft, daß die sich haben heraushungern müssen und daß das in den demokratischen Medien weitestgehend untergegangen ist. Das erfüllt mich mit größerer Sorge, daß nämlich, bei mir das irgendwie klar ist, weil ich ziemlich bekannt bin, daß sich die Leute da einsetzen — und das freut mich auch total. Das ist für mich natürlich auch jetzt wahnsinnig wichtig in dieser Situation. Aber gleichzeitig ist da immer der Wermutstropfen, daß diese Afrikaner, die nicht einmal den Polizisten gefragt haben um einen Ausweis, die es nicht einmal gewagt haben, das zu tun, daß die die absoluten Nullen sind für die. Die werden ohne Beweis zwei Monate in U-Haft genommen, werden anschließend in Schubhaft überführt, und da schaut man gelassen zu, wie sich die zu Tode hungern und kurz bevor sie krepieren, werden sie mit einem Fußtritt außeg’schmissen, damit sie im Krankenhaus wieder aufgepäppelt werden müssen. Und tragisch ist, daß der zweite Afrikaner, der festgenommen worden ist, der bei der ganzen Geschichte gar nicht dabei war, der im Auto mitgenommen worden ist, der wurde bisher schon dreimal festgenommen, hat sich dreimal raushungern müssen und es hat sich kein Mensch um ihn gekümmert. Bloß ein Kollege im Standard hat kurz d’rüber berichtet.

Das ist auch etwas, was mich über die politische Kultur in diesem Land und auch in der Linken mit Sorge erfüllt, weil sosehr ich begrüße, daß sich die Leute für mich einsetzen, ist ja eigentlich klar, daß ich eigentlich Opfer eines Rassistischen Übergriffes geworden bin. Daß ich denen bei Durchsetzung einer absolut nicht rechtlich gedeckten rassistischen Zwangsmaßnahme nach Löschnak-Gesetzen in die Quere gekommen bin, und daß deswegen die ganze Geschichte ins Laufen gekommen ist.

Ich glaube, man sollte diesen Aspekt, daß es in Österreich Menschen gibt, die legal Freiwild sind, wo man jede Art von Konstruktion machen kann, vor allem weil man sie an ihrer Hautfarbe erkennen kann, und ich meine, ich will gar nicht zitieren die Sprüche, die da im Polizeikotter über diese Leute gefallen sind. Gerade in meiner Geschichte ist mir vorgekommen, daß sie damit auch kalkuliert haben. Daß sie kalkuliert haben mit der Spaltung — da der Promi, der Typ aus dem Kirchwegerhaus, der depperte Autonome und da die Neger, die tun ma schön auseinanderdröseln. Es gibt ja nicht nur ein Verfahren, obwohl wir alle die gleiche Anklage haben, ein Verfahren gegen alle drei, sondern die Verfahren sind fein säuberlich getrennt worden, damit man das auch politisch rüberkriegt. Mir macht das an sich Sorge, daß außer die Leute vom Kirchwegerhaus, die brav Geld gesammelt haben für den Verteidiger von den Afrikanern, daß sich um die niemand so richtig gekümmert hat.

Ich glaube, wenn wir reden von demokratischer Medienkultur und demokratischer Kultur überhaupt, daß das nicht untergehen sollte.

Wortmeldung eines Journalisten: In der Zwischenzeit hat es ja den Prozeß schon gegeben, wo es um die angezeigten Körperverletzungen ging. Also der eine ist freigesprochen worden — beim zweiten ist von den angeblichen Verletzungen nichts geblieben außer der Prellung des Handballens. Ich glaube, daß es da Pflicht der Journalisten gewesen wäre, darüber zu berichten. Es hat niemand aufgegriffen, außer dem Kollegen im Standard.

Purtscheller: Ja, ich kann net hingehen und in eigener Sache schreiben, da mach ich mich ja lächerlich. Die Sache aber, worum es mir geht, ist, daß immer nur von mir geredet wird. Und die Leute, die noch viel ärger behandelt worden sind, und die sie heute noch abwechselnd in U-Haft und Schubhaft stecken, von denen redet fast nie wer. Das ist wichtig, was der Diskutant da hinten gesagt hat, daß es keine linke Pressekultur gibt, denn das wäre genau die Aufgabe, auch solche Sachen, diese Normalität des staatlich organisierten Rassismus aufzuzeigen.

Es war so unwahrscheinlich, wie sicher die sich gefühlt haben, wie sie die Afrikaner mißhandelt haben. Das kann man sich nicht vorstellen. Man muß dazu sagen, daß die Afrikaner — der eine ist sofort in Schubhaft gegangen und der Verletzte: die Geschichte ist passiert am Donnerstag, 20 Uhr. Der ist bis Samstag Abend, 20 Uhr, im Kommissariat Van der Nül-Gasse in einer Zelle gesessen, in der ist nichts drinnen, da ist nicht einmal ein Klo drin. Und erst als der Peter Pilz hingegangen ist, sich zu erkundigen, was mit dem einen ist, haben sie den Peter Pilz eine Stunde lang hingehalten und dann haben die den Afrikaner bei der Hintertür hinausgeführt und hinüber ins Landesgericht. Die haben den zwei Tage lang behalten, damit sie ihn sich, wie es im Polizeijargon so schon heißt, herrichten können.

Irgendwie tut mir das wahnsinnig leid, daß die rassistische Ebene an dem ganzen so untergeht.

Erich König: Zum Titel der Veranstaltung — wir wollten ein bißchen populistisch herangehen, um zu den Inhalten möglichst viele Leute zu erreichen. Wortmeldungen sind noch offen. Bitte.

Frage aus dem Publikum: Die beiden Afrikaner waren in U-Haft wegen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt?

Purtscheller: Der andere ist gleich in Schubhaft gekommen, dem haben sie das nicht anhängen können, weil der zu dem Zeitpunkt, wo das ganze passiert ist, schon im VW-Bus gesessen ist, mit Handschellen. Das hat sie aber nicht daran gehindert, ihm im Wachzimmer auch ein paar in die Goschen zu hauen.

Fortsetzung der Wortmeldung: Ich wollte darauf hinweisen, daß dieser Vorwurf des Widerstandes gegen die Staatsgewalt genau eine Möglichkeit ist, das zu konstruieren, damit man einen Menschen kriminalisiert. Und das kann wirklich jedem passieren. Und den Afrikanern passiert es, weil sie durch ihre Hautfarbe auffallen. Oft haben sie sich schon verstecken müssen in Hauseingängen, wenn sie Polizisten kommen sehen. Das habe ich selber schon erlebt.

Purtscheller: Der andere ist auch freigesprochen worden, den sie in U-Haft genommen haben, denn es ist ihm nicht einmal nachzuweisen gewesen, daß er sich gegen die Verhaftung gewehrt hätte.

Wortmeldung: Und bekommt er wenigstens eine Haftentschädigung?

Purtscheller: Nein.

Diskutant weiter: Also ein konstruierter Vorwurf und eine Untersuchungshaft.

Purtscheller: Wobei mir der Vorwurf gemacht wurde, daß ich dran schuld sei, daß der in Untersuchungshaft war, weil ich vor der Polizei in Favoriten die Aussage verweigert hätte. Weil ich natürlich in der Situation, wo fünf so Prügelbullen um dich herumstehen, die sagen, du wirst fertiggemacht, daß ich nichts mehr sage. Nix, aus, außer, daß ich mißhandelt worden bin, daß mir der der Arzt und der Anwalt verweigert worden sind. Es war sicherlich nicht mein Interesse, den Tathergang zu schildern, damit sich die noch besser absprechen können. Und dann ist mir mitgeteilt worden, von relativ weit oben in der Polizei, ich möchte da aber jetzt nichts sagen drüber, daß ich daran schuld gewesen sei, daß der solange in U-Haft war, denn ich hätte ja aussagen können, daß der nichts gemacht hat.

Das Anzeigeprotokoll ist vom gleichen Abend datiert, was ich nicht glauben kann, denn da hätten die drei Anzeigeleger — gegen jeden von uns hat ein anderer die Anzeige geschrieben, aber es war immer der gleiche Oberleutnant, der überall mitunterschrieben hat — dann hätten die innerhalb zwei Stunden einen 10 Seiten langen Text schreiben sollen. Und ich bin mit den orthographischen und sonstigen Kenntnissen bei der Polizei ein bißchen vertraut, das glaube ich nicht, daß das so war, weil nämlich, die Sache erst nach vier Tagen, nach Urgenz des Gerichts an dieses gegangen ist. Das geht auch aus dem Aktenlauf hervor. Also da ist einiges dran gedreht worden, das ist ganz eindeutig.

Wobei ich noch etwas dazusagen muß: Es ist ja gegen mich der Vorwurf erhoben worden, daß ich beim Eintreffen der Polizei auf einem Polizisten gesessen sei und ihm mit Fäusten traktiert hätte, da ist interessant: im ersten Bericht ist dringestanden, ich wäre auf einem fremden Polizisten gesessen, also einem Zivilen, gesessen und hätte den traktiert. Der ist ihnen irgendwie am Amtsweg abhanden gekommen und fünf Tage später war es auf einmal ein Uniformierter, auf dem ich gesessen bin. Das ist ja alles belegbar. Da sieht man schon ungefähr, wie auf der Ebene auch gearbeitet wird.

Diskutant: Und die zweite Sache mit dem Computer. Da haben sie das Argument, daß der Polizist sich nicht ausgekannt hätte mit dem Computer, vorgeschoben. Also da bin ich mir ziemlich sicher, daß sich die auskennen.

Zwischenruf: Aber überhaupt nicht. Die sind wirklich so ...

Purtscheller: Also, ein Newton-Message-Pad ist wirklich idioteneinfach zu bedienen. Also, da bin ich mir auch sicher ... leider, aus Gründen, die ich jetzt nicht schildern mag, war es genau an diesem Tag nicht verschlüsselt.

Frage: Es ist zu überlegen, welches demokratische Instrumentarium man verwenden kann, um Druck auf die Regierung auszuüben. Nach dem neuen Wahlsystem soll ja der Abgeordnete mit dem Bezirk enger verbunden sein, von dem er gewählt wird. Wenn man sich, da im 10. Bezirk ja offenbar sehr viel schiefes passiert, an den Abgeordenten wendet, vielleicht auch mit Hilfe der Parteiorganisation, muß er doch zumindest Stellung nehmen.

Gisela Vorrath: Wir werden den Herrn Gaal auch informieren.

Wortmeldung: Ich bin der letzte, der die Polizei verteidigen möchte, aber es gibt in der Polizei doch einige Leute, die anders drauf sind ... und wenn es die nicht gäbe, hätten der Wolfgang und ich überhaupt keine Informationen darüber, was da eigentlich läuft. Das sind Leute, die natürlich politisch interessiert sind und sich gegen den Rechtsruck in der Polizei wehren ... (unverständlich) ... werden von den Gewerkschaftsstrukturen erst heruntergedrückt und das ist ein Grund, warum es so aussieht, als ob es in Kürze eine grüne Personalvertretung bei der Polizei geben würde. Und zwar in verschiedenen Bundesländern, in verschiedenen Abteilungen — und das sind Leute, die nichts voneinander wissen. Und es ist schade, daß die Journalistengewerschaft nicht hingeht und bei der sozialdemokratischen Personalvertretung erkundigt, ... (unverständlich) ... wenn das eine Zeitung aufgreift, es ist ja auch einfacher, über den Wolfgang Purtscheller zu schreiben, als über den Lee — das nimmt ihm auch die Zeitung leichter ab.

Erich König: Es ist überhaupt ein Problem, daß es keine Vernetzung gibt zwischen Journalisten im fortschrittlichen Bereich oder von demokratischen oder antifaschistischen Journalisten und Journalistinnen. Es gibt da eigentlich nichts. Alleine schon im sozialdemokratischen Bereich gibt es kaum Gespräche zwischen den Leuten. Die sitzen in irgendeiner Redaktion und treffen vielleicht alle vier oder fünf Wochen Bekannte. Aber da läuft nichts, da gibt es keine Information, da ist der Druck da und es passiert nichts. Im Prinzip wäre da eigentlich schon eine antifaschistische Presseagentur notwendig. APA wäre dafür ohnehin schon ein gebräuchliches Kürzel.

Aber jetzt wieder Wortmeldungen, bitte.

(Wortmeldung anfangs schwer verständlich) ... daß die Kanzlerschaft des Herrn Haider nicht mehr oder nur sehr schwer aufhaltbar ist und da ist es eigentlich notwendig, daß man die SPÖ frontal attackiert. Es ist ganz klar, was die Rechten wollen und es wundert nicht, daß wir rechtsextreme Zellen in der Polizei haben, das ist normal. Immer wenn es zu einer totalitären Machtergreifung kommt, funktioniert das über den Sicherheitsapparat. Das ist in jedem Land der Welt so und war immer so, warum sollte das in Österreich anders sein. Das Problem ist, daß sich die österreichische Regierung offensichtlich nicht dagegen wehren will oder nicht wehren kann. Ich würde fast sagen, sie kann sich nicht mehr wehren, weil sie auch keine Medien hat, wo sich das darstellt. Wenn die Polizei jemanden totschlägt — Gott behüte — dann ist das ein Skandal, aber das ist ein Skandal, der muß eigentlich mit dem Dienstrecht und durch Entfernung der Zellen, der Leute, die da tätig sind, aus der Welt geschafft werden. So weit verbreitet kann das nicht sein, daß man sagt — also daß die Abteilung sagt, das geht so nicht, den hau’ ma auße. Ist es ein Schwarzer oder ein Blauer, das ist uns wurscht, den entfernen wir. Das ist allerdings Personalpolitik und diese Art der Personalpolitik ist im Augenblick desavouiert. Das geht nicht. Das geht in keinem Ministerium, da ist die Geschichte sofort in der Krone und allen Zeitungen ...

Peter Kreisky: Sonst wird die Pragmatisierung abgeschafft, sicher aber nicht in der Polizei ...

Wortmeldung weiter: ... in den Zeitungen, wie denn die rot-schwarze Koalition Personalpolitik macht, nämlich genau auf die alte, schlechte Weise. Dieser Weg ist verbaut. Man muß das irgendwie anders machen. Dieser Weg ist verbaut, nachdem die österreichische Politik offensichtlich aus ein paar Halbwahnsinnigen besteht, die miteinander nicht können, das ist zumindest der Eindruck, den ich seit einiger Zeit habe. Gestern wieder im ZIB-Abendstudio, wie der Kanzler irgendwelche Sätze herausknödelt, entsetzlich! Ja, das wars eigentlich.

Irmi Novak: Als Ergänzung zum gestrigen ZIB-Abendstudio. Das hat mir als Frau sehr weh getan. Ich glaub’, da hat offensichtlich eine Journalistin hineingebissen in eine fürchterliche Frauenfeindschaft des Kanzlers und der ihn umgebenden Männer. Er hat ihr irgendetwas erklärt und hat dann grinsend nachgeschoben „Bin ich verstanden worden?“ und hat „Ha, ha“ gelacht. Rund um ihn haben fast gleichzeitig alle Männer laut zu lachen begonnen — unheimlich lustig, die Sequenz. Ich bin so froh, daß der ORF die drin lassen hat.

Peter Kreisky: das sind Stammtischzoten.

Irmi Novak: Es war entsetzlich und entsetzlich peinlich nämlich für alle die Männer, die da herum waren — inklusive den Kanzler.

Peter Kreisky: Ihnen wars nicht peinlich.

Irmi Novak: Ja, eh. Leider. (Frage aus dem Publikum: Vielleicht war es live) Nein, es war nicht live, es war ein Mitschnitt.

Aber eigentlich wollte ich ganz etwas anderes sagen: Ich stelle mich gerne zur Verfügung, etwas zu formulieren und in Form von ... Samisdat zu verteilen. Das ist sozusagen Undercover-Publikation. Das heißt, eine A4 Seite, vorne und hinten mit dem Fall — wie heißt der Afrikaner — mit dem Fall Lee und Deinem (zu Purtscheller) Foto, so formuliert, daß es wirklich stichhältig ist, wo aber auch überhaupt nichts zu beeinspruchen ist und dann so oft und überall wo möglich zu verteilen.

Und mit überall wo möglich meine ich auch ...

(Zwischenruf Gisela Vorrath: Im Parlament)

... meine ich auch bei der Gewerkschaft und bei der Gewerkschaft der Polizeibediensteten. Ich mach es nur nicht allein.

Gerhard Oberschlick: Irmi, wie willst Du denn wasserdicht formulieren, wenn, wie wir gehört haben, ab einem gewissen Zeitpunkt die Darstellungen der Polizisten diametral entgegengesetzt sind.

Irmi Novak: Als Mitglied der Mediengewerkschaft bestehe ich darauf, den Teil, den Purtscheller hier vorgetragen hat, abschreiben zu dürfen und, auf einem A4 Blatt zusammengeschrieben, zu verteilen.

Peter Kreisky: Es ist sicher in der radikalen linken Geschichte auch in Österreich, da ist sie ja nicht sehr groß oder intensiv, breit, stark, der Fehler gemacht worden und zum Teil wird er auch heute gemacht, indem sie ein pauschales Feinbild aufbaut, was ich für einen schweren politischen Fehler halte, mit „den Bullen“ und „das Feinbild Polizei“. Das, glaube ich, sollte man endgültig beseitigen. Und ich möchte alle, die damit politisch arbeiten, schärfstens warnen. Dazu ist die Situation politisch viel zu bedrohlich, um weiter sich solche gedanklichen Schlampereien — um es euphemistisch zu sagen — zu leisten. Das ist das eine.

Und das andere: Das hat ja leider nicht nur eine Geschichte in der Zwischenkriegszeit, sondern ich kann mich noch daran erinnern: Anläßlich einer der Anti-Schah-Demonstrationen, da habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt und da hat damals der seinerzeitige VSStÖ-Sekretär Gustav Glaser meinen Vater angerufen, alarmiert, weil vermutlich aus dem fahrenden Botschaftsauto der iranischen Botschaft ein regimefeindlicher Demonstrant hinausgeworfen worden ist, auf die Wiener Fahrbahn. Und die Polizei hat sich damals schützend vor die Savak gestellt.

Und da war ich Zeuge, mein Vater hat mich selber auf dem zweiten Gerät mithören lassen, wie er den damaligen Wiener Polizeipräsidenten Holaubek, der verteidigend für die Polizeiverdrängung oder Polizeischutz für die Falschen argumentiert hat, wie er den angeschrien hat — fast wörtlich, genau kann ich es nicht mehr wiedergeben, das war im Jahr 1967 glaube ich: „Ich weiß, es wird seit eh und je gedroschen auf vielen Wachstuben.“ Er hat das ja in den 30er Jahren auch selber erlebt während der austrofaschistischen Zeit und der beginnenden Nazizeit.

Das heißt, daß diese Erfahrung und Beobachtung sicher nicht für alle Wachstuben und nicht für alle Polizisten in ganz Österreich gilt, vor dem muß man sich hüten — und das macht eine schwierige Differenzierungsarbeit, indem man betont, daß es sehr wohl unterschiedliche Polizisten auf allen Hierarchieebenen gibt. Das zum einen.

Das zweite: Als für Jüngere nicht so bekanntes Phänomen: Es hat in der Kalten Kriegszeit eine Tendenz gegeben, sowohl von westlichen Geheimdiensten als auch von östlichen, aber in Österreich haben wir halt vorwiegend die westlichen in Kooperation mit der Polizei und Staatspolizei gehabt, wo man zum Tode verurteilte Menschen, in einem konkreten Fall ist es ein bekannter SS-Mann aus Belgien gewesen, der hat die österreichiche Staatsbürgerschaft bekommen aufgrund dieser Doppelintervention, als österreichische westliche Notwendigkeit. Er ist als mehrfacher Spitzel über Jahre ... (unverständlich) ... das heißt, es hat die Tendenz gegeben, parallel zu den sozialdemokratischen und kommunistischen Polizisten ... leider oft auch ... Stalinismus waren ... (unverständlich).

Zwischenruf Bailer-Galanda: Da waren die schon draußen, Peter!

Peter Kreisky: Ja, sie waren immerhin wachsam gegenüber ... Ja, einige sind geblieben, die meisten sind gesäubert worden unter Helmer und teilweise vermutlich ausgetauscht gegen alte Nazis und SS-Leute. Soweit eine historische Information.

Bailer-Galanda: Soweit ich die Namen habe, habe ich sie auch publiziert.

Peter Kreisky: Das ist die Geschichte dieser Entwicklung ... und zur aktuellen Gefahr der rahmenpolitischen Situation: Das darf nicht dazu führen, daß man jetzt noch niedergeschlagener ist oder noch hilfloser sich fühlt, sondern das muß uns wachsamer und aktiver machen. Und zu den Rahmenbedingungen: In Graz vor der EU-Abstimmung war es so, daß sich die zwei Parteien ÖVP und FPÖ geeinigt haben darauf im Landtag, Subventionen für die minimale jüdische Gemeinde dort und für die drei politischen Widerstandsorganisationen der ÖVP, SPÖ und KP zu streichen, gleichzeitig aber dem rechtsradikalen Organ Grazer Provenienz, der Aula, die Subvention zu erhöhen oder zumindest gleich zu halten ... das ist die eine Geschichte.

Und gleichzeitig eine Reihe von ÖVP-Politikern und manchen ehemaligen und noch immer SP-Politikern, die gegen die Ausgrenzung sind. Immerhin verdienstvollerweise von Vranitzky, wenn auch relativ inhaltsleer. In den letzten Jahren, dort wo es um Menschenrechte geht, ob In- oder Ausländer, daher mein Ausruf vorher „Heuchelei“, denn das ist zu einer Heuchelei geworden, diese verdienstvolle Haltung, daß es da Tendenzen gibt. Einer davon — das wird zumindest in Gewerkschaftskreisen geredet: In dem politischen Vakuum könnte der kommende Mann wieder der Androsch sein. Er wird auch in den Medien lanciert, von News und anderen angefangen. Und Androsch hat sich ausgezeichnet dadurch, daß er immer gewarnt hat vor der Ausgrenzung der FPÖ und jetzt von Haider auch als vorstellbarem Kooperations- und Koalitionspartner redet.

Gerhard Oberschlick: Vizekanzler unter ihm ...

Peter Kreisky: Ja, das kann sich der Haider vorstellen. Und das ist der Dank für die Ablehnung der Ausgrenzungspolitik, die Vranitzky zumindest mehr oder weniger auf der formalen Ebene betrieben hat. Die hat er (Anmerkung: Androsch) immer wieder, in News vor allem, attackiert. Und jetzt hat ihm das profil auch sehr die Mauer gemacht, als doch kommender Mann, der sich jetzt scheinbar links von der Mitte etabliert. Das nur zu dem Rahmen, den man auch nicht verdrängen soll.

Und in dem Zusammenhang auch wichtig: Diese Rufe nach einem sozialdemokratischen Populisten, der dem Haider paroli bieten kann, aber gleichzeitig sich vielleicht mit ihm sehr rasch verbündet, das halte ich für eine eminente Gefahr neben der kleinen Koalition. Ob das jetzt FPÖ-Regierung mit parlamentarischer Unterstützung ist oder was immer.

Das sind Szenarien, die vor uns stehen und ich glaube, da müßten wir aus dem biedermeierlichen Dämmerschlaf, in dem wir uns befinden, aufwachen und über diese Wehleidigkeit, die wir dann immer gewohnt sind — ich schließ’ mich da auch nicht aus — angesichts dieser dramatischen Bedrohungen doch mehr Energie aufbringen, um noch viel viel schlimmere Verhältnisse abwehren zu können.

Und eines noch: Zur Medienlandschaft. Einer der sehr verdienstvoll ist, obwohl ich ihn in vielen Fragen kritisiere und manche hier, die ihn gern lesen, Hans Rauscher: In der Auseinandersetzung mit Faschismus ist er sehr konsequent und auch mutig, will ich meinen. Da hat ein führender österreichischer Redakteur bei einer Tagung, wo ich anwesend war, bei einer ökonomisch-sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Tagung, dem Kautsky-Kreis, Lingens, der auch seine großen Schwächen, aber in manchen Punkten recht hat, der hat gesagt: Rauscher sei gefährdet von der Herausgeberseite her, denn diese Schreibweise kostet dem Kurier immer wieder Auflage. Das war historisch so auch bei der Borodaikjewic-Frage, das hat Lingens auch wieder in Erinnerung gerufen, das hat dem Kurier Auflage gekostet, es hat in der Waldheim-Frage — eine immerhin wackelige Position des Kurier, hat es Auflage gekostet, die Schreibweise gegen Haider kostet ihm Auflage und er gehört noch dazu zum selben Konzern, dem die Krone angehört. Das heißt, die wenigen — und da sollte man nicht zu wählerisch sein und nur die die konsequent in allen Fragen sind, sondern auch die, die partielle Bündnispartner sind, ernst und wichtig nehmen, in den Zeitungen, die größere Auflagen haben vor allem — auch Standard und Kurier.

Und die Szenerie hat sich im Herbst dramatisch verschlechtert. Ein leitender Redakteur aus Wien hat mir vor ein paar Wochen knapp vor Weihnachten gesagt, es war bei Abschiebungsgeschichten von straffällig gewordenen Ausländern der zweiten Generation d.h. Kindern von sogenannten Gastarbeitern und Gastarbeiterinnen, die ja jetzt faktisch abgeschoben werden können, wenn sie ein Verbrechen begangen haben ... (unverständlich) ... klar geworden, daß die Handhabung in der Justiz und auch in den Medien, auch in den kritischeren Medien gegenüber rechtsradikalen Entwicklungen, viel toleranter und nachsichtiger geworden ist. Schlagartig in der Justiz. Da gibt es diese Fälle rund um diesen Sohn — Schimanek — und andere Fälle ... eine Serie in profil und Standard, da wurde breitflächig darüber berichtet. Nun war das sicher nicht Bösartigkeit oder Blindheit, aber es verschieben sich in diesen Bereichen ... (unverständlich) ...

Wortmeldung: Zu Polizei und Personalvertretung ... Es ist bei uns immer noch so in diesem Land, daß der Polizist als anonymes Wesen in Uniform und ... sich im vollen Bewußtsein seiner Anonymität befindet und dem Staatsbürger gegenüber entfremdet. Wir haben vor einiger Zeit eine Diskussion darüber gehabt, ob nicht die uniformierten Polizisten mit Namensschildern versehen werden sollten, was, finde ich, viel dazu beigetragen hätte, daß man den Menschen als Partner des Menschen erkennt, und nicht den uniformierten Büttel, der vielleicht schon jahrhundertealte Tradition hat. Und nicht zuletzt durch den starken Einspruch der Personalvertretungen ist sowas nicht zustande gekommen ...

Das zweite ist, daß man gelegentlich Medienberichte liest über die Ausgänge von Disziplinarverfahren gegen Polizisten. Da kann man dann meistens nichtssagend oder eine Lappalie lesen und der Bericht ist immer der, daß es aufgrund der starken Personalvertretung abgewürgt wurde. Das heißt aber im Endeffekt, daß sich die Personalvertretungen damit solidarisieren, wessen diese Beamten beschuldigt werden oder mit dem, was sie auch tatsächlich getan haben. Also ist da in der Gewerkschaft etwas nicht in Ordnung.

Purtscheller: Also da muß ich eines noch ad hoc sagen: In meinem Fall gibt es noch einen Fall, den muß man jetzt auch noch erwähnen, und zwar mit dem Haider. Es hat nämlich der Haider, das ist ziemlich untergegangen in der Öffentlichkeit, zu der Geschichte Stellung genommen. Am Mittwoch vor den Nationalratswahlen war am trüben Nachmittag im Gösser-Keller eine Veranstaltung der AUF-Polizisten zum Wahlkampf. Da hat zuerst die Frau Höbinger geredet und unter anderem gesagt, die Leute von amnesty international, die da bei uns auf den Wachzimmern hin und hergehen, die gehören sofort in den Kotter geschmissen, das ist unerhört, was die da machen. Und dann hat der Haider geredet.

In der Presse ist davon nur der eine Satz zitiert worden „Es ist doch schön, wenn man einen lästigen Linken einmal ein bißchen zur Räson bringen kann.“ Gegangen ist es da um mich, und das bestätigt auch der Michael Völker, mich haben nämlich nachher zwei Polizisten angerufen und erzählt, wie das genau war. Der Haider hat gesagt, da ist dieser Herr Purtscheller, dieser linke Chaot, der uns ununterbrochen in die Zeitungen anpatzt und die Exekutive a, und der da amal, wennst ’n derwischst, ‚Menschenrechte‘ schreit. Und dann war eben der Schlußsatz — „aber sein ma uns do ehrlich, ist doch schön, wenn man so einen lästigen Linken einmal ein bißl zur Räson bringt.“ — Donnernder Applaus von etwa 200 Polizisten und die Höbinger hat a klatscht.

Man muß dazu sagen, daß davon a Drittel ungefähr leitende Beamte waren. Es ist net so, daß des die Basis war, sondern es waren hauptsächlich Personalvertreter, handverlesene FPÖler und dazu Offiziere usw. aus diesem Bereich. Und die Sache ist dort — zwei Offiziere, von denen ich annehme, daß sie nicht zur FPÖ gehören — haben mich unabhängig voneinander zwei Wochen später informiert, daß es da um mich gegangen ist, und daß dieser Satz in der Presse gefallen ist.

Und ich meine, in einem normalen demokratischen Rechtsstaat müßte eigentlich jeder von den Gestalten, die dort applaudieren, sofort vom Dienst suspendiert werden, weil das auf jeden Fall das Gutheißen einer mit Strafe bedrohten Handlung ist nach Österreichischem Strafgesetzbuch, wenn den Leuten, die mich gefoltert haben, und das ist ja eindeutig aus dem Wortkontext hervorgegangen, auf die Schulter geklopft wird. Ich denk mir, das ist etwas, das Leuten, die den Herrn Löschnak ... das war am 5. Oktober oder so ... da ist mir schwummerig geworden. Ich bin sonst nicht ein übertrieben ängstlicher Mensch, sonst könnte ich das nicht machen, was ich sonst mache. Aber da ist mir anders geworden, daß da sozusagen vollkommen unwidersprochen von der Öffentlichkeit oder irgendwelchen Behörden, daß es möglich ist, daß der Führer einer rechtsextremistischen und laut Löschnak staatstragenden Partei sowas nicht nur erwähnt sondern auch noch lobt und daß anschließend die 200 Polizisten, die dort sind, das auch noch akklamieren. Das war, so ist es mir geschildert worden, so ein bißl eine Hofbräuhausstimmung. Die haben um 12 angefangen, sich zuzumachen. Und holladrio! Jetzt geb ma ’s den Schweinen und die Höbinger hat ordentlich aufgeheizt ... Dann ist der große Meister gekommen, und hat den Satz gesagt, zu dem der Presse-Redakteur steht, daß er so gesagt worden ist ... Das ist für mich ein Zeichen, daß die Selbstreinigungsmechanismen ja überhaupt nicht mehr funktionieren können, denn normalerweise müßte gegen die Leute, die dort waren, und das auch zugestehen, gerichtlich vorgegangen werden. Das ist ja etwas, was man normalerweise bei einer Honsik-Veranstaltung hört ... vor allem, wenn es so Personen- und so kriminalitätsbezogen ist ...

Erich König: Im Namen der drei Veranstalter — Mediensektion, Republikanischer Club und Journalistengewerkschaft — möchte ich mitteilen, daß wir uns zusammensetzen werden und diskutieren, wie man Journalisten möglichst schnell über solche Dinge informieren kann. Und wir werden versuchen, ein antifaschistisches Netzwerk zumindest in den Ansätzen aufzubauen. Ich würde den Wolfgang bitten, daß er auch dran teilnehmen wird, bzw. daß wir auch mit dem Dokumentationsarchiv sprechen, weil ... es müssen Informationen, die da sind auch aufbereitet und weitergegeben werden. Und vor allem müssen aktuelle Informationen möglichst schnell weitergetragen werden.

Zum Vorschlag Irmi Novaks: Sollen wir das noch diskutieren? (Novak: Dazu ist die Zahl hier zu groß, aber wer mitarbeiten will, könntest Du abfragen) Also: Wer mitmachen will, bitte, beim Ausarbeiten von schriftlichem Material, möge sich melden — und hier vorne seinen Namen und seine Adresse bekanntgeben.

Georg Tidl teilt mit, daß die Mediensektion im selben Rahmen plant, eine Diskussion über den Tod des Jugendlichen nach dem Freiheitskommers in Innsbruck — der doch kein Selbstmord war — zu veranstalten. Es soll versucht werden, in diesem kleinen Rahmen eine größere Öffentlichkeit zu finden. Und die Themeninitiative Medien wird versuchen, darüber hinaus noch eine größere Öffentlichkeit anzusprechen.

Peter Kreisky gibt bekannt, daß das Bulletin des Clubs mit einer Auflage von 5000 Stück selbstverständlich auch für derartige Informationen geeignet ist.

Brigitte Bailer-Galanda informiert vor allem die anwesenden Journalisten über das Archiv: Montag bis Donnerstag ist offen von 9 bis 17 Uhr, in dringenden Fällen auch Freitag. Und alle Mitarbeiter sind stets gerne bereit so rasch und so informativ wie möglich zu helfen und mit Unterlagen zur Seite zu stehen, soferne sie vorhanden sind. Umgekehrt ist das Archiv aber auch dankbar über alle Unterlagen wie z.B. Flugblätter usw., weil es von dem lebt, was es bekommt. Es hat keine Spitzel in der Szene.

Impressum: Eine DTP-Publikation aus der Textfactory • A-1160 Wien, Reizenpfenninggasse 4, Telefon und Fax: 0222/9143421

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