Streifzüge, Heft 30
März
2004

„Je mehr Magenschmerzen, desto süßer lächeln sie“

Positives Denken – vom Esoterik-Ideologem zum klassischen Gleitmittel

In seinem Roman „Herrn Kukas Empfehlungen“ schildert Radek Knapp höchst treffend die anstandslose Unterordnung unter den Guru Verwertbarkeit. Sein junger polnischer Held, zum ersten Mal nach Wien gereist, ist bass erstaunt über die Sitten im goldenen Westen. Die Menschen „sitzen vierzehn Stunden am Tag über ihren Computern. Ihre ganze Abwechslung liegt darin, dreimal am Tag auf die Toilette zu gehen, und das Essen holen sie aus einem Automaten, der auf dem Flur steht. Sie verzehren es über ihren Computertastaturen. Die Hälfte davon landet zwischen den Tasten, und sie merken nicht mal was davon. In ihren Armani-Sakkos tragen sie eine ganze Apotheke gegen Kopfschmerzen und Gastritis. Nach Büroschluss sehen sie wie Zombies aus. Aber glauben Sie, dass sich jemals einer deswegen beschwert hätte? Im Gegenteil. Je mehr Magenschmerzen, desto süßer lächeln sie.“

War Positives Denken, einst Esoterik-Ideologem, ist es nunmehr zum selbstverordneten Gleitmittel für die bedingungslose Anpassung an die herrschenden sinnlosen, wahnsinnigen Verhältnisse geworden.

Volkshochschulen – gespenstische Stätten der Stählung der „automatischen Subjekte“

Volkshochschulen (VHS), einst gesellschaftskritischer Hort, sind im Laufe der vergangenen beiden Jahrzehnte immer mehr zu einer wahrlich gespenstischen Stätte der Stählung der „automatischen Subjekte“ mutiert.

Aus dem Kursprogramm zweier Wiener Volkshochschulen vor ein paar Jahren:

  • „Kraft und Wirkung von Gedanken: Unsere Gewohnheiten kreieren unsere eigene Welt. Es gibt kaum eine größere Kraft als die Kraft unserer Gedanken, und körperliche sowie seelische Gesundheit hängen davon ab. Erst wenn wir anfangen, die Verknüpfung von Gedanken, Gefühlen und Handlungen zu verstehen, können wir Eigenverantwortung übernehmen und die Qualität unseres Lebens bestimmen. Unser Schicksal liegt in unserer Hand.“

Die Esoterik predigt seit Jahrzehnten: Das Bewusstsein schafft die Realität, durch dein Bewusstsein schaffst du dir deine eigene Realität. Jeder ist seines Glückes Schmied. Alles, was dir passiert, ist notwendig und gut, weil es dein Karma ist.

Im VHS-Programm klingt’s fast genauso, aber nicht etwa in Ankündigungen esoteriknaher Kurse, sondern in jenen der unzähligen Selbstmanagement-Kurse.

  • „Stressbewältigung: Der Stresspegel ist rapide angewachsen. Das Leben befindet sich auf der Überholspur, um den beiden Verfolgern, nämlich dem chronischen Erschöpfungssyndrom und dem Erleben eigener Unfähigkeit, zu entkommen. Bauen Sie sich wieder auf und werden Sie belastbarer!“
  • „,Krieg‘ am Arbeitsplatz – Den Kampf gewinnen: Die Luft am Arbeitsmarkt ist dünn, das Raumklima dementsprechend: Ungerechtes Gehalt, aufreibende Arbeitszeiten, schlechte Stimmung unter den Kollegen, Arbeitsdruck, Konkurrenz, Neid, Mobbing, despotische Chefs und schlechte Aufstiegschancen machen vielen Menschen den Berufsalltag zur Hölle. Harmonie ist nicht immer erreichbar, einen Kampf zu gewinnen aber allemal besser als ihn verlieren.“
  • „Ohne Wollen geht nichts! Key Mind – der neue Weg zur Selbstmotivation: Können Sie nur das tun, was Sie wollen? Schön wär’s! Wir haben tagtäglich auch jede Menge Aufgaben zu erledigen, die wir uns nicht ausgesucht haben und die uns keinen Spaß machen. Damit verdeckte Widerstände nicht zu heimlichen „Energiefressern“ werden und wie Sie mit inneren Widerständen konstruktiv umgehen.“

Neben all den unzähligen „Durchhalte“-Kursen gibt es keinen einzigen, der den menschenverachtenden Alptraum kritisch hinterfragt, keinen einzigen, der die Mechanismen durchleuchtet, warum alle, ohne mit der Wimper zu zucken, blindlings ihr eigenes Grab buddeln und sich dabei einreden, ein Haus zu bauen.

Das Gegenteil von Positivem Denken ist keineswegs Negatives Denken, sondern schlicht Kritik und Veränderung in Richtung Emanzipation. Legionen von ArbeitslosentrainerInnen, Legionen von Arbeitslosen, Legionen von Arbeitslosenverwaltern, Legionen von Angestellten in Sozialinstitutionen – darunter zahlreiche frühere lautstarke GesellschaftskritikerInnen – beten heute jedoch inbrünstig die makabren Litaneien des Marktes. Nirgendwo ist die Rede von all den Arbeitslosen, die sich das Leben nehmen, weil ihre „Wert“losigkeit unerträglich ist – sie werden höchstens als Kranke abgehakt. Kein Aufschrei ob der sozialen und gesundheitlichen Folgen des täglichen Kampfes: von der Ausdünnung der zwischenmenschlichen Beziehungen bis hin zu Herzinfarkt und Gehirnschlag bei 30- und 40-Jährigen.

Dazu hat die Esoterik unermüdlich ihr Scherflein beigetragen, indem sie seit zwei Jahrzehnten die Flucht in Scheinwelten übt und damit dem Zugang zu grundsätzlicher Kritik im Wege steht.

Jeder ist sein eigener Sklaventreiber

In der gesamten Arbeitswelt und noch stärker in der Arbeitslosenwelt ist jede/r vom (inneren) Zwang zum Positiven Denken beherrscht. Wer seinen Arbeitsplatz erhalten und noch mehr, wer wieder einen ergattern will, hat nur so vor Optimismus und Charme zu strahlen. Frappant: Business- Adepten ist dasselbe entrückte Lächeln, besser gesagt Grinsen, ins Gesicht gemeißelt, wie es einst nur esoterisch Entrückten und Sektengurus eigen war.

Von Arbeitslosen wird behauptet, sie hätten den Dreh noch nicht raus. Sie werden vom Arbeitsamt mit Kursen zwangsbeglückt, in denen sie in die Geheimnisse des Positiven Denkens eingeweiht werden: Ihnen wird eingebläut, sie müssten alle Ängste, Zweifel und schlechten Erfahrun- gen einfach beiseite schieben, stattdessen bräuchten sie nur vor Optimismus und Überzeugung zu strahlen wie ein Sieger, sie bräuchten nur vollkommen überzeugt zu sein, einen Job zu finden, dann bekämen sie auch einen.

In einer Welt, die immer mehr an ihren Widersprüchen zugrunde geht, in der der Schein längst mehr zählt als alles andere, ist Positives Denken das wirksamste Mittel zur Anpassung. Früher wurden Sklaven brachial zur Arbeit gezwungen, heute ist jeder sein eigener Sklaventreiber – ganz positiv eingepeitscht.

Früher, als es noch etwas nützte, machten Arbeitslose eine Ausbildung oder eine Umschulung. Heute geht es nicht mehr darum, dass die Arbeitskraft reale Vernutzungsfähigkeiten anzubieten hat, sondern um Selbstvermarktungstechniken und Autosuggestion. Heute gibt’s von den Arbeitslosenverwaltern statt Jobs Durchhalteparolen. Durchhalteparolen wie in einem Krieg, der längst verloren ist. Wer glaubt denn wirklich, dass die Arbeitslosen wegzuphantasieren seien? Wer glaubt denn wirklich, dass die Arbeit noch zu retten ist?

Rationale Irrationalität und irrationale Rationalität – eine mörderische Co-Produktion

Positives Denken, Visualisierung – oder wie immer es genannt werden will – mag durchaus seine Berechtigung haben; zum Beispiel, um seine Gesundheit zu verbessern oder sie wiederzuerlangen. Wer denkt schon immerzu negativ? Wer beschwört schon permanent eine Self-fulfilling Prophecy herauf? In der Arbeitswelt und im Umgang mit Arbeitslosigkeit haben solche Psychotechniken aber nur die Funktion, selbst die offensichtlichsten gesellschaftlichen Verrücktheiten zum Privatproblem umzufunktionieren und für deren Bewältigung jeden Einzelnen verantwortlich zu machen. Im Lichte des Positiven Denkens erscheint nie der Zwang, das Leben vollständig auf die Kriterien betriebswirtschaftlicher Rationalität auszurichten, als aberwitzig. Als irrational werden immer nur die psychischen und biologischen Barrieren gegen diese Zumutungen bezeichnet. Das Positive Denken spart nicht an Tipps zum Wegretuschieren nachteiliger lebensgeschichtlicher Details. Diese Techniken des Selbstmarketings helfen jedoch selten, schließlich ist jeder Personalchef mit den standardisierten Tricks längst vertraut. Wer nicht das richtige Alter, die nötige Erfahrung oder gar Kinder hat, bleibt trotzdem ohne Chance. Wer durch die Schule des Positiven Denkens gegangen ist, lernt höchstens, dass alles Unverwertbare an der eigenen Biographie den Status einer Behinderung hat und dass die Kriterien der Arbeitskraftkäufer die einzig verbindlichen sind.

Die esoterisch unterlegte Rückbesinnung auf die „inneren Kräfte“ und den „eigenen Weg“ versprach einmal einen gewissen Abstand zu den äußeren Zwängen des Daseins und Erlösung von falschen Schuldgefühlen. Heute erfüllt sie genau die umgekehrte Funktion. Das Positive Denken hilft nicht nur bei der Durchsetzung totaler Anpassungsbereitschaft, es macht Menschen permanent für Umstände verantwortlich, für die sie nicht das Geringste können. Dass auf dem Arbeitsmarkt die gesellschaftlichen Verhältnisse nichts seien und der reine Wille alles, wird offiziell als Ermutigung verkauft; diese Botschaft hat aber eine Vorverurteilung zum eigentlichen Kern: Misserfolg beweist, der Erfolglose war des Erfolgs nicht wert. So spiegelt sich im Positiven Denken eine ins Diesseits verlegte Wiederkehr der calvinistischen Prädestinationslehre.

Die aus der Rationalität der Gesellschaft erwachsene Irrationalität der Esoterik geht immer wieder in der Rationalität der Gesellschaft auf.

Infantile Omnipotenzphantasien

Traditionell verbindet man mit dem Prozess des Erwachsenwerdens so etwas wie zunehmende Einsicht in die eigenen Möglichkeiten. Als erwachsen gilt, wer eine realistische Vorstellung jener Schranken entwickelt hat, die seiner eigenen Person durch Biographie, Charakter und soziale Umstände gesetzt sind. Infantiles Verhalten ist demgegenüber von Omnipotenzphantasien geprägt und schwebt (noch) traumtänzerisch über solche Grenzen hinweg. Das Positive Denken stellt diese Ordnung auf den Kopf, aber nicht in einem emanzipativen, sondern in einem durch und durch repressiven Sinn. Positives Denken steht nicht für den Traum, die eigenen Grenzen überschreiten zu können, sondern für den Zwang, permanent den Eindruck erwecken zu müssen, dazu jederzeit in der Lage zu sein. Allmachtsträume sind nichts mehr, was Menschen besser verstecken, wenn sie von ihrer Umgebung als zurechungsfähig anerkannt werden wollen. Sie sind als Vermarktungsargument zu präsentieren. Psychologisch betrachtet ist Positives Denken somit als kontrollierte Einübung in Regression und infantilen Größenwahn zu charakterisieren. Es führt Menschen zurück in die Entwicklungsstufe des magischen Denkens. Ein klinisches Symptom ist zum Sozialisationsziel aufgestiegen.

Die Arbeits„kirche“ nimmt immer sektenhaftere Züge an

Heute ist nicht mehr allein die Arbeitskraft gefragt, sondern der „ganze Mensch“ hat sich einzubringen – nach dem Vorbild des Künstlers oder des Sportlers. Ein pseudomenschliches Management, das anstatt auf Soft Skills und Selbstverantwortung auf klassische Hierarchien setzt, verhilft zur Vollauspressung bis an die physischen und psychischen Grenzen. Seine klassische Ausprägung hat diese Tendenz in der New Eco- nomy gefunden. In diesem Sinne werden heute alle trainiert – vom Arbeitslosen bis zum Manager –, um für den Konkurrenzkampf gestählt zu sein: von Autosuggestion bis zum berüchtigten Survival-Kurs wird so manches mit ihnen angestellt. Solch Inszenierungen und Methoden sind jenen von Sekten nicht unähnlich. Etwa der in Wien lange Zeit für alle Arbeitslosen gleich zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit zwingende „Bewerbungs-Impulstag“ ähnelte frappant einer „Gehirnwäsche“. Wie ein Fernsehprediger besprengte der Trainer die versammelten 500 Arbeitslosen mit Wortgeklingel:“ Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig, aber man braucht nur von der Schattenseite in die Lichtseite treten.“

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Sekten und der Zurichtung von Humankapital für den Arbeitsmarkt ist eine Regression bis zur Infantilisierung: immerzu lächeln, immer super-gut drauf sein, das Leben ist ein Hit! Selbstindoktrination jenseits jeglicher Realität. Früher wurde Realitätsverlust als psychische Krankheit betrachtet, heute wird er kollektiv verordnet.

Schließlich sorgt sowohl bei Sekten als auch in der Arbeitswelt oftmals eine Uniformierung der Kleidung – Stichwort Corporate Identity – einerseits für eine Beschränkung der Individualität und bietet andererseits eine Identifikationsmöglichkeit.

Das kommt hier wie dort einer negativen Aufhebung der Trennung von Arbeit und Privatheit gleich. Sowohl Sektenmitglieder als auch immer mehr jede Arbeits„monade“, und jeder Arbeitslose erst recht, stehen rund um die Uhr im Einsatz.

Job und Weiterbildung als Pyramidenspiel

Die negative Aufhebung der Trennung von Arbeit und Privatheit betrifft nicht nur das rund um die Uhr Arbeiten der Ich-AGs oder Angestellten, sondern in variierter Form das Jobben im so genannten Strukturvertrieb, im Schneeballsystem. Arbeitslose stoßen bei der Arbeitssuche unweigerlich immer wieder auf Organisationen, die solcherlei anbieten. Was sich einst als klassische Tupperware-Party präsentierte, ist heute zum finanziellen Überlebenskampf für viele geworden. Bei dieser Verkaufsmethode, geht es nur bedingt darum, viel zu verkaufen, sondern darum, neue VerkäuferInnen zu finden, an deren Umsatz man mitverdient. Das Ganze ist hierarchisch, wie ein Pyramidenspiel, aufgebaut. Die ganz oben sind, können womöglich tatsächlich gut verdienen, aber je weiter unten man steht, desto aussichtsloser ist das Unterfangen. Wer rechnen kann, wird merken, dass bald die halbe Erdbevölkerung zu MitverkäuferInnen werden müsste, damit es sich auszahlt. Die meisten, die sich auf solche Machenschaften einlassen, kommen nicht ohne riesigen Schuldenberg davon. Über einen exemplarischen Fall berichtete der WDR am 29. März 2001. Ein junger Mann nahm einen Kredit von 70.000 DM auf, um den Vertrag, die Waren und das nötige Outfit zu finanzieren. Er schaffte es nicht, seinen Irrtum den Angehörigen gegenüber einzugestehen und nahm sich das Leben.

In Deutschland gibt es zwar ein Gesetz, das Strukturvertrieb („progressive Kundenwerbung“) verbietet; weil dieser aber oft schwer nachweisbar und das Strafausmaß gering ist, kommt es selten zu Verurteilungen.

Mit kultähnlich inszenierten (Werbe-) Abenden werden sowohl potentielle KäuferInnen als auch (potentielle) VerkäuferInnen bei der Stange gehalten. Geworben wird immerzu mit Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Glück und Reichtum, und bei der legendären Firma Herbalife natürlich auch mit Gesundheit. Überdies können bei dieser Verkaufsform private Kontakte leicht getrübt oder zerstört werden, wenn man Freunden etwas andreht, das sie von einem Fremden nicht kaufen würden.

Zur Zeit grassiert ein wahrer Weiterbildungs- und Coachingwahn. Wenn sonst schon nichts mehr verkauft werden kann, versucht man eben, den Arbeitslosen, die vor Arbeitslosigkeit rettende Idee anzudrehen. Bewerbungsratgeber, in Buchform als auch in Person, gibt es wie Sand am Meer. So verwundert es nicht, dass es bereits auch Persönlichkeitsbildungsseminare im Strukturvertrieb gibt – äußerst kostspielige, mit nur vage angedeuteten Inhalten, aber garantiert mit sektenartiger Indoktrination.

Seriöse oder dubiose Weiterbildungen?

Verbraucherschutz-Organisationen und Sektenberatungsstellen der evangelischen und katholischen Kirche warnen immer öfter vor Aus- und Weiterbildungen, für die Unsummen hinzublättern sind und deren Brauchbarkeit meist gering ist. Neuerdings suchen immer mehr Menschen Sektenberatungsstellen auf, die sich Sorgen um Angehörige machen, die durch berufliche Weiterbildungen oder Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung ein völlig verändertes Verhalten und Bewusstsein an den Tag legen. Es zählt nur mehr der berufliche Erfolg; alles andere – ihre Familie, ihr Privatleben – nehmen sie kaum mehr wahr, sie haben weder Zeit noch Energie dafür. Die Zahl der Menschen, die sich in Unkosten stürzen, die ihre ganze Freizeit opfern, weil sie den Erfolgsversprechungen erliegen, nimmt immer epidemischere Ausmaße an. Der Trend geht zur Zeit in Richtung lang dauernde und teuere Seminare, die die TeilnehmerInnen meist selbst finanzieren. Zur Zeit der absolute Renner in Deutschland: „Fasten, Schweigen, Meditieren“. Dieses Seminar dauert neun Tage, in denen den Leuten das Essen, das Reden und jeder Kontakt zum anderen verboten wird. (Der Standard, 20. /21. Dezember 2003, Von der Wiege bis zur Bahre gibt es nicht nur Seminare)

Die Sektenberater versuchen, eine Unterscheidung zwischen seriösen und dubiosen Weiterbildungen aufzuzeigen. Sie meinen, wenn dabei der Mensch, der Partner, Familie und Freunde auf der Strecke bleiben, wenn das Selbstbestimmungsrecht beschnitten wird, sei äußerste Vorsicht geboten. (Süddeutsche Zeitung, 7. Juni 2003, Interview von Otto Fritscher mit Axel Seegers und Rudi Forstmeier, zwei Münchner Beratern in Sachen Sekten und Weltanschauungsfragen)

Es scheint jedoch mehr als fragwürdig, ob eine Trennung in gute und schlechte Seminare möglich ist. Was ist mit all den zwangsweise verordneten, oft unnützen Weiterbildungen für Arbeitslose? Was ist mit all den Aus- und Fortbildungen, die den TeilnehmerInnen weder Job noch berufliches Weiterkommen bringen?

Noch abstruser wird es, wenn bezüglich Weiterbildungen gefragt werden soll, ob der Mensch, der Partner, Familie und Freunde auf der Strecke bleiben oder ob das Selbstbestimmungsrecht beschnitten wird. Diese Frage sollte allen voran hinsichtlich der Arbeit selbst gestellt werden! Als ob es heute noch Jobs gäbe, die das Selbstbestimmungsrecht nicht beschneiden würden, Jobs, bei denen der Mensch, der Partner, Familie und Freunde nicht auf der Strecke blieben, ganz zu schweigen vom Raubbau an der Gesundheit! Ist all das für die Herrn und Damen Sektenberater seriös? Die simple dualistische Einteilung in Seriös und Dubios, in Gut und Böse greift nicht und lenkt davon ab, dass „Auswüchse“ nur eine Fortsetzung der Normalität sind. Das Dubiose ist lediglich eine logische Weiterentwicklung des Seriösen. Niemand will wahrhaben, dass die Grenze zwischen Seriös und Dubios immer mehr verschwimmt. In Zukunft werden sich die Grenzen zwischen Arbeit, Weiterbildung, Glücksspiel und Sekte wohl noch viel mehr auflösen.

Vorabdruck aus „Dead Men Working – Gebrauchsanweisung zur Arbeits- und Sozialkritik in Zeiten kapitalistischen Amoklaufs“, hg. von Ernst Lohoff, Norbert Trenkle, Karl-Heinz Lewed, Maria Wölflingseder, das im Juni 2004 im Unrast Verlag erscheint.

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