FORVM, No. 212/I-IV
August
1971

Katalog der schicken Ideen

Marginalien zu G. N.s „Wir Männer sind Schweine“

Von Heidi Pataki, 1940, erschien 1968 bei Suhrkamp der Lyrikband „schlagzeilen“ (Vorabdrucke NF Mai 1968, S. 350). In der „edition literaturproduzenten“, Verlag für Jugend und Volk, Wien, ist ein Band zur Frauenemanzipation „fluchtmodelle“ (Arbeitstitel) von ihr in Vorbereitung. Sie lebt in Wien als Literaturkritikerin (hauptsächlich für westdeutsche Rundfunkanstalten) und übersetzt aus dem Serbokroatischen (zuletzt: Zivotić, Marxistische Werttheorie).

Den Mann ein Tier zu nennen, heißt ihm schmeicheln. Er ist eine Maschine, ein Gummipeter auf zwei Beinen.

Valerie Solanas

Frauenemanzipation ist der Wahlschlager der Saison. In ihrem Konkurrenzkampf um die Gunst der Wählermassen sind die politischen Parteien zu guter Letzt auf die Frauen verfallen. Um dieses brachliegende Potential sich gefügig zu machen, wird nun mit ähnlichen Methoden an das weibliche Bewußtsein appelliert, wie sie die Wirtschaft in der Reklame verwendet: abgestimmt auf das Image der Hausfrau, die den Handel urıd Wandel durch Kaufzwang in Schwung halten darf.

Die radikalen Besserungsvorschläge, welche diese neuen Vorkämpfer der Emanzipation anzubieten die Stirn haben, können sich sehen lassen. Die Konservativen verweigern der Frau zwar Abtreibung und Pille, wollen statt dessen jedoch streng darauf achten, daß in den Massenmedien die „weibliche Ehre“ gewahrt bleibe — vermutlich jene Ehre, die „einen halben Zoll vom Arsch abliegt“ (A. Lichtenberg). Die sozial Progressiven dagegen meinen es aufrichtig gut mit den Frauen: sie plädieren für die Auszahlung eines Hausfrauengehalts durch die Wirtschaft.

Dieser Vorschlag gebärdet sich auf den ersten Blick recht akzeptabel, eigner Herd scheint hier noch Goldes wert. Auf den zweiten Blick mag jedoch das dicke Ende abzusehen sein. Diese sogenannte Wirtschaft (ein verdächtig vager Begriff) — wird sie sich, wenn sie schon das Gehalt ausbezahlt, nicht auch das Recht nehmen, die Arbeit der Hausfrau zü überwachen, das Ausmaß ihrer Leistung festzusetzen und zu kontrollieren? Eine Hand wäscht die andere, und bereits im rein theoretischen Bereich müßte man diesen gesegneten Gedanken als Gewäsch bezeichnen. Denn an der Stellung der Frau gegenüber dem Mann würde durch dieses Gehalt nichts Fundamentales verändert — die Gattin erwürbe sich damit höchstens einen größeren finanziellen Spielraum, ein besseres Nadelgeld. Nach wie vor bliebe sie die Ehesklavin, und als Draufgabe wäre sie noch die Angestellte des Unternehmers: anstatt 1 Ehemann hätte sie 2 Männer zu Vorgesetzten.

Ebenso wird jener Vorwurf nicht so leicht von der Hand zu weisen sein, daß das Hausfrauengehalt auch pragmatisch ein Unding darstelle und nicht funktional sei. Ließe sich der Gatte denn nicht dazu verleiten (was er hat, hat er), seinen eigenen Lohn zur Gänze für sich zu behalten, sich also das Wirtschaftsgeld zu ersparen, in festem Vertrauen darauf, daß die „Wirtschaft“ ohnedies glänzend für seine Gesponsin sorge? Und sollte der Ehemann sich auch so sehr korrekt verhalten, sein normales Gehalt nicht bloß im Wirtshaus zu versaufen — wohin anders trügen denn die Hausfrauen ihren Geldanteil, wenn nicht ins Kaufhaus? Womit sie ja der Konzentration des Kapitals weiter dienen.

Das Hausfrauengehalt bedeutet also nichts anderes als die Integration der Frau in die kapitalistische Industrie.

Man wird vielleicht zugeben, daß diese Methode kaum dazu geeignet ist, die Lage der Frau zu bessern, ebenso wenig wie das damit gekoppelte Festhalten an der Institution der Ehe. Überhaupt weisen die emanzipatorischen Anstrengungen gewisse Parallelen auf zu jener humanitären Psychiatrie, welche die trübseligen Überreste eines irrationalen, unberechenbaren, kurz — des wahnsinnigen Verhaltens gesellschaftlich nützlich machen will. Und ist nicht die Ehe ein Institut wie das Irrenhaus, das die Geisteskrankheit, die es selbst erst hervorgebracht hat, auf ewig inkurabel erhält?

Im 19. Jahrhundert ging’s bei den utopischen Sozialisten schon aus einem anderen Ton; sie gaben sich nicht damit ab, kleinliche Veränderungen anzubringen, sie postulierten vielmehr die Abschaffung von Ehe und Familie, die Vergesellschaftung der Privatsphäre und vor allem der Kinderaufzucht. Die Lektüre Fouriers etwa entlarvt die Heuchelei der aktuellen Emanzipationsphrasen. Wie die Made im Speck sitzen heute die Opinionleaders der freien Welt in ihrem larmoyanten Status als Ehekrüppel, mit dem verwöhnten Weibchen daheim, dem hilflosen Hausmütterchen, der strengen Gemahlin, dem blutsaugerischen Zweck — ein Image, das diese Scharlatane weder als ideologisches Modell noch als temporäre Fiktion zu durchschauen imstande sind.

Die Strategie jedoch ist simpel: die Frau soll auf den Status eines typischen Parasiten reduziert werden, damit die Männer sich einerseits endlos über die Weiber beklagen und ihnen Vorwürfe machen können, anderseits die Frau dadurch völlig vom Mann abhängig ist und sich diese Vorwürfe zu allem Überfluß auch noch geduldig anhören muß.

Aus diesen Gründen hält das ideologische Bewußtsein hartnäckig an der Überzeugung fest, die Frau sei zu einer Berufsausübung nicht bestimmt; die Folge davon ist, daß für sie immer nur die unangenehmsten Berufe offenstehen, Jobs, die sonst keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Denn wenn sie schon arbeiten will, dann aber auch feste, was das Zeug hält; es soll ihr nur ja nichts erspart bleiben von den „Härten des Berufsiebens“. Bevorzugt bieten sich ihr jene Arbeiten, die entweder eine direkte Fortsetzung der hausfraulichen Tätigkeit darstellen, oder noch immer derlei Qualitäten voraussetzen: Sekretärin, Krankenschwester, Lehrerin. Eine reizende Idylle, wenn man bedenkt, daß die Frau von jeher dazu gezwungen war, ein ebenso männliches Leben zu führen wie der Mann — sie arbeitete ebenso schwer wie er, ihre Funktion war ebenso wichtig wie die seine. Auch heute trifft dieses Hausmütterchen-Image doch keineswegs auf die Bäuerin, die Arbeiterfrau zu, sondern allenfalls auf die Sphäre des gehobenen Bürgertums.

Was der Institution der Ehe und Familie aber ihre wahre Innigkeit verleiht, sind nicht die Leiden der Ehegatten, sondern die der Kinder. Durch die Vaterfamilie leidet vor allem das junge Mädchen unter dem Sexualneid ihres Erzeugers. Die gravierende sexuelle Unterjochung, die daraus entsteht, wirkt um so grausamer, da die Tochter meist als niedliches Kleinkind vom Vati verhätschelt wird. Beginnt ihre Sexualität dann die Augen aufzuschlagen, tritt der Erzeuger in eine bitterböse Konkurrenz zu anderen Männern, so trifft sie die Vaterliebe mit ihrer ganzen Macht; ohne viel Federlesens wird die Sexualität des Mädchens vergewaltigt.

Aus sexuellen Frustrationen derivieren die bekannten intellektuellen Frustrationen, die teils verhöhnte, teils gepriesene weibliche Idiotie, welche dann die Männer nicht nur zu Weiberfeinden, sondern nach kürzestem Umgang und Verkehr auch selbst zu Idioten macht.

Diese weibliche Idiotie kann jedoch keinesfalls als alleiniges Privileg der Hausfrau bezeichnet werden: man wird ihr auch in der sogenannten Karrierefrau begegnen, da diese ihre Position entweder einer idiotischen Branche verdankt, oder in einem cleveren Beruf eine idiotische Rolle einnimmt.

Allerdings beginnt gerade der Idiotismus des größeren Teils der Bevölkerung in einem Zustand gefährlich zu werden, da politisch durch die Demokratisierung, und sozialökonomisch durch die immer weitere und kompliziertere Interdependenz aller Lebensbereiche ein unkontrollierbares, emotionales — also spontanes Handeln auch nur in einem Sektor der Gesellschaft die ganze Gesellschaft am Leben bedroht.

Diesen seelischen, intellektuellen Rückstand auszumerzen, die letzten Reservate der Anarchie auszuheben, diese himmlischen Rosen im irdischen Leben der Frau mit Stumpf und Stiel in die gesellschaftliche Situation zu überführen — dazu soll die Emanzipation verhelfen. Und ist es denn nicht allzu verständlich, wenn die wackeren Vorkämpfer dieses anarchische Potential in die Wirtschaft integrieren, es in Kaufkraft und kontrolliertes Konsumverhalten umwandeln möchten?

Nur noch beim Männerfang tritt dann das archaische Verhalten zutage, und es wird offenbar: die Frau steht auf der Stufe der Jäger und Sammler: sie jagt Ehemänner, so wie sie Rabattmarken sammelt.

Frauenparteien? Frauengewerkschaften? Der Vergleich der Emanzipation mit den Anfängen und Erfolgen der Arbeiterbewegung hinkt. Wo es eine straff organisierte, zentralisierte Gewerkschaftsbewegung gibt, dort gibt es allemal auch einen äußerst stabilen Arbeitsmarkt. Zwar können die Unternehmer zu ihrem Leidwesen nicht umhin, entsprechend höhere Löhne auszuzahlen, dafür dürfen sie sich aber auf die Untergebenen felsenfest verlassen. Paradoxerweise werden die Arbeitskämpfe in jenen Ländern am erbittertsten und bis aufs Blut geführt, in denen die Gewerkschaften zahlreich und zersplittert sind und das Proletariat nur schlecht organisiert ist, in Ländern wie Frankreich, Italien und auch England.

Wenn nun ein unverhüllter Organisationsfetischismus sein Sätzlein predigt und nach der Organisierung der Frau, nach Frauengewerkschaften verlangt, so könnte sich dieser fromme Vorsatz versehentlich unter der Hand in sein Gegenteil verkehren — anstatt eines Mittels zur Emanzipation der Frau in ein Mittel der Kontrolle und der Macht über die Frau, um sie besser und zuverlässiger in die Männergesellschaft einzugliedern.

Wie will man die Frau politisieren? In Frauenverbänden, denen von vornherein etwas Lächerliches, ja Theatralisches anhaftet? Allzubald würden sie dazu neigen, den Habitus von Hausfrauenverschwörungen gegen die bösen Männer (und ihre Portefeuilles) anzunehmen. Und wenn es sich um Frauen handelt, die im Berufsleben stehen, so mag ihre Organisation daran scheitern, daß sie in allen dezisiven politischen Fragen ohnedies eine ähnliche Position beziehen müssen wie die Männer, weil ja das soziale Bewußtsein des Menschen von seiner Klassen- und Berufsfunktion, und nicht ausschließlich von seinen Genitalien bestimmt wird.

Da man schließlich keinen Klassenkampf der Frauen gegen die Männer führen kann, so würden reine Frauenorganisationen unvermeidlich zu bloßen Anhängseln der „männlichen“ Organisationen werden. Diese würde in einer solchen Situation natürlich die politisch interessierten Frauen in ihre Wurmfortsätze abschieben, wobei diese den Status, von wohlwollend tolerierten Interessenvertretungen skurriler Natur erhielten, ähnlich den Tontaubenschützen und Kneippanhängern. Die dickgepolsterten Posten blieben dann erst recht den Männern vorbehalten. Das gute Gewissen würde salviert, die Frauenemanzipation in den Klatsch- und Tratschvereinen solange totgeredet, bis die Vokabel „Frau“ und „Emanzipation“ in Fäulnis übergingen. Der Schlachtruf „Mehr Frauen ins Parlament!“ hat einen so verführerischen Klang wie „Männer ins Bordell!“

Freilich gibt es spezielle Interessen, die nur allein die Frau etwas angehen, und die sehr wohl einer politischen Durchsetzung in bloß pragmatischem Sinn bedürfen. Sie könnten auch durchgesetzt werden, ginge es halbwegs nach demokratischen Prinzipien zu. Das sind Interessen, die weiß Gott nicht die Grundfesten der Gesellschaft sprengen. Vor der süßen Utopie der weiblichen „Eigenberechtigung“ käme immer noch das handfeste Ziel der Gleichberechtigung. Denn da der Frau ohnehin unter allen Umständen nichts anderes übrigbleibt, als ein männliches Leben zu führen, so müßte man ihr fairerweise dafür die juristischen und sozialen Voraussetzungen zubilligen.

Ein sattsam bekannter Schachzug von seiten der Konservativen war es, die Freigabe der Pille zu fordern, um sich um das heikle Thema Abtreibung zu drücken — da beging man denn doch lieber ein kleineres Sakrileg. Aber auch diesen häretischen Stimmchen wurde im Nu das Maul gestopft. Nicht zuletzt durch die scheinheilige Argumentation der Ärzte, die sich dabei um die weibliche Gesundheit rührend besorgt zeigten und vorgaben, einzig und allein im Interesse der Frau zu handeln. Dieses zimperliche Manöver dient jedoch nur als Vorwand dafür, die Frau der Kontrolle durch den Mann zu unterwerfen und sie ständig in dieser Abhängigkeit zu belassen.

Wo bleibt nun das Positive? Was für Lösungen gibt es? Die Frauenemanzipation spiegelt an der Oberfläche der Gesellschaft deren fundamentale Widersprüche. Allzu glatte, fixfertige Rezepte sind imstande, das Aufbrechen dieser Widersprüche hinauszuzögern, anstatt die Gesellschaft ihre Antagonismen am eigenen Leib ausbaden zu lassen.

Der Gegensatz zwischen den Geschlechtern ist nicht zutiefst in der Biologie fundiert, sondern in der gesellschaftlich organisierten Arbeitsteilung. Hat die Geschäftsfrau denn nicht vielmehr mit dem Geschäftsmann gemeinsam als mit dem Hausmütterchen? Die Lösung für die Emanzipation der Frau könnte darum nur in der Emanzipation des Mannes von seinen, ihn selbst erniedrigenden und entwürdigenden Rollen als Haustyrann, Ehekrüppel, Rabenvater und Weiberfeind sein. Die Frauenemanzipation kann nicht allein Sache der Frauen sein: sie wäre sonst nichts anderes als die Befreiung des Mannes von seiner Verantwortung gegenüber der Frau.

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