Café Critique, Jahr 2002
Mai
2002

Kiffen macht spießig!

Eine Intervention zum Hanffeuer

Gleich vorweg: Weder gegen die Freigabe noch gegen den Konsum von Cannabis sprechen wir uns aus. Uns stören die autoritären und exklusiven Anwandlungen derer, die dies fordern. Am 4. Mai 2002 ist es wieder einmal soweit. Tausende Fans der Kulturpflanze Hanf werden die Straßen Wiens füllen um für ihr bevorzugtes Genußmittel die angemessene staatliche Anerkennung einzufordern. In Österreich ist diese — im Gegensatz zu anderen Ländern Europas — noch weit entfernt. Dabei sind die vorgebrachten Argumente der ProhibitionsgegnerInnen durchaus auf das Wohl des Gemeinwesens gemünzt. Man ist sich nicht einmal zu blöd, ganz im Sinne einer autoritären Rebellion auf andere hinzuhauen, um die staatliche Repression, die zur Zeit auch ihnen gilt, für andere einzufordern. So darf der Hinweis auf die angeblich weitaus schädlichere Wirkung von Alkohol und Nikotin auf der Homepage der VeranstalterInnen nicht fehlen. Anstatt dabei zu bleiben, das Verbot von Drogen zu skandalisieren, wird der volkswirtschaftliche Schaden, den das Drogenverbot hervorruft, angeprangert, meist noch mit dem Hinweis auf die Steuergelder, die sich der Staat durch die Lappen gehen läßt. Wer gehofft hatte, hinter der an sich sympathischen Forderung nach Drogenfreigabe würde so etwas wie der Versuch stecken, die Gesellschaft rationaler einzurichten, wird bei der Sichtung der Argumente für die Legalisierung im Handumdrehen eines Besseren belehrt: Vielmehr geht es den ProtagonistInnen darum, durch das Hervorheben der positiven Eigenschaften von Cannabis eine kollektive Identität zu stiften. Daß man sich dabei auf noch schlechter Gestellte einschießt ist ebenso logisch wie erschreckend: „Von Cannabis ist weltweit noch nie jemand gestorben!“ Die Aussage ist klar: Verfolgt doch die Junkies, die richten mehr Schaden an! Abgesehen davon, daß die Menschen genau wie in der Politik allerhöchstens als wirtschaftliche Bestimmungsgrößen wahrgenommen werden und der sogenannte „Drogentod“ unhinterfragt bleibt (in der Regel tötet nicht die Droge, sondern gewisse Umstände, die unter anderem durch die staatliche Repression geschaffen werden), wird die objektive Überlegenheit der „jahrtausende alten Kulturpflanze Hanf“ suggeriert.

Die Uniformität trägt bunt — spießige Rebellen

Daß das Rauschempfinden ein subjektives ist, und daß viele Menschen andere Drogen aus genau diesem Grund bevorzugen, wird ihnen von diversen HanfaktivistInnen nicht zugestanden. Doch selbst jenen, die Hanf häufiger als gewöhnlich konsumieren, also nicht in die Norm der guten HanfkonsumentInnen passen, wird noch eine ungünstige Lebenseinstellung vorgeworfen. Daß man sich nach Lust und Laune berauschen dürfe, gestehen die ProhibitionsgegnerInnen — ebenso wie der Staat — niemandem zu. Sie gehen in ihren staatsmännischen Anwandlungen aber noch viel weiter. So zeigen sie, daß sie die Funktionsweise der Gesellschaft schon so weit internalisiert haben, daß sie wissen, wie wichtig eine gut gehende Ökonomie für das Gemeinwesen ist und behaupten sogar im Hanf die Wunderwaffe dafür gefunden zu haben: Daß für die Abholzung des Regenwaldes nicht, wie in der vorjährigen Presseausendung behauptet, das Hanfverbot verantwortlich ist, sondern ein gewisses ökonomisch-gesellschaftliches Verhältnis, altmodisch Kapitalismus genannt, das dazu führt, daß des Profit wegens Bäume, die einst am Äquator standen nun in Chillums und Papers verarbeitet wiederzufinden sind, kommt ihnen nicht in den Sinn. Ihr inniges Verhältnis zum Staat und ihre Untertanenmentalität findet auch in der Sorge um die Glaubwürdigkeit des Staates ihren Niederschlag. So warnen sie vor einem „Glaubwürdigkeitsverlust des Staates u. a. bei Warnungen vor harten Drogen“. Dem Staat muß niemand glauben, er hat ja schließlich das Gewaltmonopol, daß vieles zur Wahrheit machen kann. Wie eben dies, daß Cannabiskonsum und -handel illegal sind und die KonsumentInnen und DealerInnen deswegen bestraft werden sollen.

„Möglichst keine komplizierten Argumente“ (Zitat der Homepage)

Die negative Wirkung von Cannabis auf Denkprozesse ist nicht beweisbar, obwohl manche HanfaktivistInnen diesen Verdacht nahelegen. Schon vollkommen aufgelöst in esoterischen Spinnereien behaupten sie in Hanf das Mittelchen zur Rettung der Menschheit gefunden zu haben. Kein Argument ist zu blöd oder zu naiv. Die Vorstellung, daß die Welt durchs Kiffen besser werde — sie wird allerhöchstens erträglicher — und in allgemeiner Harmonie, Friede, Freude und Eierkuchen aufginge, spricht für einen fortschreitenden Realitätsverlust, der sich an Vorstellungen klammert, die einen Gedanken an gesellschaftliche Prozesse und Zusammenhänge unmöglich machen.

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Denn den HanfaktivistInnen geht es keinesfalls um die Selbstbestimmung der Individuen. Daß es niemanden mehr seltsam und illegitim erscheint, daß der Staat in so private und intime Dinge wie Rausch und Genuß massiv eingreift, liegt daran, daß diese AktivistInnen schon längst Frieden mit ihm und seiner Drogenpolitik geschlossen haben. Die Forderung ist eine nach Liberalisierung, die die grundsätzlichen Prämissen der Politik nicht angreift. Kein Wunder, schließlich richtet sich die staatliche Repression eben nicht hauptsächlich gegen KifferInnen sondern gegen jene, denen das Elend, welches die Drogenpolitik hervorruft, anhaftet. Junkies und Dealer, deren Nutzlosigkeit und Schädlichkeit für das Gemeinwesen im landläufigen Ressentiment schon hinlänglich bewiesen sind, trifft die Repression am stärksten. Und gerade weil es sie trifft, wollen die KifferInnen mit ihnen nichts zu tun haben. Die Abgrenzung nach unten geht mit Anbiederung an das staatliche Kollektiv Hand in Hand. Könnte man die auf der nicht umsonst rot-weiß-rot gerahmeten Homepage formulierte Sorge um das „wirtschaftliche Überleben“ der „vorarlberger und österreichischen Bauern“ noch als gutgemeinte humoreske Einlage durchgehen lassen, so zeigt der Identitätswahn auch Konsequenz: Auf dem letztjährigen Hanffeuer wurden Aufkleber in Form eines Davidsterns verteilt, die die Aufschrift „Hanf“ trugen. Unter Absehung jeder vernünftig nachvollziehbaren Verbindung zur Geschichte des spezifisch österreichischen Antisemitismus phantasierten sich die KifferInnen als Opfer eines grenzenlosen Vernichtungswahns. In der Selbstilisierung als Opfer und dem Absehen von jeglicher historischen Realität zeigen die KifferInnen noch Züge jener österreichischen Ideologie des Verdrängens, die sie auf Grund ihrer Staatshörigkeit nicht überwinden können.

„Wir sind doch keine Verbrecher“ ist eine entrüstete Behauptung mancher KifferInnen, die auch auf den Hanffeuern der letzten Jahre zu hören waren. Ganz so, als ob Verbrechen eine Sache wäre, die jenseits von Recht und Gesetz und damit von der Institution Staat existieren würde. Natürlich seid ihr Verbrecher! Kriminelle wie sie im (Gesetz-) Buche stehen. Darum erklärt euch lieber mit all jenen solidarisch, die des Drogengenusses wegen bestraft werden. Schließlich hat die allgemein grassierende Dealerparanoia mit ihren sowohl rassistischen wie auch antisemitischen Implikationen in Österreich schon beängstigende Dimensionen angenommen. Eine Abgrenzung zu jenen, die der Drogenpolitik zum Opfer fallen, bedeutet Einverständnis mit dem gesellschaftlichen Wahn.

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