MOZ, Nummer 52
Mai
1990
Wasserwirtschaftsfonds und (Wasser-)Bauwirtschaft

Leck im System

Der Wasserwirtschaftsfonds ist nicht nur ein Selbstbedienungsladen für Baufirmen und Länder. Die von ihm geförderten Projekte sind oftmals auch ökologisch bedenklich.

„... einer genaueren Betrachtung wert.“
Foto: van der Straeten

Wenn in den letzten Wochen Erwin Frühbauers Rolle in Zusammenhang mit dem Bankrott der Zellstoffabrik „Obir“ vor dem St. Magdalen-Untersuchungsausschuß diskutiert wurde, dann hatte das eine besondere Brisanz: Frühbauer war damals nicht nur Landeshauptmann-Stellvertreter, sondern auch Vorsitzender der Wasserwirtschaftsfondskommission, was er übrigens bis zur letzten Sitzung vor Redaktionsschluß blieb; wie wir hören, soll er aber am 18.4.1990 sein Mandat an Landesrat Schiller abgeben.

Als Fondsvorsitzender machte er sich wiederholt für millionenschwere Förderungen des „Obir“-Werkes durch den Wasserwirtschaftsfonds (WaWiFo) stark, eine Geschichte aber, die den Geruch nicht los wird, daß eben diese Förderungen für schlußendlich nicht durchgeführte Projekte kassiert wurden. Eine Frage, zu deren Klärung in Klagenfurt ein Untersuchungsausschuß tagt.

Die Tätigkeiten des Wasserwirtschaftsfonds (als ein Teil des Ökofonds) sind einer genaueren Betrachtung wert. Ist er doch eines der größten Förderungsinstrumente dieses Staates (siehe Kasten). In der Öffentlichkeit ein unbekanntes Wesen, hält sich der Fonds dezent im Hintergrund; eine Mitarbeiterin am Telefon: „Wir dürfen keine PR machen“, Der Fonds fördert die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Österreichs. Im Tätigkeitsbericht wird als Idee folgendes angepriesen: „Viele Betriebe könnten durch geeignete Maßnahmen im Produktionsablauf die schädlichen Umweltauswirkungen verringern. Mit finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand ist es möglich, einen höheren technischen Standard zu erreichen, der in der Folge strengere Gebotsund Verbotsnormen durchsetzbar macht. Damit wird — unbeschadet des primär geltenden Verursacherprinzips — festgehalten, daß Umweltschutzmaßnahmen als gesellschaftliche Aufgabe anerkannt werden.“ Statt eines massiven ökonomischen Drucks auf die Betriebe, die Umwelt als 4. Produktionsfaktor in ihre Kalkulationen aufzunehmen, wie es die von der ÖVP angepeilte „ökosoziale Marktwirtschaft“ verlangen müßte, wird diese Aufgabe der öffentlichen Hand zuteil. Von Verursacherprinzip kann keine Rede sein.

Der damals zuständige Minister Übleis meint, ganz und gar nach dem ÖVP Motto „Weniger Staat, mehr privat“: „Die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie ist im Bereich des WaWiFo längst praktiziert.“ Soso!

Doch mit der Ökonomie hatte der Fonds selbst seine Problemchen.

1983 wurde Rechnungshofkritik laut. Der Rechnungshof stellte damals namhafte Verluste fest und befürchtete den „Zusammenbruch des bestehenden Förderungssystems“. Auch die Art und Weise, wie der Fonds Projekte beurteilt und prüft, war dem Rechnungshof nicht recht. So hieß es im Punkt 90.42.1: „Die von Ziviltechnikern erstellten, wasserrechtlich abgehandelten und genehmigten, im Wege der Landeshauptmänner eingereichten Projekte wurden beim Wasserwirtschaftsfonds in der Regel nur einer oberflächlichen und formalen Prüfung unterzogen.“

Scheinprüfung

Art und Weise der Prüfung sind nach wie vor selbst Mitgliedern der Wasserwirtschaftskommission unbekannt. Denn zur Beurteilung der Projekte wurden den Kommissionsmitgliedern bisher nur finanztechnische Details und ganz grobe technische Bezeichnungen vorgelegt und das meist erst eine Woche vor der Sitzung. (Siehe dazu das Faksimile.) Doch im Wortgebrauch des Ökofonds werden „die Projekte einer genauen technisch-wirtschaftlichen Prüfung unterzogen und nach Vorliegen sämtliche Entscheidungsgrundlagen der WaWiFoKommission ... zur Begutachtung vorgelegt“. (Tätigkeitsbericht 88/89, Hervorhebungen durch die Red.). Im übrigen sind diese Entscheidungsgrundlagen streng vertraulich; zur Wahrung von „Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen“, versteht sich. Redeberechtigt über die Entscheidungen der Kommission ist nur die Ministerin Flemming.

Beispiel einer Projektbeschreibung, wie sie bisher der Kommission vorgelegt wurde. Interessant dabei die (nahezu immer) leerstehende Rubrik ‚Schlamm­beseitigung‘.

Die Beschlüsse über die Vergabe von einigen Milliarden Schilling fallen meist durch einfaches Handheben. Alle Projekte auf einmal. Nur in seltenen Fällen wird im Fonds über einzelne Projekte gesprochen. Und das Ganze nennt sich dann „Begutachtung“.

Auch an der 1983 vom Rechnungshof kritisierten, „über das gesetzliche Maß hinausgehenden Einflußnahme der ‚Fondskomission‘“ hat sich dahingehend nichts geändert, als es den Mitgliedern immer noch vorrangig um die „gute Beteiligung“ ‚ihrer‘ Bundesländer geht. Zum Beispiel dankte laut Protokoll in der vorletzten Sitzung vom 25.10.1989 der schwarze Landesrat Pühringer „für die gute Beteiligung von O.Ö.“ und versuchte im selben Atemzug noch schnell 3 weitere heimische Projekte einzubringen (um diese als ‚Zuckerln‘ mit nach Hause zu nehmen), obwohl bei zweien dieser Projekte dem Fonds die notwendigen Unterlagen noch nicht vorgelegt und das dritte zu spät eingereicht wurde. Man(n) einigte sich gütlich auf einen unüblichen „Rundlaufbeschluß“ vor der nächsten Sitzung.

Für die Kommissionsmitglieder ebenso uneinsichtig wie die ökologischen Daten der Projekte war die Ausschreibungspraxis. Diese erfolgte ja durch die Länder bzw. durch die Wasserbaugenossenschaften. Ob die Preisanbote gerechtfertigt sind, bleibt unklar. Ein Großteil der Projekte wird von Bauriesen durchgeführt; als direkte oder indirekte Auftragnehmer werden immer wieder die Namen der Firmen STUAG und PORR genannt. Es geht um einen riesigen Auftragskuchen, beträgt doch das Gesamtvolumen geförderter Projekte, die im Jahr 1988 zugesagt wurden, ca. 8 Milliarden Schilling.

Nebenbei: Bei der Sanierung der Fischerdeponie, für die der Ökofonds ja nach dem Wasserbautenförderungsgesetz auch zuständig ist, ist nach der Aussage eines Insiders angeblich durch die Firma PET auch wieder mal die Firma PORR und der beim Bundesarchivbau bekanntgewordene Baumeister Julius Eberhardt beteiligt.

Sinnlose Bauwut

Doch nicht nur die Bauwirtschaft lacht. Wir scheinen es auch der Profilierungssucht von Landespolitikern zu verdanken, daß größenwahnsinnige Projekte speziell auf dem Land seit Jahrzehnten gebaut wurden und immer noch gebaut werden.

20.000km Abwasserkanalnetz sprechen eine deutliche Sprache.

Doch diese ‚Ja-jedes-Haus-an-einen-riesen-Kanal-anschließen-Wut‘ bringt auch Auswüchse mit sich. So wurde im WaWiFo allen Ernstes diskutiert, Anschlußgebühren für alle Bauparzellen einzuheben, was quasi einen Anschlußzwang für jeden Haushalt bedeuten würde. So kommt es, daß in dicht besiedelten Orten wie z.B. Taufkirchen an der Pram für 120 Haushalte um 30 Millionen Schilling 6km Kanal verlegt wurden. Hätte man jedem dieser Haushalte eine eigene 3-Kammer Kläranlage (mechanisch, chemisch, biologisch), also eine Anlage nach dem neuesten technischen Stand, hingestellt, ergäbe das in der billigsten Variante eine Ersparnis von 2/3 der Kosten, im teuersten Fall eine Ersparnis von 1/2, rechnete uns Kommissionsmitglied Günther Schobesberger vor. Das steirische Kommissionsmitglied Landesrat Schaller ließ vor 2 Jahren ebenfalls untersuchen, ob auf diese Art Kostenersparnisse möglich wären, und kam auf vergleichbare Ergebnisse. Doch nach wie vor lautet das erklärte Ziel, „auch alle Senkgrubeninhalte in Kläranlagen einzubringen“. Die Bestimmung, Einzelabwasserentsorgungen nur für Objekte in Streulage zu fördern, also solche, die mehr als 1.000m vom nächsten Kanal weg sind, tut das ihre dazu, die Gegend großzügig mit Kanälen zuzupflastern.

Für Günther Schobesberger, Mitglied genauer gesagt Ersatzmitglied der WaWiFo-Kommission für Johannes Voggenhuber, ist der Fall klar: „Der Fonds ist ein Selbstbedienungsladen für die Bauwirtschaft und für die Länder, vor allem für die Klientel der Politik.“

Für ihn wird hier „ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Landespolitik, der Finanzierung der Parteien und der Bauwirtschaft“ deutlich.

So scharfe Worte, wie Schobesberger sie gebraucht, waren in der Kommission nicht immer zu hören. Die erste Zeit saß für die Grünen ein Techniker in der Kommission, der selbst Gutachter für die steiermärkische Landesregierung war. Um nicht zum Schlechtachter zu werden, hat er brav ja und amen zu den gestellten Anträgen gesagt.

Doch viel änderte sich inzwischen nicht. Die Grünen fordern seit damals zwar die Installation eines fachlichen Beirates, der jede Ausgabe auf ihre ökologische und ökonomische Sinnhaftigkeit prüfen soll. Die Ministerin Flemming stellte daraufhin fest, daß die Frage zwar inhaltlich richtig gestellt sei, aber es nicht sinnvoll wäre, dem beratenden Gremium, d.h. der WaWiFo-Kommission, ein zweites beratendes zur Seite zu stellen. Aus, punktum.

Die Grundwasserbombe tickt

Diese Politik des ‚totalen‘ Anschließens aller Haushalte wird nicht nur — für die Gemeinden — finanziell untragbar, sondern auch für die Umwelt. Denn die Kanäle haben einen großen Nachteil: Sie sind undicht. Teilweise schon als Neuanlagen durch Fahrlässigkeiten von Baufirmen, die z.B. defekte Rohre nicht ausscheiden. Doch früher oder später werden alle Kanäle undicht. Durch Einwurzelungen, durch mechanische Belastungen, durch Hausanschlüsse, die von den Hauseigentümern selbst — z.B. mit der Spitzhacke — durchgeführt werden.

Durch bedenkliche Meldungen über den Sanierungsaufwand im Ausland besorgt, ließ der Fonds eine stichprobenartige Überprüfung der Abdichtung vornehmen. Erschreckendes Ergebnis: von 174 Kanalabschnitten waren 64 undicht, 42 davon wesentlich. Die Studie spricht eine deutliche Sprache: „Die deutliche Mehrheit von den überprüften und undichten Kanälen können ... Abwasser in das Grundwasser abgeben.“ Weiters heißt es: „Abwasseraustritte werden uns die Altlasten aus Kanalanlagen bescheren“ und „Fehleinleitungen sind schon länger bekannt.“

Lapidar die Meldung: „Druckproben nach der erfolgten Übernahme werden in den seltensten Fällen durchgeführt, obwohl die technischen Richtlinien 84 die Verpflichtung für den Förderungsnehmer in der Kollaudierungsniederschrift unter anderem zu einer regelmässigen Dichtheitsprüfung vorsehen.“ Und die Schlußfolgerung: „Um eventuelle Schäden in Zukunft weitgehend zu vermeiden, müssen neue Kanalanlagen qualitativ einwandfrei ausgeführt werden“. Diese Untersuchungsergebnisse wurden aber sofort von einigen Kommissionsmitgliedern mittels eines vorbereiteten Papiers kritisiert. Offensichtlich gibt es ‚gleichere‘ Mitglieder, die Vor-Informationen bekommen.

Doch weiterhin werden fleißig Kanäle gebaut, durchaus im Bereich großer Trinkwasserreservoirs — wie z.B. in der steirischen Gegend Aufeld/Murboden — oder gar munter durch grundwasserführende Schichten hindurch; es werden mit den Leitungen mehrfache Schichtfolgen durchstoßen, sodaß ‚Fenster‘ ins Grundwasser aufgemacht werden: Die Grundwasserbombe tickt immer bedrohlicher.

Durch die vieldiskutierte Wasserrechtsnovelle aufgeschreckt, hat sich die Opposition dieses Fonds angenommen.

Der Grüne Voggenhuber sichtet gerade sein Material und plant eine schriftliche Anfrage und eine Pressekonferenz zum Thema.

Aber auch in der FPÖ schläft man nicht, der Bundesumweltbeauftragte Dr. Gerhard Spitzer sammelte Material über Durchstechereien bei Betrieben und schreckte am 27. März mittels eines „Standard“-Artikels den Ministerrat auf, der sich dann eine Viertelstunde darüber ärgern durfte, daß Spitzer einen Zusammenhang zwischen erhöhten Stickstoffobereintraggrenzen im Wasserrecht und einem Produktionsausbau der Chemie Linz herstellte, der mit einer 120-Millionen-Spritze vom Fonds finanziert wurde.

Doch dank Glasnost verspricht Ministerin Flemming in einem Brief an die Kommission jetzt „mehr Transparenz in der Verwaltung“. Die Mitglieder sind eingeladen, einen Tag (jawohl) vor der Sitzung in den Fonds zu kommen und die Projekte zu durchleuchten. Und die Kommission bekommt auch tatsächlich für die Sitzung vom 18.4. erstmals genauere Informationen. Allerdings, wie gehabt, erst 1 Woche davor und nur über betriebliche Maßnahmen.

Grüne und andere Oberaufdecker sprechen schon vom nächsten Untersuchungsausschuß.

Für Stoff ist gesorgt.

Wasserwirtschaftsfonds:

Geschaffen 1958 durch das Wasserbautenförderungsgesetz, ab 1969 auch Förderung von betrieblichen Anlagen.

Somit lautet die Palette der zu fördernden Projekte:

  • öffentliche Wasserversorgung, Abwasserableitung, Abwasserbehandlung und Klärschlammbehandlung;
  • Betriebliche Abwassermaßnahmen;
  • Einzelwasserversorgung und Einzelwasserentsorgung in ganz eingeschränkten Fällen.

Von 1959 bis 1987 beim BM f. Bauten u. Technik, seit 1987 durch das Umwelt- und Wasserwirtschaftsfondsgesetz gemeinsam mit dem Umweltfonds beim BM f. Umwelt, Jugend und Familie.

Derzeit 60 Mitarbeiter in 8 Abteilungen.

Die Begutachtung der eingereichten Projekte obliegt der halbjährlich tagenden 11köpfigen Wasserwirtschaftsfondskommission, die nach Proporz von den Nationalratsparteien zumeist mit hochrangigen Landespolitikern besetzt wird.

Gefördert wird durch Darlehen mit einer Laufzeit zwischen 15 und 50 Jahren und einem jährlichen Zins zwischen 1 und 3%.

Die Darlehen können teilweise in nicht rückzahlbare Beträge umgewandelt werden.

Betrieblichen Maßnahmen zur Vermeidung, Verwertung oder Behandlung von Abwasser werden Investitionszuschüsse im Ausmaß von 20 bzw. 35% gewährt.

1988 wurden für insgesamt 451 Projekte Darlehen in der Höhe von 7,6 Mrd öS und Beiträge von 4,8 Mrd. öS zugesichert.

1989 wurden für 812 Projekte gesamt 7,3 Mrd. öS zugesichert.

1988 wurden 5,9 Mrd. öS ausgezahlt.

Der Rechnungsabschluß 1989 liegt noch nicht vor. Noch ausständige Rückzahlungen von ca. 50 Mrd.

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