radiX, Nummer 2
Juni
1999

LeserInnenbriefe

Wir veröffentlichen gerne Eure LeserInnenbriefe, bitten euch aber diese möglichst kurz zu halten. Wir finanzieren unsere Zeitschrift selbst und haben nicht das Geld seiten­lange LeserInnenbriefe abzudrucken, über kürzere Meinungskundtuungen, Beschimpfungen, Zustimmungen, Kritiken, ... freuen wir uns aber.

Guten Tag!

Die Schäfchen der jeweils anderen linken Gruppe/Idee zu kritisieren gehört wohl auch zum Wesen unserer Politik. Und daß dabei von Zeit zu Zeit mal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, auch. Daß es derzeit eine Art anarchistischer Volxsport geworden ist, in jeder veganen Suppe ein faschistisches Haar zu finden, geht mir aber mittlerweile schon ein bisserl auf den Keks.

Zuallererst möcht ich klar stellen, daß ich mit der Tierrechts-/Veganismusbewegung herzlich wenig am Hütchen habe. Jedoch bin ich der Meinung, daß mensch diese Leute als das kritisieren sollte was sie sind. Alle in die Faschisten-Schublade zu werfen ist billig und einer ernsthaften Auseinandersetzung nicht zuträglich.

Denn die Gespensterjagd nimmt mittlerweile skurrile Formen an, etwa wenn das — von den deutschen Zeitschriften „ökolinX“ und „Bahamas“ aufgrund seiner Berichterstattung über EarthFirst! selbst ins Faschismuseck gestellte — TATblatt (+108) ein VeganerInnen-Transpi bei der Anti-EU-Demo mit der Aufschrift „Befreiung für Mensch und Tier“ mit dem Satz „was diese (die TierrechtlerInnen, Anm.) zumindest in die Nähe ökofaschistischer Positionen rückt“ kommentiert. Da ziehen sich doch alle ernstgemeinte (?) Bedenken selbst ins Lächerliche. Wenn manch KritikerIn der Tierrechts-Szene diese pauschal ins rechte Eck stellen will, ist das eine ähnliche Infamie, wie wenn jemand z.B. Frauen- und Tierunterdrückung gleichsetzt. Was im Übrigen kein mir bekannter Angehöriger dieser Szene ernsthaft tut. Daß sich manch Depp zu den autonomen VeganerInnen verirrt hat, bestreitet niemand, wohl auch sie selbst nicht. Wenn sich eine Wiener Buttersäuren-Gang nach dem Sozialdarwinisten Konrad Lorenz benennt kommt mir auch mein Schnitzel wieder hoch, obwohl ich hinter die­sem Namen eher eine geistige Nichtschwimmerstaffel als überzeugte Faschisten vermute. Diese Typen gehören auch zusammengeschissen und — wenn sie nicht bitter bereuen — rausgeworfen (überall).

Also: Kritisierts die TierrechtlerInnen! Aber überseht nicht, daß an der Basis dieser Bewegung eine (relativ gesehen) ganze Menge überzeugter AnarchistInnen werken, die mit Singer, Kaplan, dem „Verein gegen Tierfabriken“ und son­stigen rechten Trotteln null zu tun haben und nicht ständig mit diesen über einen Kamm geschoren werden wollen. Die Tierrechtsszene ist sicher kein hegemonialer Club von Antisemiten und Halbnarrischen.

Noch was! Die von Euch angesprochenen in der Eule Nr. 5 (Artikel „Von Gendarmen und Tierfreunden“) angegebe­nen Kontaktadressen: Wie die „Schwarze Post“ da dazu­gekommen ist, ist uns selbst ein Rätsel, da wir uns als anarchistisches Antifa-Blatt eigentlich nur in der Beantwortung von Lesybriefen mit der Marterie beschäf­tigt haben — und da auch nicht gerade freundlich. Zur „Eule“ haben wir keinen Kontakt. Wird wohl auch irgend­jemandes kleines Geheimnis bleiben, was da los war ... Ansonsten. Viel Glück mit der „radiX“ und überhaupt! Solidarische Grüße

eine Heini von der
Autonomen Antifa Weiß/Schwarze Post

Offener LeserInnenbrief zum Artikel in der RadiX #1 „TierRECHTSbewegung“

Trotz offensichtlich recht umfangreicher Recherchen in der Tierrechtsszene und deren Organen sind Thomas Schmidinger, dem Autor des Artikels „TierRECHTSbewegung“ dennoch einige Fehler in dessen Darstellung über die „ideologischen Positionen“ (wie er sie nennt) der TierrechtlerInnen unterlaufen. Außerdem waren einige Aussagen verfälscht, lückenhaft, übertrieben oder schlicht falsch.

Grundsätzlich ist meines Erachtens der Faschismus-Vorwurf des Autors in vielen angeführten Beispielen (KZ-Vergleich, Singer, Kaplan, Kessler etc. ...) berechtigt, auch wenn ich es schade finde, daß es scheinbar keine Kritik ohne einhergehende Ausgrenzung der Kritisierten gibt, da es sich bei den angeführten Beispielen in manchen Fällen auch möglicherweise nur um unüberlegte Aussagen han­delt, von Menschen, die sich mit manchen (wichtigen) Dingen noch nicht ausreichend auseinandergesetzt haben. Dies beziehe ich vor allem auf Sympathien gewis­ser Leute zu Peter Singer und Helmut Kaplan, auf den Schreiber/die Schreiberin des EULE-Artikels über die österreichische Tierrechtsbewegung und die „hiesigen SympathisantInnen“ des deutschen Bundesverbandes und der Veganen Offensive Ruhrgebiet. Es ist meiner Meinung sinnvoller die kritisierten Menschen mit ihren Fehlern oder Widersprüchen zu konfrontieren oder kon­struktiv zu kritisieren, als gleich wild mit der Faschismus- Keule um sich zu schlagen.

Peter Singer als einen „der ideologischen Väter der modernen Tierrechtsbewegung’’ zu betiteln ist m.E. nicht richtig. Zwar stützen sich (leider) viele TierrechtlerInnen nach wie vor auf Singers Philosophie, die in seinem Buch“Animal Liberation„(1975) propagiert wird, doch sollte jedeR der/die sich mit Singers Werken eingehend beschäftigt hat, wissen, daß sich Singer nicht grundsätz­lich für Tierrechte einsetzt: Ich kann für mich behaupten (und dafür spreche ich sicherlich für einen großen Anteil der TierrechtlerInnen), daß TierrechtlerIn zu sein die vega­ne Lebensweise voraussetzt (bzw. den ehrlichen Versuch diese bei sich selbst konsequent durchzusetzen). Denn, TierrechtlerInnen wollen nicht nur Tiere vor der Schlachtung, vor Schmerzen, Stress und Qualen schüt­zen, sondern für sie die Rechte einfordern, die ihnen zustehen. D.h. ein Recht auf Leben, Unversehrtheit, aber eben auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben (Soweit dies praktiszierbar ist. Beispielsweise kann wohl kaum verhindert werden, daß mensch Kleinstlebewesen, Insekten etc. alleine bei Tätigkeiten wie Gehen oder Atmen verletzt oder tötet). Dies tut Singer nicht. So recht­fertigt er das Essen von sog.“Freilandeiern„bspw. mit der relativ vagen Annahme“Haben Hühner nicht nur einen geschützten Innenraum, sondern auch noch die Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten, herumzulaufen und im Boden zu scharren, fühlen sie sich ganz wohl. Es scheint ihnen nichts auszumachen, daß ihnen die Eier weggenommen werden„(“Die Befreiung der Tiere", S,283f.)

Vor allem was obige Feststellung meinerseits betrifft, daß sich nach wie vor viele TierrechtlerInnen auf Singers („Animal Liberation“-) Philosophie stützen, ist für mich weniger ein Zeichen für menschenfeindliche und faschisti­sche Positionen innerhalb der Tierrechtsbewegung, son­dern eher ein Zeichen für mangelnde Auseinandersetzung mit Peter Singers anderen Werken — außer „Animal Liberation“ — (welche in Tierrechtskreisen oft kaum bekannt sind) und Fehlen von konsequentem Zu-Ende-Denken von Singers Philosophie. Und in diesem Punkt liegt es nicht zuletzt an uns Peter Singers menschenver­achtende Theorien zur Diskussion zu stellen.

Was in Eurem Artikel (bewußt?) verschwiegen wird ist die Tatsache, daß es auch kritische Texte zu Singer (und Kaplan) sowie eindeutige Distanzierungen von ebendie­sen von Seiten veganer TierrechtlerInnen gibt, auch öster­reichischer. Erwähnt sei dabei der Text „Faschismus, Tierrechte und Nietsch“ von einem/einer ungenannten österreichischen Tierrechtlerin.

  • Zu Dr. Helmut Kaplan will ich nur anmerken, daß dieser in der österreichischen Tierrechtsbewegung bedeutend weniger AnhängerInnen hat als Peter Singer und so kei­nesfalls als „Tierrechts-Guru“ bezeichnet werden kann. In Deutschland genießt Kaplan zwar größeres Ansehen, hat aber auch dort so gut wie keine Verbindung zur autono­men Tierrechtsbewegung. Für ihn gilt dasselbe wie für Peter Singer: Er ist kein Tierrechtler.
    Von „spektakulären, bluttriefenden Aktionen“ mit denen er (laut eures Artikels) „mit seinen AnhängerInnen von der Vegan Society immer wieder auf sich aufmerksam“ macht, habe ich übrigens noch nie etwas gehört. Vor allem weil es in der Bundesrepublik Deutschland gar keine Vegan Society gibt und die Vegane Gesellschaft, die erst seit kur­zer Zeit in Österreich existiert nicht im Geringsten etwas mit Dr. Helmut Kaplan zu tun hat.
  • Daß sich die Animal Liberation Front (ALF) „teilweise tatsächlich aus Menschen zusammen(setzt), die einen lin­ken Hintergrund haben“ ist möglich. Woher der Autor diese Informationen aber hat, ist mir ein Rätsel. Und zwar deshalb, weil Aktivisten und Aktivistinnen der ALF (außer im Falle der Verhaftung) immer anonym bleiben, da sie bei ihren Aktionen herrschende Gesetze brechen und sich somit in die Illegalität begeben. Und da es zwar gewisse Richtlinien gibt, die illegal handelnde TierrechtlerInnen einzuhalten haben, wenn sie den Namen ALF für ihre Gruppe verwenden, aber sich diese in keinem Fall auf den politischen Hintergrund der Aktivisten und Aktivistinnen bezieht (sondern nur auf Gewaltverzicht gegenüber fühlenden Lebewesen u.ä.) ist diese Feststellung in eurem Artikel wohl eine Annahme.
    Außerdem sei angemerkt, daß Aussagen bestimmter ALF-AktivistInnen (egal ob italienisch, britisch oder öster­reichisch) keinesfalls auf die ganze ALF verallgemeinert werden können, da es sich bei der ALF wahrscheinlich um völlig unabhängige Zellen handelt, die vermutlich keinerlei Kontakt zueinander haben. Der einzige gemeinsame Nenner sind die illegalen, gewaltfreien Aktivitäten gegen Tierausbeutung.
  • Was eure Kritik der deutschen Zeitschrift EULE angeht, will ich im voraus bemerken, daß ich mich nicht durchwegs mit den Artikeln in ebendieser identifizieren kann, sie aber größtenteils sehr interessant finde, da sie viel Diskussionsmaterial und vor allem Selbstkritik-/Hinterfragung enthält. Zwar waren auch m.E. des öfteren fragwürdige Artikel in der EULE zu lesen, was aber wohl eher darauf zurückzuführen ist, daß sie vielen Menschen als ein Forum dient und deshalb viele verschiedene Positionen beinhaltet. Und daß die Redaktion der EULE bestimmte fragwürdige Artikel überhaupt abdruckt ist für mich in Ordnung, da 1) in der selben oder zumindest den darauffolgenden Ausgaben sehr oft Gegendarstellungen abgedruckt werden und 2) Zensur wohl auch nicht die Lösung irgendwelcher Probleme ist.
    Daß die beiden Artikel in der jüngsten EULE-Ausgabe über Kannibalismus nicht besonders lustig waren, bin auch ich der Meinung. Obwohl ich nicht glaube, daß der/die SchreiberIn dieses Textes damit zum Mord und Verzehr von seinen/ihren Mitmenschen aufrufen wollte, sondern eher einen Denkanstoß zur Auseinandersetzung mit der eigentlichen Derbheit und Grausamkeit des Umgangs mit Tieren in unserer Gesellschaft liefern will.
    Daß die EULE die deutsche ökolinke Jutta Ditfurth in einer „primitiv-faschistoiden Sprache“ niedermacht, bin ich nicht der Meinung. Ich bin mir zwar klar, daß in dem erwähnten Artikel kein gutes Haar an Ditfurth gelassen wird, jedoch hat dies mit „faschistoider Sprache“ wenig bis gar nichts zu tun. M.E. wird hier das Label „faschistoid: dem Faschismus ähnlich, faschistische Züge zeigend“ (laut Fremdwörterbuch) völlig übertrieben benutzt — mensch kann nicht alles, was seine/ihre Meinung nicht wiederspiegelt undifferenziert als faschistoid bezeichnen. Das führt lediglich dazu, daß der Ausdruck „faschistoid“ ziemlich schnell abgenützt und schlußendlich relativiert wird.
  • Als weiteren Kritikpunkt will ich mich zu den Vorwürfen der Zusammenarbeit mit Brigitte Bardot gegen den Aktionskünstler Hermann Nietsch äußern. Abgesehen davon, daß von seiten der TierrechtlerInnen keinerlei Zusammenarbeit mit Brigitte Bardot oder irgendwelchen rechten Gegnern oder Gegnerinnen des Nietsch-Spektakels stattgefunden hat, sind die Aktivitäten gegen Nietschs Aktionswoche letzten Sommer (?) im niederö­sterreichischen Prinzendorf selbst unter autonomen TierrechtlerInnen nicht ganz unumstritten. Auch hierzu gibt es Stellungnahmen von TierrechtlerInnen, die vor allem die Distanzierung von rechten GegnerInnen der Veranstaltung betonen.
  • Was den letzten Punkt betrifft will ich mich kurz halten. Thomas Schmidinger schreibt „Bereits die NSDAP arbei­tete mit Teilen der TierRECHTSbewegung eng zusam­men“ (Hervorhebungen im Original). Erst mal erlaube ich es mir zu bezweifeln, daß es zu Zeiten der NSDAP schon eine radikale Bewegung für die Rechte der Tiere gab, dabei handelte es sich wohl eher um TierschützerInnen oder ArtenschützerInnen.
    Bei autonomen Tierrechtlerinnen handelt es sich um Menschen, die zwar vorwiegend gegen Tierausbeutung im Allgemeinen aktiv sind, aber sich meist auch mit ande­ren Unterdrückungsverhältnissen (Faschismus, Rassismus, Sexismus etc.) auseinandersetzen und dem­entsprechend handeln und an sich arbeiten. Daß es dabei Ausnahmen gibt, will ich keinesfalls bestreiten, aber wie ich weiß, gibt es ja auch im autonomen Antifa-Sektor z.B. Menschen, die durch ihre undifferenzierten Ansichten und Äußerungen keinesfalls repräsentativ für die Szene sind und dieser auch oft dadurch Schaden zufügen. TierrechtlerInnen mit NS-TierschützerInnen in einen Topf zu werfen ist daher völlig übertrieben und ungerechtfertigt.

Abschließend will ich noch klarstellen, daß ich keinesfalls mögliche faschistische Tendenzen in Tierschutz- und Tierrechtskreisen negieren will, aber euch (und insbeson­dere dem Autor des Textes) nahelegen will, sich differnenzierter mit der Tierrechtsbewegung auseinanderzusetzen und in Zukunft Menschen, die umstrittene Aussagen von sich gegeben haben mit konstruktiver Kritik zu konfrontie­ren und ihnen somit eine Chance zu geben ihre Tätigkeit/Aussagen zu überdenken

Ein autonomer Körndlfresser (26.3.1999)

Antwort:

Ich möchte Dir nur ganz kurz mitteilen, daß ich schon weiß, daß nicht jedeR TierRECHTlerIn einE „autonomeR TierrechlerIn“ ist, allerdings ist es in meinem Artikel auch nicht nur um die „autonomen TierrechlerInnen“ gegangen, sondern um die gesamte tierrechtsbewegte Bewegung, so unterschiedlich und wiedersprüchlich sie auch sonst sein mag.

Natürlich wird es Menschen und Gruppen geben, die sich für einen besseren Umgang mit Tieren einsetzen, die keine Nähe zu rechtsextremem Gedankengut haben (habe ich in meinem Artikel übrigens auch festgehalten), was aber den Großteil der Autonomen wie der anderen TierRECHTlerInnen eint ist die Gleichsetzung von Tier und Mensch und diese ist menschenverachtend und führt oft zu Faschismus und/oder NS-Verharmlosung (Hühner-KZ und so).

Was meinen Vorwurf an die EULE betrifft, sie greife Jutta Ditfurth mit einer „primitiv-faschistoiden Sprache“ an, kann ich nur feststellen, daß dies sicher keine Relativierung des Begriffes „faschistoid“ ist, da die Brutalität und Primitivität der Sprache, die die EULE in diesem Zusammenhang verwendet durchaus mit mancher rechtsextremen Publikation mithalten kann und als solche ebenso menschenverachtend ist.

Und zu guter letzt möchte ich noch mitteilen, daß ich gegen TierRECHTlerInnen mit Sympathien zu Peter Singer oder Helmut Kaplan weiterhin „wild mit der Faschismus-Keule um“ mich „schlagen“ werde. Was soll ich denn anderes tun? Faschismus ist Faschismus und gehört überall bekämpft wo er auftaucht!

Thomas Schmidinger
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