ZOOM 1/1998
März
1998
Heinz Gärtner:

Modelle eu­ropäischer Sicherheitspolitik

Braumüller, ÖIIP, Wien 1997, 158 S, öS 275,—

Heinz Gärtner hat mit seinem eben erschiene­nen Buch „Modelle europäi­scher Sicherheit“ eine sehr gute Einführung zum The­ma vorgelegt. Darüberhinaus liefert er auch einen Einblick in die angloamerikanische Schule der „Theorie inter­nationaler Beziehungen“: Unprätentiös, verständlich und in einem interessanten theoretisch und empirisch belegten Konzept stellt Gärt­ner 14 Sicherheitspolitik-Modelle vor und diskutiert sie im europäischen Kontext. Da findet sich weder völker­rechtlicher Nebel, noch hat es der Politikwissenschaftler nötig, durch besonders un­verständliche Expertise zu glänzen und damit die un­wägbaren Entwicklungen, mit einem Gestus des abge­hobenen Herrschaftsdiksurses zusätzlich zu verschlei­ern. Die Modelle, die er dis­kutiert, sind zum einen Teil wissenschaftlich entwickelte Modelle, zum anderen Teil wurden sie aus der politi­schen Praxis abgeleitet. Aber gerade in den Sozialwissen­schaften ist diese Vorgangs­weise erhellend, haben die­se doch eine Stellung zwi­schen Beratung, Politik so­wie Analyse und Forschung.

In dem Buch findet sich der Nachweis, daß sich Österreich durch die Aner­kennung der Petersberger Erklärung bereits dem Prin­zip der nuklearen Ab­schreckung, so wie sie auch in der Westeuropäischen Union verfolgt wird, ange­schlossen hat. An anderer Stelle kann auf wenigen Sei­ten die Idee der sogenannten „Frieden und Demokratie“- These in ihrer Substanz, aber auch mit ihrem empirischen Beleg (sowie mit einer kur­zen Kritik) nachgelesen wer­den. Sie besagt, daß in den letzten beiden Jahrhunderten praktisch fast kein Krieg zwi­schen demokratischen Syste­men geführt wurde.

Bleibt noch die Frage nach der Antwort Gärtners auf den Untertitel seines Bu­ches: Wie entscheidet Öster­reich? Im Vorwort des regie­renden Kanzlers Viktor Kli­ma heißt es: „Heinz Gärtner demonstriert in dem Buch auch, daß es nach dem Ende des kalten Krieges nicht nur eine oder zwei, sondern meh­rere sicherheitspolitische Op­tionen gibt.“ Die Schlußfol­gerungen Gärnters dürften also für den „sicherheitspoli­tischen Optionenbericht“ der Bundesregierung über die Zukunft der Neutralität nicht ganz unerheblich sein. Und der Universitätsdozent geht eindeutig in eine Richtung. Die Neutralität möge zu ei­ner „politischen“ weiterent­wickelt werden oder an­dersrum: Der Gehalt der im­merwährenden Neutralität möge ganz wesentlich redu­ziert werden. Es reicht, wenn sich Österreich in Zukunft von Fall zu Fall entscheidet, ob es an Aktionen der NA­TO, der WEU, oder an einer anderen Koalition bei Mi­litärinterventionen beteiligen will. Das neutralitätsrechtlich begründete Verbot — der Sta­tionierung fremder Truppen im Land und der Teilnahme eigener Soldaten an Aktionen in Kriegen auch anderswo — aufrechtzuerhalten, scheint Gärtner überfällig und in der Gegenwart nicht mehr sinn­voll. Wenn selbst dieser recht eindeutige Rat in Richtung Reduktion der Neutralität auf ihren Kernbestand und Inte­gration in die Partnerschafts­organisation der NATO von Viktor Klima nur als eine von mehreren Optionen verstan­den wird, dann läßt dies für die Zukunft der Neutralität, so wie sie von der SPÖ heute noch verteidigt wird, nichts Gutes erahnen. Nichtsde­stotrotz ist „Modelle eu­ropäischer Sicherheit“ für In­teressierte wesentlich span­nender zu lesen, als der Titel verspricht.

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