Heft 7-8/2000
Februar
2016

Mythos Nulldefizit

Der Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (BEIGEWUM) hat ein aktuelles Büchlein zur Budgetpolitik der schwarzblauen Regierung verfaßt.

Die Notwendigkeit zur Sanierung der „Staatshaushalte“ und damit einhergehend der Legitimation zum Sparen ist scheinbarer Alltagskonsens geworden. Sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene setzen sich neoliberale Konzepte in zunehmendem Maße durch und beherrschen den öffentlichen Diskurs.

Gegliedert in fünf Kapitel, geht es im Mythos Nulldefizit zunächst um die Untersuchung und Widerlegung von ökonomischen und gesellschaftspolitischen Argumentationsweisen, welche zum allbekannten Sparmythos geführt haben und um die Rolle, welche die EU durch Konvergenzkriterien und Stabilitätspakt bei der Schaffung dieser vermeintlichen Sachzwänge spielt. Darauf basierend beleuchten das dritte und vierte Kapitel die vergangene und gegenwärtige Budgetpolitik der österreichischen Bundesregierung, wobei insbesondere die jeweilige Steuer- und Ausgabenpolitik dargestellt wird. Einen Abschluß finden die Ausführungen durch das Aufzeigen von (systemkompatiblen) Alternativen unter den Aspekten Umverteilung, emanzipatorische Effekte und Nachhaltigkeit.

Besonderes Augenmerk liegt jeweils auf spezifischen frauenpolitischen Fragestellungen.

Einige Kernaussagen des Buches:

  • Einer der zentralen Denkfehler im öffentlichen Bewußtsein liegt in der Gleichsetzung von Staat und Privatunternehmen. Ein Staat erfüllt ganz andere kollektive Aufgaben und ist in der Gestaltung seiner Einnahmen und Ausgaben vor viel mehr Handlungsalternativen gestellt, folglich kann es nicht die primäre Funktion einer staatlichen Budgetpolitik sein, möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Vielmehr ist Budgetpolitik als gesellschaftliches Lenkungsinstrument zu verstehen, das die jeweiligen Regierungen bewußt zur Erreichung ihrer gesellschaftlichen Vorstellungen einsetzen.
  • Wenn Budgetdefizite dazu herangezogen werden, um kurzfristige und überstürzte Sparmaßnahmen zu legitimieren, führt dies nicht zur Verbesserung struktureller Budgetprobleme. Sparpakete treffen einkommensschwächere Bevölkerungsschichten und wirken sich besonders auf Frauen negativ aus.
  • Einnahmenseitig trägt die österreichische Steuerstruktur nicht gravierend zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei. Hätte Österreich den selben effektiven Körperschaftssteuersatz wie Finnland (Rang 6 im EU-Raum mit 29,8%), wäre das erstrebte Nulldefizit schon erreicht.
  • Die Konsolidierungspolitik der VP/FP-Koalition ist nicht zufällig, sondern verfolgt gesellschaftspolitische Ziele. Unter dem Vorwand von Einsparungen kommt es zur Zurückdrängung des Sozialstaats, werden staatliche Aufgaben eingeschränkt und Privatisierungen forciert. Die aktuelle Familienpolitik dient der Förderung eines traditionellen Familienideals. Familien, und damit insbesondere Frauen, sollen Versorgungslücken im öffentlichen Sozialbereich abdecken, wobei die gegenwärtige Politik gerade darauf abzielt, Frauen möglichst wieder auf die ihnen zugeschriebenen Rollenbilder zurückzuwerfen. Unerwünschte Einrichtungen werden trotz nur scheinbarer Einsparungspotenziale „weggespart“ (z.B. Zivildienst).
  • Die Überbewertung des Defizitproblems hat die Funktion, an die Opferbereitschaft der Bevölkerung zu appellieren. Eine sinnvolle Diskussion über budgetäre Strukturprobleme, über eine grundlegende Budgetreform und über alternative Konzepte müßte ganz anders gestaltet werden.

Das Buch stellt eine übersichtliche, verständliche Darstellung der Problematik dar und profitiert durch die inhaltliche Aktualität. Als Einstieg in die Thematik „Mythos Nulldefizit“ und kurzen Einblick in die Budgetsituation Österreichs ist das rund hundert Textseiten starke Buch allemal eine Empfehlung wert, wobei zugleich die Kürze und Einfachheit teilweise auf Kosten einer inhaltlichen Vertiefung gehen.

Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (BEIGEWUM): Mythos Nulldefizit. Alternativen zum Sparkurs, Mandelbaum Verlag, Wien, 2000, Preis: ÖS 120,— • DM 16.40, ISBN 3-85476-042-6

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