ZOOM 3/1997
Juni
1997

NATO-tauglich

Anfang April wurde ein neues Entsendegesetz im Nationalrat beschlossen. Unter dem Druck des bevorstehenden Albanien-Einsatzes wurde ein Regelwerk zur Truppenentsendung für die „nächsten 20 Jahre geschaffen“, wie der Völkerrechtsexperte des Außenamtes Franz Cede meinte.

Was bisher geschah

Bislang ermöglichte ein 1965 beschlossenes Bundesverfassungsgesetz die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung im Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen und unter Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität. Das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Parlaments war in jedem Fall herzustellen.

Während die Entsendebefugnis nur durch die Neutralität eingeschränkt war, unterlag die Verwendung der Einheit derart engen Beschränkungen, daß man jeder internationalen Streitmacht vom Einsatz österreichischer Truppen nur dringend abraten konnte. Hinsichtlich der Weisungsbefugnisse der internationalen Organisation mußte ein eigener Staatsvertrag abgeschlossen werden. Lag kein solcher Staatsvertrag vor, so hatte die Bundesregierung dem Vorgesetzten der österreichischen Einheit Weisungen zu erteilen.

Dieses Entsendegesetz bildete die Basis für die Katastrophenhilfe des Bundesheeres (Armenien), friedenserhaltende Einsätze (Zypern, Golan) und zuletzt auch die Beteiligung am IFOR-Einsatz in Bosnien. In diesem Zusammenhang wurde bereits deutlich, daß das Entsendegesetz eine unzureichende Grundlage für die Entsendepolitik der Bundesregierung geworden ist. Das Aufgabenfeld für internationale Militäreinsätze wurde ausgedehnt. Institutionen und Organisationen haben sich gebildet, die auch Zivilpersonen (zur Wahlbeobachtung, Mediation, ...) entsenden wollen. Die Teilnahme an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU ist Regierungskonsens. Und der Beitritt zu NATO und WEU kann bereits im Bericht der Regierung an das Parlament Anfang 1998 zu einer wichtigen sicherheitspolitischen Option werden.

Und jetzt: Hoppauf in die NATO

Schon der Name gilt fürs Werk. Aus dem Entsendegesetz ist das in schöner neuer Sprache verkleidete „Verfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland“ geworden.

Jetzt sind neben die „Bedachtnahme auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs“ – die in der Debatte von den VertreterInnen der SPÖ als die fortgesetzte Neutralitätsbindung dargestellt wurde – die UNO-Satzung, die Schlußakte von Helsinki und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU getreten. Der Rahmen für österreichische Truppenentsendungen kann in Hinkunft jede internationale Organisation wie NATO oder UNO, aber auch die OSZE oder – im Rahmen der GASP – die EU sein.

Die Entsendung wird jetzt für folgende Zwecke vorgesehen:

  • „Friedenssicherung“ – „in Übereinstimmung mit der Satzung der UNO“, womit von präventiven über friedenserhaltende bis zu friedensschaffenden Einsätzen (unter Einsatz „militärischer Gewalt“) alles möglich ist ,
  • „humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe“
  • „Such- und Rettungsdienste“ sowie
  • „Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung“ – eine Vorleistung für einen NATO-Beitritt.

Diese Normierung der Truppenentsendung zur „militärischen Landesverteidigung“ ins Ausland macht aus strategischer Sicht nur dann Sinn, wenn sich das österreichische Bundesheer in ein System der kollektiven Verteidigung und der gegenseitigen Beistandsverpflichtung eingegliedert hat. Dieses Gesetz soll eben auch für einen NATO-Beitritt tauglich sein.

Das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß ist in Hinkunft bloß noch für friedenssichernde, humanitäre und Einsätze bei Katastrophen herzustellen. In den anderen Fällen und auch bei Verlängerung eines friedenssichernden Einsatzes braucht die Regierung den Hauptausschuß nur mehr zu berichten.

Grundwehrdiener müssen sich für jeden einzelnen internationalen Einsatz freiwillig melden. Bei Berufssoldaten und Zeitsoldaten kristallisiert sich nach dem neuen Gesetz heraus, daß mit einem Eintreten in Einheiten für Internationale Einsätze eine generelle Zustimmung zur Teilnahme an Auslandseinsätzen verbunden ist.

Feuertaufe Albanieneinsatz

Die neue Rechtsbasis war mit Verlautbarung des Bundesgesetzblattes am 21. April gegeben. Am 22. April mittags beschloß der Ministerrat die Entsendung von 130 Soldaten nach Albanien. Abends wurde die Vorlage dem Hauptausschuß vorgelegt. Da es sich um eine „Koalition der Willigen“ handelte und um keine Entsendung im Rahmen einer internationalen Organisation, wie ihn das neue Entsendegsetz fordert, stellten Grüne und Freiheitliche die Rechtmäßigkeit dieser Entsendung massiv in Frage. Die Regierungsfraktionen zogen die Entscheidung unter Verweis auf UNO- bzw. OSZE-Resolutionen kalt lächelnd durch.

Das Bundesheer folgte dem Ruf des frischgebackenen OSZE-Albanienbeauftragten Vranitzky nicht mehr ganz so gerne wie zuletzt dem NATO-Ruf nach Bosnien – aber es folgte.

Die politische Zielsetzung des Albanieneinsatzes ist völlig unklar. Die Konflikte der Regierung mit den Sozialisten und den Bürgerkomitees müßten zunächst einer diplomatischen Lösung zugeführt werden. Obwohl eine solche nicht in Sicht ist, wurde die „Alba“-Truppe mit dem Auftrag, „Hilfslieferungen“ zu schützen, zusammengestoppelt und nach Albanien verlegt. Das Mandat, das auf Kapitel VII der UNO-Satzung („Peace Enforcement“) beruht, ermöglicht den Waffeneinsatz zur Selbstverteidigung sowie zur „Gewährleistung der Sicherheit und der Bewegungsfreiheit der Schutztruppe“. Dieses Mandat entspricht jenem der Interventionsstreitmacht in Somalia. Auch die politische Lage in Albanien kennt gewisse Analogien: Im Süden hat die Regierung die Kontrolle an Aufständische abgeben müssen.

Italien mag ein Interesse an der Eindämmung der Fluchtbewegung haben, was ihm mit 6000 Soldaten in Albanien wahrscheinlich auch gelingen wird. Berisha mag sich eine Stärkung seiner Position davon erhoffen. Die Sozialisten mögen damit eine Erhöhung der internationalen Aufmerksamkeit verbinden. Die Bürgerkomitees hoffen vielleicht, von der internationalen Truppe Geld für ihre erbeuteten Waffen zurückzubekommen, das sie bei den Pyramidenspielen verloren haben. Die Erwartungen aller möglichen Akteure in dem Konflikt sind unterschiedlich bis gegensätzlich. Bei dem unklaren internationalen Auftrag erhöht diese Ausgangssituation die Eskalationsgefahr.

Bleibt nur zu hoffen, daß die OSZE politische Lösungen herbeiführt, die im Juni faire Wahlen und dann eine Stabilisierung des Landes ermöglichen. Wozu dafür Militär in Albanien nötig ist, bleibt fragwürdig.

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