Streifzüge, Jahrgang 2020
Juni
2020

Setting und Seuche (II)

Die Beiträge zu den Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid 19 mehren sich auch auf unserer Seite. In den nächsten Streifzügen folgen dazu einige Einschätzungen, die eine relativ weite Spanne der Zugänge offenbaren. Zum Text Setting und Seuche von Franz Schandl gibt es einen Einwand von Norbert Trenkle. Eine Antwort darauf folgt demnächst.

Der jüngste Text von Franz Schandl zum politischen Umgang mit der Corona-Pandemie hat mich gelinde gesagt sehr befremdet. Obwohl Franz Schandl jeder Neigung zum verschwörungsideologischen Irrwitz, der sich derzeit auf „Hygienedemos“ und in den sozialen Medien austobt, vollkommen unverdächtig ist, spielt er in seinem Text doch geradezu fahrlässig mit Formulierungen, die auch dort in ähnlicher Weise permanent bemüht werden. Es geht hier nicht nur um eine vielleicht unglückliche Wortwahl oder darum, bestimmte Begriffe mit Tabu zu belegen, weil sie von gefährlichen Spinnern und rechten Taktierern angeeignet wurden. Es geht um den Duktus des Textes — oder jedenfalls großer Teile des Textes.

Dass der Appell ans nationale Wir zum Kotzen ist, ebenso wie dieser aalglatte Oberstreber Kurz, der sich sichtlich wohlfühlt in seiner Kommandoposition, geschenkt. Und dass die Regierungen die Pandemie nutzen, um so manche Kontrollmaßnahme durchzusetzen, die nachher nicht wieder zurückgenommen wird, ist kein Geheimnis. Aber indem Franz Schandl ausschließlich thematisiert, wie Angst geschürt wird, um eben diese Kontrollmaßnahmen durchzusetzen, legt er nahe, dass es eigentlich nur darum geht. Das sagt er zwar so nicht und behauptet auch nicht, dass das Virus ungefährlich sei, aber mit seinen Formulierungen deutet er zumindest an, dass dessen Gefährlichkeit maßlos übertrieben werde, und dass dies deshalb geschehe, um die Bevölkerung für die Maßnahmen des autoritären Kontrollregimes gefügig zu machen.

Da ist zum Beispiel vom „weltweiten Corona-Experiment“ die Rede, das „auch einer Überprüfung der Folgsamkeit von Bevölkerungen“ gleicht, was darauf anspielt, dass hier etwas bewusst inszeniert wird. Und es wird von der loyalen Herde gesprochen, die sich nur wehrt, wo „primitive ökonomische Gründe“ eine Rolle spielen (was übrigens nicht stimmt). Und was die Fakten zu Corona angeht, hören wir Binsenwahrheiten wie: „Schon übermorgen wird man feststellen müssen, wie wenig wir heute gewusst haben“ und „Die Schlacht ist auch ein Gemetzel der Zahlen. Und es ist gar nicht einfach zu sagen, welche real sind oder welche bloß als real realisiert werden“.

Hier tut Franz Schand so, als sei es eine subversive Einsicht, dass wir noch nichts Genaues über den Virus wissen, gerade so, als würde nicht genau darüber permanent in der Öffentlichkeit debattiert. Damit gerät aber mit seinen Formulierungen in eine gefährliche Nähe zu jener Methode des „Andeutens“ und „Hinterfragens“, die zum Kernrepertoire der diversen „Corona-Kritiker“ gehört. Hinzu kommt noch, dass er, wenn auch nur in Frageform, das Klischee bedient, es gebe gar keine freie öffentliche Debatte über das Thema: „Die Debatte, falls es überhaupt eine ist, gerät auf die Ebene von Tugend und Laster. Da gibt es Brave und Schlimme.“ Und dann kommt er auch noch mit dem Dauerbrenner daher, dass Kritiker quasi mundtot gemacht werden: „Regt sich jemand auf, wird eilends der totalitäre Hammer geschwungen, indem ein Bündnis von rechten und linken Extremisten behauptet wird“.

Merkt Franz Schandl nicht, wie er mit solchen Formulierungen und Andeutungen den Verschwörungsideologen und Querfrontlern in die Hände spielt, gerade jetzt, wo sie solchen Aufwind haben? Deren wirre Konstrukte werden mit keiner Silbe erwähnt. Im Gegenteil: Wo er davon spricht, dass es „in allen klein- und großbürgerlichen Gemütern ... stets um die Schuld (geht), die irgendwer zu haben hat“, meint er nicht etwa die wahnhaften Vorstellungen über die Gates-Stiftung und dergleichen, sondern spielt darauf an, dass die krisenhaften Verwerfungen nun dem Virus in die Schuhe geschoben werden können. Das mag schon sein, geht aber zugleich auch mit der Andeutung einher, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Grunde deshalb durchgezogen werden, um von den wahren Ursachen der Krise abzulenken (so wie es Nykios Emmerich in seinem überaus fragwürdigen Text ganz offen tut, der ebenfalls auf der Streifzüge-Homepage erschienen ist).

Nochmal: ich weiß, dass Franz Schandl mit den wirren Ideen, die auf den diversen „Corona-Demos“ verbreitet werden, nichts am Hut hat. Aber gerade deshalb kann ich nicht nachvollziehen, wieso er dann in der gegenwärtigen Situation, in der sich eine neue Qualität von Querfront zwischen Rechten, Linken und Verschwörungsideologen jeder Art zusammenbraut, keine klare Kante zeigt. Warum schreibt er stattdessen einen solchen Text voller Unschärfen und Andeutungen, der dem politischen Wahn mehr als eine offene Flanke bietet? Als jemand, der den Streifzügen mit einer gemeinsamen Geschichte verbunden ist und auch heute noch gelegentlich dort publiziert, hätte ich darauf gerne eine Antwort.

27. Mai 2020
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