Heft 7-8/2001 — 1/2002
Februar
2002

Vor 40 Jahren — der Fall B.

5 Jahre nach dem Staatsvertrag tauchten an den Wänden Österreichs Hakenkreuze und sogenannte Odalsrunen auf, „Heimattreue“ be­gannen sich erneut zu regen. Das Unterrichtsministerium empfahl Zeitgeschichte zu lehren. Der Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Hochschule für Welthandel berichtete also nicht mehr nur vom ger­manischen Pflug, der tiefer in die Erde eindrang als der römische, er widmete sich der jüngeren Vergangenheit. 3 Jahre vor 1968 war Wi­en Schauplatz von Demonstrationen, die Zustande an den Hochschulen zum Anlass hatten, die gewalttätig ausarteten und zu zahlreichen Ver­letzungen, sogar zum Tod von Ernst Kirchweger, eines Widerstands­kämpfers und Kommunisten, führten. Begonnen hatte alles mit der Wiedereingliederung von Professoren, die eine Nazi-Vergangenheit hatten, in österreichische Universitäten. Ei­nige von ihnen hatten nur das Parteibuch, nicht die Gesinnung gewechselt, was sie auch in den von ihnen vor­getragenen Lehrinhalten deutlich machten. Der frühere Studentenfunktionär Heinz Fischer, nunmehr im Par­lamentsklub der Sozialistischen Partei tätig, widmete diesem Problem einen Artikel im theoretischen Organ der SPÖ, der „Zukunft“, in dem er auch einige Namen als Beispiele für alten nazistischen Ungeist nannte, der sich wieder auf Universitätsboden breit machte. Unter anderem war auch vom Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Hochschule für Welthandel, der Vorläuferin der heutigen Wirtschaftsuniversität, Taras Borodajkewycz, die Rede. Während seine Kollegen es vorzogen, auf diesen, auch in der „Arbeiter-Zeitung“ verkürzt nachgedruckten Artikel nicht zu reagieren, lief „Boro“ zu Gericht, fühlte sich in seiner Ehre gekränkt.

Einem größeren Kreis war er schon längere Zeit ein Begriff. In einer der damals populär werdenden Quiz­sendungen des Rundfunks hatte es eine Studentin der „Welthandel“ gewagt, den allgemein gebräuchlichen Begriff für ihre Hochschule zu verwenden: nämlich „Greißlerakademie“. Das Professorenkollegium reagierte beleidigt und leitete ein Disziplinarverfahren ein. Dies wiederum veranlasste den der ÖVP angehörenden Redakteur Heribert Husinsky zu einem Leitartikel im „Neuen Österreich“, einer offiziös-grosskoalitionären Postille unter dem Titel „Lotte und Taras“. Kernpunkt seiner Glosse war die Frage, wer mehr zur Schädigung des Rufes der Hochschule für Welthandel beitrage, eine junge, kecke Studentin oder ein alter, unbelehrbarer Geschicht­sprofessor mit Vergangenheit.

Hinter diesem Artikel verbarg sich wohl auch interne ÖVP-Kritik an der Rehabilitierung eines Mannes, der in den dreißiger Jahren bereits unrühmlich dadurch auffiel, dass er keine Schwierigkeiten hatte, gleichzeitig mit beiden Spielarten des Faschismus sich anzufreunden, Dollfuß organisatorisch zu unterstützen und den il­legalen Nazis zu dienen. Borodajkewycz war ein Exempel für das Fischen im Trüben der gar nicht so „Ehe­maligen“, wie es von allen Parteien betrieben wurde.

Der Prozess gegen Heinz Fischer löste zunächst geringes Echo aus, erst als sich das damals noch junge Medium Fernsehen, in der von Gerhard Bronner und Peter Wehle gestalteten Sendung „Zeitventil“ der Sa­che annahm und der Schauspieler Sobotka einige Zitate aus Vorlesungen des Historikers wiedergab, der sorgfältig die jüdische Abstammung von ihm zitierter Persönlichkeiten angab, sich hie und da auch zu ei­nem „Kaffeehaus-Juden“ hinreißen ließ, wurde die Sache publik. Die Hochschülerschaft an der „Welthandel“ glaubte für den Professor eine Pressekonferenz veranstalten zu müssen, um die Dinge richtigzustellen.

Der Professor, unter Gleichgesinnten zur Hochform auflaufend, bestätigte mit seinem antisemitischen Grundton alle Vorwürfe gegen ihn. Es bedurfte jedoch zweier Großdemonstrationen, um den Bundeskanzler Klaus, später als „echter Österreicher“ plakatiert, und den Unterrichtsminister Piffl-Percevic zu aktivieren. Ein langwieriges Disziplinarverfahren hatte den vorzeitigen Ruhestand des Professors mit unwesentlich gekürz­ten Bezügen zur Folge. Eine neonazistische Burschenschaft, der auch der Totschläger Ernst Kirchwegers angehörte, wurde verboten, der Totschläger zu wenigen Monaten Gefängnis verurteilt.

Bedeutender war die Wirkung der Affäre. Erstmals wurden Lehrinhalte einer Hochschule, die eher von den Überbleibseln faschistischer Ideologien verschiedensten Ursprungs denn von demokratischem Geist ge­prägt war, in Frage gestellt. Konsens aus der Zeit gemeinsamen Widerstandes gewann an Bedeutung ge­genüber dem Stimmenfang der Konkurrenzdemokratie, zumindest vorübergehend.

Manche der Akteure von damals sind heute noch tätig, natürlich Dr. Heinz Fischer als Präsident des Öster­reichischen Nationalrats, aber auch die „andere Seite“ stellt noch Aktive, ein Wirtschaftskammerpräsident war damals glückloser Veranstalter der berüchtigten Pressekonferenz, wenig verwundert die Teilnahme ei­niger FPÖ-Funktionäre, früherer und jetziger, an den Demonstrationen für „Boro“.

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)