MOZ, Nummer 50
März
1990

Was tun mit der KPÖ?

Natürlich ist es erst einmal erfreulich, daß die KPÖ mit den Methoden des Stalinismus gebrochen hat. Im nachhinein wird somit der Großteil der linken Kritik von der KPÖ selbst bestätigt werden und werden müssen. Doch nicht die Auseinandersetzung mit anderen linken Kräften förderte das neue Denken der Austrostalinisten, sondern die nackten Tatsachen, Gorbatschow und der Zusammenbruch des Ostblocks gaben den Ausschlag.

Man hat daher den Eindruck, daß sie jetzt ihre Fehler zwar gestehen, aber noch immer nicht verstehen. Während nämlich in der Praxis dem Stalinismus abgeschworen wird, bleiben dessen Prämissen wie die Theorie vom Sozialismus in einem Lande von Bucharin/Stalin unreflektiert, oder die Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus (STAMOKAP) weiterhin unkritisiert. Letzter Begriff geistert noch immer durch die Parteitagsreden und Parteitagsbeschlüsse. Die Theorie des KP-Sozialismus, muß der Beobachter annehmen, war wohl schwer in Ordnung, nur die reale Existenz ein Störfaktor.

Natürlich findet sich viel Richtiges und Nützliches in der Parteitagsresolution „Alternativen für Österreich“, nur Alternativen finden sich darin nicht. Die KPÖ droht zu nichts anderem zu werden als einer radikaleren Variante von SPÖ und Grünen, eine Partei des Komparativs ohne eigenständiges Profil. Ansätze, die wirklich eine eigenständige politische Existenz rechtfertigen, suchen wir in der KPÖ vergebens.

Das soll nun nicht gleich als ein Plädoyer für die Abschaffung der KPÖ mißverstanden werden, auch wenn das — zumindest wenn sich in Theorie und Praxis nicht wirklich neue Qualitäten (der Antistalinismus ist notwendig, aber doch keine ausreichende Grundlage) ergeben — die Folge sein wird. Über diese aktuellen politischen und ideologischen Schwächen sollten vor allem nicht die Potenzen der KPÖ im ökonomischen Bereich hinwegtäuschen. Sie sind es — aber nur vorerst! —, die den Massenexodus in der Partei oder Massenentlassungen wie etwa in der DKP — dort sollen 450 von 500 Hauptamtlichen gekündigt worden sein — verhindern.

Was die KPÖ grundsätzlich von den anderen Parteien im Lande unterscheidet, war ihr positiver, in der Praxis völlig unkritischer Bezug zum System des real existierenden Sozialismus. Seit der real nicht mehr existiert, ist der Bestand der KPÖ gefährdet. So einfach ist das. Ohne gesellschaftliche Umwälzungen im Osten hätte sich am stalinistischen Charakter der KPÖ rein gar nichts geändert. Ein neuer Bezugspunkt ist jedenfalls nicht in Sicht.

Dazu bedarf es mehr als der schon unerträglich gewordenen Phrase vom Neuen Denken. Diese konstatiert zwar richtig, daß man bisher falsch und vor allem auch zu wenig dachte, kann jedoch nicht erklären, warum die Wenigdenker von gestern auf einmal zu den Vordenkern von heute werden sollen. Wer seine Schwächen erst zugibt, nachdem er so offensichtlich niedergeschlagen wurde, ist unglaubwürdig.

Wenn das Neue Denken aber bloß auf der Anerkennung unleugbarer Tatsachen, bloß auf der Ebene der gesellschaftlichen Erfahrung aufbaut, dann sollte man es schnell wieder vergessen. Für emanzipatorische Bewegungen ist diese vordialektische Ebene des Alltagswissens, des gesunden Menschenverstandes, der sinnlichen Gewißheit, wie Hegel sie nannte, völlig untauglich.

Die Parteitagsrede des neuen Vorsitzenden Silbermayr und die Parteitagsresolution machen (leider) eines klar: Weg und Ziel sind alles andere als eine dialektische Einheit, Taktik und Strategie bleiben in der Politik der KPÖ unverbunden, neben dem (durchaus zu unterstützenden) Minimalprogramm verkommt das Maximalpostulat, die Revolution, zu einer deklamatorischen Phrase im letzten Absatz.

Die KPÖ hat als KPÖ keine Chance mehr, zu einer bedeutenderen gesellschaftlichen Kraft zu werden. Das Gegenteil ist zu befürchten: Die geplante Umgestaltung der Partei wird zu einem kräftigen Aderlaß führen. Die Altstalos werden blockieren, bremsen, sich zurückziehen und austreten, sie, die einen nicht unbeträchtlichen Teil der politischen Arbeit gewährleisteten, werden für sie nicht mehr zur Verfügung stehen. Das Gros der Jungen wird — mangels Differenz — überlegen, die Partei Richtung SPÖ oder Grüne Alternative zu verlassen. Die mögen zwar weniger links sein, doch sind sie attraktiver (auch für das persönliche Wohl) und vor allem größer.

Die Kommunistische Partei Österreichs hat keine Zukunft. Das ist bitter, aber wahr. Bitter nicht nur für die vielen aufrechten und kritischen Genossen in der KPÖ, sondern auch bitter für die gesamte Linke. Wer Antistalinismus nicht mit Antikommunismus verwechselt, muß erkennen, daß die Abnahme kommunistischer Aktivitäten die gesamte Linke schwächt.

Was kann also aus dieser KPÖ noch werden?

Die KPÖ ist für die alternative und radikale Linke vor allem als Konkursmasse interessant. Auch wenn die Entwicklung der KPÖ ein mittelfristiges Ende erwarten läßt, so ist doch damit noch nicht gesagt, daß dies unbedingt ein schreckliches Ende oder ein Verpuffen sein muß, nach dem nichts mehr kommt. In bewegten Zeiten wie diesen sind auch neue Umgruppierungsprozesse bis weit in die Parlamentsparteien hinein vorstellbar. Ohne Hast sollte dafür gesorgt werden, eine breite linke Debatte über sie zu initiieren und sämtliche Kräfte von den Autonomen, über versprengte Reste linker Gruppierung bis zur KPÖ in ihren Dienst zu stellen.

Der Weg zwischen Anpassung und Sektierertum war noch selten so schmal wie heute, ihn zu erweitern sind alle aufgerufen. Nicht zuletzt die KPÖ sollte — will sie wirklich als Teil einer neuen öko-sozialistischen Alternative überleben — diesen Sprung wagen und ihre gesamte Infrastruktur dafür zur Verfügung stellen. Erst daran wird man erkennen, ob die KPÖ für eine radikale Erneuerung der Partei und für eine systemüberwindende Politik zu haben ist, oder ob der Zug schon endgültig Richtung Sozialdemokratisierung abgefahren ist.

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