radiX, Aussendungen
Januar
2003

Wegen polizeikritischem Leserbrief: 2.866,00 Euro (ca. 40.000,00 öS) Kosten und erzwungener Widerruf!

Zivilgericht gibt Klage auf Widerruf und Unterlassung eines sozialdemokratischen Polizeigewerkschafters statt

Bitte spenden unter: Sparbuch Nr. 32 22 61 85, BLZ 38 000, Bezeichnung „MayDay2000 Graz“

Ende 2001 klagte ein Kommandant einer Sondereinheit und Mandatar der „Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen“ (FSG) eine Mayday-Aktivistin auf Widerruf und Unterlassung, weil sie einen Leserbrief in der damaligen „Neuen Zeit“ mitunterzeichnet hatte, in dem ein umstrittener Polizeieinsatz kritisierte wurde.

Der Anlass: Zunächst erschien in der „Neuen Zeit“ ein kritischer Artikel über das Vorgehen von Sondereinheiten am 6.10.2000 gegen ca. 15 junge Leute, die friedlich mit Transparent und Zwischenrufen gegen den Auftritt des bayrischen Politikers Edmund Stoiber protestierten. Daraufhin meldeten sich mehrere sozialdemokratische Mandatare der Sicherheitswache Graz per Leserbrief zu Wort, darunter auch ein Kommandant einer Sondereinheit, und verteidigten den Polizeieinsatz als „ordnungsgemäß“. Zwei Mayday-AktivistInnen antworteten den PolizeigewerkschafterInnen und namentlich dem Kommandanten ebenfalls mit einem Leserbrief, in dem sie u.a. die Aussage eines freiheitlichen Polizisten zitierten, der sein eigenes damaliges Vorgehen so geschildert hatte: „Ich versuchte ihn [einen jungen Demonstranten, der sich bei anderen festhielt, Anm.] loszulösen. Ich versuchte es mit einem Daumenhebel [weites Um-und Zurückbiegen des Daumens, Anm.] ... Danach habe ich eine beidseitige Nervenpresse durchgeführt [Zusammenpressen von Nervensträngen hinter dem Ohr, Anm.] ...“ Im Leserbrief der Mayday-AktivistInnen hieß es daher weiters: „Wie kann sich Herr [Name des Kommandanten], einer der Gruppenkommandanten vom 6.10. als Sozialdemokrat bezeichnen und gleichzeitig ein solches Vorgehen eines freiheitlichen Polizeigewerkschafters verteidigen? Oder ist es neuerdings sozialdemokratisch, einen Polizeieinsatz mitzubefehlen, bei dem junge Leute grundlos festgenommen, zu Boden geworfen, mißhandelt und Presse- und Fotodokumentationen an Ort und Stelle verhindert wurden?“

Gegen dieser beiden Sätze (wobei der erste Satz ja nur eine Kritik seiner Darstellung des Einsatzes als „ordnungsgemäß“ war) brachte der FSG-Funktionär nun seine Klage beim Zivilgericht ein. Im Verfahren sagten einzelne Beteiligte über die Übergriffe der Polizei aus, auch die Behinderung von Pressearbeit und Fotoaufnahmen durch die Polizei kam zur Sprache. Der Kläger behauptete, dass ein von ihm herausgegebenes Blatt namens „polizei aktiv“ nicht mehr erscheinen könne, da es durch den Leserbrief in der „Neuen Zeit“ zu einem solchen Rückgang der Werbemittel gekommen sei. Diese Behauptung musste er durch nichts belegen, er musste nicht einmal den Namen des für die Akquisition zuständigen Kollegen nennen, der ihm das mitgeteilt hätte.

Der Richter gab dem klagenden Polizeibeamten recht und sprach die Mayday-Aktivistin schuldig, die zitierten Sätze des Leserbriefs in der Zeitung „Die Neue“ zu widerrufen und sie künftig zu unterlassen (bei einer sonst drohenden Geldstrafe von 4360 Euro). Außerdem muss sie die Verfahrenskosten des Klägers in der Höhe von 2866 Euro (ca. 40 000 ÖS) bezahlen.

Als Indizien für die Wiederholungsgefahr wertete der Richter, dass „die Beklagte nach wie vor von der Ungerechtfertigkeit der Polizeimaßnahmen überzeugt“ sei, außerdem das „nach wie vor aktive Bestehen“ der Gruppe Mayday 2000.

Öffentliche Kritik an einem Polizeieinsatz — und deswegen Prozesskosten (die des Klägers und die eigenen), die existenzbedrohend sind und ein erzwungener Widerruf?! Entspricht ein solcher Umgang mit Kritik der Stadt der Menschenrechte? Entspricht er den Vorstellungen, die ein sozialdemokratischer Gewerkschafter von Demokratie hat?!

MayDay2000 Graz
Post: Postfach 466, 8011 Graz
Netz: http://mayday.widerstand.org
Email: mayday2000graz@hotmail.com
Support: Sparbuch Nr. 32 22 61 85, BLZ 38 000, Bezeichnung „MayDay2000 Graz“

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