FŒHN, Heft 10/11
Januar
1988

„Wendezeit“

In Heft 4 dieser Zeitschrift (Juli 1985) haben wir an die blutigen Anfänge der in Innsbruck le­benden Schriftstellerin Ingeborg Teuffenbach erinnert und Proben aus ihrem Schaffen vorgezeigt.

Dem Reichsjugendführer und späteren Gauleiter von Wien, Bal­dur von Schirach, war ihr erstes Lyrikbändchen gleich ein Vorwort wert und der Reichsminister für Volksaufklärung, Joseph Goeb­bels, (der sich beim Lesen dieser Gedichte „manchmal kaum der Tränen erwehren“ konnte) zeich­nete es 1938 mit dem Deutschen Buchpreis aus. Teuffenbachs lyri­sches Hauptwerk »Saat und Reife« schmückt die vom Führer ganz of­fiziell angenommene Widmung „Für Adolf Hitler“ und ist vom damaligen Wiener Gauleiter Odilo Globocnik eingeleitet. (Globocnik war 1933 nach der Ermordung eines jüdischen Geschäftsmannes in Wien nach Nazideutschland geflüchtet und 1938 zum Gauleiter von Wien bestellt worden. 1939 wurde er wegen bekanntgeworde­ner Devisenschiebereien wieder abgesetzt und wechselte als Brigadeführer zur SS. In der Folge brachte er es zum SS- und Polizei­führer von Lublin, dem die Menschenvernichtungslager Belzec, Sobibor, Treblinka und Majdanek unterstanden.) Er lobte 1938 die martialischen Gesänge der Inge­borg Teuffenbach in den höchsten Tönen und dankte „dieser Frau, daß sie uns allen diese Gedichte geschenkt hat, die ebenso schön in ihrer Sprache sind, wie sie auch ein Denkmal bauen für die alte illegale Garde der Ostmark und ihre Treue zu Adolf Hitler“.

Die solchermaßen Geehrte hat bis zum Zeitpunkt unserer Offen­legung den Tatbestand immer durch Lügen sonder Zahl in Abre­de zu stellen versucht. Statt 24 wollte sie 1938 erst 17 gewesen sein, statt drei Auflagen von »Saat und Reife« begehrt, wollte sie nur eine zugelassen haben, ihr 1938 erschienenes Buch »Kärntner Hei­mat« wollte sie schon vor dem An­schluß, den 1943 erschienenen Lyrikband »Verborgenes Bildnis« erst nach dem Zusammenbruch und die »Gedichte zum Krieg« un­ter dem Titel »Verpflichtung« überhaupt nie herausgebracht haben, den 1941 aus der Hand ei­nes SS-Oberführers empfangenen »Raimund-Preis« (Bericht da­rüber in: »Völkischer Beobach­ter«, 1. Juni 1941) wollte sie schon 1939 und den 1944 empfangenen Lyrikpreis des Landes Kärnten erst 1945 empfangen haben. So suchte sie durch die Hinausdrängung verräterischer Daten aus den Jahren der NS-Zeit ihre Taten aus der NS-Zeit zu verstecken.

Es ist Frau Teuffenbach im FOEHN nicht vorgeworfen wor­den, daß sie ein verbrecherisches Regime angefeuert hat, bloß, daß sie uns unaufhörlich vorgelogen hat, sie hätte dies nicht getan.

Auf unsere Offenlegung hin hat T. nun in die von ihr mitbegründete und von ihr mitherausgegebene, aus Steuergeldem bezahlte Zeit­schrift, die sich »InN« nennt und »Zeitschrift für Literatur«, hat in deren Impressum folgende Offen­legung nach § 25 Mediengesetz hineinschreiben lassen: „InN ver­öffentlicht literarische und kulturpolitische Texte und ist dem Pazi­fismus und Antifaschismus ver­pflichtet.“

Schwubidiwup. Simsa­labim. Das immer schon nach dem Winde gehängte Mäntelchen ver­kehrt herum angelegt, und fertig ist die neue Frau. Aus der lärmen­den Kriegshetzerin,

Den tapferen Sinn beim Gang zur Front zu zeigen, / fällt uns im Weh des Abschieds selbst nicht schwer, / eh nicht des Sieges rote Fahnen steigen / gibt es für uns kein andres Wünschen mehr.
(Aus: »Die jungen Kämpfer an Deutschland«)

die sie, da sie sie verleugnet, auch nie hat überwinden können, ist auf dem Zeitungspapier eine Pazifi­stin, aus der glühenden National­sozialistin,

Wir sagen oft für uns allein, von Zeit zu Zeit in uns hinein: Heil Hitler!
Kein Fremder hört etwas davon, nur in dem Ohr klingt lang der Ton: Heil Hitler!
(Aus: »Der Gruß«)

die sie, da sie sie verleugnet, auch nie hat hinter sich lassen können, ist, wenn auch keine gestandene, so doch eine geschrieben gestan­dene Antifaschistin geworden.

Der Redaktion des FOEHN sind jüngst Dokumente zugegan­gen, die den ersten Teil der Überlaufbahn von Ingeborg Teuffen­bach illustrieren. Es handelt sich dabei um Aktenstücke aus der Reichsschrifttumskammer und aus dem Parteiarchiv der NSDAP. Wir wollen sie, da die Geschichte mit unserer seinerzeitigen um­fänglichen Darstellung leider im­mer noch kein Ende gefunden hat, den Freunden des FOEHN und denen, die ihn als dessen Gegner lesen, nicht vorenthalten.

Bis ins Frühjahr 1945 war Teuf­fenbach Partei- und Kriegshymnikerin, bis Juli 1985 hat sie drei Viertel ihrer Schreibtischverbre­chen geleugnet und sich fürs nicht­leugbare vierte ein bißchen (wört­lich:) „geschämt“, seit Heft 4 un­serer Zeitschrift aber ist Frau Inge­borg Teuffenbach in 6020 Inns­bruck stolze Besitzerin eines Antifaschismus und eines Pazifismus. Weshalb sich eine Zeitschrift mit dem Literaturverständnis des »InN« auf solche Sachen verpflich­ten sollte, verstehe ich nicht, aber nur zu gut, daß Frau T. ihre beiden Neuerwerbungen den zig Lesern ihres Druckerzeugnisses nicht län­ger vorenthalten möchte.

Der fliehende Wechsel von der seinerzeitigen zur nunmehrigen Verpflichtung ist, bei aller Verzö­gerung, ein uns, die sich nur auf die ersten 71 Lebensjahre der Künstlerin Stützenden, regelrecht entwaffnender Geniestreich.

Was tut Ingeborg Teuffenbach mit ihren ehemals blutigen, aber zwischenzeitlich in Unschuld not­dürftig gewaschenen Händen? Sie legt sie in den Schoß. Sie führt sich ihren eigenen Untaten gegenüber als Pazifistin auf. Sie hat ihren Frieden mit ihrer Vergangenheit gemacht.

Die Antifaschistin Teuffenbach beschäftigt kein Gedanke mehr an die Faschistin Teuffenbach. Niemals vergessen, heißt die Devise, das Mäntelchen nach dem Wind zu hängen. (Der Föhn freilich, der FOEHN tut’s arg zerzausen.)

(...) In den Jahren der Kampfzeit war ich Kulturreferentin des BDM im Gau Kämten. In dieser Zeit entstanden alle meine politischen Kampfgedichte, die ich in ungezählten illegalen Veranstal­tungen und Feierstunden vortrug.

Die erste Veröffentlichung eines Groß­teils dieser Gedichte erfolgte in dem il­legalen Band: Bekenntnisse österr. Ju­gend, das 28 Gedichte von mir u. 7 Ge­dichte anderer Mitglieder der Hjt. ent­hält.

Nach dem Umbruch hat der Reichsju­gendführer diesen Gedichtband unter dem Titel »Das Lied der Getreuen« herausgegeben, der am 1. Mai 1938 mit dem Literaturpreis des Reichspro­pagandaministeriums ausgezeichnet wurde. (...)

Mittlerweile sind Sigurd Paul Scheichl, bekanntes RFS-Mitglied und Hauptausschuß-Kandidat in den 60er Jahren, und Ingeborg Teuffenbach, NSDAP-Mitglied mit der Nummer 6.223.137, die alleinigen Besitzer und Verleger des vor einem Jahr schon auf eine Auflage von 750 Stück herabge­sackten »InN«. Wer von den bei­den da gegen wen neuerdings An­tifaschist ist?

T. jedenfalls probt inzwischen schon fleißig ihren Antifaschismus in der »Tiroler Tageszeitung«. Auf der „Kulturseite“ genannten Seite bespricht sie mit Vorliebe Thea­terstücke und Bücher über Ereig­nisse und Persönlichkeiten aus der NS-Zeit. Weil ihr das die Möglich­keit bietet, sie zu bewältigen, wünscht man sich, weil ihr das erlaubt, unbehelligt und in aller Öf­fentlichkeit jener Großen Zeit des dutzendjährigen Reiches nachzu­rennen und uns dabei vorzuma­chen, sie bewältige sie gerade, muß man annehmen.

Ein Beispiel für diesen Antifa­schismus, der, so unverhofft sie in ihrem hohen Alter noch dazu ge­kommen ist, so billig auch ist, wol­len wir uns aus der Nähe ansehen. Er gipfelt am 5. September 1987 in der Besprechung einer Lebens­beschreibung der Anne Frank. Bekanntlich hat nicht ihre Ermor­dung, sondern ihr Tagebuch und die Verfilmung ihres Lebens und ihrer Ermordung Millionen Men­schen gerührt. Gewesene und ge­bliebene Nazis sind noch viele Jahre nachher plärrend aus den Kinos gestürzt. Festgehalten ist das Wort einer von den Filmbil­dern geschüttelten Ehemaligen, wonach man dieses eine Mädchen doch hätte verschonen sollen.

Teuffenbach, nicht die ehemalige, sondern die nunmehrige, schreibt folgenden antifaschistischen Satz in die »Tiroler Tageszeitung« hin­ein: „Was die Menschheit von heu­te am kurzen Leben des unschuldi­gen Judenkindes, das mit den El­tern in einem Versteck unterge­taucht, fast gerettet, aber in letzter Minute doch ins Todeslager ver­schleppt wurde, rührt, hat das Ge­wissen und die Trauer der Zeitgenossen und ihrer Kinder wachge­rüttelt. Es hat unser Bewußtsein geprägt.“

Wer lesen kann, der lese!

Dieses eine Judenkind sei unschul­dig gewesen, sagt Teuffenbach. Noch heute bringt Teuffenbach, die Frau eines SS-Hauptsturmführers, deren Hauptwerk vom Verantwortlichen für die Juden­ausrottung im Generalgouverne­ment (Polen) eingeleitet ist, noch heute bringt sie nur über die Lip­pen, daß Anne Frank ins Todesla­ger verschleppt, nicht aber, daß sie umgebracht!, getötet!, ermordet! worden ist. Und sie spricht von Zeitgenossen, wo sie von Tätern sprechen müßte! Die Opfer und ihre Zeitgenossen! Ingeborg Teuf­fenbach war eine Zeitgenossin der von ihr in einen verbrecherischen Krieg gehetzten und dort in millio­nenfacher Zahl hingeschlachteten Soldaten, war eine Zeitgenossin der dem von ihr aufs äußerste angetriebenen Regime zum Opfer Gefallenen.

Das ist Teuffenbach. Was aber ist Antifaschismus und was Pazifismus?

Pazifismus ist eine der heutigen politischen Entwicklung völlig unangemessene Haltung. Den Vorbereitern eines neuen Weltkrieges mit Pazifismus zu kommen, ist, was sie sich ge­wünscht haben. Der Untergra­bung der Unabhängigkeit Öster­reichs von außen her und von in­nen her mit Friedensliebe zu be­gegnen, heißt, der neuerlichen Auslieferung unseres Landes auf halbem Weg entgegenkommen.

Die Pazifisten wenden sich ge­gen den Rüstungswahnsinn wie man sich in Innsbruck gegen Nor­den wendet, um die Frau Hitt zu sehen. Auch die NSDAP trat im Jahre 1932 mit der Losung auf: „Mit Hitler gegen den Rüstungs­wahnsinn der Welt!“ Das ist ein Pazifismus, der nichts kostet. Au­ßer eine Menge Menschenleben. Den Pazifismus, den sich Kurt Schuschnigg vor 50 Jahren gelei­stet hat, hat Österreich mit 300.000 Toten und schließlich Europa mit zig Millionen Toten bezahlt. So gesehen hat Ingeborg Teuffenbach nur von den den An­schluß von gestern aktiv Vorberei­tenden zu den den Anschluß von morgen friedlich Hinnehmenden gewechselt. Den ständigen Neu­tralitätsverletzungen von innen und von außen wie dem Verrat österreichischer Interessen an EG und NATO pazifistisch gegen­überzustehen, heißt aber letztlich, die in Gang befindlichen Bestre­bungen, diesen Staat neuerlich auszulöschen, zu befördern. Die überwiegende Mehrheit der Sol­daten des Österreichischen Bundesheeres von 1938 und der Großteil der Bevölkerung waren — im Gegensatz zu den heute unters Volk gebrachten Behauptungen — bereit, sich den deutschen Truppen entgegenzustellen, wurden aber von Schuschnigg zum Pazifis­mus verdonnert! „Widerstands­wille“, sagte Bundeskanzler Leo­pold Figl 1947 als Zeuge vor Ge­richt, „war im Volk vorhanden, be­sonders in den letzten Tagen. Wenn man das Volk aufgerufen hätte, wären 80 bis 90% mitgegangen.“

Krieg ist das Grauslichste, was es gibt. Dem stellt man sich nicht als Pazifist entgegen. Den Men­schen einzureden, man könnte mit Friedensliebe dem Krieg begeg­nen, heißt, ihn ermöglichen, heißt, sie dem ewigen Frieden preisge­ben.

Die Pazifisten haben ihren Frie­den mit den Unterdrückern ge­macht und sprechen den Unter­drückten das Recht ab, sich ihrer Peiniger zu entledigen. Das Volk von Afghanistan aber wird sich nicht mit pazifistischen Reden, sondern nur mit der Waffe in der Hand befreien können. Wer einen dauerhaften und demokratischen Frieden will, muß für den Kampf gegen die Verhältnisse sein, die den Krieg wieder unausweichlich mit sich bringen.

Es gibt Antifaschi­sten, die in jedem Kärntner Anzug einen Faschisten sehen, mit dem Terror der Regime in Rumä­nien oder Polen aber durchaus einverstanden sind, und es gibt ganze, willigst geförderte For­schungsinstitute, die ihre antifa­schistische Nase so tief in die Ge­schichte der NS-Zeit hineinge­steckt haben, daß sie gar nicht mehr heraussehen. Antifaschis­mus, wie wir ihn verstehen, ist kei­ne Aversion gegen Lederstiefel und altmodische braune Hemden, sondern Kampf gegen die brutale Politik des Geldes, hier und heute. Den Antifaschisten von damals, den wirklichen Widerstandskämp­ferinnen und Widerstandskämp­fern, gerecht werden heute nicht die, die sich in Detailfragen des Hitlerfaschismus verbeißen, son­dern die, die sich mit aller Kraft den bedrohlichen Entwicklungen der Gegenwart entgegenstellen. Zum Antifaschismus gehört, An­tifaschisten vom Schlage der Scheichl und Teuffenbach übers Maul zu fahren. Antifaschismus ist keine Anstecknadel, die man sich schmuck aufs Revers heftet, ist mehr als ein großes Wort, das man ins Impressum einer kleinen Zeitung hineinschreibt, bedeutet Kampf den Verhältnissen, die den Faschismus wieder unweigerlich mit sich bringen.

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