Streifzüge, Heft 68
Januar
2017

Wie weniger Zukunft

Homestory

Wer einer Sache jegliche Tauglichkeit absprechen möchte, um sie im Lichte von Einsehen und Vernunft als unbrauchbar, ja unnütz zu blamieren, dem reicht hierzulande in der Regel der schüttere Befund „des hot ka Zukunft“.

Früher kam mir diese Redensart gelegentlich unter, doch verstand ich nicht – in jungen Jahren war das nahe Wochenende Zukunft genug. Vor einigen Wochen erlitt meine hochbetagte Großmutter, sonst ein Inbild an Regsamkeit und Lebensfreude, einen Schlaganfall. Da liegt sie nun, ihre linke Körperhälfte so gut wie gelähmt, und schaut. Schaut hinaus zum Fenster, mustert wieder und wieder den Kachelofen; dann huscht der Lockenschopf meines Neffen an der Bettkante vorbei – sie lacht.

Wurde ihrem Unternehmungsgeist davor schon seine Zukunft eng, bleibt ihm mit einem Schlag nicht mehr als ein bedeutungsloser Fortsatz ihrer Gegenwart. In ihr breitet sie sich nun noch behaglicher aus als schon in den Jahren zuvor. Zweifellos, sie ist überaus präsent. Wie aus Versehen fährt es mir in den Sinn: Hat sie Zukunft? Bezugslos, geradezu bizarr steht die Frage einen Moment lang im Raum und weckt eitle Hoffnung und ratlose Beklommenheit.

Meine Finger pflügen durch ihr Haar, die Spannung ihrer gefurchten Stirn löst sich, sie hält die Augen bedächtig geschlossen und die Züge um ihren Mund verraten ihre augenblickliche Zufriedenheit. Sie und ich, so der Befund, wir haben Gegenwart, viel Gegenwart – im Moment jedenfalls.

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