FŒHN, Heft 10/11
Januar
1988

Wie wir da hingekommen sind, wo wir jetzt sind

Die Geschichte der heimischen Stromproduktion ist eine ununterbrochene Folge der Ausplünderung unserer Heimat. Die Geschichte der heimischen Stromproduktion ist eine der Politik der Ersten und Zweiten Republik zwingend entsprechende.

Von allem Anfang an wurde in Österreich die Erzeugung elektrischer Energie und deren sinnvoller Einsatz von den verschiedensten Interessensgruppen hintertrieben. Die mächtigen Kohlenbarone fürchteten eine Schmälerung ihrer Gewinne und ließen eine Studie anfertigen, worin etwa die Elektrifizierung der Eisenbahn als unwirtschaftlich dargestellt wurde. Nebenbei gesagt, ein Beispiel dafür, wie das Profitstreben nicht selten den technischen Fortschritt behindert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Elektrifizierung der Bahn etwa in England schon als äußerst wirtschaftlich erwiesen. Gar nicht zufällig erhob auch der Völkerbund, der damals die Finanzen Österreichs kontrollierte, Einspruch gegen die Absicht, die Bahnen in Österreich zu elektrifizieren. Mit den gegebenen Krediten sollte lieber im kreditgebenden Ausland gekauft werden.

Die Politik der österreichischen Großbanken Creditanstalt und Länderbank, die einen wesentlichen Beitrag zum späteren Fall Österreichs geleistet haben, behinderte — ganz im Sinne der ausländischen Anteilseigner — den selbständigen Ausbau der heimischen Wasserkräfte, wo es nur ging. So war die CA seit 1926 in der Gesellschaft für den Bau des Kraftwerks Ybbs-Persenbeug vertreten, um darin keinen Finger zu rühren, diesen zu verwirklichen. Mehr noch, 1936, als die CA schon nur noch zu 36% im Besitz der Republik war, trat sie aus der Gesellschaft aus und überließ alle Rechte dem Projektverfasser, einem Schweizer Ingenieur, der sie im April 1938 für etwa 300.000 Reichsmark an die Rhein-Main-Donau AG verkaufte.

Wo Bayern seit 60 Jahren seine Kraftkammer stehn hat

Von 1924 bis 1927 wurde das erste Tiroler Großkraftwerk, das Achenseekraftwerk, erbaut. Es war von allem Anfang an nicht für die Unterstützung unserer Wirtschaft, sondern für die Energiebelieferung der bayrischen Industrie vorgesehen. Tirol befand sich aufgrund der in Innsbruck betriebenen Politik schon in großer Abhängigkeit von Bayern. Im Mai 1926, z. B., hatte das Land Tirol beim bayrischen Staat eine Anleihe in der Höhe von sechs Milliarden Mark aufgenommen. Als während des Kraftwerksbaues die Bayern (zum Schein) die zugesagte Abnahme des im Achenseewerk erzeugbaren Stroms widerriefen, pilgerte der damalige Landeshauptmann nach München und klagte, Tirol wäre, um die Vollendung dieses Kraftwerkes zu ermöglichen, gezwungen, die Aktienmehrheit der TIWAG und den Energieüberschuss nach Italien zu verkaufen, wenn sich die bisher mit den nördlichen Nachbarn gemeinsam angestrebte Energiepolitik nicht verwirklichen lassen sollte. Andernfalls wäre man gezwungen, den halbfertigen Bau des Achenseekraftwerkes einzustellen, da eine Verzinsung und Amortisierung des Anlagevermögens aus dem Stromabsatz nicht möglich erscheine.

Bayern, das damit die Tiroler so klein hatte, wie es sie braucht, forderte, dass der von der TIWAG gelieferte Strom auf keinen Fall teurer sein dürfe als der im Schwandorfer Kohlekraftwerk zu gewinnende. So musste also schon der erste in Tirol erzeugte Exportstrom regelrecht verbettelt werden. 1928, im Jahr der ersten ganzjährigen Betriebsführung, wurden 64% der im Achenseekraftwerk erzeugten Leistung nach Bayern abtransportiert, 1930 stieg der Anteil sogar auf 82%.

Wie der Herr Landeshauptmann sich auch in Baden-Baden anbiedern gegangen ist

In dieser Zeit wurde das Land Vorarlberg als Kraftkammer der Schwerindustrie an Rhein und Ruhr entdeckt und von den dortigen Energiegiganten als solche in Verwendung genommen. Selbstverständlich streckten sie ihre Arme auch nach Tälern und Bächen Tirols aus, und die seinerzeitige Landesregierung wäre ebenso selbstverständlich bereit gewesen, ihnen Lechtal, Ötztal und Kaunertal zu überlassen. So begaben sich etwa im Frühjahr 1927 der damalige Landeshauptmann von Tirol, der zuständige Landesrat und der Landesamtsdirektor nach Baden-Baden, um dort (!) mit den Bossen der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG über den Ausbau der tirolischen Wasserkräfte zu verhandeln. Die Innsbrucker „Volkszeitung“ warnte anlässlich der Gespräche davor, „dass diese Handelsaktivpost unseres Landes um ein Linsengericht an das Ausland verschachert wird“. Und auch’s „Bötl“ wandte sich 1930 ganz klar gegen die Errichtung von Kraftwerken im Oberinntal und in Osttirol durchs Ausland und fürs Ausland: „Den Rahm würden auch in diesem Falle wieder die großen Geldmächte abschöpfen. Man muss unwillkürlich fragen: „Sollen denn die Naturschätze unserer armen Gebirgsländer dem Großkapital ein für allemal für Jahrzehnte ausgeliefert werden? Soll denn Tirol immer nur der gebende Teil sein?“ („Tiroler Volksbote“, 28. August 1930) Dass es schließlich doch nicht zur Realisierung der beiden Großkraftwerke gekommen ist, lag keinesfalls an unserer christlichsozialen Landesregierung.

Wodurch Tirol einen klangvollen Namen erhielt

Was in diesem System, in dem alles auf den Profit einiger weniger ausgerichtet und auf die Ausplünderung der großen Masse der Bevölkerung aufgebaut ist, was in diesem System steckt, zeigt es, wenn es auf die Spitze getrieben wird — im Faschismus. Faschismus, wie wir ihn kennen, ist Kapitalismus auf Teufel komm raus. Die Ziele bleiben dieselben, die Methoden verschärfen sich. Und so sind 1938, sofort nach der Besetzung Österreichs durch die Truppen des NS- Regimes, auch alle Kraftwerkspläne, die z.T. seit Jahrzehnten in den Schubladen aller möglichen Finanzgruppen herum gekugelt sind, hervorgeholt und in das Projektstadium vorangetrieben worden. Die Nazis, genauer: die großen Konzerne jener Zeit, wollten zum Zwecke der Energiegewinnung für die deutsche Rüstungsindustrie z.B. das halbe Ötztal unter Wasser setzen und z.B. in Osttirol sieben Stauseen anlegen. (So wenig wie 1938 etwas ganz anderes gekommen ist, so wenig haben wir heute etwas ganz anderes als damals, was durch die wieder zunehmende Aktualität eines Ötztaler Großkraftwerks und die unausgesetzte Aktualität des Osttiroler Tauernkraftwerkes ganz nebenbei belegt wird.)

Faschismus ist die extremste Stufe der Ausquetschung des Menschen und der Plünderung der Natur. In ihm kommt deutlicher hervor, was Kapitalismus seinem Wesen nach ist. Vieles, was in unserem demokratisch etwas verbrämten Kapitalismus oft hinter einem Paravent aus Politikerworten verschwindet, tritt in jenem der faschistischen Ausformung offen zutage. Und so sind damals viele Dinge deutlich ausgesprochen worden, die heute genauso gültig sind. „Den Tiroler Wasserkräften ist in der Stromversorgung Großdeutschlands eine ganz bedeutende Rolle zugewiesen“, hieß es etwa in der offiziellen Gau-Zeitung „Innsbrucker Nachrichten“ vom 8. Juli 1939. „Das erste Jahr; indem Tirols Wasserkräfte sich in den großdeutschen Raum einreihten, war ein Auftakt zu weiterem großzügigen Ausbau, dem die Arbeit der nächsten Jahre gelten wird. Der Name unseres Gaues hat schon heute in der Energiewirtschaft des Reiches den klangvollsten Namen.“

Die deutschen Konzerne der NS-Zeit taten mit den Wasserkräften unseres Landes nichts anderes als die deutschen Konzerne vor der NS-Zeit und nichts anderes als die deutschen Konzerne nachher. Sie taten es nur anders. Das Innkraftwerk bei Kirchbichl wurde gebaut (1939-1941) — zum Zwecke der Energieversorgung der süddeutschen Industrie. Das Gerloskraftwerk wurde gebaut — zum Zwecke der Energieversorgung der süddeutschen Industrie. Kaprun und die Westtiroler Wasserkraftwerke wurden in Angriff genommen. Auf allen diesen Bauplätzen sind Schweiß und Blut von Kriegshäftlingen geflossen. „So beschäftigten die Westtiroler Wasserkraftwerke (heute ‚Studiengesellschaft Westtirol‘) ab Juni 1941 etwa 180 Italiener und Polen. 1943 belief sich die Belegschaft des Lagers auf 200 Kroaten, 400 Tschechen, 300 Polen, 200 Italiener; 500 Ukrainer und 200 französische Kriegsgefangene. Insgesamt an die 600 (?) Fremdarbeiter und Kriegsgefangene (vor allem Polen) wurden für den Bau des Gerloskraftwerkes eingesetzt und im Lager Schwarzach untergebracht. Aus diesem Lager ist auch die Hinrichtung von vier Gefangenen bekannt geworden. Ebenfalls wissen wir von einer Hinrichtung zweier Polen in Kirchbichl. Diese Hinrichtung wurde von der SS fotografiert, jedoch nicht öffentlich durchgeführt.“ (A. Maislinger in „Widerstand und Verfolgung in Tirol“, 1984)

Wie die TIWAG sich schön ausbreiten konnte

Hunderte Tiroler sind in dieser Zeit umgebracht worden, tausende Tiroler litten in Gestapogefängnissen und in KZs, und abertausende Tiroler wurden auf weit entfernten Kriegsfeldern zu Tode gehetzt. Die TIWAG aber, ein echter Kriegsgewinnler, inzwischen mehrheitlich im Besitze des Deutschen Reiches, nahm zu an Größe und Macht. Durch die Verlagerung kriegswichtiger Betriebe in Tiroler Orte war vielfach deren lokales Energieangebot überfordert und die TIWAG konnte Einzug halten in Orte, die bisher ausschließlich von den gemeindeeigenen Elektrizitätswerken versorgt worden waren. In Kematen z.B. geschah dies durch die Ansiedlung der Messerschmidt-Flugzeugwerke, in Kufstein zwangen die Wohnblöcke der Südtiroler Umsiedler die Stadtwerke zum Strombezug von der TIWAG. Die Heinkelwerke in Jenbach und Kund, das Iporitwerk in Telfs, das Metallwerk in Imst und das Raspewerk in Kramsach sind nur einige weitere Beispiele dafür, wie im Sog des Eroberungskrieges des faschistischen Deutschland das Leitungsnetz der TIWAG sich Stück für Stück vergrößern konnte. Bei Kitzbühel war es die Bestimmung zur Sanitätsstadt, die es der TIWAG ermöglichte, Einzug zu halten, anderswo war die Baustelle für eine kriegswichtige Eisenbahn (Landeck-Faggen ) der Anlass, wieder anderswo ein Hitler-Jugend- oder Reichs-Arbeits-Dienst-Lager. Je länger der Krieg geführt wurde, je grausamer er geführt wurde, desto mehr konnte sich die TIWAG ausbreiten, desto brutaler wurde an allen Ecken und Enden unseres Landes der Raubbau an den Wasserkraftschätzen vorangetrieben.

Am 22. September 1940 wurden in Kirchbichl zwei beim Kraftwerksbau eingesetzte polnische Zwangsarbeiter; Jan Kosnik (35) und Stefan Widle (36), wegen verbotenen Umgangs mit „deutschen Frauen“ öffentlich gehängt. Die Exekution mussten polnische Arbeitskollegen durchführen.

„Die nazistischen Machthaber“, schrieb die „Tiroler Neue Zeitung“ am 15. Jänner 1946, „haben den Ausbau der österreichischen Wasserkräfte im Interesse des großdeutschen Imperialismus durchgeführt.“ Genau.

Von den neuen Machthabern

Nun rächte sich die Politik der Ersten Republik beim Aufbau der Zweiten. Österreich hatte drei voneinander völlig getrennte Stromnetze, das Vorarlberger, das Tiroler und das innerösterreichische. Die faschistischen Wirtschaftsbosse hatten den Bau einer österreichischen Sammelschiene unterlassen, denn ihr Ziel war die Ausbeutung der österreichischen Wasserkräfte für deutsche Zwecke. Jedes der drei voneinander unabhängigen Stromnetze Österreichs war durch eine leistungsfähige Leitung mit Deutschland verbunden, die Tiroler und Vorarlberger Werke dienten weiterhin der Speisung des deutschen Netzes. Aber, noch einmal, der Anschluss der Tiroler Energieproduktion an das deutsche Netz und der Anschluss der Vorarlberger Energieproduktion an das deutsche Netz waren schon vor dem politischen Anschluss von 1938 vollzogen, von den sogenannten österreichischen Politikern. Die nationalsozialistische Wirtschaftsdiktatur hat die Ausplünderung der Wasserkräfte in den österreichischen Alpen im Interesse der deutschen Industrie forciert, die nachfolgenden sogenannten österreichischen Politiker haben sie in eben diesem Interesse bis heute, nein, schon bis morgen fortgeführt.

Was taten die Alliierten? Sie warfen sich auf Deutschland als das beste Beutestück und ordneten die Wirtschaft des besetzten Österreich dem Aufbau eines wirtschaftlich starken Deutschlands unter. Der amerikanischen Militärregierung in Deutschland kam die von den Nazis geschaffene Konstellation gerade recht. Die Unmöglichkeit, Strom von Vorarlberg nach Tirol oder von Tirol nach Ostösterreich transportieren zu können, wussten sie im Interesse der süd- und westdeutschen Industrie weidlich auszunutzen. So lieferten die Wasserkraftwerke im Westen Österreichs pausenlos Strom nach Norden, während die Wirtschaft im Osten Österreichs infolge Energienot kein Bein auf die Erde brachte. Dies, obwohl in Österreich „im Jahre 1946 um etwa 50 Prozent mehr an Kraftstrom erzeugt wurde als im Jahre 1937“ („Arbeiter-Zeitung“, 8. Jänner 1947).

Wie wir Deutschland wiederaufgebaut haben

„Seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 floss der Vorarlberger und Tiroler Strom ohne Gegenleistung nach Deutschland, da keine Regelung bezüglich einer Bezahlung des österreichischen Stromexportes erreicht werden konnte, die alliierten Stellen in Deutschland aber auf Einhaltung der Stromlieferungsverträge bestanden. Dabei handelte es sich fast durchwegs um hochwertigen Spitzen- und Winterstrom.“ (Siegfried Huber, „Die Elektrizitätswerke Nordtirols und Vorarlbergs“, Diss., 1948)

Diese Fakten werfen ein deutliches Licht darauf, welche Rolle Österreich vom mächtigen Ausland, von den Mächtigen im Ausland, immer zugedacht war, ist und sein wird. Während draußen mit Hilfe der hier erzeugten Energie die Wirtschaft wieder flott gemacht wurde, froren Menschen in Österreich und kamen die Wiederaufbaubemühungen zum Erliegen. Vom 1. Oktober 1946 bis Ende Jänner 1947 hat Tirol über die eben in Betrieb genommene Gerlos-Verbindung 15 Millionen KWh nach Innerösterreich geliefert, 44 Millionen KWh aber nach Bayern.

„Schon im Dezember 1946 kam es zu Betriebsstillegungen in der Industrie. Mitte Jänner standen 2.280 Betriebe mit 95.000 Beschäftigten still; im Jänner 1947 mußte der Zugverkehr empfindlich gedrosselt werden; im Februar mußte der einzige in Betrieb stehende Hochofen in Donawitz gelöscht werden, die Gußstahlwerke in Judenburg und die übrigen steirischen Betriebe der Edelstahlindustrie wurden stillgelegt. Um die Fachkräfte zu erhalten und den Lohnausfall zum Teil zu ersetzen, mußte das Sozialministerium 32 Millionen Schilling Ausfallvergütung aus der Arbeitslosenfürsorge zuwenden.“ (Jahrbuch der AK Wien 1947)

Den Bau einer innerösterreichischen Sammelschiene, um den Zwangsexport des im Westen Österreichs erzeugten Stromes beenden zu können, haben alle möglichen Stellen im Ausland und deren Helfershelfer in der österreichischen Bundesregierung mit aller Macht zu hintertreiben versucht. Solange die Arlbergleitung noch nicht bestand und Österreich kein zusammenhängendes Stromnetz hatte, wurde der Vorarlberger Strom nach Deutschland geliefert, ohne dass Österreich dafür eine Gegenleistung erhielt. Man muss sich das vorstellen: Ohne dass dieses ausgeblutetete, ausgehungerte, vierfach besetzte Österreich eine Gegenleistung erhielt!

Erst die Herstellung der Verbindungsschiene über den Arlberg 1947 ermöglichte einen Vertrag mit der amerikanischen Militärregierung in Deutschland, in dem für den exportierten Strom Lieferungen von Strom bzw. Kohle aus Deutschland nach Oberösterreich zugesichert wurden.

Vom US-Protektorat Österreich

Im Jahre 1947 hat sich die immer gleiche Politik des Geldes, die Politik der Unterwerfung von Arbeitskräften, Bodenschätzen und Märkten, neu gewandet, und hat unter dem Mäntelchen der humanitären Hilfe für ein zerstörtes Europa eine neue Offensive der wirtschaftlichen Kolonisation gestartet. Der Vorstoß lief unter dem Titel Marshall-Plan. Unter anderem sollten die Wasserkräfte Österreichs, deren Potential schier unendlich schien und dessen Ausbaugrad noch minimal war, den wiedererstandenen deutschen Industriezentren gesichert werden. „Im Rahmen des Marshallplans ist ein Ausbau der Elektrizitätswerke geplant, der die Produktion von 4830 Millionen Kilowattstunden im Jahre 1947 auf 8940 Millionen Kilowattstunden im Jahre 1951 erhöhen soll.“ („Tiroler Tageszeitung“, 24. September 1947) Dabei wurde von den amerikanischen Besatzern „der Ausbau des Wasserschlosses in den österreichischen Alpen nach den aus der nationalsozialistischen Aera stammenden Plänen und der Ausbau eines europäischen Hochspannungsnetzes (..) in Erwägung gezogen“ (N. Pira, „Die österreichische Elektrizitätswirtschaft im Rahmen einer europäischen Union“, Diss., 1-52).

(Was die mit uns aufgeführt haben, das geht in unsere Köpfe, die mit der Propaganda von der selbstlosen Hilfe der Amerikaner in der schweren Nachkriegszeit vollgestopft sind, wohl nie hinein.)

Antiösterreichische Politik von seiten amerikanischer Militärs ist zu verstehen wie auch antiösterreichische Politik des großen deutschen Kapitals. Aber antiösterreichische Politik österreichischer Politiker?

Die Wiener Tageszeitung „Der Abend“ (vom 1. Oktober 1948) weiß zu berichten, der österreichische Energieminister Migsch habe „in seiner letzten Pressekonferenz unterstrichen, dass ein bedeutender Stromexport, vor allem von Österreich nach Deutschland, vorgesehen ist. Wie aus dem Bauvorhaben des Ministeriums auch zu entnehmen ist, wird besonderer Wert auf den Ausbau jener Kraftwerke gelegt, die für diesen Zweck nutzbar gemacht werden können. Österreich wird also“, heißt es in diesem Artikel weiter, „so in die westdeutsche Wirtschaft eingeschaltet, während seine Industriezentren, die im Osten des Landes liegen, weiterhin auf den Bau der unbedingt notwendigen Stromquellen warten müssen.“

Das Missverhältnis zwischen jenem Teil des in Österreich erzeugten Stromes, der auch in Österreich verwendet werden durfte und jenem, der exportiert werden musste, war mit Händen zu greifen. Die Marshall-Pläne sahen wie die Pläne des Dritten Reiches die völlige Plünderung der Tiroler Wasserkräfte und den Abtransport der hier gewonnenen Leistung in die Industriezentren im Ausland vor.

„Zwischen Vertretern Österreichs und der britisch-amerikanischen Zone Deutschlands wurde bekanntlich vor kurzem in Tirol ein Abkommensentwurf fertiggestellt, der die Lieferung von zwei Dritteln der erhofften Stromerzeugung der beiden Werke (d.s. die Ötztal- Werke und das Lünerseekraftwerk, Anm.) in die Bizone Deutschlands vorsieht. Das restliche Drittel soll dem innerösterreichischen Bedarf und zum Export nach Italien und der Schweiz zur Verfügung stehen.“ („Tiroler Tageszeitung“, 17. Jänner 1949)

Und dann noch einmal zum Projekt der schon von den Nazis begonnenen Ötztal-Werke: „Der Energiegewinn dieser Werke würde vor allem zur Versorgung der niederrheinischen, belgischen, holländischen, westdeutschen und auch französischen Industrie verwendet.“ („Tiroler Tageszeitung“, 27. Juli 1949)

Wem die von dem US-General(!) Marshall erfundene Marshall-Hilfe in Wirklichkeit helfen sollte, ist ersichtlich. So forderten, um ein Beispiel zu erwähnen, die USA in diesem Vertragswerk von Österreich den Verzicht auf eine eigene Automobilproduktion und ließen die Mittel im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie den Walzerwerkanlagen als den Zulieferbetrieben für die ausländische Autoindustrie zukommen. (Über die militärischen Absichten der unter „Europäisches Wiederaufbau-Programm“ laufenden Politik der amerikanischen Regierung mit unserer Heimat haben wir in FOEHN 9 ausführlich berichtet.)

Wie es sogar für diese österreichfeindliche Politik genügend österreichische Helfershelfer gegeben hat

Freilich brauchten die ausländischen Wirtschaftsstrategen, die mit unserem Land umsprangen, als wäre es ihr eigenes, in Österreich ihre Zuarbeiter. Und die fanden sich zuhauf. In der TIWAG war schon 1947 wieder jener Ing. Robert Steiner technischer Direktor, der wenige Jahre vorher diese Tiroler Gesellschaft in die Hände des Dritten Reiches gebracht hatte. Die „Tiroler Tageszeitung“ teilt am 18. Juli 1948 ihren Lesern mit, es sei inzwischen bekannt geworden, „dass auf Grund der Akten der ehemalige Direktor der TIWAG, Ing. Robert Steiner, nachweisbar eine maßgebliche Rolle gespielt habe. Steiner habe sich eindeutig auf die Seite der Berliner Gesellschaft (VIAG) gestellt, die vom NS-Regime zum Zwecke gegründet wurde, die österreichischen Großkraftwerke in die Hand des Reiches zu bringen.“ Dieser Mann, der während des Krieges den Bau des Kraftwerks Kaprun, und das heißt, den Einsatz von Tausenden Kriegsgefangenen, die hier für die großdeutsche Kriegsindustrie zu Tode gehetzt wurden, leitete, dieser Mann steht plötzlich wieder an der Spitze der TIWAG.

Hier setzt er sich dafür ein, dass die nicht mehr rechtsgültigen Verträge der TIWAG mit der Bayernwerk AG eingehalten werden, Verträge, die den Bayern weiterhin den günstigen Strombezug aus Tirol sichern. Und er macht sich stark für zusätzliche Kraftwerke deutscher Elektrizitätsversorgungsunternehmen in unserem Land. Robert Steiner ist natürlich nur einer von denen, die sich hier für ausländische Interessen ins Zeug legen. Mit diesem ihrem antiösterreichischen Engagement arbeiten sie direkt der französischen Besatzungsmacht zu, die gegen das 2. Verstaatlichungsgesetz (1947), das die Übernahme der Elektrizitätswirtschaft durch die öffentliche Hand zum Inhalt hat, Einspruch erhebt. Die Franzosen waren selber spitz auf die Energie aus den von ihnen kontrollierten Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Dabei bedurfte es eines harten Kampfes mit den britischen und amerikanischen Militärregierungen in Deutschland, die ebenfalls für die Industrie der von ihnen besetzten Gebiete Strom aus Österreich beanspruchen.

Weshalb die Verstaatlichung der österreichischen Kraftwerke hinausgezögert werden musste

Als im Zuge der Verstaatlichung auch die Vorarlberger lllwerke endlich aus dem Besitze der Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerke AG in den des Landes Vorarlberg übergehen sollten, erreichten die westdeutschen Energiekonzerne mit Hilfe der Alliierten einen langfristigen Vertrag, der ihnen den Bezug von Spitzenstrom in ungeheurem Ausmaß zu Preisen weit unter dem österreichischen Preis und jenem des Weltmarktes zusicherte. Die Spitzen der heimischen Wirtschaft und Politik, die in Wahrheit gegen die Interessen der hier lebenden Menschen, gegen deren grundlegende und dringende Bedürfnisse handelten, kamen den Alliierten, die an einem starken Deutschland bauten, zupass. So meinte 1949 der für Energie zuständige Landesrat Gamper in fast wörtlicher Übereinstimmung mit der zehn Jahre vorher von den Nazis eingenommenen Position, es seien „geographische Tatsachen, welche Tirol und seine Wasserkräfte zu einem Elektro- Produktionszentrum Europas machen“. „Änderungen wie sie die Durchsetzung des zweiten Verstaatlichungsgesetzes bringen müssten, würden demnach nicht nur das innere energiewirtschaftliche Versorgungsgleichgewicht Tirols, sie würden auch die Versorgung unseres Nachbarn, Bayern, gefährden.“ („Tiroler Tageszeitung“, 30. Dezember 1949)

Und so wurde dann auch der alte für uns ungünstige Vertrag zwischen Achenseekraftwerk (TIWAG) und Bayernwerk in den Durchführungsbestimmungen (1953) zum 2. Verstaatlichungsgesetz (1947) bestätigt.

Von dem oben zitierten Landesrat, dem offenbar der bayerische Rock näher war als das österreichische Hemd, ist auch noch der folgende Ausspruch überliefert: „Wir Tiroler lassen uns aber von Wien nicht diktieren, wir bauen unsere Energiewerke lieber mit ausländischem Kapital, dann haben wir die Möglichkeit eines Sondergewinnes.“

Der „Österreichische Friedensrat“ hat diese Geschäfte der heimischen Strommänner und ihrer ausländischen Hintermänner im Jahre 1952 so umrissen: „Während die Projekte, die mit relativ wenig Aufwand die Stromversorgung des industriellen Zentrums von Wien sichern und dadurch eine ungeheure Einsparung an Devisen für den Kohlenimport mit sich bringen würden, vernachlässigt werden, werden große Pläne vorbereitet, um Österreich zur Energiezentrale der westlichen Aufrüstung zu machen. Hier wird nach Plänen gearbeitet, die bereits während des zweiten Weltkriegs vorbereitet wurden.“

Es braucht immer zwei, um ein Land auszuplündern — die, die es anschaffen, und die, die es tun. Die im Ausland, die die geplünderte Ware wollen, und ihre Komplizen im Inland, die am Plündern profitieren. Das ist so im halbkolonialen Österreich von heute und ist so in jedem bestohlenen Land der Dritten Welt. Erst wenn es einmal, wie in Nikaragua, keine Helfershelfer mehr vor Ort gibt, können die vorhandenen Grundlagen zum Wohle der dort Lebenden eingesetzt werden.

Ein letztes geschichtliches Beispiel dafür, auf wessen Kosten die auslandshörige Politik immer geht: Die Weltbank machte die Gewährung einer Anleihe für die Republik Österreich für das Jahr 1957 nach Prüfung des OEEC-Berichtes von einer Erhöhung der österreichischen Strompreise abhängig. Umgehend beschloss der österreichische Ministerrat die Verteuerung des Stromes für die Österreicher.

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