Armes Marchfeld
Erster Eindruck, wenn man im Spätsommer ins Marchfeld gelangt: hier müssen die Feuerteufel zuhause sein. Je näher dem Weinviertel, desto mehr verstärkt sich dieser Eindruck. Bei näherem Hinsehen offenbart sich mehr: hier droht Dürre. Trotz eines relativ feuchten Sommers ist der Grundwasserspiegel im Marchfeld um weitere 30 Zentimeter gesunken. Im Schnitt der letzten 30 Jahre betrug die Absenkung lediglich 5 Zentimeter ...
Die Ursache liegt auf der Hand: zwar könnte vielleicht durch ein Aufstauen der Donau bei Hainburg eine Umkehr dieser Entwicklung erreicht werden, aber: derzeit befindet sich die letzte Ausbaustufe oberhalb Wiens, und unterhalb gräbt sich die Donau durch die erhöhte Abflußgeschwindigkeit immer mehr in ihr Bett ein. Beides zusammen dürfte Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel im Norden und Süden haben. Die einzige Ursache ist es sicher nicht. Jedenfalls: die Donaukraftwerke machen sich die Sache zu leicht, wenn sie als Öko-Sanierer argumentieren. Abgesehen von der Platitüde »Natur aus zweiter Hand« sind sie allemal noch Verursacher einer schleichenden Verdrängung von Natur aus erster Hand.
Wesentlich vernünftiger als das umstrittene Stauwerk mit Auvernichtung wäre die rascheste Realisierung des Marchfeldkanals, mit einem Bauvolumen von mindestens 2 Milliarden doch auch ein Arbeitsplatzbeschaffer herkömmlicher Denkungsart. 50.000 landwirschaftlich orientierte Bewohner des Marchfelds sind auch ein Argument, denn der Kanal soll 40.000 ha Boden bewässern helfen.
Wie Dr. Kaupa, Direktor der Planungsgesellschaft Marchfeldkanal vor geraumer Zeit erklärte, würde auch das Grundwasser für Trinkwasserzwecke geschont werden können.
Dem ist einiges hinzuzufügen: mit einer Anhebung des Grundwasserspiegels würde auch mit Sicherheit ein gigantischer »Müllpudding« aufgelaugt, denn allerorts, insbesonders in Wien-Nähe, teilweise hochoffiziell von Gemeindebediensteten, wird der ständig wachsende Rückstand der modernen Industriegesellschaft verscharrt.
Am Rautenweg reicht die Müllsohle jetzt schon ca. einen halben Meter in den GW-Schwankungsbereich. Im Schatten des Rautenwegs tummeln sich diverse Firmen, die nicht nur Grundstoffe abbauen, sondern auch — selbstverständlich gegen Entlohnung — in den Gruben Müll ablagern. Während um Rekultivierung bemühte Großfirmen von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf mit allen nur erdenklichen Auflagen bedacht werden, tut so mancher »Lokalkaiser« immer noch, was er will. Ein Wiener Elektrogroßhändler, nebstbei auch in der Abbau- und Anhäufbranche tätig, schafft spielend den Müll mit See (siehe Foto). Zu besichtigen zwischen Raasdorf und Markgrafneusiedl. Die Wiener »Muldenzentrale« gehört ebenfalls zu den »Spezialisten«.
Die »Planungsstudie Wien-Ost« sieht im Sinne der Raumordnung einen großflächigterassenförmigen Abbau vor — wie neuerdings auch im südlichen NÖ. Die erwähnten und viele andere Wühlmäuse graben »Löcher ohne System« (ein umwelbewußter Großunternehmer), »viel zu tief«, »oft ohne Bewilligung« ...
Grundwasserstromabwärts besitzt die NÖ Siedlungsbau/Wasser A.G. (NÖSIWAG) ein Grundwasserpumpwerk.
Wann erwachen die zuständigen Bezirkshauptmannschaften aus ihrem ökologischen Dornröschenschlaf? Vielleicht könnte der supergrüne Kronprinz im Land unter der Enns ein wenig wachküssen.
Im Marchfeld sind da und dort schon Wanderdünen zu beobachen. Möglicherweise neutralisiert das Abfackeln von Feldern die Auswirkungen des sauren Regens. Sicher tötet es einen Großteil der örtlichen Fauna, zerstört ökologische Netze, fördert Bodenerosion und -verarmung.
Alles in allem: ein Notstandsgebiet.
P.S.: aus Anlaß des 75-jährigen Bestehens des österreichischen Wasserwirtschaftsfonds beschloß die Bundesregierung, den 15. Oktober zum »Tag des Wassers« zu erklären. Ein Tag, ein ganzer Tag von 365 — ich hab’s schon in den Augen, das Wasser.