FORVM, No. 197/II
Mai
1970

Costa Rica beim Heurigen

Personen der Handlung:

  • 1. Volksbegehrler
  • 2. Volksbegehrler
  • Dr. Georg Roessler, a.o. und bevollm. Gesandter
  • José Figueres, Staatspräsident von Costa Rica
  • Außenminister von Costa Rica, Geheimpolizist, Heurigenbesucher

1. Akt

Redaktion NEUES FORVM, Freitag, 18.00 Uhr

1. Volksbegehrler (telephoniert): Guten Abend, Herr Doktor, könnten Sie mir bitte helfen, wir haben gehört, daß Herr Figueres, der Präsident von Costa Rica, heute in Wien ist, wir hätten gerne mit ihm gesprochen ... Schade. Können Sie mir vielleicht sagen, wer das weiß? ... Wie war der Name des Herrn Dr. ...? ... Dr. Roessler. ... Und es besteht auch keine Aussicht, daß ... Na, danke vielmals. (Legt auf.)

2. VB: Moment, soviel ich weiß, gehn die vom Außenamt mit ihren Gästen gern zum Mayer am Pfarrplatz.

2. Akt

Heurigenschenke Mayer am Pfarrplatz

Die beiden Volksbegehrler treten auf, jeder einen Teller mit Essen vom Büffet in der Hand.

1. VB (zur Kellnerin): Da ist für heute abend ein Tisch vom Außenministerium bestellt. Wo soll das sein?

Kellnerin: Gleich beim Eingang der erste Tisch, dort drüben, rechts.

1. VB: Aha, danke. (Geht zu dem Tisch der noch leer ist.) Richtig, da steht’s ja. Reserviert Dr. Roessler.

Dr. Roessler (empört): Wer sind Sie, von wo kommen Sie?

Volksbegehrler (überreichen Visitenkarten): Wir möchten mit dem Herrn Präsidenten über Costa Rica sprechen, da sein Land als erstes in der Welt vollständig abgerüstet hat.

Dr. R.: Na hören Sie ...!

(Aber der Präsident nickt, entschuldigt sich bei den Damen seiner Begleitung, erhebt sich, mit ihm der Außenminister und der Geheimpolizist. Dr. Roessler steht auch auf. Sie verlassen ihren Tisch und kommen zum Tisch der Volksbegehrler.)

Dr. R.: Aber machen Sie es kurz.

1. VB: Gestatten Sie bitte, daß wir uns als Vertreter einer Gruppe vorstellen, die ein Referendum in unserem Land anstrebt, das auf die Auflösung unserer Armee hinarbeitet.

Figueres: Ist das ein Gesetz, das die Regierung dem Volk zur Abstimmung vorlegen muß?

2. VB: Nein, im Gegenteil, durch dieses Referendum soll die Regierung beziehungsweise das Parlament veranlaßt werden, sich mit dem Gesetz zu beschäftigen. Die führenden Politiker unseres Landes und die Massenmedien lehnen unsere Forderung nach Auflösung des Heeres ab.

Figueres: Kann man denn bei Ihnen Ideen unterdrücken?

2. VB: Eher schon.

Figueres: (Schüttelt den Kopf.)

2. VB: Dürfen wir fragen, auf Grund welcher Umstände sich Ihr Land zur Abrüstung entschlossen hat?

Figueres: Wir haben als Zivilisten die Armee besiegt und sie dann aufgelöst. Wir haben dann die Kasernen in Schulen und Museen verwandelt. Wir haben auf unserem Kontinent hohes Ansehen, und das macht es einem möglichen Angreifer schon psychologisch schwer, unser Land zu überfallen.

2. VB: Haben sich denn keine Konflikte mit ihren Nachbarstaaten oder mit den Großmächten ergeben, weil Sie diesen Schritt getan haben?

Figueres: Wir sind Mitglied der internationalen Organisation der Amerikanischen Staaten. Von dieser haben wir eine Garantie für den Schutz unserer Unabhängigkeit. Unsere Sicherheit erscheint uns auf Grund dessen durchaus gewährleistet.

2. VB: Wir betrachten Costa Rica in dieser Hinsicht als positives Beispiel. Wir haben deswegen nach den internationalen Konsequenzen gefragt, weil wir eben nicht einseitig abrüsten wollen, sondern vor der Abrüstung eine internationale vertragliche Garantie wollen.

Figueres: Das klingt sehr interessant. Meine Sympathien gelten allen Bestrebungen in dieser Richtung.

2. VB: Halten Sie eine Armee für eine latente Gefährdung der Demokratie?

Figueres: Sehen Sie, gerade deswegen haben wir uns entschlossen, unser Militär abzuschaffen. In Lateinamerika haben die Armeen bisher meistens nur zur Austragung interner Machtkämpfe gedient. In unserem Land herrschen echt demokratische Verhältnisse.

Dr. Roessler: So, jetzt gebe ich Ihnen noch genau fünf Minüten Zeit, um dieses Gespräch zu beenden.

Figueres (winkt ab): Aber nein, ich interessiere mich sehr für diese Sache. Verstehen Sie bitte, daß ich als Gast Ihres Bundeskanzlers, der mir als Sozialist sehr nahe steht, Ihrer neuen Regierung keine Schwierigkeiten machen möchte. Wie Sie schon gesagt haben, kann ich mich als Ausländer grundsätzlich nicht in die Angelegenheiten Ihres Landes einmischen.

2. VB: Das ist ganz klar, Exzellenz. Wir sind froh, daß wir dieses Gespräch mit Ihnen führen durften, und betonen nochmals, wie sehr wir das Beispiel Ihres Landes begrüßen.

Figueres (erhebt sich): Ich danke Ihnen auch und wünsche Ihnen viel Glück.

Dr. Roessler: Na, ich werde jedenfalls höheren Ortes über Ihre Vorgangsweise berichten!

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