Haus für Deserteure aus Jugoslawien in Budapest
Die Idee für das Projekt entstand im Mai 1999 unter Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Jugoslawien, die in Ungarn Zuflucht gesucht haben. Das Haus für Deserteure steht nicht nur Kriegsdienstverweigerern serbischer Herkunft als Anlaufstelle zur Verfügung, sondern zum Beispiel auch jenen, die sich der Rekrutierung durch die UCK entzogen haben. Als Kriegsflüchtlinge haben sie in Ungarn derzeit das Recht für ein Jahr zu bleiben. Was nach dem Jahr passiert, weiß niemand. Es ist für die Betroffenen oftmals nicht möglich, herauszufinden, ob nach der Aufhebung des Kriegszustandes auf dem Gebiet der BRJ (am 26. Juni 1999) eine Anklage gegen sie erhoben wurde oder nicht. Gemäß dem Strafgesetzbuch der BRJ werden „alle, die aus einem ungerechtfertigten Grund, allgemein oder individuell, der Einberufung oder Mobilisierung nicht nachkamen oder vor den Militärbehörden nicht erschienen (...) mit Gefängnis von einem bis zu zehn Jahren bestraft“. Wer sich, unabhängig davon, während des Kriegszustandes einer Generalmobilmachung oder einer individuellen Einberufung zum Miltärdienst durch Verstecken entzieht oder ins Ausland geht, wird mit mindestens 5 bis 20 Jahren Gefängnis bestraft.
Die Flucht vor dem Krieg endete für die meisten in Budapest. Desertion ist noch immer kein anerkannter Asylgrund. Vielmehr wird Menschen, die sich dem Zugriff durch die Armee entziehen, die Zufluchtsmöglichkeit genommen. Die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht wird höher gewertet als das Recht des Einzelnen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen und frei über sein Leben zu bestimmen. Dies führt dazu, dass Deserteuren aus der jugoslawischen Armee ein gesichertes Bleiberecht in den EU-Staaten verwehrt wurde, während gleichzeitig NATO-Truppen im Namen der Menschenrechte jugoslawische Städte bombadierten und mit Flugblättern zur Desertion aufriefen.
In Deutschland wurden jetzt erstmals Kriegsdeserteure aufgenommen, die offiziell ein Visum wegen ihrer Verweigerung erhalten haben. Münster ist die erste Stadt, die den entsprechenden Ratsbeschluss aus dem Jahr 1996 auch in die Praxis umgesetzt hat. Ähnliche Ratsbeschlüsse und Ambitionen gibt es in mehreren deutschen Städten (Osnabrück, Bonn, Freiburg, München).
In enger Zusammenarbeit mit antimilitaristischen Organisationen in Deutschland (zum Beispiel Connection e.V. in Offenbach) unterstützen die Initiatoren des Hauses für Deserteure diese positive Entwicklung und hoffen auf ähnliche Initiativen in anderen Ländern und Städten. „Die Leute, die sich in Budapest aufhalten, wissen nicht mehr weiter. Daher ist es wichtig, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen“, so ein Vertreter des Projekts. Der Schwerpunkt der Arbeit in Budapest liegt im Moment in der Bildung einer eigenen Organisation von Deserteuren, welche eine offizielle Registrierung bereits beantragt haben. Sie hoffen damit gegenüber den ungarischen Behörden und auf internationaler Ebene ihren Status verbessern zu können. Sie bieten regelmäßig Beratung an und organisieren und verteilen Hilfe, die sie durch das Projekt erhalten. Die Hilfe dient vorrangig der Absicherung existentieller Bedürfnisse der Deserteure und ihrer Familien.
Der Landesverband Bayern der Deutschen Friedensgesellschaft — Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, welcher seit 1984 jährlich einen Friedenspreis verleiht, gab diesen Preis für das Jahr 1999 an das Haus für Deserteure in Budapest. Damit wurde die Arbeit aller Mitwirkenden offiziell gewürdigt und auch finanziell unterstützt. Da sich eine Änderung der Situation in Serbien (keine Amnestie für Deserteure in Aussicht, ...) nicht abzeichnet, wird das Projekt in Budapest auch in Zukunft auf jede Unterstützung angewiesen sein.
Spendenkonto: 70 85 703, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ: 370 20 500, Stichwort: „Haus für Deserteure“.