Kein Spaß mit Ernst
Der Fall Marcus Omofuma hat die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf den Umgang Österreichs mit ausländischen Staatsangehörigen gelenkt. Es ging dabei nicht — wie häufig — um den im Volke unterschwellig weit verbreiteten Rassismus, sondern um die Institutionalisierungen desselben: vor allem um das Fremden- und das Asylgesetz und den mit ihrem Vollzug beauftragten Behörden. Spätestens seit Antritt der Wenderegierung ist der Umgang mit diesen Personen eines der Lieblingsthemen linker oder liberaler Medien, was wohl einerseits in der Anfang 2000 dem neuen Innenminister Strasser zugewiesenen Rolle als Garant „christlicher Werte“ gegenüber dem bezüglich Ausländerinnen vollkommen hemmungslosen Regierungspartner begründet liegt und andererseits an der leichten Vermittelbarkeit des Themas: die durchaus vorhandene Tragik der Lebensumstände von MigrantInnen ist ohne die genaue Bezugnahme auf die Rechtslage leicht an ein Publikum zu transportieren, das eine gewisse Romantisierung des Fremden liebt. Die Rechtsberatungseinrichtungen für MigrantInnen müssen sich ständig mit den rechtlichen Bestimmungen auseinandersetzen und haben daher eine eigene Sicht auf die Politik der Regierung. Hier die Highlights der letzen Zeit.
Vorab muss man kurz festhalten, dass in den Gesetzesnovellen, die unter Minister Strasser erlassen wurden, durchaus auch Verbesserungen zu finden sind, wie beispielsweise die Möglichkeit für StudentInnen, sich um eine Beschäftigung zu bewerben. Diese sind allerdings meistens entweder so schlecht in das Gesetz integriert oder unter den allgemein nachteiligen Voraussetzungen so unbedeutend, dass daraus kaum ein Vorteil für die Betroffenen erwächst. Im Fall der StudentInnen ist nämlich von einer mehr hypothetischen als von einer faktischen Möglichkeit auszugehen, da das AMS wohl kaum Plätze an sie vermitteln wird dürfen. Sie scheinen nicht in der Liste bevorzugt zu vermittelnder Gruppen auf, für die es aber bereits jetzt schwer ist, eine Stelle bewilligt zu bekommen. Böse Zungen behaupten ja, dass es Beamte des Innenministeriums geschafft haben, die Verbesserungen an ihrem Vorgesetzten vorbei zu schmuggeln — viel genützt hat es nicht.
Eine besonders interessante Regelung ist jene, die es ermöglicht, Fremden (so der für ausländische StaatsbürgerInnen im Gesetz verwendete Begriff) das Aufenthaltsrecht wieder abzusprechen, wenn der bloße Verdacht besteht, „dass der Fremde seinen Niederlassungswillen aufgegeben hat“; und das nicht bei Menschen, die wenig „aufenthaltsverfestigt“ sind, wie Integration von den Behörden genannt wird, sondern bei Menschen mit unbefristeter Niederlassungsbewilligung. Das kann etwa bedeuten, dass eine Person, die für längere Zeit das Land zwecks Studienaufenthalt oder Ähnlichem verlässt und keine Nachricht von einem Brief der Behörde bekommt, bei dem unserer Erfahrung nach auch eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass er falsch zugestellt wird, danach ohne Aufenthaltsrecht dasteht. Käme sie dann wieder ins Land hinein, würde sie als illegal aufhältig ausgewiesen werden; sonst müsste sie einen Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung stellen und sich den nunmehr geltenden engeren Bestimmungen unterwerfen — vom Ausland aus übrigens, wie alle anderen. Einziger Ausweg ist, sich sein Aufenthaltsrecht befristen zu lassen — eine eher absurde Vorstellung —, denn rechtliche Handhabe gibt es nicht. Nebenbei bemerkt ist das Gesetz auch verfassungsrechtlich höchst bedenklich.
Der migrationspolitisch größte Fehler war aber die Verunmöglichung des Neuzugangs zum Arbeitsmarkt für beinahe alle MigrantInnen. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz war schon bisher durch zwei Merkmale charakterisiert: die Höchstzahlen und das sogenannte Ersatzkraftverfahren. Das erste macht die Schamlosigkeit des Populismus vieler Politiker deutlich, denn es ist gesetzlich festgelegt, dass nur ein ganz bestimmter prozentueller Anteil der unselbständig beschäftigten Menschen in Österreich eine andere Staatsbürgerschaft besitzen darf; nämlich exakt neun Prozent. Das zweite legt fest, dass freie Stellen nicht an einen ausländischen Menschen vergeben werden dürfen, wenn sich irgendein österreichischer oder ein „am Arbeitsmarkt bereits verfügbarer Ausländer“ findet, der sie übernehmen kann. Der Neuzugang zum Arbeitsmarkt war daher schon bisher schwierig, mit dem neuen Gesetz ist jedoch eine weitere Verschärfung der Lage ausländischer Arbeitswilliger geschaffen worden, da einerseits Menschen, die sich bisher in Österreich aufhalten aber nicht arbeiten durften und dies nun dauerhaft tun wollen oder müssen, wie etwa Angehörige von hier arbeitenden MigrantInnen, neu einreisenden Menschen gleichgestellt sind. Diese können jedoch nur unter den Bedingungen für die berüchtigten Schlüsselarbeitskräfte ins Land: mindestens 2000 Euro Lohn und eine besondere Bedeutung der Beschäftigung. Abgesehen davon, dass dadurch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen hergestellt wird, da auch in höheren Positionen ihr Lohn oft unter dem von Männern liegt, ist eines klar: Menschen für Jobs mit niedrigsten Anforderungen, die von ÖsterreicherInnen nicht angenommen werden und bei denen ein Arbeitskräftemangel besteht, werden so nicht gefunden. Aber dafür hat das Ministerium einen anderen Weg gefunden: die Saisoniers, die für zwei Mal sechs Monate ins Land dürfen, um es dann wieder für zwei Monate zu verlassen. Selbst nach mehreren Jahren ist es für sie nicht möglich, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen, Sozialleistungen zu beziehen oder die Familie in das „kinderfreundlichste Land“ nachzuholen. Die eine Zeit lang auch von Konservativen propagierte Überlegung, Migration doch als „bevölkerungspolitischen und wirtschaftlichen Faktor“ zu sehen, wurde durch die rassistische „Grenzen-dicht-Politik“ und die Aberkennung sämtlicher Rechte ersetzt.
Einige Bemerkungen hier noch zum eben erst veröffentlichten Entwurf zur Novelle des Asylgesetzes: Eine der haarsträubendsten Bestimmungen ist das sogenannte Neuerungsverbot. Die Befürchtung der Flüchtlingsorganisationen war, dass es in Ausnahmefällen nicht möglich sein wird, in der zweiten Instanz, also bei einer neuerlichen Überprüfung des Asylantrages durch eine Oberbehörde, auf Sachverhalte hinzuweisen, die davor noch nicht genannt worden sind. Nun ist es aber oftmals so, dass aufgrund der psychischen Belastung, der ein/e Asylwerber/in vor und während seiner Flucht sowie bei der Einvernahme vor der Asylbehörde ausgesetzt ist und der mangelnden Kenntnis der Verfahrensbestimmungen, relevante Fakten erst in einem zweiten Durchgang als solche auch wahrgenommen werden. Diese den Behörden mitzuteilen, soll durch das Neuerungsverbot von nun an verunmöglicht werden, jedoch nicht erst in der zweiten Instanz sondern auch bei einer wiederholten Einvernahme vor der unteren Behörde und nicht nur in Ausnahmefällen sondern in jedem einzelnen! Das bedeutet, dass es auf eine einzige Aussage ankommen wird, ob jemand die Behörden von seinen Fluchtgründen überzeugen kann oder nicht. Somit ist das auf gesetzlichem Weg erreicht, was die Beamten davor durch die Umsetzung an sich guter Bestimmungen ermöglicht haben: Die Gewährung des Flüchtlingsstatus wird von der Laune und Tagesverfassung aller Beteiligten abhängen und nur unter optimalen Bedingungen möglich sein und das in der NGO-Szene verbreitete Wort, dass nur denen geglaubt wird, die mit dem Kopf unterm Arm nach Österreich kommen, Realität.
Ich muss mich hier eigentlich korrigieren, wenn ich vorher von migrationspolitischen Fehlern gesprochen habe, denn genau besehen kann von einer Berücksichtigung migrationspolitischer Aspekte mittlerweile wohl kaum mehr die Rede sein. Was bleibt denn übrig von einem Bündel von Maßnahmen, die darauf hinaus führen, dass Interessen oder Rechte von Migrantinnen systematisch unberücksichtigt bleiben? Es reicht ja nicht einmal, wenn der Oberste Gerichtshof die klare Entscheidung trifft, dass der Staat die Grundversorgung von Asylwerbern nicht karitativen Organisationen überlassen darf. Noch weniger darf er sich aussuchen, wen er betreut — aufgrund einer gleichheitswidrigen Richtlinie, die den Prozentsatz der Untergebrachten von 33 auf 19 verringert hat. Die vorläufige Reaktion aus der Herrengasse ist, man werde sich das anschauen. Es ist aber nicht nur so, dass eine ehemals die Grundsätze der Volkspartei verkörpernde Organisation wie die Caritas gemeinsam mit den anderen Flüchtlingsorganisationen über die Grenzen ihrer Kapazitäten hinausgetrieben wird, sondern es ist Ausdruck des Abrückens des Parteiobmanns Schüssel von „katholischer Soziallehre“ in Richtung einer straffen Organisation der Einflussbereiche — von der Partei bis zu den Ministerien und den im Umfeld angesiedelten Vereinen, bei der Strasser der vielleicht beste Schüler seines Chefs ist. Das beginnt dort, wo eine dem Europarecht entsprechend explizit als unabhängig konzipierte Behörde wie der Bundesasylsenat unter direkte (personelle und finanzielle) Kontrolle des Ministeriums gestellt wird. Das setzt sich dort fort, wo Projekten, die von der EU gefordert und gefördert werden, wie den sogenannten Clearingstellen, die die Unterbringung und psychologische Versorgung von ohne Bezugspersonen nach Österreich geflohenen Minderjährigen erstmals sichern sollen, nur auf ein Jahr oder manchmal auch nur eineinhalb Monate eine Finanzierung zugesprochen wird und die Bewilligung von den Behörden abhängig ist, deren Arbeitsaufwand durch die rechtliche und psychologische Unterstützung der Jugendlichen vervielfacht wird. Seinen ultimativen Ausdruck findet das neokonservative Programm dort, wo den seit Jahren mit Aufgaben wie der Rückkehrberatung und der Schubhaftbetreuung vertrauten Flüchtlingsorganisationen kurzerhand das Geld und die Erlaubnis dafür genommen wird und im Dunstkreis des Ministeriums neue gegründet werden, deren MitarbeiterInnen mit dem österreichischen Recht nicht vertraut und unerfahren sind, bloß weil von ihnen Widerstand nicht zu erwarten ist. Das war also gemeint mit „Neu Regieren“.