Streifzüge, Heft 76
August
2019
2000 abwärts

Lackierte Kampfhunde

Wenn die männliche Ehre auf dem Spiel steht, ist alles andere egal! Um eine Kränkung abzuwehren, wird notfalls sogar der eigene Untergang in Kauf genommen. Wie gewisse Hunde keine Tiere, sondern das nach außen verlegte Aggressionspotenzial ihrer Besitzer sind, so sind gewisse Autos keine Fortbewegungsmittel, sondern lackierte Kampfhunde, die ihre Fahrer aufeinander loslassen. Es sind männliche Selbstwertprothesen, die das schwächelnde männliche Selbstgefühl aufmöbeln. Die Kraft der Motoren entscheidet über den Status: je stärker und lauter, desto männlicher. Statt die Motorengeräusche zu dämpfen, werden sie durch Soundgeneratoren mutwillig verstärkt. Solche Autos fungieren als Viagra des männlichen Stolzes.

Das Automobil erfüllt wie der Fußball in unserer Gesellschaft eine wichtige sozialpsychologische Funktion: die gestaute Wut derer loszulassen, die in einem Universum permanenter Verteidigung und Aggression leben müssen und in Unmündigkeit und Ohnmacht gefangen sind. So entwickelt sich der Straßenverkehr mehr und mehr zu einer Form des Krieges. Nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation fallen diesem Krieg weltweit jährlich 1,25 Millionen Menschen zum Opfer.

Der steigende Absatz von Geländewagen, SUVs und Pick-ups zeugt auch hierzulande davon, dass auf den Straßen Krieg herrscht. Jeder macht sich zum Kommandanten seiner eigenen rollenden Festung. Wie in jedem Krieg, gibt es auch in diesem Leute, die gut an ihm verdienen. Wenn es wahr ist, „dass man eine Nation erst dann wirklich kennt, wenn man in ihren Gefängnissen gewesen ist“, wie Nelson Mandela gesagt hat, so könnte man auch den Straßenverkehr als Gradmesser dafür nehmen, wie es um die Zivilisiertheit einer Gesellschaft bestellt ist. Wir sind Zeugen einer gigantischen Auto-Mobilmachung.

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