Modelle europäischer Sicherheitspolitik
Braumüller, ÖIIP, Wien 1997, 158 S, öS 275,—
Heinz Gärtner hat mit seinem eben erschienenen Buch „Modelle europäischer Sicherheit“ eine sehr gute Einführung zum Thema vorgelegt. Darüberhinaus liefert er auch einen Einblick in die angloamerikanische Schule der „Theorie internationaler Beziehungen“: Unprätentiös, verständlich und in einem interessanten theoretisch und empirisch belegten Konzept stellt Gärtner 14 Sicherheitspolitik-Modelle vor und diskutiert sie im europäischen Kontext. Da findet sich weder völkerrechtlicher Nebel, noch hat es der Politikwissenschaftler nötig, durch besonders unverständliche Expertise zu glänzen und damit die unwägbaren Entwicklungen, mit einem Gestus des abgehobenen Herrschaftsdiksurses zusätzlich zu verschleiern. Die Modelle, die er diskutiert, sind zum einen Teil wissenschaftlich entwickelte Modelle, zum anderen Teil wurden sie aus der politischen Praxis abgeleitet. Aber gerade in den Sozialwissenschaften ist diese Vorgangsweise erhellend, haben diese doch eine Stellung zwischen Beratung, Politik sowie Analyse und Forschung.
In dem Buch findet sich der Nachweis, daß sich Österreich durch die Anerkennung der Petersberger Erklärung bereits dem Prinzip der nuklearen Abschreckung, so wie sie auch in der Westeuropäischen Union verfolgt wird, angeschlossen hat. An anderer Stelle kann auf wenigen Seiten die Idee der sogenannten „Frieden und Demokratie“- These in ihrer Substanz, aber auch mit ihrem empirischen Beleg (sowie mit einer kurzen Kritik) nachgelesen werden. Sie besagt, daß in den letzten beiden Jahrhunderten praktisch fast kein Krieg zwischen demokratischen Systemen geführt wurde.
Bleibt noch die Frage nach der Antwort Gärtners auf den Untertitel seines Buches: Wie entscheidet Österreich? Im Vorwort des regierenden Kanzlers Viktor Klima heißt es: „Heinz Gärtner demonstriert in dem Buch auch, daß es nach dem Ende des kalten Krieges nicht nur eine oder zwei, sondern mehrere sicherheitspolitische Optionen gibt.“ Die Schlußfolgerungen Gärnters dürften also für den „sicherheitspolitischen Optionenbericht“ der Bundesregierung über die Zukunft der Neutralität nicht ganz unerheblich sein. Und der Universitätsdozent geht eindeutig in eine Richtung. Die Neutralität möge zu einer „politischen“ weiterentwickelt werden oder andersrum: Der Gehalt der immerwährenden Neutralität möge ganz wesentlich reduziert werden. Es reicht, wenn sich Österreich in Zukunft von Fall zu Fall entscheidet, ob es an Aktionen der NATO, der WEU, oder an einer anderen Koalition bei Militärinterventionen beteiligen will. Das neutralitätsrechtlich begründete Verbot — der Stationierung fremder Truppen im Land und der Teilnahme eigener Soldaten an Aktionen in Kriegen auch anderswo — aufrechtzuerhalten, scheint Gärtner überfällig und in der Gegenwart nicht mehr sinnvoll. Wenn selbst dieser recht eindeutige Rat in Richtung Reduktion der Neutralität auf ihren Kernbestand und Integration in die Partnerschaftsorganisation der NATO von Viktor Klima nur als eine von mehreren Optionen verstanden wird, dann läßt dies für die Zukunft der Neutralität, so wie sie von der SPÖ heute noch verteidigt wird, nichts Gutes erahnen. Nichtsdestotrotz ist „Modelle europäischer Sicherheit“ für Interessierte wesentlich spannender zu lesen, als der Titel verspricht.