FORVM, No. 430/431
November
1989

Mutmaßungen über die Familie Salm
Oder:
War Graf Bobby wirklich jüdischer Abstammung

Bekanntlich wird der hebräische Buchstabe Sch im Deutschen oft S. So wird aus Schabbat Sabbat, aus Jeschu Jesu[u]s, Jischai Isai und aus Jeschajahu Jesaias. So kann aus Schalóm (sefardische Aussprache) zuerst einmal Schálom (aschkenasische = deutsche Aussprache) und daraus wieder Schalm = Schelm bzw. Salm werden. Der kleine Schalm wird ein Schalk.

Befassen wir uns nun mit dem „uralten deutschen Grafen- und Fürstenhaus“ Salm. Der Ahnherr dieses Geschlechtes war Graf Siegfried im Moselgau. Siegfried ist die richtige Übersetzung von Schalom. Schalom ist nämlich nicht einfach Friede, sondern ein Siegfrieden. Graf Siegfried lebte im 10. Jahrhundert. Über die Juden im Deutschland des 10. Jahrhunderts ist wenig bekannt. Jedenfalls waren sie mit den Christen völlig gleichberechtigt. Die Pogrome der Kreuzfahrer waren erst viel später.

Ein reicher Jude konnte sich in den Ardennen, einem deutschen Grenzgebiet, besonders wenn er dem Kaiser wertvolle Dienste geleistet hatte, als Großgrundbesitzer festsetzen. Kein Mensch weiß, wann und wie die Familie Salm den Grafentitel erworben hat. Man kann annehmen, daß die Salms sich im 15. Jahrhundert diesen Titel selbst zugelegt haben. Kaiser Maximilian der I. erwarb 1477 Burgund. Wenn ihn dabei eine so reiche Familie wie die der Salms unterstützte, konnte er ohne weiters ein Auge zudrücken und die eigenmächtige Vergrafung der Salms zulassen.

Vorher gab es aber noch ein interessantes Zwischenspiel. Der erste bezeugte Jude in Wien war bekanntlich der Münzmeister Schalom. Schalom ist gleich Salm. Schalom oder Schlom lebte zur Zeit des Babenbergerherzogs Leopold V., des Eroberers von Akkon und Gefangennehmers von Richard Löwenherz. Während der Vorbereitungen zum 3. Kreuzzug, in dem sich Leopold so auszeichnen sollte, gab es aber ein kleines Pogromerl in Wien, bei dem leider der Münzjude Schlom umgebracht wurde. Es gab nämlich anläßlich dieses Kreuzzuges nicht nur die furchtbaren Pogrome in England. Wie Leopold selbst über diese Dinge dachte, weiß man nicht. Einerseits waren die Babenberger ja große Judenfreunde, andererseits war beidem Münzjuden sicher viel Geld, und das konnte man für die Vorbereitungen des 3. Kreuzzuges gut brauchen ... Schalom wird um das Jahr 1188 ermordet worden sein. Es blieben aber noch viele Salms-Schaloms in den Ardennen zurück.

Das älteste Haus der Salms erlosch im Jahre 1475 im Mannesstamm. Für Juden ist aber der Frauenstamm maßgebend und das bis heute. Es vermählte sich also der Rheingraf Friedrich von Daun mit der Gräfin Franziska von Salm, bekam als Mitgift die reichen und sehr zahlreichen salmischen Güter und wurde Graf von Salm. Eine andere Linie des Hauses Salm waren die Niedersalms. Auch diese erloschen im Mannesstamm, und zwar im Jahre 1416. Da heiratete dann die letzte Salm den Grafen von Reiffenscheidt.

Graf Reiffenscheidt gehörte zu den ältesten Grafenfamilien Deutschlands, daher nannte er sich Altgraf. Der nächste bedeutende Salm ist dann Niklas Altgraf von Salm-Reifferscheidt, der Verteidiger Wiens gegen die Türken 1529. Niklas wurde in den Ardennen geboren. Er fiel im Jahre 1510 bei Kaiser Karl V. in Ungnade, rehabilitierte sich aber glänzend in der Schlacht von Pavia 1525. Wie in der Gobelingalerie des königlichen Schlosses in Neapel genau zu sehen ist, holte er sich in dieser Schlacht den französischen König Franz I. mitten aus dem Schlachtgetümmel heraus und nahm ihn für den Kaiser gefangen. Damit war die Schlacht und eigentlich noch viel mehr gewonnen. Kein Wunder, daß Kaiser Ferdinand ihn später mit der Verteidigung Wiens betraute. Leider wurde er beim letzten Hauptsturm schwer verwundet. Nichtsdestoweniger fiel er noch in das damals türkische Ungarn ein. Er hatte aber keinen Bankier Oppenheimer hinter sich wie 150 Jahre später Prinz Eugen. Daher mußte er sich bald wegen Geldmangels zurückziehen. Von seiner Verletzung vor Wien genas er nie ganz, sondern starb schließlich, siebzigjährig, nach weiteren 11 Jahren.

Die Altgrafen Salm aber blieben ein wichtiges, reiches Geschlecht, sehr wichtg für die österreichischen Habsburger. Zu den ursprünglichen lothringischen Besitztümern kamen später die mährischen mit den berühmten Fischteichen in der Nähe von Blansko.

Kaiser Josef II. schenkte bekanntlich den Wienern den Prater und den Augarten. Das Palais im Augarten, das heute die Sängerknaben beherbergt, übergab er den Altgrafen Salm. In den kaiserlichen Archiven stand alles. Josef II. kannte also noch viel genauer als ich heute den jüdischen Background der Familie Salm-Schalm. So wurden die Altgrafen im damals schon beginnenden jüdischen Werd die Schutzherren der Juden. Wenn Juden ein großes Anliegen hatten, gingen sie viel später zu Kaiser Franz Josef I. oder aber zum Altgrafen Salm. Besonders war das der Fall, als Kaiser Franz Josef nicht mehr lebte und Kaiser Karl der Letzte aus Wien geflohen war. So ging meine Mutter im Jahre 1923 mit mir zur Altgräfın Salm und ersuchte sie, mir die Aufnahme in das stockkatholische Schottengymnasium zu ermöglichen. Meine Zeugnisse waren first class, aber Kaiser Karl versuchte damals gerade wieder einmal, in Ungarn Fuß zu fassen, und ich begann mit der Frau Altgräfin eine Diskussion über Karls Aussichten. Das war denn doch zu viel für die alte Dame. Ich war in ihren Augen ein freches Judenjüngel. So kam ich in die Judenschul, Bundesgymnasium Wien IX — glücklicherweise, ich hatte gar keine Lust, zu den Schotten zu gehen. Die Frau Altgräfın hatte einen Sohn, den Altgraf Robert Salm-Reifferscheidt, damals ein bekannter Spitzentennisspieler. Er vertrat Österreich wiederholt, wenn auch erfolglos, in den Davis-Cupspielen. Dieser Altgraf Robert Salm war identisch mit dem Altgrafen Bobby.

Aus dieser Untersuchung geht hervor, daß der Altgraf Bobby tatsächlich von jüdischer Abstammung war. Die Familie Salm selbst war riesig groß und hatte x Linien. Es kann daher über sie nur Mutmaßungen geben. Diese selbst sind aber sehr interessant und es ist ziemlich klar, daß nicht nur die Familie Esterházy, wie ich an anderer Stelle bewiesen habe, [*] sondern auch die Familie Salm jüdischen Ursprungs ist.

Quellen

  • Meyers Großes Konversationslexikon, Leipzig/Wien 19056
  • Graetz: Volkstümliche Geschichten der Juden, Wien/Berlin, 10. Auflage o.J. (1. Auflage 1888)
  • Kugler: Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart 1891
  • Prawer: A history of the latin Kingdom of Jerusalem, Bialik Institut 1971
  • Kalisch: Autobiographische Notizen, unvollendet

[*Erez Alpenland. FORVM April/Mai 1983, Seite 15

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)