FORVM, No. 305/306
Mai
1979

Sonne lacht

Wie wir unsere Energieprobleme lösen können

Zuviel Energie?

Wenn von Sonnenenergie die Rede ist, werden meist sofort zwei Fragen gestellt: Was kostet sie, und wie rasch kann sie verwirklicht werden? Und wenn die Antwort lautet: Sie kostet heute noch mehr als Öl, und es werden auch im günstigsten Fall Jahrzehnte vergehen, ehe ein nennenswerter Teil des gesamten Energiebedarfs durch Sonnenenergie gedeckt werden kann, ist das Thema für viele schon abgetan.

Es ist dieselbe Logik, mit der sich ein Vierzehnjähriger entschließt, Hilfsarbeiter zu werden, weil er damit sein Einkommen für die nächsten vier Jahre maximieren kann. Das Thema Sonnenenergie ist ein Beispiel dafür, daß der sogenannte „Fachmann“ heutzutage notwendigerweise zu falschen Schlußfolgerungen gelangen muß, solange er sich in seinem Denken nur innerhalb seines Gebietes bewegt. Für den Energiefachmann geht es um die Bereitstellung einer maximalen Menge von Energie zu minimalem Preis.

Aber auch in größerem Rahmen wird unter dem „Energieproblem“ der Menschheit nur der Mangel an Energie verstanden: Wir brauchen mehr Energie, um unseren Lebensstandard erhöhen zu können, um den weniger entwickelten Ländern zu einem höheren Lebensstandard zu verhelfen und um den nächsten 4 Milliarden Menschen zumindest denselben Lebensstandard gewähren zu können, wie ihn die heutigen 4 Milliarden Menschen genießen.

Demgegenüber hat Peter Chapman in seinem Buch „Fuel’s Paradise“ rundweg behauptet, das große Problem der Menschheit bestehe nicht darin, zuwenig Energie, sondern zuviel Energie zu haben.

Kann eine Feststellung richtig sein und zugleich ihr Gegenteil auch?

Versuchen wir einmal, das Energieproblem nicht nur kurzsichtig und kurzfristig zu sehen, sondern in einem sachlich wie zeitlich größeren Zusammenhang, d.h. als Teilproblem einer viel grundsätzlicheren Problematik, und über einen Zeithorizont, der die Relationen von heute übersteigt. Was für ein Teilproblem und auf kurze Sicht die richtige Lösung sein mag, muß deswegen noch lange nicht für das Gesamtproblem und auf lange Sicht die beste Lösung sein.

Heiß wird’s unter der Kohlendioxyd-Glocke

Zunächst: Energie kann niemals produziert, sondern nur aus einer Form in eine andere Form transformiert werden, wobei es meist zu unerwünschten Begleiterscheinungen kommt. Solange in früheren Zeiten jeder Bauer nicht mehr Holz zum Heizen und Kochen verbrannte, als in seinem Wald nachwuchs, war sein Mikrokosmos energetisch im Gleichgewicht. Die Änderung begann mit Abbau und Verbrennung von Kohle; in den letzten 40 Jahren hat die Menschheit mehr fossile Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) verbrannt als in ihrer gesamten vorherigen Geschichte — Energieträger, die immerhin Jahrmillionen zur Entstehung gebraucht haben.

Es gilt als einigermaßen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis, daß die weltweite Zunahme der Verbrennung fossiler Rohstoffe zu einer Anreicherung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führt. Es steht fest, daß der CO2-Zyklus, der sich zwischen Atmosphäre, Fauna und Meeren abspielt, Jahrmillionen hindurch insoferne im Gleichgewicht war, als die Kohlendioxyd-Konzentration der Atmosphäre unverändert durchschnittlich rund 300 ppm [Teilchen pro Million] betrug, in den letzten Jahrzehnten jedoch auf 340 ppm gestiegen ist und in weiteren 25 Jahren einen Wert von mindestens 400 ppm erreicht haben wird. Fest steht ferner, daß eine Rückkehr auf den vorindustriellen Stand von 300 ppm selbst bei einer totalen Einstellung der Verbrennung aller fossilen Rohstoffe einige Jahrtausende erfordern würde, daß der Mensch des 20. Jahrhunderts also in jene Faktoren, die den Wärmehaushalt der Erde bestimmen, in einem in historischen Zeiten irreversiblen Ausmaß eingreift, das überdies bereits den Einfluß kosmischer Veränderungen übersteigt. Diese weitere Erhöhung der CO2-Konzentration kann jedoch einen Treibhauseffekt bewirken, d.h. zu einer Zunahme der Temperatur an der Erdoberfläche führen.

Betrachten wir die CO2-Problematik in einem größeren Zusammenhang. Man muß zwischen Energie, die aus dem natürlichen Energiekreislauf abgezweigt wird (Energieeinkommen), und Energie, die eine Freisetzung von gespeicherter Energie darstellt (Energiekapital), unterscheiden. Insbesondere ist es nicht richtig, wenn behauptet wird, Kernenergie sei insoferne gleich ungefährlich wie Sonnenenergie, weil es in beiden Fällen zu keiner Freisetzung von CO2 kommt. Bei Kernenergie handelt es sich um eine Freisetzung von Energiemengen, die in den frühesten Entstehungszeiten unseres Planeten in den Atomen gespeichert wurden; Sonnenenergie wird jedoch immer wiederkehrend eingestrahlt, in verschiedener Weise durch ökologische Vorgänge transformiert und schließlich wieder ins All rückgestrahlt. Das Ergebnis dieser ausgeglichenen Energiebilanz ist unser irdisches Klima.

Werden nun zusätzlich zu dieser ausgeglichenen Energiebilenz weitere Energiemengen an der Erdoberfläche freigesetzt, so muß es (nach dem Stefan Boltzmannschen Gesetz) zu einer — dieser vermehrten Energiezufuhr entsprechenden — Temperaturerhöhung kommen, z.B. bei einer Erhöhung der Energiezufuhr an der Erdoberfläche um 1 Prozent zu einer Erwärmung um 0,7 Grad Celsius, und zwar gleichgültig, ob diese vermehrte Energiezufuhr durch Verbrennung fossiler Rohstoffe oder durch Freisetzung von Kernenergie bewirkt wird!

Eine Deckung des wachsenden Energiebedarfs der Menschheit ohne einseitige Beeinflussung der Ökosphäre ist also nur gewährleistet, wenn der Energiebedarf nicht durch Freisetzung von in früheren Erdzeitaltern gespeicherter Energie, sondern durch Ausnützung von ohnehin in den natürlichen Energiekreislauf einfließender Energie gedeckt wird.

Sonne in der Erde, im Ozean, in den Pflanzen

Hier liegt der ganz entscheidende Unterschied, der es dringend macht, zur Deckung eines steigenden Energiebedarfs einer wachsenden Menschheit im höchstmöglichen Ausmaß auf Energieeinkommen überzugehen. Energieeinkommen ist wiederum praktisch gleichzusetzen mit Sonnenenergie; sie begegnet uns in vielfältigster Form: Unmittelbar als Sonnenstrahlung, abgeleitet in der Energie des Windes, der Wellen und des fließenden Wassers, durch die Photosynthese umgesetzt im Wuchs der Pflanzen; nur bei der Gezeitenenergie spielt der Mond mit eine Rolle.

Umgekehrt ist aber nicht jede Nutzung der Sonnenenergie auch Nutzung von Energieeinkommen: Auch bezüglich der Nutzung der Sonnenenergie bleibt das entscheidende Kriterium erhalten, daß sie nur dann die globale Energiebilanz nicht beeinflußt, wenn es sich um eine Abzweigung ohnehin eingestrahlter Energie und nicht um das „Einfangen“ zusätzlicher Sonnenenergie handelt. Die Errichtung riesiger künstlicher Sonnensatelliten im All, von denen aus große Energiemengen mittels Mikrowellen oder Laserstrahlen zur Erdoberfläche transportiert werden könnten, ist daher schon aus diesem Grunde als grundsätzlich falscher Weg zu bezeichnen. Wenn man so will, ist schließlich auch jede Form von Energiekapital letztlich Sonnenenergie (Kohle, Erdöl, Erdgas, Erdwärme, auch Kernenergie).

Welche der Formen, in denen Sonnenenergie als Energieeinkommen, als zufließende Energie anfällt, lassen sich in großem Stil nutzen?

Geothermische Energie nimmt eine gewisse Sonderstellung zwischen Energieeinkommen und Energiekapital an: Wo die Wärme des Erdinneren in bevorzugten Gebieten direkt an die Erdoberfläche tritt (etwa in Island), wird sie längst genutzt und ist ihre Nutzung auch als ökologisch unschädlich zu bezeichnen; viel größere Vorsicht ist jedoch bei allen Projekten geboten, die sich mit einer künstlichen Nutzung der Geothermik befassen.

Das gilt für eine Ausnützung des Temperaturgradienten zwischen höheren und tieferen Schichten im Ozean; eine Energiegewinnung aus dem Ozean würde eine systematische Durchmischung höherer und tieferer Schichten bedeuten und damit ebenfalls einen einseitigen Eingriff in ein im Gleichgewicht befindliches ökologisches System darstellen, von dem wir noch viel zuwenig wissen.

Eine besondere Faszination übt die Photosynthese aus, die ingeniöse Bindung von Energie in organischer Substanz durch Spaltung des Wassermoleküls. So wäre die Vision eines Kraftwerkes denkbar, das nicht mit Kohle gespeist wird, sondern das inmitten eines ausgedehnten Waldes liegt, der mit schnell wachsenden Bäumen bepflanzt ist, wobei das Kraftwerk genau auf jene Kapazität ausgelegt ist, die dem alljährlichen Holzzuwachs entspricht, so daß die Energiebilanz ausgeglichen ist.

Der Nachteil liegt darin, daß der Wirkungsgrad der natürlichen Photosynthese sehr gering ist (wenige Zehntelprozent); der Wald müßte also sehr groß sein, würde viel Arbeit machen und eine intensive Bodennutzung erfordern, die ihrerseits wieder ökologische Probleme aufwerfen könnte, so daß dieses Konzept letztlich anderen Verwertungsmöglichkeiten der Sonnenenergie unterlegen bleiben dürfte.

Die Chancen einer synthetischen Simulation der Photosynthese sind heute noch nicht abschätzbar.

Wesentlich positiver zu beurteilen sind Wind-, Gezeiten- und Wellenenergie, allerdings beschränkt auf bestimmte Gegenden. So wurde etwa für Dänemark berechnet, daß die von entsprechend aerodynamisch konstruierten Windmühlen lieferbare Energie nicht teurer käme als Energie aus Kernkraftwerken, so daß deren geringere Umweltproblematik quasi als zusätzlicher Bonus unentgeltlich anfiele. Ein Gezeitenkraftwerk ist in Frankreich seit längerem in Betrieb. Überschlägige Berechnungen haben jedoch ergeben, daß mittels Wind und Gezeitenenergie weltweit nur rund 2 Prozent des heutigen Energiebedarfs gedeckt werden könnten.

Einen größeren Anteil könnte Wellenenergie erlangen, ein Forschungsgebiet, auf dem die allerersten Arbeiten in England erst begonnen haben; aber auch diese Energieform ist definitionsgemäß auf bestimmte Länder beschränkt.

Laßt Sonnenkollektoren blühn!

Damit kommen wir zur Sonnenenergie inunmittelbarer Form, als jene Sonnenstrahlung, die wir tagtäglich erleben, eine Energieform, auf die die Ökosphäre eingespielt ist, und die in so reichem Maße zur Verfügung steht, daß sie den heutigen Energiebedarf der Menschheit um ein Vieltausendfaches übersteigt. Allerdings ist die Sonnenenergie für die meisten Zwecke, für die der Mensch Energie benötigt, in unmittelbarer Form nicht brauchbar; sie ist diffus und unregelmäßig im Anfall, während der Mensch Energie konzentriert und regelmäßig braucht.

Man kann vier große Gruppen von Verwendungszwecken der Energie unterscheiden:

  1. Niedertemperaturwärme, das heißt Temperatur von weniger als 100° C, vornehmlich zur Raumheizung und Warmwasserbereitung;
  2. Hochtemperaturwärme von mehr als 100° C (zum Kochen, für industrielle Zwecke);
  3. Antriebskraft (in früheren Zeiten etwa das Mühlrad am Bach, heute jede Maschine);
  4. schließlich spezielle Zwecke, wie Telefon, Radio, Fernsehen, Rechenanlagen, medizinische Geräte, für die als Energieträger ausschließlich elektrische Energie in Frage kommt — Zwecke, die es vor der großtechnischen Nutzung der elektrischen Energie nicht gegeben hat.

Elektrizität ist die einzige Energieform, die für alle vier Hauptformen des Bedarfes verwendet werden kann; auch ist sie am Ort ihrer Verwendung frei von Abfällen und Schadstoffen jeder Art. Es nimmt daher nicht wunder, daß der Anteil der elektrischen Energie am gesamten Energieverbrauch in den letzten Jahrzehnten ständig gestiegen ist und zweifellos weiter steigen wird. Die Fragen der Nutzung der Sonnenenergie durch den Menschen konzentriert sich daher vornehmlich auf zwei Teilfragen:

Erstens, für welche Zwecke kann Sonnenenergie unmittelbar verwendet werden, und zweitens, wie kann Sonnenenergie in elektrische Energie umgewandelt werden, um damit jeder anderen Bedarfsform gerecht werden zu können?

Was die unmittelbare Nutzung der Sonnenenergie betrifft, kommt der Erzeugung von Niedertemperaturwärme eine dominierende Rolle zu. An den Dächern oder Südflächen von Häusern angebrachte Sonnenkollektoren kosten auch in unseren Breitegraden heute nicht mehr, als sie während ihrer Lebenszeit an Energiekosten einzusparen vermögen. Mehrere hundert solcher Sonnenhäuser, die auch in unseren Breiten bei entsprechender Bauweise bis zu zwei Drittel des gesamten jährlichen Energiebedarfs für Heizung und Warmwasserbereitung durch Sonnenenergie zu decken vermögen, stehen bereits in Betrieb. Diese Form der direkten Sonnenheizung hat auch eine wichtige soziale Komponente: Wenn tatsächlich ein erheblicher Teil der benötigten Heizenergie dezentral gewonnen werden kann, so bedeutet dies eine entsprechende Reduktion der Verwundbarkeit unseres heutigen Gesellschaftssystems.

Das verspiegelte Österreich

Dennoch wird es Jahrzehnte dauern, bis ein ins Gewicht fallender Anteil der gesamten Niedertemperaturwärme durch Sonnenenergie gedeckt werden wird. Eine Heizungsanlage, und noch mehr ein Haus, ist nämlich ein recht langlebiges Gut; solange nicht eklatante Preisunterschiede bestehen, wird man sich scheuen, kapitalintensive Veränderungen vorzunehmen. Denn wenn sich auch die erhöhte Bausumme amortisiert, sind zunächst die Mehrkosten erforderlich, und der Mensch unserer Zeit neigt nun einmal eher dazu, Kosten aus der Gegenwart in die Zukunft hinein abzuschieben, als in der Gegenwart aus der Zukunft zu antizipieren.

In Industrieländern entfällt heute aber nahezu die Hälfte des gesamten Primärenergiebedarfs auf Niedertemperaturwärme; für diese 50 Prozent ist also keine rasche Änderung zu erwarten. Um so größere Bedeutung kommt daher der zweiten Frage zu, ob und in welcher Weise Sonnenenergie in absehbarer Zeit zur Erzeugung von elektrischem Strom herangezogen werden kann. Unter der erklecklichen Zahl von Möglichkeiten seien im folgenden nur jene beiden Konzepte beschrieben, von denen es so aussieht, als ob das eine für die nähere, das andere für die fernere Zukunft entscheidende Bedeutung erlangen dürfte: Sonnenturm und Photovoltaische Stromerzeugung.

Für das Sonnenturmkonzept hat in Österreich insbesondere Norbert Weyss im Auftrage des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung einige grundlegende Arbeiten fertiggestellt. Auf einer entsprechend großen Fläche — optimal dürften 1,3 Quadratkilometer sein — stehen eine Anzahl von jeweils einige Quadratmeter großen verstellbaren Spiegeln, die ferngesteuert so nachgedreht werden, daß sie das auf sie einfallende Licht der Sonnenscheibe auf die Spitze eines Turmes reflektieren, der in der Mitte des Feldes steht. Um sich nicht gegenseitig zu beschatten, bedecken die nachdrehbaren Spiegel nur rund ein Drittel der Bodenfläche; zwei Drittel blieben also als Wiese oder als (nötigenfalls befahrbare) Wege erhalten.

An der Spitze des Turmes ist ein Absorptionsempfänger angebracht, in dem Wasserdampf mit ausreichend hohen Temperaturen und Druckwerten erzeugt wird. Am Fußende des Turmes befindet sich eine Turbinengruppe, die mit dem erzeugten Dampf gespeist wird. Ab Turmspitze folgt das Konzept also voll und ganz dem bewährten Konzept kalorischer Kraftwerke. Ein solches Feld von 1,3 Quadratkilometern würde in unseren Breiten eine Leistung von 50 Megawatt während jährlich rund 1.600 bis 2.000 Sonnenstunden erbringen können.

Die Errichtungskosten eines solchen Sonnenkraftwerks dürften zwar mindestens doppelt so hoch sein wie die eines kalorischen Kraftwerkes, die laufenden Kosten sind jedoch ungleich niedriger — der Brennstoff wird ja quasi frei Haus geliefert. Die rechnerische Wirtschaftlichkeit hängt also vom verwendeten Zinssatz ab, mit dem die Ersparnis von Brennstoffkosten in der Zukunft auf die Gegenwart abgezinst wird, oder umgekehrt ausgedrückt, davon, ob die Tilgungsraten für das zustätzlich aufzunehmende Investitionskapital die Differenz der laufenden Kosten übersteigen oder nicht.

Eine ganz präzise Aussage ist auch insoferne nicht möglich, als heute noch weder der Spiegelpreis bei Massenfertigung noch auf der anderen Seite die weitere Entwicklung der Ölpreise einigermaßen zutreffend abgeschätzt werden können. Es muß daher die summarische Feststellung genügen, daß auf diese Weise erzeugter Solarstrom nicht um Größenordnungen teurer käme als konventionell hergestellter Strom.

Sonnenfarm aus Weltraumzellen

Auf einem ganz anderen Prinzip beruht die photovoltaische Stromerzeugung. Der photovoltaische Effekt besteht darin, daß durch Lichtabsorption erzeugte freie elektrische Ladungsträger durch ein in einem Halbleiter eingebautes elektrisches Feld getrennt werden. Dies ist nicht nur mit verschiedenen Mineralien, sondern auch auf verschiedene Weise möglich, durch sogenannte p-n-Halbleiterübergänge oder durch Halbleiter-Metall-Kontakte (Schottky-Dioden). Die zugrundeliegenden physikalischen Vorgänge sind ziemlich kompliziert; für unsere Zwecke möge die Aussage genügen, daß eine solche Zelle durch ein Zusammenwirken hauchdünner Schichten einen Teil des auf sie einfallenden Lichtes in Gleichstrom verwandelt.

Unter einigen Dutzend inzwischen bekannten Halbleitern, die den gewünschten Effekt aufweisen, setzte sich ab 1960 die Siliziumzelle deshalb durch, weil sie nicht nur in der Verarbeitung unschädlich ist und ein Wirkungsgrad von über 10 Prozent erreicht werden konnte, sondern vor allem wegen ihrer außerordentlich hohen Stabilität. Eine solche Siliziumzelle ist auch in Jahrhunderten praktisch keiner Abnützung unterworfen; zur Stromversorgung von Weltraumsatelliten wurden in den letzten 15 Jahren daher nahezu ausschließlich Siliziumzellen herangezogen.

Gegenüber dem Sonnenturm hat die Sonnenzelle einige große Vorteile. Ihr großtechnischer Einsatz auf der Erdoberfläche könnte so aussehen, daß auf schräggestellten, starr montierten Platten eine entsprechende Zahl von einzelnen Zellen nebeneinander angebracht und zur Erzielung der erforderlichen Spannung in Serie geschaltet ist. Damit ist eine photovoltaische „Sonnenfarm“ — im Gegensatz zum Turmkonzept — von jeder Mindestfläche unabhängig; auf jedem noch so kleinen oder noch so unregelmäßigen Feld kann Solarstrom erzeugt werden. Zweitens setzt der photovoltaische Effekt nicht die Sichtbarkeit der Sonnenscheibe voraus, sondern vermag auch diffuses Licht zu verarbeiten. Drittens aber ist eine solche Sonnenfarm im Betrieb einfacher: Sie bedarf keines komplizierten Nachdrehmechanismus, sie hat keine sich drehenden Teile, daher gibt es auch keinen Maschinenstillstand. Sie ist das genügsamste Heinzelmännchen, das man sich vorstellen kann; sie nährt sich ausschließlich von Sonnenlicht und stellt praktisch keine Ansprüche. Damit bietet sich diese Technologie an sich auch für Entwicklungsländer an, in denen kein geschultes Betriebspersonal vorausgesetzt werden kann.

Allerdings waren die Kosten der photovoltaischen Stromerzeugung bis heute noch derart hoch, daß sie bisher nur für spezielle Anwendungsgebiete eingesetzt wurde, abgesehen von der Raumfahrt etwa für entlegene Leuchttürme, so daß das Sonnenturmkonzept zunächst noch den ersten Schritt darstellen dürfte. Es istjedoch heute schon abzusehen, daß die photovoltaische Stromerzeugung dem Sonnenturm letztlich den Rang ablaufen wird, und zwar, weil beim Sonnenturm keine wesentliche weitere Kostenreduktion zu erwarten ist, während in der Herstellung von Sonnenzellen noch große Kostensparreserven schlummern.

Die ersten monokristallinen Siliziumschichten mußten auf sehr aufwendige Weise händisch erzeugt werden. Auch beim inzwischen automatisierten Schneideverfahren monokristalliner Siliziumschichten betragen die Kosten immer noch 300.000 S/kW installierter Leistung, gegenüber rund 10.000 S/kW bei einem Kernkraftwerk. Der erste große Preisdurchbruch ergab sich, als es 1975 gelang, aus einer Schmelze dünne monokristalline Bänder beliebiger Länge zu ziehen, die dann nur noch zerschnitten zu werden brauchten. Alle Fachleute rechnen daher damit, daß die Kosten für Solarstrom auf photovoltaischer Basis noch innerhalb der nächsten zehn Jahre so gesenkt werden können, daß Solarstrom mit anderen Energieträgern unmittelbar konkurrenzfähig sein wird.

Der Kalorienbauer

Was den Landbedarf betrifft, so ist er bei photovoltaischer Stromerzeugung ziemlich genau gleich groß wie beim Sonnenturmkonzept. Und damit sind wir bei den beiden Haupteinwänden, die stets der Sonnenenergie gegenüber erhoben werden: beim hohen Landbedarf und dem unregelmäßigen Dargebot. Die beiden Aspekte gehören insofern zusammen, als erstaunlicherweise die Unregelmäßigkeit des Dargebots den Landbedarf verringert. Vereinfacht gesagt: Würde die Sonne nicht tagsüber stark und nächtens gar nicht scheinen, sondern statt dessen immerfort ein bißchen, dann wäre der Landbedarf größer!

Der Strombedarf schwankt nämlich zwischen Nacht und Tag, genauer: zwischen Grundlast und Spitzenlast, etwa im Verhältnis 1:2. Betrachtet man also den von einer Anzahl von Sonnenfarmen ins Netz gelieferten Strom nicht isoliert; sondern im Zusammenhang mit einer Reihe anderer bestehender Kraftwerke (und diese Betrachtungsweise ist zumindest für die nächsten 30 bis 50 Jahre realistisch), so kann man sagen, daß sich das solare Stromdargebot den Schwankungen der Bedarfskurve zwischen Tag und Nacht in günstiger Weise anpaßt (bzw. der Bedarf dem Sonnengang). Genauer: Wenn die Differenzen zwischen Solarstromdargebot und Bedarf mit Speicherkraftwerken ausgeglichen werden können, wie dies in Österreich der Fall ist, so kann eine erhebliche solare Kapazität erreicht werden, ohne daß dies zusätzlich Wasserkraftwerke erfordern würde. In einer sehr detaillierten Berechnung kam Norbert Weyss zum Ergebnis, daß der schon geplante Ausbau von Wasserkraftwerken in Österreich plus 840 Quadratkilometer Sonnenkraftwerke genügen müßten, um auch einen 4,3 mal so hohen Strombedarf wie heute zu decken.

840 Quadratkilometer! Auf den ersten Blick abschreckend viel. Man könnte es sich jetzt leicht machen und sagen, wenn wir keinen Einwand dagegen haben, daß die landwirtschaftliche Nutzfläche in Österreich 15.000 Quadratkilometer beansprucht, warum sollten nicht 5 Prozent davon anstatt zur Erzeugung von Weizen oder Wein zur Erzeugung von Sonnenenergie verwendet werden dürfen? Aber die Überlegung ist viel einfacher: In Österreich gibt es heute schon über 1.000 Quadratkilometer aufgegebenes Bauernland, Sozialbrache, abgesehen von den rund 11.000 Quadratkilometern Ödland. Die Berechnungen von Norbert Weyss besagen also, daß selbst bei mehr als vierfachem Strombedarf kein einziger Quadratmeter landwirtschaftlicher Nutzfläche umgewidmet zu werden braucht noch Ödland in Anspruch genommen werden müßte; die verfügbare Sozialbrache würde genügen.

Die Verwirklichung jeder Großtechnologie ist von Nebenerscheinungen begleitet, die meist unerwünscht sind. Bei Sonnenenergie scheint es umgekehrt zu sein: Je mehr man über sie nachdenkt, desto mehr Vorteile entdeckt man, die als „Nebenprodukt“ anfallen. Sozialbrache gibt es nur in Notstandsgebieten; eine Errichtung von Sonnenfarmen würde also einen wirtschaftlich wie sozial ausgleichenden Effekt haben und den Agglomerationstendenzen der Industriezonen entgegenwirken.

Sonnenkraftwerke schaffen also zusätzliche Einkommens- und Berufsmöglichkeiten gerade in jenen Gebieten, die einen solchen Ausgleich dringend nötig haben. Die Förderung dieser Gebiete würde sich dabei in doppelter Richtung ergeben: Zunächst einmal wäre es gar nicht erforderlich, daß die Elektrizitätsgesellschaften das benötigte Land kaufen; es würde genügen, es für die veranschlagte Lebensdauer des Kraftwerkes (mindestens 30 Jahre, eventuell für 99 Jahre) zu pachten. Damit wäre der weitere Vorteil gegeben, daß die ansonsten für, den Grunderwerb erforderlichen Kapitalien auf die gesamte Laufzeit umgelegt werden können. Wie hoch müßte der Pachtzins sein? Er bräuchte nur höher zu sein als das Einkommen, das der Landwirt derzeit aus dem Besitz seiner nicht mehr bewirtschafteten Felder bezieht, und dies ist Null. Mit anderen Worten: Jeder noch so niedrige Pachtzins würde die Einkommenssituation jener Gegend verbessern.

Zweitens aber würde der Betrieb dieser Kraftwerke (wie der Betrieb anderer Kraftwerke auch) ein gewisses Maß an Wartung erfordern, würde damit der einheimischen Bevölkerung eine weitere Berufs- und Einkommensmöglichkeit an Ort und Stelle bieten.

Autark, sauber & terrorfrei ...

Es wäre sogar noch ein weiterer Schritt denkbar: den Besitzer des Landes die photovoltaische Stromerzeugung in Eigenregie betreiben zu lassen. So wie der Landwirt Eigentümer seines Getreidefeldes ist und das abgeerntete Korn an die Genossenschaft verkauft, könnte der Landwirt nicht nur Eigentümer des Bodens bleiben, sondern auch Eigentümer der Heliostaten sein, der für die Lieferung des Stromes bis zum Rande des Feldes verantwortlich ist, von wo ab der Strom dann in die Verantwortung und das Eigentum der Elektrizitätsgesellschaft überginge. Die für den Bau der Kollektoren aufzuwendenden Kapitalien sind genau die gleichen, gleichgültig, ob diese in Form einer Anleihe der Elektrizitätsgesellschaft oder in Form eines vom Landwirt aufgenommenen Raiffeisenkredits aufgebracht werden. Hier bestünde also die Möglichkeit für eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Entscheidung, entweder einer dezentral eigenverantwortlichen oder aber einer zentralistischen Lösung den Vorzug zu geben.

Noch eine Zusatzbemerkung zum Landbedarf beim Sonnenkraftwerk auf Turmbasis, 1,3 Quadratkilometer pro Einheit: Wenn es stets möglich war, für einen Flugplatz, selbst in unmittelbarer Nähe von Großstädten, weit größere zusammenhängende Flächenstücke freizustellen, dann müßte wohl auch das Sonnenturmkonzept hier und dort realisierbar sein!

Weitere Vorteile:

Sonnenenergie ist frei von jeglicher schädlicher Nebenwirkung, es gibt keine Abgase, keine Schadstoffe, keine Rückstände. Sonnenenergie ist aber auch außerordentlich betriebssicher, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Gerade dadurch, daß sie sinnvoll nur dezentral in Einheiten von maximal 50 Megawatt gewonnen werden kann, ist ein auf Sonnenenergie beruhendes Versorgungssystem weit weniger störempfindlich als ein auf wenigen Kernkraftwerken aufgebautes System.

Fällt etwa — aus welchen Gründen immer — ein Kernkraftwerk von 1.300 Megawatt Leistung aus, so kann dies die Wirtschaft eines Landes in erheblich stärkerem Maße stören, als dies je für den Ausfall eines oder mehrerer Sonnenkraftwerke von 50 Megawatt der Fall wäre. Aber auch beabsichtigten Störungen gegenüber sind Sonnenkraftwerke unempfindlich. Eine Terroristengruppe, die vorgibt, eine fernzündbare Bombe in das Innere eines Kernkraftwerkes eingeschmuggelt zu haben, muß ernstgenommen werden — bei zwei Dutzend kleiner Sonnenkraftwerke oder mehreren hundert Sonnenfarmen würde sich die Terroristengruppe recht schwer tun. Damit würde Sonnenkraft wesentlich zur Verringerung der ohnehin bereits recht hohen Verwundbarkeit unseres heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems beitragen.

Diese Verringerung der Verwundbarkeit unseres Systems gilt aber auch international. Es findet viel zuwenig Beachtung, daß sich die westlichen Industrienationen energiepolitisch innerhalb der letzten 30 Jahre in eine Situation begeben haben, die mit keiner früheren vergleichbar ist. Vor einer Generation noch waren die meisten westeuropäischen Staaten energiepolitisch autark. Die forçierte Industrialisierung der letzten Jahrzehnte hat jedoch dazu geführt, daß die BRD heute zu 50 Prozent, Österreich zu 60 Prozent, die Schweiz zu 83 Prozent zur Deckung ihres Energiebedarfes auf Importe angewiesen sind.

Nur am Rande sei vermerkt, daß die Staaten des COMECON als Ganzes, ebenso auch China für sich allen genommen, autark geblieben sind und auch weiterhin autark bleiben dürften.

Sonst sterben unsre Erben den Wärmetod ...

Damit sind wir heute vom Wohlwollen der OPEC-Länder, morgen vielleicht vom Wohlwollen jener wenigen Länder, die als Lieferanten für Uran in Frage kommen, abhängig, und zwar nicht nur wirtschaftlich, indem wir alljährlich Milliarden für Energieimporte aufwenden müssen, sondern auch politisch. Würde jedoch an Stelle eines Ausbaues kalorischer Kraftwerke oder von Kernkraftwerken ein Ausbau der Solarenergiegewinnung forçiert, so würde sich jede Art von politischer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit von bestimmten Produzentenstaaten von Primärenergie im entsprechenden Ausmaß reduzieren, ganz zu schweigen von der Verbesserung unserer Außenhandelsbilanz durch Einsparung jener Milliarden, die wir heute für Energieimporte aufwenden müssen.

Es wären also nicht nur ökologische oder moralische Gründe, die eine Forçierung der Sonnenenergie fordern. Es sind handfeste wirtschaftspolitische Vorteile, deren auch nur überschlägige Quantifizierung klar erweisen würde, daß eine Subventionierung der Sonnenenergie, eine „Internationalisierung externer Effekte“ volkswirtschaftlich richtig wäre und damit die Sonnenenergie mit einem Schlage lukrativ machen würde.

Vor allem bedeutet aber die Nutzung der Sonnenenergie auch einen Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Ländern. Meist liegen ärmere Länder in sonnenreicheren Zonen. Da sie also von einer Nutzung der Sonnenenergie stärker profitieren können als die reichen, trägt diese Nutzung auch zur Verringerung des Wohlstandsgefälles bei, ohne auf unsere Kosten zu gehen.

So dringend es daher wäre, weltweit und in großem Stil die Nutzung der Sonnenenergie voranzutreiben, sei doch vor übergroßer Euphorie gewarnt: die Trägheit unserer Soziostruktur mit all ihren vielfältigen Verflechtungen ist außerordentlich groß; neue Erkenntnisse setzen sich nur sehr langsam durch. Wir können also nur eine relative Aussage machen: je später weltweit ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, Sonnenenergie in jeglicher Form großtechnisch zu nutzen, um so unwahrscheinlicher wird es, daß uns die Folgen der von Menschen verursachten ökologischen Probleme erspart bleiben.

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