FORVM, No. 325/326
Januar
1981

Von 500 Forint im Monat leben

Rede zur Eröffnung der Szeta-Ausstellung in Budapest

Meine lieben Freunde,

die Gelegenheit, die uns hier zusammengeführt hat, ist eine Prüfung für uns, die wir besser bestanden haben, als zu erwarten war (...)

Kaum je fand sich eine derart bedeutende Gruppe ungarischer Künstler und Kunsthandwerker zusammen, wie sie hier mit ihren Werken vertreten ist.

Sie haben eine Kommission gewählt, die kontrolliert, daß jeder Heller in die Hände der Armen gelangt, die von monatlich 500 oder 600 Forint leben müssen, kinderreiche Familien, für die es schon schwierig ist, einen Kochtopf, ein Paar Schuhe, ein Kleid zu erwerben.

Vielleicht stimmt das nicht überein mit dem Bild, das wir Ungarn uns von uns selbst machen, aber wie bei einem Gemälde die Farbe durchschimmern mag, die wir mit einer anderen zugedeckt haben, ist die Farbskala des Gesamtbildes auch hier erst echt, wenn alle Farben sichtbar werden.

Im letzten Kapitel des schönen Romans von Martin du Gard „Das alte Europa“ meditiert ein alter Mann darüber, welche Sicherheit es bringen kann, wenn die Menschen durch Institutionen und Apparate zentral versorgt werden. Wie er da in seinem kahlen Zimmer sitzt, kommt ihm der selbstquälerische Gedanke: was ist, wenn man eines Morgens meine Milchflasche vergißt? Das ist du Gards puritanische Metapher über diese komplizierte Frage. Keine Gesellschaft, so meine ich, kann auf freiwillige Verbesserungen verzichten. Nur so wird sie menschlich und frei.

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