FORVM, No. 195/II
März
1970

Wertlose Geschichte

Über ein Buch von Ernst Topitsch

Am jüngsten Buch von Ernst Topitsch [1] fällt auf, daß soziologische und methodologische Erwägungen fast gänzlich hinter Feststellungen zurücktreten, die sich ausführlich mit der menschlichen „Natur“ und mit dem tierischen Erbe beschäftigen, das in der psychophysischen Ausstattung der Menschen enthalten ist. Die Verschiebung vom Soziologischen aufs Anthropologische in Topitschs antimetaphysischer Strategie gehorcht nicht bloß dem modischen Trend zur Verhaltenswissenschaft — sie ist vom Thema des Buches motiviert, das lapidar der Untertitel bezeichnet: Zur Naturgeschichte der Illusion.

Als im Wesen illusionär gelten die Vorstellungen von Mythos und Metaphysik, und diesen verführerischen Illusionen stellt Topitsch gut positivistisch die handfesten Tatsachen gegenüber, die von den exakten Wissenschaften in kontrollierbaren Methoden erforscht werden. Die Geschichte der Menschheit stellt sich in dieser Perspektive als ein Schlachtfeld dar, auf dem die irrationale, metaphysische Komponente des menschlichen Intellekts seiner rationalen, positivistischen Komponente ein erbittertes Rückzugsgefecht liefert. Die Zähigkeit der metaphysischen Illusionen, die doch tagtäglich von Wissenschaft und Technik Lügen gestraft werden, kann Topitsch sich nicht anders als durch einen in der menschlichen Natur selbst verankerten Dualismus von Rationalität und Irrationalität erklären: „Ist es so, daß die moderne Wissenschaft und die von ihr bestimmten Lebenssituationen den Menschen dazu zwingen, ein ewiges und elementares Streben seiner Seele unbefriedigt zu lassen, und ihn dadurch zu dauernder innerer Not verurteilen?“ [2]

An dieser rhetorischen Frage sind mehrere Punkte interessant. Man darf sich durch die psychologistische Sprache, die vor erbaulichen Wendungen wie „innere Not“ nicht zurückzuckt, auf keinen Fall darüber täuschen lassen, daß Topitsch recht gut erkannt hat: die eigentlich methodologischen Probleme sind in der Kontroverse zwischen Wissenschaft und Metaphysik letztlich nicht entscheidend — hier steht, wie in allen philosophischen Fragen, ein geschichtsphilosophisches Problem zur Debatte. Ein Dialektiker wie Habermas hat daraus die Konsequenz gezogen, daß „die Methodologie als Erkenntnistheorie tieferliegende gattungsgeschichtliche Erfahrungen rekonstruiert und so zu einer neuen Stufe der Selbstreflexion im Bildungsprozeß der Gattung führt.“ [3] Topitsch kann das weder leugnen noch anerkennen. Überhaupt ist seine Stellung innerhalb der positivistischen Tradition darum interessant, weil sich in seinen Doktrinen das ungeklärte und zweideutige Verhältnis des Positivismus zur Geschichte am deutlichsten widerspiegelt.

Das Problem des logischen Positivismus war bekanntlich die Demarkationslinie zwischen Metaphysik und exakter Wissenschaft. Mit Hilfe eines „Sinnkriteriums“ sollte man zwischen (sinnvollen) wissenschaftlichen Sätzen und (sinnlosen) metaphysischen Sätzen unterscheiden können. Die Faszination, die der „Tractatus“ auf den Wiener Kreis ausübte, gründete in der Eleganz, mit der Wittgenstein den Monopolanspruch der Naturwissenschaften auf sinnvolle Sätze scheinbar nachwies; diese Eleganz ließ den ganz und gar metaphysischen Charakter des „Tractatus“ ignorieren, einer Schrift, die nicht in der Nachfolge von Bacons „Novum Organon“, sondern der „Monadologie“ von Leibniz steht. [4] Das Sinnkriterium erwies sich als eine metaphysische Konstruktion. Die Definition der Wissenschaft im Positivismus hängt nämlich von der Abgrenzung durch die Metaphysik ab, die ihrerseits nur durch die Abgrenzung von der Wissenschaft definiert werden kann — der Prototyp eines essentialistischen Zirkels.

Die Differenz von Wissenschaft und Metaphysik läßt sich logisch nicht definieren, weil sie geschichtlichen Ursprungs ist. Eine solche Einsicht muß Topitsch zu dem Versuch bewogen haben, die Grenze zwischen den beiden rivalisierenden Erkenntnistheorien mit Hilfe der Ideologiekritik zu ziehen, welche die Metaphysik als ideologischen Reflex gesellschaftlicher Interessen denunziert. „Es ist also das Bewußtwerden des Problemfeldes des ideologischen Denkens nur aus dem Gesamtablauf der intellektuellen und sozialen Entwicklung zu verstehen, in deren Rahmen es sich vollzogen hat, nämlich der Umwälzung, welche die Heraufkunft der modernen Wissenschaft und der industriellen Arbeitswelt für die Menschheitsgeschichte bedeutet.“ [5] Dies verwickelte Topitsch automatisch in die Problematik einer Geschichtsphilosophie, die lediglich zwei Wege offen ließ: entweder den der Geschichtsphilosophie oder die Geschichtsphilosophie in einer Art Fundamentalanthropologie aufzulösen. In seinem letzten Buch hat Topitsch den zweiten Weg gewählt, um nicht die absolute Geltung wissenschaftlicher Erkenntnis relativieren zu müssen.

Die absolute Geltung der exakten Wissenschaft war vorn älteren Positivismus, wie Comte ihn formulierte, naiverweise als die causa finalis in der Entwicklung des menschlichen Geistes bestimmt worden: ein vulgarisierter Hegelianismus, der nach den Kriterien des Neopositivismus einzig als „die pseudowissenschaftliche Propagierung des Erkenntnismonopols von Wissenschaft“ [6] gelten kann. Aber nachdem der Wiener Kreis einmal zwischen methodischen Standards und empirischen Tatsachen, analytischer Logik und inhaltlichen Aussagen, Formal- und Realwissenschaften unterschieden hatte, war die wissenschaftliche Methode nicht länger geschichtsphilosophisch legitimierbar: Geschichte selbst wird restlos in die Sphäre der empirischen Tatsachen verwiesen, denn die Exemtion der geschichtlich sich entwickelnden Gesellschaft aus dem Objektbereich der exakten Methode würde, nach dem Ausdruck Hans Alberts, eine „ontologische Lücke“ verursachen.

Indem der Neopositivismus geschichtliche Genesis und logische Geltung der analytischen Methode trennt, beseitigt er jeden Anspruch der Gesellschaltswissenschalten auf eine von der naturwissenschaftlichen verschiedene Methode. Die Gesellschaftswissenschaften haben sich methodologisch am Vorbild der erfolgreichen Naturwissenschaften zu orientieren und müssen sich in das Corpus einer systematischen Einheitswissenschaft einfügen. Topitsch hat seinerseits mit ideologiekritischen Argumenten gegen den methodischen Sonderstatus der Gesellschaftswissenschaften angekämpft: die Behauptung einer spezifisch geisteswissenschaftlichen Methode, wie sie zum erstenmal im Neukantianismus aufgestellt wurde, leitet er aus der idealistischen Metaphysik ab. In ihr wird die naturgesetzlich bestimmte „gewöhnliche“ Realität einer höheren, idealen Realität des reinen Geistes untergeordnet, in der die Naturgesetze nicht gelten sollen. Darin sieht Topitsch den universalen Wunsch der Menschen nach emotionaler Entlastung vom harten Druck der Realität und die Projizierung dieses Wunsches in eine fingierte Transzendenz: auf diesen gemeinsamen Nenner bringt er sowohl Platons Lehre von der Idee als auch Kants Begriff vom transzendentalen Subjekt [7] Der Gegensatz zwischen natur- und gesellschaftswissenschaftlicher Methode ist Topitsch zufolge bloß ein Derivat dieser mythisch-metaphysischen Tradition.

Habermas, dem dieser Gegensatz in freilich veränderter Form am Herzen liegt, hat gegen diese Argumentation eingewendet, „daß im Prinzip eine ideologiekritische Ableitung dieser Art die Konsequenz, die Topitsch aus ihr zieht, nicht tragen kann. Zwingend wäre sie nur unter Voraussetzung eines bestimmten Ideologiebegriffs: ihm zufolge müßten alle Aussagen, die nicht den positivistisch festgesetzten Bedingungen wissenschaftlicher Zuverlässigkeit genügen, für unsinnig erklärt werden. Damit würden wir aber implizit voraussetzen, was doch erst nachgewiesen werden soll: daß eine bestimmte methodologische Auffassung, die mit der positivistischen nicht übereinstimmt, falsch ist. Für jenen Ideologiebegriff ein Sinnlosigkeitskriterium aufzustellen, dürfte übrigens kaum weniger hoffnungslos sein, als es der gescheiterte Versuch, sich eines empiristischen Sinnkriteriums zu bemächtigen, gewesen ist.“ [8]

In der Einleitung zu seinem letzten Buch verwahrt sich Topitsch gegen diese Kritik: Niemals habe er mit Hilfe eines Sinnlosigkeitskriteriums die metaphysischen und mythologischen Lehren als sinnlos abfertigen wollen — im Gegenteil: „Weit entfernt davon, sinnlos zu sein, sind jene archaischen und doch noch immer so aktuellen Gedankengebilde vielmehr in ihrer Art geradezu geniale Formen der Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Situation in der Welt.“ [9] Topitsch vergißt hier seinen eigenen Begriff der „Leerformel“, der ja wohl eine Art Sinnlosigkeitsverdacht gegen Metaphysik ausdrückt; er vergißt, daß er in allen seinen Büchern die geistesgeschichtliche Ableitung und die ideologiekritische Denunzierung als Waffen gegen ihm unsympathische Theorien verwendet: am schärfsten im Hegel-Buch, [10] dessen Argumentation Hegels Philosophie einmal als „Heilslehre“ aus den orientalischen Staatsmythologien ableitet und dann als „Herrschaftsideologie“ des deutschen Imperialismus denunziert (im Eifer des Gefechts mißdeutet Topitsch sogar den Paragraphen 358 von Hegels Rechtsphilosophie). [11]

Daß Topitsch freilich über die Problematik seiner Methode sich nicht im klaren zu sein scheint, darauf deutet ein Widerspruch in seiner Ideologiekritik hin: einerseits schreibt er geistesgeschichtlichen Traditionen wie dem Hegelianismus die größte Bedeutung für die politische Entwicklung ganzer Völker zu, andererseits verdächtigt er eben diese Traditionen der Sinnleere, indem er ihnen Anhäufung von Leerformeln nachweist, die beliebig als Rechtfertigung von allen möglichen Gesellschaftsordnungen gebraucht werden können. Leerformeln aber sind die Slogans der demokratischen Wahlpropaganda von 1970 weit mehr als die Sätze der monarchistischen Rechtsphilosophie Hegels von 1821, die bei einem Leerformelcharakter niemals die von Topitsch so beklagte Wirkung hätte ausüben können. (Zumindest sind Leerformeln, aus denen jede politische Konsequenz gezogen werden kann, für keine Konsequenz verantwortlich.) In diesem Widerspruch reflektiert sich Topitschs ambivalentes Verhältnis zur Geschichte, das aus seiner paradoxen Intention entspringt, die geschichtsphilosophische Legitimierung des Positivismus à la Comte mit der geschichtsneutralen Methodologie des Neopositivismus zu verbinden.

Diese Paradoxie wird von Topitsch so aufgelöst, daß er implizit Geschichte als „Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Situation in der Welt“ zum Kriterium der Sinnleere macht. Metaphysik und Mythologie gelten als sinnlos, weil sie geschichtlich entstanden sind — insgeheim werden Geschichte und Metaphysik miteinander identifiziert, und darum möchte Topitsch gerne der methodologischen Reflexion entraten, die gerade nach neopositivistischen Kriterien seine ständige Verwechslung des Entstehungs- mit dem Geltungszusammenhang kritisieren müßte, [12] Verräterisch ist Topitschs Bestimmung der Ideologiekritik, welche „die Verfälschungen und Verzerrungen feststellen und ausschalten soll, die das menschliche Denken durch die sozialen Gegebenheiten erfährt.“ [13] Das Negative, Schädliche des gesellschaftlichen Einflusses auf das Denken wird in der Ideologiekritik Topitschs betont, aber jede positive Wirkung geleugnet. Zwar muß Topitsch zugeben, daß die exakten Naturwissenschaften der Neuzeit in einem Kontext sehr spezifischer gesellschaftlicher Umstände aufgetreten sind und daß ihre Existenz auch in Zukunft von gesellschaftlichen Bedingungen abhängig sein wird — dies motivierte ja seine Polemik gegen die studentische Opposition. [14] Dennoch hält Topitsch den geschichtlichen Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Gesellschaft für kontingent: für die Wissenschaft gilt also die Trennung von Entstehungs- und Geltungszusammenhang, für die Metaphysik jedoch nicht.

In seinen Analysen des kapitalistischen Produktionsprozesses wird Marx nicht müde, den Nachweis zu führen, daß die exakten Wissenschaften und ihre Technologie aus diesem Produktionsprozeß naturwüchsig entsprungen sind: „Mit der Entwicklung des Fabrikwesens und der sie begleitenden Umwälzung der Agrikultur dehnt sich nicht nur die Produktionsleiter in allen anderen Industriezweigen aus, sondern verändert sich auch ihr Charakter. Das Prinzip des Maschinenbetriebes, den Produktionsprozeß in seine konstituierenden Phasen zu analysieren und die so gegebenen Probleme durch Anwendung der Mechanik, Chemie usw., kurz der Naturwissenschaften zu lösen, wird überall bestimmend.“ [15] Marx zeigt auch, wie die verfeinerte Arbeitsteilung innerhalb der Fabrik zur scheinbaren Trennung zwischen Gesellschaft und Wissenschaft führt, die sich soziologisch in der akademischen Institutionalisierung der Wissenschaft und methodologisch in der Unterscheidung von Entstehungs- und Geltungszusammenhang spiegelt: „Es ist ein Produkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit, ihnen die geistigen Potenzen des materiellen Produktionsprozesses als fremdes Eigentum und sie beherrschende Macht gegenüberzustellen. Dieser Scheidungsprozeß beginnt in der einfachen Kooperation, wo der Kapitalist den einzelnen Arbeitern gegenüber die Einheit und den Willen des gesellschaftlichen Arbeitskörpers vertritt. Er entwickelt sich in der Manufaktur, die den Arbeiter zum Teilarbeiter verstümmelt. Er vollendet sich in der großen Industrie, welche die Wissenschaft als selbständige Produktionspotenz von der Arbeit trennt und in den Dienst des Kapitals preßt. Was die Teilarbeiter verlieren, konzentriert sich ihnen gegenüber im Kapital.“ [16]

In seinen ideologiekritischen Arbeiten vermeidet Topitsch ängstlich so fundamentale soziologische Begriffe wie „Kapitalismus“ und „Arbeitsteilung“: sie könnten die metaphysische Reinheit der Wissenschaft durch Kontamination mit gesellschaftlichen Verhältnissen besudeln. Metaphysisch im strengen Sinn ist der positivistische Wissenschaftsbegriff, weil er um jeden Preis den kontemplativen Charakter der Wissenschaft gegen die gesellschaftliche Praxis verteidigt, ohne zu bemerken, daß die wissenschaftliche Kontemplation lediglich ein von der Arbeitsteilung garantiertes Privileg ist. Wenn Topitsch zu Recht die Metaphysik als einen Versuch definiert, sich bloß geistig vom Druck der Realität zu befreien, dann ist nichts metaphysischer als die gegen Habermas gerichtete Formel Hans Alberts, „daß es Institutionen gibt, die ein selbständiges Interesse an der Erkenntnis objektiver Zusammenhänge stabilisieren, so daß in diesen Bereichen die Möglichkeit besteht, sich vom unmittelbaren Druck der alltäglichen Praxis zu emanzipieren.“ [17] Unter den gegenwärtigen Bedingungen werden Herrschaftsgremien, wie die Leitung eines Konzerns oder ein Generalstab, vermutlich in einem weit höheren Ausmaß vom unmittelbaren Druck der alltäglichen Praxis emanzipiert als ein durchschnittlicher Universitätsprofessor, ohne daß dies die Objektivität dieser Institutionen verbürgen könnte.

Der lästige Streit um die Werturteilsfreiheit ist damit entschieden. Werturteile müssen den wissenschaftlichen Resultaten nicht erst a fortiori oktroyiert werden, sie sind als „erkenntnisleitende Interessen“ in diesen Resultaten schon a priori enthalten. [18] Vor einem metaphysischen Selbstverständnis wird die Wissenschaft einzig durch den Begriff des erkenntnisleitenden Interesses bewahrt: in diesem methodologischen Begriff drückt sich die soziologische Tatsache aus, daß die Wissenschaft eine ökonomische Produktivkraft ist, die nicht in die fiktive Sphäre einer angeblich reinen Theorie, sondern in den Bereich der gesellschaftlichen Arbeitsprozesse gehört.

Weil von seiner metaphysischen Position aus Topitsch die Wissenschaft nicht als Produktivkraft erkennen kann, besitzt er keinen Maßstab zur Einschätzung ihrer gesellschaftlichen Funktion, die er durchaus übertreibt. Topitsch sieht die moderne Industriegesellschaft wesentlich durch die wissenschaftliche Rationalität bestimmt, während er jeglichen Widerstand gegen diese Gesellschaftsordnung — sei er nun reaktionärer oder revolutionärer Natur — als Relikt älterer intellektueller und sozialer Formationen verwirft. Damit begeht Topitsch, marxistisch gesprochen, den Fehler, die ökonomischen Produktivkräfte (von denen Wissenschaft ja nur ein Teil ist) aus ihrer Dialektik mit den Produktionsverhältnissen zu lösen, und dies wiederum gestattet es ihm, vom Zeitalter der rationalen Wissenschaft statt vom Zeitalter des Kapitalismus zu sprechen.

Von dieser Geschichtsphilosophie führt ein gerader Weg zu einer technokratischen Politik, die unter gesellschaftlicher Rationalität ausschließlich eine quantitative Steigerung der ökonomischen Produktion, die größere Effizienz der politischen Organisation und das Verschwinden der gesellschaftlichen Antagonismen versteht — eine Pedantokratie, deren dunkle Züge ein Liberaler wie John Stuart Mill bereits am älteren Positivismus erkannt hat. Topitschs Ideologiekritik stammt aus einer josefinischen Aufklärung, die unter Politik nie mehr als eine Summe von Verwaltungsmaßnahmen verstanden hat. Dies begünstigt die Regression auf Anthropologie: in der bürokratischen Perspektive sind die Menschen unverbesserlich schlecht, und daher muß an die Stelle der aufgeklärten Diskussion der administrative Eingriff treten.

[1Ernst Topitschh, Mythos — Philosophie — Politik, Zur Naturgeschichte der Illusion, Freiburg 1969.

[2Topitsch, l.c., p. 60.

[3Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt 1968, p. 262.

[4Interessant wäre ein systematischer Vergleich zwischen Wittgensteins „Elementarsätzen‘“ (Tractatus 5) und den Monaden bei Leibniz. Wittgensteins Behauptung, „Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst“, die einzige Definition dieses fundamentalen Begriffs im Tractatus, kann genausogut metaphysisch wie empiristisch aufgefaßt werden.

[5Ernst Topitsch, Sozialphilosophie zwischen Ideologie und Wissenschaft, Neuwied 1961, p. 17.

[6Jürgen Habermas, l.c., p. 9.

[7Ernst Topitsch, Mythos — Philosophie — Politik, pp. 20 f. und pp. 106 ff.

[8Jürgen Habermas, Zur Logik der Sozialwissenschaften, Sonderheft der Philosophischen Rundschau, Tübingen 1967, p. 27.

[9Ernst Topitsch, l.c., p. 9.

[10Ernst Topitsch, Die Sozialphilosophie Hegels als Heilslehre und Herrschaftsideologie, Neuwied 1967.

[11Im Paragraphen 358 von Hegels Rechtsphilosophie heißt es, daß „die Versöhnung als der innerhalb des Selbstbewußtseins und der Subjektivität erschienenen objektiven Wahrheit und Freiheit dem nordischen Prinzip der germanischen Völker zu vollführen übertragen wird“. Damit meint Hegel, daß die Verfassung des konstitutionellen Rechtsstaates, in dem die Ansprüche von Individuum und Staat balançiert sind, im nördlichen und westlichen Europa vorherrscht — auch heute noch eine nicht ganz falsche Behauptung. Topitsch macht daraus die antizipierende Rechtfertigung von Bismarcks preußischer Großmachtpolitik. Aber Hegel hat sich in der „Rechtsphilosophie“ mit außenpolitischen Problemen gar nicht beschäftigt. Gegen den französischen Imperialismus, den einzigen seiner Zeit, hat Hegel das ausgezeichnete Wort von „der Ohnmacht der Waffen“ gefunden und damit nicht die Ideologie, wohl aber das Schicksal des deutschen Imperialismus antizipiert. Topitsch stützt seine Diffamierung Hegels auf die Tatsache, daß ein Hegelianer Pressechef Bismarcks war, wie er überhaupt die Sünden der Hegelianer verschiedenster Observanz kumulativ auf Hegels Haupt kommen läßt.

[12„Zur Behandlung der meisten Aspekte des Ideologieproblems ist es allerdings nicht nötig, sich in subtile wissenschaftstheoretische Überlegungen einzulassen.“ Ernst Topitsch, Sozialphilosophie zwischen Ideologie und Wissenschaft, p. 29.

[13Ernst Topitsch, l.c., p 27.

[14Ernst Topitsch, Die Freiheit der Wissenschaft und der politische Auftrag der Universität, Neuwied 1968.

[15Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, Berlin: 1969, p. 485.

[16Karl Marx, l.c., p. 382.

[17Hans Albert, Der Mythos der totalen Vernunft, in: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Neuwied 1969, pp. 216 f.

[18Cf. Jürgen Habermas, Erkenntnis und Interesse, pp. 172 f.

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