Wertwandel in den Industrieländern
BERLIN — In der Bevölkerung. westlicher Industrieländer vollzieht sich ein Wandel in den Wertvorstellungen vom „Materialismus zum Postmaterialismus“. Lebensqualität, individuelle Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, Betonung einer gesunden Umwelt gewinnen gegenüber Einkommen, Vermögen und gesellschaftlicher Besitzsicherung an Bedeutung, berichtete der amerikanische Wissenschaftler Prof. Ronald F. Inglehart im Intemationalen Institut für Umwelt und Gesellschaft des Wissenschaftszentrums Berlin.
Dieser Wertwandel führe zu neuen politischen Konflikten, mit denen sich Umweltschutz-, Friedens-, Frauen-, Anti-Kernkraftbewegung befassen. Das traditionelle politische Spektrum „links-rechts“ treffe diese neuen Konfliktlinien nicht. Ingleharts These wird durch eine eigene Repräsentativ-Umfrage des Berliner Instituts bestätigt. Nach Aussagen der Berliner Wissenschaftler werde Umweltschutz von fast allen Bürgern der Bundesrepublik als eine der wichtigsten politischen Aufgaben angesehen.
Die Wege zur Lösung der Umweltprobleme seien jedoch strittig. 48 Prozent der Befragten setzen auf „Weiterentwicklung und Technik“, 43 Prozent fordern „Änderungen in den gesellschaftlichen Strukturen“. Die Polarisierung zwischen denen, die Umweltschutz durch technische Neuerungen und denen, die Umweltschutz durch politische Veränderungen realisieren wollen, habe sich in den letzten Jahren verstärkt. Umweltschutz werde nicht länger als Aufgabe von Experten und Technokraten angesehen. Er sei zum allgemeinen politischen Thema geworden und stehe im Zentrum politischer Auseinandersetzungen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen ferner einen Zusammenhang zwischen Umweltbewegung und Friedensbewegung: 58 Prozent befürworten beide Bewegungen, zehn Prozent lehnen beide ab. Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppierungen bestehen in bezug auf ihre umwelt- und gesellschaftspolitische Einstellung und ihrem Wahlverhalten.